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[AZA 7] 
I 504/01 Gb 
 
III. Kammer 
 
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; 
Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 24. Mai 2002 
 
in Sachen 
A.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten, 
 
gegen 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
A.- Mit Verfügung vom 12. Januar 2001 sprach die IV-Stelle des Kantons Aargau A.________ (geb. 1944) eine ganze Invalidenrente vom 1. August bis 30. November 1999 sowie eine Viertelsrente ab 1. Dezember 1999 zu. 
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde der Versicherten mit dem Begehren, es sei ihr ab 1. Dezember 1999 mindestens eine halbe Invalidenrente zuzusprechen, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 19. Juni 2001 ab. 
 
C.- A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihr ab 1. Dezember 1999 eine halbe Invalidenrente zu gewähren. 
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Das kantonale Versicherungsgericht hat die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1, 1bis und 2 IVG) und die Rechtsprechung zum wirtschaftlichen Charakter des Invaliditätsbegriffs (BGE 121 V 331 Erw. 3b) sowie zu den Begriffen des ausgeglichenen Arbeitsmarktes (BGE 110 V 276 Erw. 4b) und der Arbeitsunfähigkeit (BGE 115 V 133 Erw. 2) richtig dargelegt, worauf verwiesen wird. 
 
2.- Streitig ist das hypothetische Valideneinkommen. 
 
a) Die Beschwerdeführerin erlitt am 20. August 1998 einen linksseitigen Hirnstamminsult. Bis zu diesem Tag arbeitete sie einerseits zu 50 % für einen Lohn von Fr. 1930.- (x 13) als Telefonistin bei der Firma Z.________ AG. Daneben war sie in variablen Einsätzen nach Bedarf als Haushilfe bei der Y.________ für einen Stundenlohn von Fr. 19.50 und als Haushaltshilfe während etwa 5 Stunden in der Woche bei einem Stundenlohn von Fr. 24.- (brutto, inkl. Ferienentschädigung) im S.________ tätig. 
Nach dem durch den Insult verursachten Unterbruch nahm sie am 1. Dezember 1999 eine Stelle als Haushälterin mit einem Pensum von 4,4 Stunden am Tag (50 %) bei einem Pfarrer in X.________ an, wo sie einen Lohn von Fr. 2035.- (Dezember 1999) bzw. Fr. 2067.- (x 13; ab Januar 2000) bezog. 
Verwaltung und Vorinstanz gingen davon aus, die Beschwerdeführerin würde ohne das Ereignis vom August 1998 heute vollzeitig als Telefonistin arbeiten. Demzufolge nahmen sie als hypothetisches Valideneinkommen den zuletzt bei der Firma Z.________ AG erzielten, auf eine Vollbeschäftigung umgerechneten Verdienst an. 
 
b) Hiegegen wendet die Beschwerdeführerin ein, sie sei 1997 geschieden worden. Weil dabei Alimentenzahlungen ihres Ehemannes nur für eineinhalb Jahre vereinbart worden seien, habe sie sich aus finanziellen Gründen nach einer Vollzeitstelle umsehen müssen und sich mehrmals als Haushälterin beworben. Zunächst habe sie lediglich die Teilzeitstellen bei der Y.________ und im S.________ gefunden, weshalb sie die Anstellung bei der Firma Z.________ AG vorerst beibehalten habe. Durch den Insult seien ihre Bemühungen unterbrochen worden. Ohne diesen Zwischenfall und die daraus resultierenden gesundheitlichen Einschränkungen würde sie heute vollzeitlich als Haushälterin arbeiten und mehr verdienen als bei der Firma Z.________ AG für ein Pensum von 100 % möglich gewesen wäre. Deshalb sei für den Erwerbsvergleich ein entsprechend höheres hypothetisches Valideneinkommen beizuziehen. 
 
c) Bei der Ermittlung des ohne invalidisierenden Gesundheitsschaden erzielbaren Einkommens (des sog. Valideneinkommens) ist entscheidend, was die versicherte Person im massgebenden Zeitpunkt auf Grund ihrer beruflichen Fähigkeiten und persönlichen Umstände nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit verdient hätte (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 Erw. 3b mit Hinweis). Da die Invaliditätsbemessung der voraussichtlich bleibenden oder längere Zeit dauernden Erwerbsunfähigkeit zu entsprechen hat (vgl. 
Art. 4 Abs. 1 IVG), ist auch die berufliche Weiterentwicklung mit zu berücksichtigen, die eine versicherte Person normalerweise vollzogen hätte; dazu ist allerdings erforderlich, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ein beruflicher Aufstieg und ein entsprechend höheres Einkommen tatsächlich realisiert worden wären. Dabei genügen blosse Absichtserklärungen des Versicherten nicht. Vielmehr muss die Absicht, beruflich weiterzukommen, bereits durch konkrete Schritte kundgetan worden sein (BGE 96 V 30; AHI 1998 S. 171 Erw. 5a; RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 Erw. 3b). 
 
d) Gemäss den Akten hat die Beschwerdeführerin sich zwischen August und November 1997 mehrmals um eine Stelle als Haushälterin beworben, sich bei einer entsprechenden Stellenvermittlungsfirma gemeldet und selbst ein Inserat aufgegeben, worin sie sich für die Betreuung eines Ehepaars oder einer Einzelperson anbietet. In einer Bewerbung vom 19. November 1997 erwähnt sie den Wunsch, die Tätigkeit als Telefonistin aufzugeben und neu im sozialen Bereich zu arbeiten. 
Damit hat die Beschwerdeführerin ihren Willen nach einer beruflichen Veränderung mit konkreten Schritten dokumentiert. 
 
Dies belegen auch die zwei Teilzeitstellen, welche die Versicherte bei der Y.________ und im S.________ angetreten hat. Gemäss dem Bericht über die Abklärung an Ort und Stelle vom 27. März 2000 war eine Erhöhung des 50 %-Pensums bei der Firma Z.________ AG nach der Scheidung nicht möglich. Dazu kommt, dass die Versicherte laut Aktennotiz vom 25. September 2000 als Telefonistin lediglich angelernt sei, weder Diplom noch theoretische oder EDV-Kenntnisse besitze und daher als Telefonistin wegen der zunehmend höheren Ansprüche an diesen Beruf auf dem heutigen Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar sei. Sodann besteht kein Grund, an ihrer Aussage zu zweifeln, wonach sie wegen der Scheidung und den fehlenden Alimentenzahlungen nach zusätzlichen Einkommensquellen gesucht habe, obwohl sie zwar gemäss dem Bericht über die Abklärung an Ort und Stelle keine Alimente, aber eine Abfindung von Fr. 100'000.- erhalten habe. 
 
e) Da eine Erhöhung des Pensums bei der Firma Z.________ AG auf 100 % nicht möglich war, ist es nicht sinnvoll, als hypothetisches Valideneinkommen den dort verdienten, auf eine Vollstelle umgerechneten Lohn einzusetzen. 
Vielmehr ist auf Grund aller Umstände dieses Falles entgegen Verwaltung und Vorinstanz mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ohne den im August 1998 erlittenen Insult nicht mehr Telefonistin geblieben, sondern als Haushälterin oder Haushaltshilfe tätig geworden wäre. Es ist daher beim hypothetischen Valideneinkommen nicht von dem auf 100 % aufgewerteten Lohn bei der Firma Z.________ AG, sondern von demjenigen auszugehen, den die Versicherte in einem Haushalt verdienen könnte. 
 
f) Die Vorinstanz hat erwogen, in diesen Tätigkeiten lasse sich im Vergleich zur Telefonistin kaum ein höheres Einkommen erzielen. Dies trifft auf den im S.________ verdienten Stundenlohn und auf die gegenwärtig ausgeübte Tätigkeit bei einem Pfarrer nicht zu. Somit könnte die Beschwerdeführerin als Gesunde durchaus ein höheres Einkommen als bei der Firma Z.________ AG erzielen. Es ist zudem nicht davon auszugehen, dass die Versicherte die Stelle bei der Firma Z.________ AG zu Gunsten einer gleich oder schlechter entlöhnten Haushaltsarbeit aufgegeben hätte. 
Daher rechtfertigt es sich, als Valideneinkommen den für eine Vollzeitbeschäftigung an der gegenwärtigen Stelle ausbezahlten Lohn anzunehmen, somit das Doppelte dessen, was die Versicherte für ihr 50%iges Pensum verdient. Laut Auskunft des Verbandes W.________ vom 13. Dezember 1999 verdiente die Beschwerdeführerin im Jahr 2000 (der Stellenantritt erfolgte im Dezember 1999, was vorliegend vernachlässigt werden kann) für eine Halbtagesstelle Fr. 2067.- im Monat (x 13). Das hypothetische Valideneinkommen beläuft sich demnach auf Fr. 53'742.- (13 x 2067 x 2). 
 
g) Das Invalideneinkommen beträgt bei einem Pensum von 50 % grundsätzlich die Hälfte des erwähnten Valideneinkommens, somit Fr. 26'871.- (13 x Fr. 2067.-). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Einkünfte nicht den effektiven Leistungen entsprächen oder eine Soziallohnkomponente enthielten. Ein Abzug für invaliditätsbedingte Einschränkung, Teilzeitarbeit, Alter, Dienstjahre oder Nationalität/Aufenthaltsbewilligung (vgl. dazu BGE 126 V 78 Erw. 5) drängt sich nicht auf. Damit ergibt sich ein Invaliditätsgrad von 50 %, weshalb die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine halbe Invalidenrente hat. 
 
3.- Zu prüfen bleibt, ab welchem Datum die ganze durch eine halbe Rente zu ersetzen ist. Die Beschwerdeführerin hat zwar diesen Punkt im vorliegenden Prozess nicht mehr aufgeworfen; doch das Eidgenössische Versicherungsgericht verfügt in Leistungsstreitigkeiten über eine volle Kognition, kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG) und untersucht daher diese im kantonalen Verfahren noch streitig gewesene Frage von Amtes wegen. 
 
a) Nach der Rechtsprechung müssen bei einer rückwirkend verfügten abgestuften und/oder befristeten Rente Revisionsgründe (Art. 41 IVG) vorliegen. Der Zeitpunkt des Wechsels für die Herauf-, Herabsetzung oder Aufhebung der Rente bestimmt sich nach Art. 88a IVV (BGE 125 V 417 f. 
Erw. 2d, 109 V 127). Nach Art. 88a Abs. 1 IVV ist bei einer Verbesserung der Erwerbsfähigkeit die anspruchsbeeinflussende Änderung für die Herabsetzung oder Aufhebung der Invalidenrente von dem Zeitpunkt an zu berücksichtigen, in dem angenommen werden kann, dass sie voraussichtlich längere Zeit dauern wird. Sie ist in jedem Fall zu berücksichtigen, nachdem sie ohne wesentlichen Unterbruch drei Monate angedauert hat und voraussichtlich weiterhin andauern wird. 
 
b) Wegen des Hirninsults war die Beschwerdeführerin ab August 1998 zunächst zu 100 % arbeitsunfähig und bezog nach Ablauf der einjährigen Wartezeit nach Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG eine ganze Rente. Gemäss den ärztlichen Unterlagen bestand ab 20. Mai 1999 (Bericht Dr. med. B.________ vom 2. März 2000) eine Arbeitsunfähigkeit von noch 70 % bzw. 
66 % (Bericht Dr. G.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 4. August 1999). Als die Beschwerdeführerin am 1. Dezember 1999 ihre Stelle in der Pfarrei X.________ antrat, konnte unter solchen Umständen nicht von Anfang an davon ausgegangen werden, dass die Wiederaufnahme dieser Arbeitstätigkeit von dauerhaftem Erfolg sein werde. Der Beginn dieser Arbeit ist der erste objektiv fassbare Zeitpunkt, ab welchem eine Arbeitsfähigkeit von nur noch 50 % angenommen werden kann. 
 
 
Die Verbesserung der Erwerbsfähigkeit ist somit zu berücksichtigen, nachdem sie drei Monate ohne Unterbruch angedauert hat. Demzufolge ist die ganze Rente ab 1. März 2000 durch eine halbe zu ersetzen. 
 
4.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der durch den Schweizerischen Invalidenverband vertretenen, obsiegenden Beschwerdeführerin steht rechtsprechungsgemäss eine Parteientschädigung zu (BGE 122 V 278). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden 
der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons 
Aargau vom 19. Juni 2001 und die Verfügung der 
IV-Stelle des Kantons Aargau vom 12. Januar 2001, 
soweit den Zeitraum ab 1. Dezember 1999 betreffend, 
aufgehoben, und es wird festgestellt, dass die 
Beschwerdeführerin bis 28. Februar 2000 Anspruch auf 
eine ganze und ab 1. März 2000 auf eine halbe Invalidenrente 
hat. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die IV-Stelle des Kantons Aargau hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
 
 
Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses 
 
 
zu befinden haben. 
 
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht 
des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse des Kantons 
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
zugestellt. 
Luzern, 24. Mai 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: 
 
i.V.