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[AZA 7] 
H 356/01 Vr 
 
I. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichter Borella, Meyer, Ferrari und 
Ursprung; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 24. Juli 2002 
 
in Sachen 
A.________ und B.________, Beschwerdeführende, vertreten durch Fürsprecher Dr. Charles Wick, Schwanengasse 8, 3011 Bern, 
gegen 
Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Beiträge und Zulagen, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
A.- Mit Verfügungen vom 17. April 1998 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons Bern A.________ und B.________, Verwaltungsratsmitglieder der in Konkurs gefallenen Firma X.________ AG für nicht mehr erhältliche Sozialversicherungsbeiträge zuzüglich Verzugszinsen und Mahngebühren Schadenersatz im Umfang von Fr. 86'212. 45 zu leisten. 
Dagegen erhoben beide Belangten am 20. Mai 1998 Einspruch. 
Hierauf klagte die Kasse auf Bezahlung des erwähnten Betrages. Mit Entscheid vom 14. Januar 2000 schrieb das Verwaltungsgericht des Kantons Bern das Verfahren als gegenstandslos geworden vom Geschäftsverzeichnis ab und verpflichtete die Ausgleichskasse, den Eheleuten A.________ und B.________ eine Parteientschädigung von Fr. 5000.- zu bezahlen. Dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft. 
 
B.- Am 8. Februar 2000 ersuchten A.________ und B.________ die Ausgleichskasse, über die in ihren Einsprüchen vom 20. Mai 1998 gestellten Gesuche um unentgeltliche Prozessführung zu entscheiden und ihnen eine Parteientschädigung von Fr. 5144. 20 zuzusprechen. Mit Verfügung vom 17. August 2000 lehnte die Kasse das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung im Einspruchverfahren ab. 
 
 
C.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 5. September 2001 ab, soweit es darauf eintrat, und verweigerte überdies die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im kantonalen Prozess. 
 
D.- A.________ und B.________ lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihnen die unentgeltliche Verbeiständung für das Einspruchverfahren, eventuell für den kantonalen Prozess, zu bewilligen. Zudem ersuchen sie um unentgeltliche Rechtspflege vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht. 
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
2.- Die Beschwerdeführenden machen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Dieser formelle Einwand ist vorab zu prüfen. 
 
a) Die erwähnte Rüge wird damit begründet, dass die Ausgleichskasse sich stets auf den Standpunkt gestellt habe, im Einspruchverfahren bestehe von Bundesrechts wegen kein Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung. In der kantonalen Beschwerdeantwort habe sie erstmals die Ansicht vertreten, die nachträgliche Forderung nach einer Parteientschädigung erfolge rechtsmissbräuchlich. Zu dieser Auffassung hätten die Beschwerdeführenden nie Stellung nehmen können. 
 
b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör besteht und ist zu gewähren, wenn eine Behörde ihren Entscheid mit einer Rechtsnorm oder einem Rechtsgrund zu begründen beabsichtigt, die im bisherigen Verfahren nicht herangezogen wurden, auf die sich die beteiligten Parteien nicht berufen haben und mit deren Erheblichkeit im konkreten Fall sie nicht rechnen konnten (BGE 126 I 22 Erw. 2c/aa, 125 V 370 Erw. 4a, 124 I 52 Erw. 3c, 123 I 69, 116 V 185 Erw. 1a, je mit Hinweisen). 
c) Die Beschwerdeführenden waren vom Instruktionsrichter des kantonalen Verfahrens mit Schreiben vom 21. September 2000 auf den Aspekt des widersprüchlichen prozessualen Verhaltens hingewiesen worden. Sie konnten sich dazu in ihrer Eingabe vom 23. November 2000 äussern. Zwar trifft zu, dass der Schriftenwechsel nach Eingang der Beschwerdeantwort der Kasse mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 10. Januar 2001 geschlossen und den Beschwerdeführenden somit eine allfällige weitere Eingabe verwehrt wurde. Ob darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu erblicken ist, kann indessen offen bleiben: die Frage, ob den Beschwerdeführenden bzw. ihrem Rechtsvertreter widersprüchliches Verhalten im Prozess vorgehalten werden muss und ihr Begehren um Ersatz der Parteikosten im Vorverfahren daher rechtsmissbräuchlich war, ist - wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt (Erw. 3 hienach) - für den Ausgang des kantonalen Verfahrens nicht relevant gewesen. Eine Gehörsverletzung beträfe daher keinen für die letztinstanzliche Beurteilung massgeblichen Gesichtspunkt, weshalb ein allfälliger Mangel als geheilt gelten könnte (BGE 126 V 132 mit Hinweisen). 
 
3.- Der Schadenersatzprozess zwischen den Parteien wurde mit Entscheid der Vorinstanz vom 14. Januar 2000 als erledigt vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben, wobei die Beschwerdeführenden eine Parteientschädigung von Fr. 5000.- zugesprochen erhielten. Dieser Entscheid ist in Rechtskraft erwachsen. Streitig und zu prüfen ist, ob die erwähnte Parteientschädigung den vorprozessualen Aufwand des Rechtsvertreters mit abgedeckt hat. 
 
a) In der Klageantwort vom 18. August 1998 hatten die Beschwerdeführenden u.a. beantragt, die Ausgleichskasse sei zu verpflichten, über die in den Einsprüchen gestellten Gesuche um unentgeltliche Prozessführung zu entscheiden. 
Demnach bildete der vorprozessuale Aufwand des beschwerdeführerischen Anwalts bereits damals Gegenstand des kantonalen Verfahrens. 
 
b) Nachdem sich die Parteien darauf geeinigt hatten, die unbestrittene Forderung von Fr. 5000.- mit einer vom Verwaltungsgericht festzusetzenden Parteientschädigung zur Verrechnung zu bringen, schrieb das kantonale Gericht das Klageverfahren als gegenstandslos geworden vom Protokoll ab und sprach den Beschwerdeführenden eine Parteientschädigung von Fr. 5000.- zu. In den Erwägungen führte die Vorinstanz aus, das in der Klageantwort gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung sei damit gegenstandslos geworden. 
 
c) Unter diesen Umständen durften die Beschwerdeführenden nicht davon ausgehen, die vorinstanzliche Verfahrenserledigung erfasse alle streitigen Punkte, beschlage aber die unentgeltliche Verbeiständung in den Einspruchverfahren, welche sie selber zum Prozessthema gemacht hatten, gerade nicht, und es stehe ihnen für den vorprozessualen Aufwand ihres Anwalts noch eine separate Parteientschädigung zu. Vielmehr mussten sie annehmen, ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Vorverfahren sei mit dem Abschreibungsbeschluss ebenfalls erledigt worden. Soweit sie damit nicht einverstanden gewesen sein sollten, hätten sie hiegegen bereits damals Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben müssen. 
Dies gilt umso mehr als der Rechtsvertreter der Beschwerdeführenden in seiner Eingabe an die Ausgleichskasse vom 10. Dezember 1999 wörtlich Folgendes festhielt: 
"Kollege L.________ hat mir heute auch erklärt, dass die nunmehr unbestrittene Forderung von Fr. 5000.- gegenüber einer vom Verwaltungsgericht festzusetzenden Parteientschädigung zur Verrechnung gestellt werden wird, und dass 
Sie auf die Einforderung einer nach der Verrechnung noch verbleibenden Restanz verzichten werden, dies mit Rücksicht auf die angespannte finanzielle Lage meiner Klienten. " 
Damit hat der Anwalt zum Ausdruck gebracht, dass der Parteikostenersatz für das gesamte Verfahren nicht mehr - aber auch nicht weniger - als Fr. 5000.- betragen sollte. 
 
d) Somit ist festzustellen, dass der Entscheid vom 14. Januar 2000 sämtliche strittigen Punkte umfasste und durch die darin zugesprochene Parteientschädigung sämtliche Aufwendungen abgegolten worden sind. Es bestand daher prozessual kein Raum mehr, einen Anspruch auf eine zusätzliche Entschädigung für das Vorverfahren geltend zu machen. 
 
 
4.- Nach dem Gesagten war das zweite von den Beschwerdeführenden veranlasste Verfahren von vornherein aussichtslos, weshalb die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Entscheid vom 5. September 2001 im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. 
 
5.- Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Die unterliegenden Beschwerdeführenden werden somit grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Ihrem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden, da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Bezug auf die Rüge der Gehörsverletzung nicht zum Vornherein aussichtslos war und auch die übrigen Voraussetzungen für die Erteilung der unentgeltlichen Prozessführung (BGE 125 V 202 Erw. 4a) erfüllt sind. Die Beschwerdeführenden werden jedoch auf Art. 152 Abs. 3 OG hingewiesen, wonach sie dem Gericht Ersatz zu leisten haben werden, falls sie dereinst dazu im Stande sein sollten. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden den Beschwerdeführenden auferlegt. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werden sie einstweilen auf die 
 
 
Gerichtskasse genommen. 
III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird Rechtsanwalt Dr. Charles Wick, Bern, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht 
 
 
aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von 
Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
 
 
zugestellt. 
Luzern, 24. Juli 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der I. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: