Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9D_3/2024
Urteil vom 24. April 2024
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Gerichtsschreiber Kocher.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Kantonales Steueramt Zürich, Gruppe Bezugsdienste, Bändliweg 21, 8090 Zürich,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich und direkte Bundessteuer, Steuerperioden 2012-2018,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. Februar 2024 (SB.2024.00021, SB.2024.00022).
Erwägungen:
1.
1.1. A.________ (nachfolgend: die Steuerpflichtige) hat Wohnsitz in U.________/ZH. Am 30. Dezember 2022 ersuchte sie das Steueramt des Kantons Zürich um Erlass der rechtskräftig festgesetzten Nachsteuern, Zinsen, Bussen und Verfahrenskosten betreffend die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich und die direkte Bundessteuern der Steuerperioden 2012 bis 2018 im Gesamtbetrag von Fr. 15'056.55. Mit Entscheid vom 23. August 2023 wies das Steueramt das Gesuch ab, soweit es darauf eintrat. Die Begründung ging dahin, dass die Steuerpflichtige in den Steuerperioden 2012 bis 2018 Einkünfte und Vermögenswerte nicht deklariert und es unterlassen habe, Rücklagen für Steuern zu bilden.
1.2. Dagegen erhob die Steuerpflichtige am 26. September 2023 (Datum des Poststempels: 27. September 2023) Rekurs an die Finanzdirektion des Kantons Zürich. Dies führte zum Nichteintreten (Verfügung vom 11. Januar 2024). Die Finanzdirektion erwog, dass das Steueramt seinen Entscheid am 23. August 2023 per Einschreiben versandt habe. Gemäss elektronischer Sendungsverfolgung "Track & Trace" der Post CH AG sei die Zustellung am 25. August 2023 erfolgt, worauf die Rechtsmittelfrist am Montag, 25. September 2023 verstrichen sei. Mit der Postaufgabe am 27. September 2023 habe die Frist nicht gewahrt werden können. Trotz bescheinigter Arbeitsunfähigkeit von 100 Prozent bis zum 30. September 2023 sei die Steuerpflichtige offenkundig in der Lage gewesen, ihre Eingabe am 27. September 2023 einzureichen. Die Gründe für die angebliche krankheitsbedingte Verhinderung seien in unspezifischer Weise vorgetragen worden. Von einer Wiedereinsetzung in den früheren Stand sei abzusehen.
1.3. In der Folge gelangte die Steuerpflichtige an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, das die Rechtsmittel abwies, soweit darauf einzutreten war (Urteil SB.2024.00021 / SB.2024.00022 vom 16. Februar 2024). Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass die Zustellung rechtsgültig erfolgt und die Rechtsmittelerhebung verspätet erfolgt sei. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den früheren Stand lägen - trotz zweifellos belastender Umstände - nicht vor. Wie unter anderem der am 1. September 2023 von der Steuerpflichtigen erteilte Nachsendeauftrag belege, sei sie während ihres Aufenthalts im Kinderspital bzw. im Elternzimmer handlungsfähig gewesen. Insbesondere wäre es ihr möglich gewesen, fristwahrende Handlungen per Telefon in Auftrag zu geben. Die Hospitalisierung des Sohnes sei, gerade auch aufgrund seiner Krankheitsgeschichte, keineswegs unvorhersehbar gewesen. Dennoch habe die Steuerpflichtige sich nicht entsprechend organisiert. In der Sache selbst sei, so das Verwaltungsgericht abschliessend, zu bedenken, dass Nachsteuern und Bussen ohnehin nur in besonderen Ausnahmefällen erlassfähig seien.
1.4. Mit Eingabe vom 27. März 2024 erhebt die Steuerpflichtige beim Bundesgericht Beschwerde. Sie beantragt sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, die Rückweisung der Sache zur materiellen Beurteilung und Anordnung des Steuererlasses, wobei sie davon ausgeht, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliege. Sie macht eine unverschuldete ausserordentliche Lebenssituation geltend, was sie mit der schweren Krebserkrankung ihres vierjährigen Sohnes und dem Verlauf der Krankheit begründet. Seit dem Jahr 2022 habe sie daher keiner existenzsichernden Arbeit mehr nachgehen können. Da die Eingabe den Begründungsanforderungen nicht zu entsprechen schien, lud das Bundesgericht die Steuerpflichtige am 2. April 2024 ein, ihre Beschwerdeschrift innerhalb der Beschwerdefrist zu ergänzen. Die Steuerpflichtige reagiert mit fristgerechtem Schreiben vom 15. April 2024 und ergänzt, dass sie in ihren verfassungsmässigen Individualrechten dadurch verletzt sei, dass das Verwaltungsgericht seinen Entscheid getroffen habe, ohne die unterinstanzlichen Akten beizuziehen und ohne einen Schriftenwechsel zu veranlassen. Dadurch habe der Sachverhalt "nicht zuverlässig gewürdigt" werden können. Sie schildert eindringlich den Gesundheitszustand ihres Knaben und die dadurch hervorgerufene eigene Handlungsunfähigkeit.
