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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_35/2011 
 
Urteil vom 24. Mai 2011 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, Stadelmann, 
Gerichtsschreiber Errass. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Sabine Geissbühler 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
1. Migrationsamt des Kantons Thurgau, 
2. Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 10. November 2010. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 X.________ (geb. ***1985), mazedonische Staatsangehörige, heiratete am 31. Juli 2005 in Mazedonien den in der Schweiz niedergelassenen mazedonischen Staatsangehörigen Y.________, kam im Rahmen des Familiennachzugs am 29. September 2007 in die Schweiz und gebar den gemeinsamen Sohn Z.________ am 9. Oktober 2008. Sie zog mit ihm am 20. August 2009 wegen Eheproblemen ins Frauenhaus Winterthur. Mit superprovisorischer Eheschutzverfügung (24.9.2009) wurde dem Ehemann verboten, sich ihr näher als 100 m zu nähern, was im Eheschutzverfahren (4.12.2009) wieder aufgehoben wurde. Gleichzeitig wurde u.a. auch die Trennung der Ehegatten seit dem 20. August 2009 festgestellt. 
Am 12. April 2010 lehnte das Migrationsamt das Gesuch von X.________ vom 17. August 2009 um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab und wies sie an, die Schweiz bis 31. Mai 2010 zu verlassen. Der Rekurs an das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau (DJS) war erfolglos, ebenso die dagegen gerichtete Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. 
 
1.2 Vor Bundesgericht beantragt die Beschwerdeführerin, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 10. November 2010 aufzuheben und ihr die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern, eventualiter den Entscheid des Verwaltungsgerichts zum neuen Entscheid zurückzuweisen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und ihr vor Bundesgericht die unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung zu gewähren. 
 
1.3 Das Migrationsamt, das DJS und das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie das Bundesamt für Migration beantragen, die Beschwerde abzuweisen. 
 
1.4 Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der Beschwerde mit Verfügung vom 18. Januar 2011 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
2. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG mit summarischer Begründung abgewiesen wird. 
 
2.1 Das Bundesgericht ist grundsätzlich an den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser ist u.a. offensichtlich unrichtig (Art. 97 Abs. 1 BGG), was nicht schon dann der Fall ist, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn die Sachverhaltsfeststellung eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 133 II 249 E. 1.2.2 und E. 1.4.3 i.f. S. 252 bzw. 255). Zudem muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein. Für die Sachverhaltsrügen gelten strenge Anforderungen (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255): Es genügt nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten, vielmehr ist darzulegen, inwiefern die Feststellungen willkürlich sind (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255). 
Das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt (BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236). Dieser Anspruch steht einer vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht entgegen. Das Gericht kann auf die Abnahme von Beweisen verzichten, wenn es aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür annehmen kann, seine Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert (BGE 134 I 140 E. 5.3. S. 148). 
Ausländische Ehegatten von niedergelassenen Ausländern haben unter Vorbehalt von Art. 51 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2005 (AuG; SR 142.20) Anspruch auf Erteilung und Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit ihrem Partner zusammenwohnen (Art. 43 Abs. 1 AuG). Der Bewilligungsanspruch besteht trotz Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft fort, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre gedauert hat und die betroffene ausländische Person erfolgreich integriert ist oder wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Art. 50 Abs. 1 lit. a bzw. lit. b AuG). Wichtige persönliche Gründe können namentlich dann vorliegen, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde und die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (Art. 50 Abs. 2 AuG). Der Begriff der ehelichen Gewalt ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur dann gegeben, wenn die Gewalt eine gewisse Intensität aufweist (vgl. BGE 136 II 1 E. 5.3 S. 4) und damit einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich macht (BGE 137 II 1 E. 4.1 S. 7). Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen (BGE 137 II 1 E. 4.1 S. 7). 
 
2.2 Für das Bundesgericht ist der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt massgebend (siehe E. 2.2.1). Die Beschwerdeführerin macht zwar geltend, dass der Sachverhalt unrichtig festgestellt worden ist, unterlässt es allerdings, darzulegen und in Auseinandersetzung mit dem vorinstanzlichen Entscheid zu begründen, inwiefern dies in willkürlicher Weise erfolgt sei; sie stellt lediglich ihre Sicht der Dinge dar. Auch wenn sich die Ereignisse aus ihrer Warte etwas anders zugetragen hätten, macht dies die Feststellung des Sachverhalts noch nicht willkürlich. Auch die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs, wonach die Vorinstanz in willkürlicher Weise auf die Abnahme von Beweisen verzichtet habe, vermag nicht zu überzeugen. Die Vorinstanz hat sich vertieft mit den Beweismitteln auseinandergesetzt und dabei keineswegs nur auf die in Art. 77 Abs. 6 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) vom 24. Oktober 2007 genannten (Arztzeugnisse, Polizeirapporte etc.) abgestellt; sie hat die Aussagen der Zeugen, die Berichte des Frauenhauses und weitere Berichte (namentlich den der Perspektive Thurgau) einlässlich gewürdigt. Sie hat zudem auch genau dargelegt, weshalb auf die Abnahme von weiteren Beweisen verzichtet werden konnte. Insoweit ist nicht erkennbar, inwiefern die Vorinstanz in willkürlicher Weise eine Beweiswürdigung vorweggenommen und den Sachverhalt unvollständig abgeklärt haben sollte. Insbesondere liegen keine objektiven Anhaltspunkte über ehelicher Gewalt vor. 
Insofern steht nach den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen nicht fest, dass in der ehelichen Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten Gewalt vorgekommen ist, jedenfalls nicht in der vom Bundesgericht verlangten Intensität: Gefordert wäre, dass durch das Zusammenleben die Beschwerdeführerin in ihrer Persönlichkeit ernstlich gefährdet sein müsste und eine Fortführung der ehelichen Beziehung ihr nicht länger zugemutet werden könnte (vgl. Urteil 2C_590/2010 vom 29. November 2010 E. 2.5.3). Würde eine solche Situation vorliegen, so wäre naheliegend, dass die Beschwerdeführerin nicht nur in das sichere Frauenhaus gezogen wäre, sondern dass sie - nachdem sie dort in Sicherheit war und ohne Angst vor möglichen Repressalien ihres Ehemannes leben konnte - auch ihre physischen Wunden einem Arzt oder mindestens einer Vertrauensperson gezeigt und über ihre psychischen Wunden mit diesen gesprochen hätte. Dies ist unterblieben. Insofern kann mit der Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass die eheliche Gewalt nicht die vom Bundesgericht geforderte Intensität erreicht hatte. 
Die Beschwerdeführerin beruft sich auch vergeblich auf die Gefährdung der sozialen Eingliederung im Herkunftsland (Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 AuG). Sie war erst mit 22 Jahren in die Schweiz eingereist und lebt bis zum vorinstanzlichen Entscheid seit rund drei Jahren in der Schweiz. Sie hat in Mazedonien gelebt und die Schulen besucht, weshalb sie dort immer noch einen Bekanntenkreis haben dürfte, auch wenn ihre Eltern nunmehr in Italien leben. Wie die Vorinstanz überzeugend dargelegt hat, sind keine Gründe ersichtlich, weshalb eine soziale Eingliederung im Herkunftsland gefährdet sein sollte. Bei der Anwendung von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG ist entscheidend, ob die persönliche, berufliche und familiäre Wiedereingliederung der betroffenen ausländischen Person bei einer Rückkehr in ihre Heimat als stark gefährdet zu gelten hat und nicht, ob ein Leben in der Schweiz einfacher wäre und von ihr bevorzugt würde (Urteil 2C_216/2009 vom 20. August 2009 E. 3). Es ist deshalb auch unbeachtlich, dass die Beschwerdeführerin gut integriert ist und arbeitet. 
 
3. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG), da das im bundesgerichtlichen Verfahren gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege in Folge Aussichtslosigkeit des Begehrens abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet (Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 24. Mai 2011 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
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