Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_674/2024
Urteil vom 24. April 2025
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Viscione, Präsidentin,
Bundesrichterin Scherrer Reber, Bundesrichter Métral,
Gerichtsschreiber Walther.
Verfahrensbeteiligte
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard,
Beschwerdeführer,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Rechtsabteilung, Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung,
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 19. September 2024 (VBE.2024.117).
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1976, war als Bauarbeiter angestellt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 18. Januar 2021 fiel ihm eine Transportpalette auf den rechten Fuss, wobei er sich eine Bimalleolar-Luxationsfraktur zuzog. Die Suva anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses und erbrachte bis zum 31. Januar 2023 Heilbehandlungs- und Taggeldleistungen. Mit Verfügung vom 6. Dezember 2022 verneinte sie den Anspruch auf eine Invalidenrente und sprach A.________ aufgrund einer Integritätseinbusse von 15 % eine Integritätsentschädigung von Fr. 22'230.- zu. Auf Einsprache des Versicherten hin hielt die Suva an ihrer Verfügung fest (Einspracheentscheid vom 17. Januar 2024).
B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde mit Urteil vom 19. September 2024 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, die Suva sei unter Aufhebung des kantonalen Urteils zu verpflichten, ihm die gesetzlichen Versicherungsleistungen (Invalidenrente) auszurichten.
Das Bundesgericht holt die vorinstanzlichen Akten ein. Einen Schriftenwechsel führt es nicht durch.
Erwägungen:
1.
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 148 V 209 E. 2.2 mit Hinweis).
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG ).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie den Anspruch auf eine Invalidenrente verneint hat. Die von der Suva zugesprochene und von der Vorinstanz bestätigte Integritätsentschädigung wird vom Beschwerdeführer nicht beanstandet. Auf sie ist daher nicht weiter einzugehen (vgl. vorne E. 1.1).
3.
In medizinischer Hinsicht steht fest und ist letztinstanzlich unbestritten, dass der Beschwerdeführer aufgrund des Unfalls vom 18. Januar 2021 an chronischen Schmerzen des rechten Sprunggelenks leidet, weswegen ihm die bisherige Tätigkeit als Bauarbeiter nicht mehr zumutbar ist. In einer leidensangepassten leichten bis mittelschweren, wechselbelastenden Tätigkeit ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten, ohne Laufen auf unebenem Gelände, mit seltenem Treppensteigen, ohne Arbeiten in Zwangshaltungen wie Kauern oder Knien ist hingegen eine ganztägige Arbeitsfähigkeit gegeben. Hinsichtlich der erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens ermittelte das kantonale Gericht im Rahmen eines Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) zunächst anhand der Einkünfte des Beschwerdeführers in den fünf Jahren vor dem Unfall ein hypothetisch erzielbares Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen: BGE 144 I 103 E. 5.3; 134 V 322 E. 4.1) von Fr. 70'009.66. Das Einkommen mit Invalidität (Invalideneinkommen: BGE 143 V 295 E. 2.2) berechnete das kantonale Gericht gestützt auf die statistischen Werte der Lohnstrukturerhebung (LSE) 2020 des Bundesamts für Statistik (Tabelle TA1_tirage_skill_level, Kompetenzniveau 1, Männer, Total), was einen Lohn von Fr. 66'668.- ergab. Den vom Beschwerdeführer geltend gemachten leidensbedingten Abzug (zum Ganzen vgl. BGE 148 V 174 E. 6.3 mit Hinweisen) erachtete es als nicht gerechtfertigt. Der Vergleich der beiden Einkommen ergab eine Erwerbseinbusse von Fr. 3'341.66 und damit einen nach Art. 18 Abs. 1 UVG rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von rund 5 %.
4.
Der Beschwerdeführer rügt vor Bundesgericht einzig die Verweigerung eines leidensbedingten Abzugs vom Invalideneinkommen. Die Vorinstanz wäre zu einem Abzug von mindestens 10 % verpflichtet gewesen.
4.1. Wie bereits die Vorinstanz in allgemeiner Hinsicht dargelegt hat, ist bei der Ermittlung des Invalideneinkommens auf der Grundlage von statistischen Lohndaten, namentlich der LSE, der so erhobene Ausgangswert allenfalls zu kürzen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können und die versicherte Person je nach Ausprägung deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann. Der Abzug soll aber nicht automatisch erfolgen. Er ist unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen und darf 25 % nicht übersteigen (BGE 148 V 174 E. 6.3 mit Hinweisen).
4.2. Vor dem kantonalen Gericht hatte der Beschwerdeführer den leidensbedingten Abzug mit den qualitativen Einschränkungen seines Tätigkeitsprofils und den chronischen Schmerzen begründet. Das kantonale Gericht folgte dieser Argumentation unter Verweis auf verschiedene Urteile jedoch nicht. Es wies darauf hin, dass die gesundheitlichen Einschränkungen bereits bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und des Zumutbarkeitsprofils berücksichtigt worden seien und deshalb nach der Rechtsprechung nicht zu einem leidensbedingten Abzug führen könnten (vgl. BGE 148 V 174 E. 6.3 am Ende). Der anzuwendende Tabellenlohn des Kompetenzniveaus 1 basiere zudem auf einer Vielzahl geeigneter leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten, wobei auch die gesundheitsbedingte Unfähigkeit, körperlich schwere Arbeit zu verrichten, nicht automatisch zu einem leidensbedingten Abzug führe (vgl. Urteil 8C_799/2021 vom 3. März 2022 E. 4.3.2). Die einfachen und repetitiven Tätigkeiten des Kompetenzniveaus 1 erforderten zudem keine guten Sprachkenntnisse, kein besonderes Bildungsniveau (Urteil 8C_549/2019 vom 26. November 2019 E. 7.7) und keine Berufserfahrung (Urteil 8C_227/2018 vom 14. Juni 2018 E. 4.2.3.3 mit Hinweisen). Hilfsarbeiten würden auf dem massgebenden hypothetisch ausgeglichenen Arbeitsmarkt im Sinne von Art. 16 und Art. 7 Abs. 1 ATSG altersunabhängig nachgefragt (Urteile 9C_862/2017 vom 29. Juni 2018 E. 3.3.3; 8C_403/2017 vom 25. August 2017 E. 4.4.1 mit Hinweisen). Im Übrigen könne der Beschwerdeführer die ihm zumutbaren Tätigkeiten unter Einhaltung des Belastungsprofils ohne Leistungseinbusse vollzeitig ausüben. Insgesamt sei daher ein leidensbedingter Abzug vom Invalideneinkommen nicht gerechtfertigt.
4.3. Der Beschwerdeführer macht nun geltend, die Vorinstanz habe bei der Darstellung der allgemeinen Rechtsgrundlagen des Leidensabzugs unter anderem auf die Merkmale der Nationalität und der Aufenthaltskategorie hingewiesen. In ihrer Subsumtion habe sie diese jedoch nicht weiter thematisiert. Die Akten seien diesbezüglich lückenhaft. Aus unerfindlichen Gründen sei in der "Schadenmeldung UVG" die Rubrik "Staatsangehörigkeit" mit "Schweiz" ausgefüllt worden, was offensichtlich nicht zutreffe. Er sei Staatsbürger der Dominikanischen Republik, wie in der Eintrittsmeldung Spital B.________ vom 12. Juli 2021 richtig festgehalten worden sei. Weitere Anhaltspunkt dafür, dass er entgegen der Schadenmeldung nicht Schweizer Staatsbürger sein könne, seien die fehlenden Sprachkenntnisse, welche die Invalidenversicherung wiederholt zur Gewährung von Deutschkursen veranlasst hätten. Trotz dieser aktenkundigen Hinweise darauf, dass die mit der "Schadenmeldung UVG" angegebene schweizerische Staatsbürgerschaft nicht zutreffen könne, hätten die die Suva und die Vorinstanz die Nationalität und den Aufenthaltsstatus des Versicherten nicht abgeklärt. Damit sei der Sachverhalt unter Verletzung der gesetzlichen Ermittlungspflicht und damit von Bundesrecht unvollständig festgestellt worden. Aus den beigezogenen Akten der Arbeitslosenkasse ergebe sich, dass er im Zeitpunkt des Einspracheentscheids vom 17. Januar 2024 über eine Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) verfügt habe. Dieser Aufenthaltsstatus allein und insbesondere zusammen mit den vorliegenden chronischen Schmerzen indiziere einen Leidensabzug von mindestens 10 %. Die Vorinstanz habe daher mit der Verweigerung eines Leidensabzugs Bundesrecht verletzt.
4.4. Wie in der Beschwerde vorgebracht wird, sind die vorinstanzlichen Verfahrensakten in Bezug auf die Staatsangehörigkeit bei näherer Betrachtung widersprüchlich: Während in der "Schadenmeldung UVG" der Arbeitgeberin als Staatsangehörigkeit "Schweiz" angegeben ist, ist in der Eintrittsmeldung des Spitals B.________ im Feld "Heimatort" "Dominikanische Republik" eingetragen. Die Frage der Staatsangehörigkeit bzw. des Ausländerstatus wurde jedoch weder im Einspracheverfahren noch im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren thematisiert. Im letzteren hat der rechtskundig vertretene Beschwerdeführer, wie bereits erwähnt, den Leidensabzug einzig mit den gesundheitlichen Beeinträchtigungen begründet, und die Vorinstanz hat sich mit diesem Vorbringen eingehend auseinandergesetzt. Dass auch seine Nationalität bzw. seine Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) lohnmindernd und somit für einen Abzug von Bedeutung sein könnten, hat er nicht geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund erscheint es von vornherein zweifelhaft, ob es der Vorinstanz als Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG) vorgeworfen werden kann, dass ihr - ohne entsprechende Rüge bzw. Hinweise von Seiten des Beschwerdeführers - entgangen ist, dass in einem der zahlreichen vorliegenden Arztberichte eine andere Staatsangehörigkeit angegeben war als in der "Schadenmeldung UVG" (vgl. zur Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes durch die Mitwirkungspflichten der Verfahrensbeteiligten etwa BGE 119 V 347 E. 1a mit Hinweis). Mangels Entscheidrelevanz kann dies jedoch ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob das vom Beschwerdeführer erst letztinstanzlich eingereichte Dokument der Arbeitslosenversicherung, mit dem er seine Staatsangehörigkeit und seinen Ausländerstatus nunmehr hinreichend zu belegen sucht, berücksichtigt werden kann (Art. 99 Abs. 1 BGG). Denn selbst wenn bei der Prüfung des leidensbedingten Abzugs auf die dominikanische Staatsangehörigkeit und die Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) abgestellt würde, wäre für den Beschwerdeführer im Ergebnis nichts gewonnen. Weder legt er nämlich dar noch ist ersichtlich, dass sich die ausländische Nationalität oder der Aufenthaltsstatus bei den ihm zumutbaren "einfachen Tätigkeiten körperlicher oder handwerklicher Art" gemäss Kompetenzniveau 1 der Tabelle TA1_tirage_skill_level in abzugsrelevanter Weise lohnmindernd auswirken würde. Es ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz diesbezüglich keinen Abzug vom Invalideneinkommen in Betracht gezogen hat.
4.5. Was die vom Beschwerdeführer erneut geltend gemachten chronischen Schmerzen anbelangt, ist der Vorinstanz beizupflichten, dass gesundheitliche Einschränkungen, die - wie hier - bereits in die medizinische Beurteilung der Arbeitsfähigkeit eingeflossen sind, bei der Bemessung des leidensbedingten Abzugs nicht zusätzlich und damit doppelt berücksichtigt werden (BGE 148 V 174 E. 6.3 mit Hinweisen).
4.6. In der Würdigung mit den übrigen, unbestrittenermassen nicht abzugsrelevanten Merkmalen (vgl. vorne E. 4.2) erscheint somit ein leidensbedingter Abzug vom Tabellenlohn insgesamt nicht gerechtfertigt, womit das angefochtene Urteil im Ergebnis vor Bundesrecht standhält. Die Beschwerde ist unbegründet.
5.
Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 24. April 2025
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Viscione
Der Gerichtsschreiber: Walther