Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_449/2023
Urteil vom 24. Juli 2024
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Haag, präsidierendes Miglied,
Bundesrichter Müller,
nebenamtlicher Bundesrichter Weber,
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________ und B.A.________,
2. C.________,
Beschwerdeführende,
alle drei vertreten durch Rechtsanwältin Anja Haller,
gegen
E.F.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Stalder,
Gemeinderat Baar,
Rathausstrasse 2, 6340 Baar,
Amt für Umwelt des Kantons Zug,
Aabachstrasse 5, 6300 Zug.
Gegenstand
Baubewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, vom 25. Juli 2023 (V 2022 27).
Sachverhalt:
A.
Am 23. Juni 2020 erteilte der Gemeinderat Baar E.F.________ und D.F.________ die Bewilligung zum Abbruch des Gebäudes Assek.-Nr. 1651a sowie zum Neubau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Nr. 1939, Obere Rebhalde 46, Baar. Das Grundstück befindet sich in der Zone W2a und steht heute im Alleineigentum von E.F.________. Gleichzeitig wies der Gemeinderat die Einsprachen von sechs Personen ab, u.a. diejenigen von B.A.________ und A.A.________ sowie von C.________. Am 14. Juni 2021 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug eine von B.A.________ und A.A.________ sowie von C.________ dagegen erhobene Beschwerde ebenfalls ab.
Mit Urteil 1C_465/2021 vom 15. März 2022 hiess das Bundesgericht eine dagegen erhobene Beschwerde wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs gut, hob das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurück. Dieses wies nach Beizug des Protokolls eines Augenscheins vom 23. Januar 2019 und Durchführung eines Augenscheins am 21. Juli 2022 die Beschwerde mit Urteil vom 25. Juli 2023 erneut ab.
B.
Gegen dieses Urteil erheben B.A.________ und A.A.________ sowie C.________ am 12. September 2023 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragen, das Urteil vom 25. Juli 2023 aufzuheben und die Baubewilligung zu verweigern. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht, die Beschwerdegegnerin sowie der Gemeinderat Baar beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Amt für Umwelt des Kantons Zug verzichtet auf eine Stellungnahme. Die Beschwerdeführenden äusserten sich am 5. Dezember 2023 nochmals zur Sache und stellten ein Sistierungsbegehren.
C.
Mit Verfügung vom 18. Januar 2024 wies das Bundesgericht das Gesuch um Sistierung des Beschwerdeverfahrens ab.
Erwägungen:
1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenso wie bei der früheren Beurteilung der Angelegenheit durch das Bundesgericht erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass (Urteil 1C_465/2021 vom 15. März 2022 E. 1). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
2.1. Die bestehende Baute auf dem Grundstück Nr. 1939 soll, wie bereits erwähnt, abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt werden. Dagegen opponieren die Beschwerdeführenden. Sie beanstanden, der Neubau ordne sich nicht in die Umgebung ein, und werfen der Vorinstanz eine willkürliche Anwendung von § 12 der Bauordnung vom 5. Juni 2005 der Gemeinde Baar (im Folgenden: BO) vor. Diese Bestimmung schreibt in Absatz 1 vor, dass sich Gebäude hinsichtlich Grösse, Lage, Gestaltung und Oberfläche des Baukörpers sowie dessen Aussenraumes so in die Umgebung einzuordnen haben, dass eine gute Gesamtwirkung entstehe. In Absatz 2 ist festgelegt, dass Bauten, Anlagen, Farbgebungen, Materialien, Antennen, Reklamen und Anschriften sich insbesondere in Landschaften sowie Orts-, Quartier- und Strassenbilder gut einordnen müssen. § 12 BO ist eine positiv formulierte Ästhetikklausel, die über ein blosses Verunstaltungsverbot hinausgeht. In ihrer Anwendung steht sie in Abhängigkeit von der in Frage stehenden Umgebung, in die sich geplante Bauten, Anlagen und ihr Umschwung einordnen müssen (vgl. Urteil 1C_244/2023 vom 28. März 2024 E. 4.3).
2.2. Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht. Zudem ist erforderlich, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 145 II 32 E. 5.1; 142 V 513 E. 4.2; je mit Hinweisen).
2.3. Der Gemeinderat Baar setzte sich im Rahmen seines Beschlusses vom 23. Juni 2020 mit der Einordnung der geplanten Baute auseinander. Er hielt dabei fest, vorliegend habe das ganze Gebiet Aberen als Umgebung zu gelten. Wie bereits beim ersten geplanten Bauvorhaben der Bauherrschaft auf dem Grundstück Nr. 1940 trete nun auch der geplante Neubau auf dem Grundstück Nr. 1939 gegen Norden hin dreigeschossig in Erscheinung (zwei Vollgeschosse und ein Attikageschoss) und weise wenige kleine Fenster auf. Auf der Südseite komme ebenfalls das Untergeschoss hinzu. Insgesamt werde der Neubau etwas grösser ausfallen als das bestehende Gebäude. Allerdings werde es sich sehr gut zwischen die beiden Nachbarsgebäude im Osten (Grundstück Nr. 1938) und Westen (Grundstück Nr. 1940) einfügen. Auch werde sich das Bauvorhaben mit seinem Flachdach und der modernen, kubischen Architektur gut in die massgebende, heterogene Umgebung einfügen. Darüber hinaus halte es die massgebenden Bauvorschriften ein. Es dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn es die Bauvorschriften weitgehend ausschöpfe, während Bauten in der Umgebung diese (noch) nicht voll in Anspruch nähmen. Die Unterschiede zwischen dem Bauvorhaben und den bestehenden Bauten im Quartier seien nicht dermassen gross, als dass das gemäss den primären Bauvorschriften (Höhe, Länge, Ausnutzung) zulässige Volumen allein aus Einordnungsgründen zu reduzieren oder anders anzuordnen wäre.
2.4. Die Vorinstanz hat sich mit der vom Gemeinderat Baar vorgenommenen Begründung, warum die geplante Baute § 12 Abs. 1 BO nicht verletze, detailliert auseinandergesetzt. Dabei hat sie zwar auch die auf dem westlich gelegenen Nachbargrundstück geplante Baute erwähnt. Jedoch hat sie (E. 6.2) unter Verweis auf frühere Urteile festgehalten, im Gebiet Aberen würden sich mehrere stattliche Ein- und Zweifamilienhäuser befinden, die zum Teil recht grosszügig betreffend Volumen und Ausdehnung erscheinen würden (insbesondere im Quartier weiter westlich mit einigen moderneren und grösseren Liegenschaften mit Flachdächern und höher erscheinenden Fassaden und grösseren Gebäudevolumen). Im Gebiet Aberen habe längst moderne, kubische Architektur Einzug gehalten, so insbesondere in unmittelbarer Nähe der umstrittenen Bauparzelle, nämlich auf dem Grundstück Nr. 1938.
2.5. Die Beschwerdeführenden beanstanden, dass die Vorinstanz primär auf das bewilligte, aber nicht realisierte Bauvorhaben auf dem Grundstück Nr. 1940 Bezug genommen habe, obwohl die dort erteilte Baubewilligung mittlerweile nicht mehr gültig sei. Wie dargelegt, kam die Vorinstanz jedoch nicht allein unter Bezugnahme auf dieses Bauprojekt zu seinem Entscheid, die vom Gemeinderat Baar vorgenommene Anwendung von § 12 Abs. 1 BO als rechtmässig zu anerkennen. Sie hielt fest, die "Beeinträchtigung" der baulichen und landschaftlichen Umgebung bestehe ausschliesslich in der Grösse des Bauvorhabens. Diese entspreche aber den Normen der Bauordnung und sei daher von den Stimmberechtigten der Gemeinde Baar bewusst in Kauf genommen worden. Das Gericht könne keine derartige Dominanz des Bauprojekts erkennen, welche die verlangte gute Einordnung zunichtemachen würde - auch nicht im Zusammenspiel mit der allfälligen Erstellung des bereits bewilligten Wohnhauses an der Oberen Rebhalde 44. Die Vorinstanz berücksichtigte bei der Beurteilung der Dimensionierung der geplanten Baute auch den von ihr durchgeführten Augenschein.
2.6. Die Beschwerdeführenden haben anlässlich des Augenscheins angeführt, ohne das Attikageschoss würde das Projekt in die Umgebung hineinpassen. Damit bringen sie zum Ausdruck, dass die Ausschöpfung der zulässigen Baumasse nach ihrer Auffassung einen Verstoss gegen das Einpassungsgebot darstelle. Wenn jedoch aus ästhetischen Gründen eine Reduktion der grundsätzlich zugelassenen Baumasse verlangt wird, so muss diese Reduktion nach der Rechtsprechung durch überwiegende öffentliche Interessen, wie zum Beispiel den Schutz von denkmalgeschützten Bauten oder Gebäudekomplexen, gerechtfertigt werden. Beispielsweise darf zur Erreichung einer guten Gesamtwirkung nicht generell ein Geschoss weniger als gesetzlich vorgesehen bewilligt werden. Sonst würde die Zonenordnung ausser Kraft gesetzt (zum Ganzen: BGE 145 I 52 E. 4.4 mit Hinweisen sowie Urteil 1C_244/2023 vom 28. März 2024 E. 4.3). Die Beschwerdeführenden können jedoch keine solchen überwiegenden öffentlichen Interessen aufzeigen, die es nahelegen würden, der geplanten Baute, die die gemäss Zonenordnung zulässigen Masse einhält, die Bewilligung zu verweigern. Selbst wenn die Baute auf dem westlichen Nachbargrundstück nicht mehr wie bewilligt realisiert werden könnte, ändert sich an der grundsätzlichen Bewilligungsfähigkeit der vorliegend zu beurteilenden Baute nichts. Der dann allenfalls nicht mehr vorhandene Bezug zu dieser Baute würde keine andere Beurteilung ergeben, weil sich an der Zonenkonformität der Dimensionierung der zur Beurteilung stehenden Baute nichts ändert. Daher ist auf den von den Beschwerdeführenden geltend gemachten Verfall der Baubewilligung auf dem westlich angrenzenden Grundstück nicht weiter einzugehen. Der Vorinstanz ist keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) vorzuwerfen, wenn sie diesbezüglich nicht noch weitere Abklärungen vorgenommen hat. Auf den in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung ist zudem mangels Relevanz für den Verfahrensausgang nicht weiter einzugehen (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG).
Die Beurteilung der Einordnung des Bauvorhabens hält insgesamt einer Willkürprüfung stand. Die betreffende Rüge der Beschwerdeführenden erweist sich als unbegründet.
3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführenden unter solidarischer Haftung kostenpflichtig ( Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG ). Überdies haben sie die Beschwerdegegnerin unter solidarischer Haftung für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1, 2 und 4 sowie Art. 66 Abs. 5 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden unter solidarischer Haftung den Beschwerdeführenden auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführenden haben unter solidarischer Haftung die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Baar, dem Amt für Umwelt des Kantons Zug und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. Juli 2024
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Haag
Der Gerichtsschreiber: Dold