2.
2.1. Im Bereich des Abgaberechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich gegeben (Art. 83 BGG e contrario). Anders verhält es sich insbesondere im Fall von angefochtenen Entscheiden über die Stundung oder den Erlass von Abgaben. Liegt ein derartiger Entscheid vor, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen, es sei denn, es liege eine doppelte Voraussetzung vor. So ist zum einen zu verlangen, dass ein Entscheid über den Erlass der direkten Bundessteuer oder der kantonalen oder kommunalen Einkommens- und Gewinnsteuer vorliegt und zum andern, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 83 lit. m BGG; BGE 149 II 462 E. 1.2.2).
2.2. Bei der
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung muss es sich um eine solche aus dem Bereich des Steuererlasses handeln (Urteil 9D_1/2023 vom 12. Januar 2023 E. 2.1). Dies trifft hier nicht zu: Die Steuerpflichtige strebt in erster Linie das Eintreten auf die Sache an, indem sie Gründe für das Wiedereinsetzen in den früheren Stand vorträgt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aus dem Bereich des Steuererlasses fehlt daher von vornherein. Was die nicht näher substanziierte Auffassung angeht, es liege
aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vor, überzeugt auch dies nicht: Im Bereich von Art. 83 lit. m BGG ist von einem besonders bedeutenden Fall (nur) auszugehen, wenn sich eine Frage stellt, die zwingend höchstrichterlich beurteilt werden muss. Ein besonders bedeutender Fall ist (nur) mit Zurückhaltung anzunehmen, wobei dem Bundesgericht bei der Beantwortung der Frage, ob diese Voraussetzung gegeben ist, ein weiter Ermessensspielraum zusteht (Botschaft vom 23. Oktober 2013 zum Steuererlassgesetz, BBl 2013 8435, insb. 8444 zu Art. 83 lit. m; BGE 143 II 459 E. 1.2.1). Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Institut des "besonders bedeutenden Falls" die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht bezweckt (allgemein dazu: BGE 145 IV 99 E. 1.2 mit Hinweisen). Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass der vorliegende Fall - der im Wesentlichen die Voraussetzungen der Wiederherstellung einer versäumten Frist betrifft - nicht als besonders bedeutend gelten kann, wenngleich die persönlichen Umstände zweifellos von grosser Tragik gezeichnet sind. Die Eingabe ist damit als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen.
2.3.
2.3.1. Mit einer subsidiären Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte gerügt werden (Art. 116 BGG; BGE 146 I 195 E. 1.2.1). Anders als im Fall des Bundesgesetzesrechts geht das Bundesgericht der Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (einschliesslich der Grundrechte) nur nach, falls und soweit eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet wird (qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit gemäss Art. 116 und 117 BGG ; BGE 149 I 109 E. 2.1; 149 III 81 E. 1.3). Die beschwerdeführende Person hat klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, dass und inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 149 III 81 E. 1.3). Fehlt es an einer derartigen Begründung, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (BGE 148 I 104 E. 1.5; Urteil 9D_2/2024 vom 14. März 2024 E. 2.2).
2.3.2. Vorliegend gehen die Erlassgründe aus Art. 167 ff. des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) bzw. § 183 ff. des Steuergesetzes (des Kantons Zürich) vom 8. Juni 1997 (StG/ZH; LS 631.1) hervor. In ständiger Praxis hat das Bundesgericht erwogen, die genannten Normen verliehen
keinen Anspruch auf Erlass der Steuer (zu Art. 167 ff. DBG: Urteil 9D_8/2023 vom 3. Oktober 2023 E. 2.3.1; zu § 183 ff. StG/ZH: Urteil 2D_34/2022 vom 12. Dezember 2022 E. 3.2.2). Demgemäss kann eine steuerpflichtige Person alleine durch die willkürliche Auslegung und/oder Anwendung des eidgenössischen und/oder kantonalen Erlassrechts und insbesondere die angeblich willkürliche Verweigerung des Steuererlasses in keinen rechtlich geschützten Interessen betroffen sein (Art. 115 lit. b BGG). Folglich ist sie auch nicht legitimiert, um im Erlasspunkt Willkürrügen vorzubringen (Urteil 9D_2/2024 vom 14. März 2024 E. 2.3.1; zum "Bewilligungsanspruch" als Voraussetzung von Art. 115 lit. b BGG: BGE 149 I 72 E. 3.1). Dasselbe trifft zu, wenn es um ein im Zusammenhang mit einem Erlassgesuch stehendes Gesuch um Fristwiederherstellung geht. Es herrscht das Prinzip der Einheit des Verfahrens (dazu Urteile 2D_50/2021 vom 9. Dezember 2021 E. 2.2; 2D_48/2020 vom 23. November 2020 E. 2.1).
2.3.3. Fehlt im Erlassverfahren ein rechtlich geschütztes Sachinteresse, weshalb eine angebliche materielle Rechtsverweigerung nicht gerügt werden kann, bleibt es der um Erlass nachsuchenden Person möglich, mit der Verfassungsbeschwerde diejenigen Rechte als verletzt zu rügen, deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Das erforderliche rechtlich geschützte Verfahrensinteresse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung der Partei, am Verfahren teilzunehmen und ihre Parteirechte auszuüben ("Star-Praxis"; BGE 149 I 72 E. 3.1). Unter diesem Titel kann etwa vorgebracht werden, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, die beschwerdeführende Person sei nicht angehört worden, sie habe keine Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen, oder die Akteneinsicht sei ihr verwehrt worden (BGE 114 Ia 307 E. 3c). Unzulässig sind dagegen Vorbringen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids hinauslaufen und die sich von der Beurteilung in der Sache nicht trennen lassen (BGE 146 IV 76 E. 2; Urteil 9D_2/2024 vom 14. März 2024 E. 2.3.2).
2.3.4. Die Steuerpflichtige beanstandet das vorinstanzliche Vorgehen unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 3 BV). Sie ist der Ansicht, dass die Vorinstanz insofern gehörsverletzend vorgegangen sei, als diese weder den Aktenbeizug noch den Schriftenwechsel angeordnet habe. Dadurch habe die Vorinstanz ein falsches Bild gewonnen und wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen. Die Kritik ist ausschliesslich appellatorischer Natur und zielt auf eine blosse Überprüfung in der Sache ab, was in diesem Zusammenhang ungenügend ist. Um gehört zu werden, wäre klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen gewesen, dass und inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen. Die aufgeworfene Frage wäre daher im Licht des Verfassungsrechts darzustellen gewesen. Der insofern bestehenden qualifizierten Rüge- und Begründungsobliegenheit lässt sich nicht genügen, wenn im wesentlichen nur die Behauptung einer Verfassungsverletzung in den Raum gestellt wird, ohne im Detail aufzuzeigen, dass und inwiefern der Gehörsanspruch verletzt sei. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass eine Laienbeschwerde vorliegt, weswegen die formellen Anforderungen praxisgemäss niedriger angesetzt werden (Urteil 9C_485/2023 vom 30. Oktober 2023 E. 2.3.2), kann der Eingabe keine verwertbare Auseinandersetzung mit der entscheidenden Verfassungsfrage entnommen werden.
2.4. Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die Beschwerde mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten ist, was durch einzelrichterlichen Entscheid des Abteilungspräsidenten im vereinfachten Verfahren zu geschehen hat (Art. 42 Abs. 2, Art. 113 und Art. 117 in Verbindung mit Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG).
3.
Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens grundsätzlich der Steuerpflichtigen aufzuerlegen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG ). Für diesen Fall ersucht diese für das bundesgerichtliche Verfahren um die Erteilung des Rechts zur unentgeltlichen Prozessführung. Mit Blick auf die in der Hauptsache gestellten aussichtslosen Rechtsbegehren ist das ohnehin unzureichend begründete Gesuch abzuweisen (Art. 29 Abs. 3 BV bzw. Art. 64 Abs. 1 BGG; BGE 142 III 138 E. 5.1). Die unentgeltliche Verbeiständung mit einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt muss sachlich geboten sein (BGE 149 I 57 E. 6.1; 135 I 1 E. 7.1) und kommt ebenso nur infrage, wenn die in der Hauptsache gestellten Anträge nicht aussichtslos sind (BGE 144 IV 299 E. 2.1; 141 III 560 E. 3.2.1; 130 I 180 E. 2.2). Auch dieses Gesuch ist abzuweisen. Dies alles kann einzelrichterlich erfolgen (Art. 64 Abs. 3 Satz 2 BGG). Dem Kanton Zürich ist keine Entschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt der Präsident:
1.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um Erteilung des Rechts zur unentgeltlichen Rechtspflege (unentgeltliche Prozessführung und unentgeltliche anwaltliche Verbeiständung) wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung mitgeteilt.
Luzern, 24. April 2024
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Parrino
Der Gerichtsschreiber: Kocher