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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_436/2018  
 
 
Urteil vom 24. September 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Kenad Melunovic Marini, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 7. März 2018 (SST.2018.9). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Obergericht des Kantons Aargau sprach X.________ am 7. März 2018 in Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Rheinfelden vom 11. Dezember 2017 der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Einfuhr von 36.5 Gramm reinem Kokain), der versuchten qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (versuchte Einfuhr von 28.3 Gramm reinem Kokain) und der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (unbefugtes Veräussern und Abgabe von Cannabis, Ecstasy und Kokain sowie unbefugter Besitz, Lagerung und Aufbewahrung von Cannabis und Ecstasy) schuldig. Es erhöhte die erstinstanzlich ausgesprochene Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf vier Jahre und verwies X.________ für zehn Jahre aus der Schweiz. Es verfügte über die beschlagnahmten Gegenstände und regelte die Kosten- sowie Entschädigungsfolgen. 
 
B.  
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und er sei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren und einer bedingten Geldstrafe von höchstens 360 Tagessätzen zu verurteilen. Eventualiter sei das Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung und rügt, diese verletze Art. 47, 49 Abs. 1 und Art. 50 StGB. Er stellt sich auf den Standpunkt, die Vorinstanz hätte keine Gesamtfreiheitsstrafe bilden dürfen, sondern hätte für die versuchte Einfuhr und den unbefugten Besitz, das unbefugte Lagern, Aufbewahren, Veräussern und Abgeben kleinerer Mengen Cannabis, Ecstasy und Kokain kumulativ zu der Freiheitsstrafe für die Einfuhr von Kokain eine (Gesamt-) Geldstrafe aussprechen müssen. Jedenfalls begründe sie nicht hinreichend, weshalb sie für alle Delikte eine Freiheitsstrafe als angemessen erachte. Sodann sei einerseits die Einsatzstrafe und andererseits die Gesamtfreiheitsstrafe unhaltbar hoch. Insgesamt lasse sich die Vorinstanz von sachfremden Kriterien leiten und missbrauche das ihr zustehende Ermessen.  
 
1.2. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. S. 59 ff. mit Hinweisen). Entsprechendes gilt für die Bildung der Einsatz- und der Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB in Anwendung des Asperationsprinzips (BGE 141 IV 61 E. 6.1.2 S. 67 f.; Urteile 6B_523/2018 vom 23. August 2018 E. 1.2.2; 6B_483/2016 vom 30. April 2018 E. 3, zur Publikation vorgesehen; je mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. Das Sachgericht hat die für die Strafzumessung erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten und seine Überlegungen in den Grundzügen wiederzugeben, so dass die Strafzumessung nachvollziehbar ist. Dabei steht ihm ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift in die Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 141 IV 244 E. 1.2.2 S. 246; 136 IV 55 E. 5.6 S. 60 ff.; 135 IV 130 E. 5.3.1 S. 134; je mit Hinweisen).  
Für Strafen von weniger als sechs Monaten ist grundsätzlich eine Geldstrafe auszusprechen (aArt. 34 Abs. 1, aArt. 40 und 41 Abs. 1 StGB). Für Strafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr sieht das Gesetz die Geldstrafe (aArt. 34 StGB) und die Freiheitsstrafe (aArt. 40 StGB) vor. Gemäss aArt. 41 StGB ist die Geldstrafe im Bereich leichter Kriminalität die Regelsanktion und geht bei Strafen bis zu sechs Monaten freiheitsentziehenden Sanktionen vor. Daran hat der Gesetzgeber im Rahmen der erneuten Revision des Sanktionenrechts entgegen der ursprünglichen Stossrichtung festgehalten (Urteil 6B_483/2016 vom 30. April 2018 E. 3.6 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). Die Freiheitsstrafe als eingriffsintensivste Sanktion ist nach der gesetzlichen Konzeption ultima ratio und kann nur verhängt werden, wenn keine andere, mildere Strafe in Betracht kommt (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 2043 f. Ziff. 213.132; BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f.; Urteil 6B_483/2016 vom 30. April 2018 E. 3.3. 3 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). 
Bei der Wahl der Sanktionsart ist als wichtiges Kriterium die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 134 IV 97 E. 4.2 S. 100 f. mit Hinweisen). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f. mit Hinweis). Hält das Gericht im Rahmen der Gesamtstrafenbildung für einzelne Delikte im konkret zu beurteilenden Fall unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips eine Geldstrafe nicht mehr für schuldadäquat und zweckmässig, hindert aArt. 41 Abs. 1 StGB es nicht daran, auf Einzelfreiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten zu erkennen, wenn die daraus zu bildende Gesamtstrafe sechs Monate übersteigt. Das Gericht hat im Urteil die Wahl der Sanktionsart zu begründen (Art. 50 StGB; Urteile 6B_523/2018 vom 23. August 2018 E. 1.2.3; 6B_483/2016 vom 30. April 2018 E. 4.3, zur Publikation vorgesehen). 
 
1.3. Die Vorinstanz erwägt, die erste Instanz habe eine Gesamtfreiheitsstrafe ausgesprochen, was im Berufungsverfahren unbestritten geblieben sei und aufgrund des jeweiligen Tatverschuldens in Bezug auf die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlungen als angemessen erscheine. Die Ausfällung einer Geldstrafe für einzelne der vom Beschwerdeführer begangenen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz wäre vorliegend hingegen weder schuldangemessen noch zweckmässig, weise dieser doch neun zum Teil einschlägige Vorstrafen auf, die ihn nicht vor der Begehung weiterer Delikte hätten abhalten können. In der Folge setzt die Vorinstanz die Einsatzstrafe für die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Einfuhr von 36.5 Gramm reinem Kokain) als schwerste Straftat fest. Sie bezeichnet das Verschulden des Beschwerdeführers als noch leicht bis mittelschwer und erachtet eine Einsatzstrafe von 24 Monaten als angemessen. Das Verschulden für die versuchte qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (versuchte Einfuhr von 28.3 Gramm reinem Kokain) bewertet sie als noch leicht und erhöht die Einsatzstrafe in Anwendung des Asperationsprinzips um 12 Monate. Hinsichtlich der weiteren Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (unbefugtes Veräussern und Abgabe von Cannabis, Ecstasy und Kokain sowie unbefugter Besitz, Lagerung und Aufbewahrung von Cannabis und Ecstasy) geht sie jeweils von einem noch leichten Verschulden aus und erhöht die Einsatzstrafe um je vier Monate. Die Täterkomponenten berücksichtigt sie schliesslich als mittelschwer straferhöhend im Umfang von vier Monaten und spricht eine Freiheitsstrafe von vier Jahren aus (Urteil S. 17 ff.).  
 
1.4.  
 
1.4.1. Der Beschwerdeführer vermag mit seinen Vorbringen nicht aufzuzeigen, dass die Vorinstanz bei der Wahl der Sanktionsart Bundesrecht verletzt. Sie darf dabei die Zweckmässigkeit und die präventive Wirkung der Strafe berücksichtigen. Der Beschwerdeführer bestreitet denn auch nicht, dass ihn frühere Geldstrafen und eine Freiheitsstrafe nicht davon abhielten, weitere Delikte zu begehen (vgl. Urteile 6B_1394/2017 vom 2. August 2018 E. 8.3.1; 6B_125/2018 vom 14. Juni 2018 E. 1.3.5; 6B_708/2017 vom 13. November 2017 E. 3.4; je mit Hinweisen). Dass die früheren Verurteilungen in Deutschland grösstenteils nicht Betäubungsmitteldelikte betrafen, ändert daran nichts. Gleiches gilt für seinen Einwand, die einzelnen Widerhandlungen stünden in keinem sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang. Die versuchte Einfuhr betreffend verkennt der Beschwerdeführer zudem, dass die Vorinstanz nicht eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten als tat- und schuldangemessen erachtet, sondern die Einsatzstrafe um 12 Monaten asperiert. Damit setzt sie die tat- und schuldangemessene Strafe für die versuchte Einfuhr implizit höher an, womit keine Geldstrafe mehr in Betracht gekommen wäre (vgl. aArt. 34 StGB). Indem die Vorinstanz auch für diejenigen Widerhandlungen, für die sie eine 12 Monate respektive 360 Tagessätze nicht übersteigende Strafe festsetzen würde, einzig eine Freiheitsstrafe als angemessene und zweckmässige Sanktion in Betracht zieht, verletzt sie ihr Ermessen nicht.  
 
1.4.2. Soweit der Beschwerdeführer generell geltend macht, die Freiheitsstrafe von vier Jahren entspreche einem mittelschweren bis hohen Verschulden, wovon die Vorinstanz nicht ausgehe, trifft dies bei einem Strafrahmen für die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz von einem bis 20 Jahren Freiheitsstrafe (Art. 19 Abs. 2 BetmG) nicht zu. Die Vorinstanz nimmt eine eigene Strafzumessung vor. Sie ist daher entgegen dem Ansinnen des Beschwerdeführers nicht gehalten zu begründen, weshalb sie die Einsatzstrafe für die Einfuhr gegenüber der ersten Instanz verdoppelt und die erstinstanzlich ausgesprochene Gesamtstrafe von zwei Jahren als zu tief erachtet (vgl. Urteil 6B_794/2014 vom 9. Februar 2015 E. 6.3.2). Ferner ist nicht ersichtlich, inwiefern es unsachgemäss ist, wenn sich die Vorinstanz bei der Festsetzung der Einsatzstrafe an der Betäubungsmittelmenge orientiert.  
 
1.4.3. Der Beschwerdeführer führt bezüglich der Einsatzstrafe aus, die Vorinstanz erwäge ausdrücklich, dass die Art und Weise der Einfuhr des Kokains nicht über die blosse Erfüllung des qualifizierten Tatbestands hinausgehe. Demgegenüber nehme sie einige Zeilen weiter unten an, er habe in einer Art hierarchischen Organisation mit den Drogen gehandelt. Sofern sie diesen Umstand zu seinen Ungunsten bewerte und dabei von einem anderen als dem angeklagten und dem von ihr festgestellten Sachverhalt ausgehe, verletze sie das Doppelverwertungsverbot. Ihre Ausführungen seien diesbezüglich nicht verständlich.  
Es trifft zu, dass die Vorinstanz einerseits hinsichtlich der Art und Weise der Einfuhr erwägt, diese gehe nicht über die blosse Erfüllung des Tatbestands hinaus, was sich neutral auswirke, und andererseits davon ausgeht, der Beschwerdeführer habe eine höhere hierarchische Stellung innegehabt als sein Cousin (Urteil S. 18). Bei der Art und Weise des Vorgehens sowie der hierarchischen Stellung handelt es sich um zwei verschiedene, für die Strafzumessung relevante Faktoren. Inwiefern die vorinstanzliche Erwägung widersprüchlich oder unverständlich ist, vom angeklagten oder festgestellten Sachverhalt abweicht oder das Doppelverwertungsverbot verletzt, ist weder vom Beschwerdeführer dargetan noch ersichtlich. 
 
1.4.4. Unbegründet ist der Einwand des Beschwerdeführers, die Vorinstanz berücksichtige seine Vorstrafen verschuldenserhöhend. Die Vorinstanz bezieht die insgesamt neun Vorstrafen des Beschwerdeführers nicht in ihre Beurteilung des konkreten Tatverschuldens hinsichtlich der einzelnen Widerhandlungen ein, sondern berücksichtigt sie bei der Wahl der Sanktionsart und beim täterbezogenen Strafzumessungskriterium des Vorlebens. Dies ist ebenso wenig zu beanstanden, wie der Umstand, dass sie nicht aufzeigt, in welcher Weise sie welche Vorstrafe gewichtet. Insgesamt erscheint eine Erhöhung der Einsatzstrafe für die Vorstrafen um vier Monate noch innerhalb des sachrichterlichen Ermessens. Dass lediglich eine der neun Vorstrafen einschlägig ist, vermag daran nichts zu ändern (vgl. Urteil 6S_453/2001 vom 30. August 2001 E. 1e).  
 
1.4.5. Insgesamt zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass sich die Vorinstanz bei der Strafzumessung von rechtlich nicht massgebenden Gerichtspunkten leiten lässt oder wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt respektive falsch gewichtet. Damit braucht auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Gewährung des bedingten Strafvollzugs nicht eingegangen zu werden.  
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario). Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. September 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres