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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_117/2022  
 
 
Urteil vom 24. Juni 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Beusch, 
Bundesrichter Hartmann, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Erlöschen der Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 9. Dezember 2021 (VB.2021.00408). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der im Jahr 1967 geborene A.________ ist Staatsangehöriger der Republik Kongo (Brazzaville). Er reiste am 12. Mai 1993 in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch. Dieses wurde am 16. Juni 1994 abgewiesen. Ein Rechtsmittel hiergegen blieb erfolglos. Am 15. September 1994 heiratete A.________eine Schweizer Bürgerin, worauf ihm eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. Am 25. Oktober 1999 erhielt er die Niederlassungsbewilligung. Ende 2000 wurde die Ehe geschieden.  
Am 7. Juli 2001 heiratete A.________ in Frankreich eine 1975 geborene senegalesische Staatsangehörige. Aus dieser Beziehung ging am 18. September 2002 ein Sohn hervor. Mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 10. August 2009 wurde die Ehe geschieden und der Sohn unter die elterliche Sorge der Mutter gestellt. Die Kindsmutter wohnt gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrem neuen Ehemann in U.________ /ZH. 
 
1.2. Auf Nachfrage des Migrationsamts des Kantons Zürich hin teilte ein Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung V.________/ZH Ersterem mit, dass A.________ am 22. April 2014 die Gemeindeverwaltung telefonisch über seinen Wegzug nach Frankreich informiert habe. Gestützt darauf meldete ihn das Migrationsamt am 1. März 2016 rückwirkend per 22. April 2014 ins Ausland ab.  
Am 20. November 2018 stellte A.________ in Zürich ein Gesuch um Erteilung der Niederlassungsbewilligung. Nach verschiedenen Abklärungen stellte das Migrationsamt mit Verfügung vom 14. April 2020 fest, dass die Niederlassungsbewilligung von A.________erloschen sei; gleichzeitig wies es das Gesuch vom 20. November 2018 ab und wies A.________ aus der Schweiz weg. 
Die hiergegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Entscheid des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons Zürich vom 29. April 2021, Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 9. Dezember 2021). 
 
1.3. Mit Beschwerde vom 31. Januar 2022 beantragt A.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 9. Dezember 2021 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass seine Niederlassungsbewilligung nicht erloschen sei. Eventualiter beantragt er, dass ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen sei.  
Mit Präsidialverfügung vom 2. Februar 2022 hat die Abteilungspräsidentin der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung erteilt. Sowohl das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich als auch das Migrationsamt des Kantons Zürich verzichten auf Vernehmlassung. 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid betreffend die Feststellung des Erlöschens einer Niederlassungsbewilligung ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c [e contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1). Als Adressat des angefochtenen Urteils ist der Beschwerdeführer zur Ergreifung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die form- und fristgerecht (Art. 42 Abs. 2 und Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde ist einzutreten, soweit der Beschwerdeführer die Feststellung beantragt, dass seine Niederlassungsbewilligung nicht erloschen sei.  
 
2.2. Nicht einzutreten ist nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG auf den Eventualantrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, da der Beschwerdeführer insoweit keinen potenziellen bundes- oder völkerrechtlichen Bewilligungsanspruch in vertretbarer Weise geltend gemacht hat (vgl. zu dieser Voraussetzung BGE 139 I 330 E. 1.1). Zwar beruft sich der Beschwerdeführer auf Art. 8 EMRK und auf die Beziehung zu seinem hier wohnhaften Sohn. Daraus kann er jedoch offensichtlich keinen Aufenthaltsanspruch ableiten. Denn der Schutzbereich des Familienlebens nach Art. 8 EMRK betrifft vorab das Verhältnis zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern (BGE 144 II 1 E. 6.1). Dieses ist nicht (mehr) betroffen; der Sohn ist mittlerweile volljährig (vgl. zum massgeblichen Zeitpunkt BGE 145 I 227 E. 5.3 und 6.7); ein Abhängigkeitsverhältnis, das ausnahmsweise über die Volljährigkeit hinaus einen potenziellen Anspruch gestützt auf den Schutz des Familienlebens zu eröffnen vermöchte (BGE 144 II 1 E. 6.1; Urteil 2C_279/2021 vom 16. November 2021 E. 4.2), ist weder ersichtlich noch geltend gemacht.  
 
2.3. In Bezug auf die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten - und insbesondere von Art. 9 BV (Willkür) - gilt eine qualifizierte Rüge und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.1 mit Hinweisen). Das Bundesgericht ist an die Feststellungen im angefochtenen Entscheid gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), solange diese nicht offensichtlich unrichtig sind (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 147 I 73 E. 2.2; 143 IV 241 E. 2.3.1; 140 III 115 E. 2). Inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung und die Sachverhaltsfeststellung klarerweise unhaltbar sein sollen, muss detailliert aufgezeigt werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2; 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen).  
 
3.  
Der Beschwerdeführer moniert unter dem Titel "Verletzung des rechtlichen Gehörs" wiederholt eine "willkürliche Beweiswürdigung." Diese Ausführungen betreffen die Sachverhaltsfeststellung. Sie genügen den einschlägigen Rügeanforderungen weder unter diesem Aspekt noch unter demjenigen der Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts (vgl. oben E. 2.3; Art.106 Abs. 2 BGG). Darauf ist nicht weiter einzugehen. 
 
