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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_635/2021  
 
 
Urteil vom 24. August 2021  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Gerichtsschreiber Businger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lorenz Fivian, 
 
gegen  
 
Amt für Bevölkerung und Migration des Kantons Freiburg, Route d'Englisberg 11, 1763 Granges-Paccot. 
 
Gegenstand 
Widerruf der EU/EFTA-Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, I. Verwaltungsgerichtshof, vom 11. Juni 2021 (601 2021 2 / 601 2021 3). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ ist 1975 in Österreich geboren und absolvierte dort seine Ausbildung zum Grosshändler. Er erhielt zuerst am 24. Juni 2002 eine Aufenthaltsbewilligung EG/EFTA zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz und am 30. November 2007 die Niederlassungsbewilligung. Seit 1. September 2015 wird er von der Sozialhilfe unterstützt - bis Juli 2020 mit über Fr. 134'000.--. Deshalb wurde er am 23. April 2019 ausländerrechtlich verwarnt. Ein Leistungsgesuch an die Invalidenversicherung blieb erfolglos; das Bundesgericht bestätigte letztinstanzlich eine Arbeitsfähigkeit von 80 % (Urteil 9C_212/ 2018 vom 22. Juni 2018).  
 
1.2. Mit Verfügung vom 19. November 2020 widerrief das Amt für Bevölkerung und Migration des Kantons Freiburg wegen des anhaltenden Sozialhilfebezugs die Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Freiburg am 11. Juni 2021 ab.  
 
1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 23. August 2021 beantragt A.________ dem Bundesgericht, vom Widerruf der Niederlassungsbewilligung sei abzusehen, eventualiter sei die Sache zum Neuentscheid zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht sei der Vollzug der Ausreise während des Verfahrens auszusetzen und ihm die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu gewähren. Das Bundesgericht hat keine Instruktionsmassnahmen verfügt. Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache wird das Gesuch um Aussetzung des Vollzugs gegenstandslos.  
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG haben Rechtsschriften unter anderem die Begehren und deren Begründung zu enthalten, wobei in der Begründung in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Art. 95 ff. BGG nennen dabei die zulässigen Rügegründe.  
 
2.2. Das Kantonsgericht hat erwogen, der Beschwerdeführer könne sich nicht mehr auf ein Aufenthaltsrecht gestützt auf das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) berufen (vgl. E. 4 des angefochtenen Urteils). Er erfülle mit seinem andauernden Sozialhilfebezug den Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG (SR 142.20; vgl. E. 5 des angefochtenen Urteils). Der Widerruf sei auch verhältnismässig. Der Beschwerdeführer sei im Alter von 27 Jahren in die Schweiz gekommen und lebe seit über achtzehn Jahren hier. Es könne davon ausgegangen werden, dass er über soziale Beziehungen verfüge, wobei allerdings keine besonders engen sozialen Bindungen geltend gemacht würden, die deutlich über eine gewöhnliche Integration hinausgingen. Beruflich sei er nicht integriert, nachdem er seit 2013 nicht mehr am Berufsleben teilnehme. Der Sozialhilfebezug müsse wegen der festgestellten Arbeitsfähigkeit von 80 % als schuldhaft qualifiziert werden. Auch nach der Verwarnung habe der Beschwerdeführer keine Bemühungen gezeigt, seine Situation zu ändern. Zwar wäre er bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Wiedereingliederungsschwierigkeiten ausgesetzt, doch sei er in der Heimat sozialisiert worden und habe er sich auch in der Schweiz nicht wirtschaftlich integrieren können (vgl. E. 6 des angefochtenen Urteils).  
 
2.3. Mit diesen Erwägungen setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.  
 
2.3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, der Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG sei nicht gegeben, weil er sich seit über 19 Jahren in der Schweiz aufhalte. Diese Auffassung ist offensichtlich unrichtig. Der Gesetzgeber hat die frühere gesetzliche Einschränkung, wonach der Widerruf der Niederlassungsbewilligung wegen Sozialhilfeabhängigkeit nach einem Aufenthalt von mehr als 15 Jahren nicht möglich sei (Art. 63 Abs. 2 AuG in der bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung), mit Inkrafttreten des hier anwendbaren AIG am 1. Januar 2019 gestrichen (vgl. Zusatzbotschaft vom 4. März 2016, BBl 2016 2821, 2843). Damit sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass die Niederlassungsbewilligung auch nach einem langjährigen Aufenthalt wegen Sozialhilfeabhängigkeit widerrufen werden kann. Die Verweise des Beschwerdeführers auf Urteile oder Botschaften zum alten Recht sind damit von vornherein nicht zielführend. Dass der (andauernde) Sozialhilfebezug des Beschwerdeführers im Umfang von über Fr. 134'000.-- bis Juli 2020 dauerhaft und erheblich gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG ist, bestreitet er zu Recht nicht. Seine lange Aufenthaltsdauer ist aber im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung zu berücksichtigen, was die Vorinstanz auch getan hat (vgl. E. 6.3 des angefochtenen Urteils).  
 
2.3.2. In Bezug auf die Verhältnismässigkeit des Widerrufs bringt der Beschwerdeführer vor, er sei zu 100 % arbeitsunfähig, weshalb eine Neuanmeldung bei der IV "ernsthaft in Betracht gezogen" werde. Deshalb sei der Sozialhilfebezug nicht selbstverschuldet bzw. könne er sich im Heimatland nicht wiedereingliedern, auch weil er dort über kein Beziehungsnetz mehr verfüge. Diese Vorbringen sind offensichtlich unbehelflich. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, ist dem Beschwerdeführer mit Urteil des Bundesgerichts 9C_212/2018 vom 22. Juni 2018 eine Arbeitsfähigkeit von 80 % attestiert worden. Solange keine hiervon abweichende Beurteilung vorliegt, ist darauf abzustellen. Der Beschwerdeführer behauptet in der Beschwerde seine Arbeitsunfähigkeit denn auch nur und legt keine aktuellen medizinischen Unterlagen vor. Gemäss den vorinstanzlichen Ausführungen bringt er zwar seit April 2019 vor, dass er ein Wiedererwägungsgesuch bei der IV einreichen wolle, ist aber bis heute nicht entsprechend tätig geworden. Insofern kann er die vorinstanzliche Verhältnismässigkeitsprüfung nicht mit Verweis auf seinen Gesundheitszustand infrage stellen. Vor diesem Hintergrund spielt es auch keine entscheidende Rolle, dass der Beschwerdeführer über kein Beziehungsnetz im Heimatland verfügt. Schliesslich bestreitet er auch nicht, dass er trotz seines langen Aufenthalts keine tiefgreifenden sozialen Beziehungen in der Schweiz besitzt.  
 
2.4. Die von einem Rechtsanwalt verfasste Beschwerde enthält offensichtlich keine hinreichende Begründung; darauf ist im vereinfachten Verfahren durch den Einzelrichter nicht einzutreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
3.  
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG e contrario). 
 
 
Demnach erkennt der Präsident:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Freiburg, I. Verwaltungsgerichtshof, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. August 2021 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Businger