4.  
 
4.1. Verlässt eine niederlassungsberechtigte Person die Schweiz, ohne sich abzumelden, erlischt die Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 61 Abs. 2 Satz 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG; SR 142.20) nach sechs Monaten. Auf Gesuch hin kann diese während vier Jahren aufrechterhalten werden (vgl. Art. 61 Abs. 2 Satz 2 AIG). Diese Norm hat im Rahmen der Umbenennung des Ausländergesetzes am 1. Januar 2019 in das Ausländer- und Integrationsgesetz keine Änderung widerfahren (vgl. Art. 61 Abs. 2 AuG; AS 2007 5437), weshalb vorliegend die neue Bezeichnung verwendet werden kann.  
Dauert der tatsächliche Aufenthalt im Ausland länger als sechs Monate, erlischt die Niederlassungsbewilligung von Gesetzes wegen und im Grundsatz unabhängig von den Ursachen, Motiven oder Absichten der betroffenen Person im Zusammenhang mit ihrer Landesabwesenheit. Folglich genügt für das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung in der Regel der blosse Umstand, dass sich die ausländische Person während sechs aufeinanderfolgenden Monaten fortwährend im Ausland aufhält (vgl. BGE 145 II 322 E. 2.2 f.; 120 Ib 369 E. 2c; Urteile 2C_209/2020 vom 20. August 2020 E. 4.3; 2C_691/2017 vom 18. Januar 2018 E. 3.1). Grundsätzlich zieht nur ein ununterbrochener sechsmonatiger Auslandaufenthalt das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung gestützt auf Art. 61 Abs. 2 Satz 1 AIG nach sich. Vorbehalten bleiben jedoch Konstellationen, in welchen die Rückkehr in die Schweiz nicht mehr im Sinne des Gesetzgebers erfolgt. Dies ist etwa der Fall, wenn ein ausländischer Staatsangehöriger seinen Wohnsitz oder seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt und nur für relativ kurze Zeitperioden, etwa zu Besuchs- oder Geschäftszwecken, in die Schweiz zurückkehrt, ohne jedoch ununterbrochen sechs Monate im Ausland zu weilen. Diesfalls ist nicht ersichtlich, inwiefern die nach dem Willen des Gesetzgebers (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 AIG) für die Aufrechterhaltung erforderliche minimale physische Präsenz in der Schweiz erfüllt sein sollte, selbst wenn der ausländische Staatsangehörige in der Schweiz noch über eine Wohnung verfügt (BGE 145 II 322 E. 2.3; 120 Ib 369 E. 2c; vgl. auch Art. 79 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]). 
 
4.2. Die Vorinstanz hat umfassend dargelegt, weshalb sie (beweiswürdigend) zum Schluss gelangt ist, dass sich der Beschwerdeführer zwischen dem 22. April 2014 und dem 20. November 2018 im Ausland aufgehalten hat und lediglich für Besuchszwecke in die Schweiz einreiste (angefochtenes Urteil E. 3). So hat sie insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer für den fraglichen Zeitraum in der Schweiz nie offiziell angemeldet war und keinen Mietvertrag, keine Krankenkassenpolicen oder -rechnungen oder Steuererklärungen beibringen konnte, und die auf Bestätigung der Anwesenheit des Beschwerdeführers abzielenden und von diesem eingereichten Schreiben als pauschal und zweckgerichtet gewürdigt. Des weiteren hat sie sich mit der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Arbeitstätigkeit befasst und - insbesondere unter Würdigung von Arbeitsverträgen - dargelegt, dass und weshalb von keiner irgendwie gearteten Tätigkeit in der Schweiz auszugehen war. Schliesslich hat sie dargelegt, dass und weshalb auch aus der Beziehung zu seinem Sohn nicht auf eine dauerhafte Anwesenheit des Beschwerdeführers in der Schweiz gefolgert werden kann. Auf die vorinstanzlichen Ausführungen kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Die davon ausgehende rechtliche Würdigung zur Anwendbarkeit von Art. 61 Abs. 2 Satz 1 AIG ist ebenfalls nicht zu beanstanden; die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers ist erloschen.  
 
4.3. Der Beschwerdeführer macht schliesslich unter dem Titel "Verletzung von EMRK Art. 8" geltend, sein Sohn sei "im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung noch deutlich minderjährig" gewesen und es sei diesem, der auch noch heute bei seiner Mutter wohne und über eine C-Bewilligung verfüge, "nicht zuzumuten, seinem Vater ins Ausland nachzufolgen". Wie bereits aufgezeigt, kann der Beschwerdeführer jedoch aus Art. 8 EMRK offensichtlich nichts zu seinen Gunsten ableiten (vgl. oben E. 2.2).  
 
4.4. Die mit Blick auf das Gesagte offensichtlich unbegründete Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG - mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den kantonalen Entscheid (Art. 102 Abs. 1 und Art. 109 Abs. 3 BGG) - abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.  
 
5.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Juni 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler