Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_199/2024
Urteil vom 24. Oktober 2024
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Haag, Müller,
Gerichtsschreiber Gelzer.
Verfahrensbeteiligte
A.A.________ und B.A.________,
Beschwerdeführende,
beide vertreten durch
Rechtsanwältin Sabine Amacher,
gegen
C.________,
Beschwerdegegner,
Einwohnergemeinde Sigriswil, Baubewilligungsbehörde, Kreuzstrasse 1, 3655 Sigriswil,
Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern, Rechtsamt, Reiterstrasse 11, 3013 Bern.
Gegenstand
Baubewilligung, Parteientschädigung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 5. März 2024 (100.2022.181/187U).
Sachverhalt:
A.
Die mit zwei Wohnhäusern überbauten Parzellen Sigriswil Gbbl. Nrn. 2216 und 370 (nachfolgend: Baugrundstücke) stehen im Eigentum von C.________ (nachstehend: Bauherr).
B.
Mit Entscheid vom 27. Februar 2018 bewilligte die Einwohnergemeinde (EG) Sigriswil dem Bauherrn, die Wohnhäuser auf den Baugrundstücken umzubauen, zu sanieren und darauf eine Photovoltaikanlage anzubringen. A.A.________ und B.A.________ (nachstehend: Nachbarn) reichten dagegen Beschwerde ein, welche die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern mit Entscheid vom 27. Dezember 2018 insoweit guthiess, als sie die Bewilligung der Photovoltaikanlage aufhob und die Sache zur Fortsetzung des Baubewilligungsverfahrens an die EG Sigriswil zurückwies. Diese bewilligte mit Bauentscheid vom 25. März 2020 die Photovoltaikanlage erneut. Eine dagegen von den Nachbarn erhobene Beschwerde wies die Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern (BVD) mit Entscheid vom 23. Mai 2022 ab, wobei es die Kosten für das von ihr eingeholte Gutachten betreffend die Reflexionswirkungen der Photovoltaikanlage dem Bauherrn auferlegte.
Gegen diesen Entscheid erhoben die Nachbarn und der Bauherr beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern je eine Beschwerde. Die Nachbarn stellten im Verfahren 100.2022.181 die Anträge, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und dem Bauvorhaben den Bauabschlag zu erteilen. Der Bauherr beantragte im Verfahren 100.2022.187, die Kosten für das (von der BVD eingeholte) Gutachten seien entweder den Nachbarn oder zu gleichen Teilen diesen und der EG Sigriswil aufzuerlegen. Das Verwaltungsgericht vereinigte die Verfahren und wies mit Urteil vom 5. März 2024 beide Beschwerden ab, wobei es in Ziff. 4 des Dispositivs keine Parteientschädigungen zusprach. Zur Begründung führte es namentlich aus, im Verfahren 100.2022.187 sei der Bauherr unterlegen, zu ersetzende Parteikosten seien keine angefallen.
C.
Die Nachbarn erheben Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, Ziff. 4 des Dispositivs des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 5. März 2024 aufzuheben und den Bauherrn (Beschwerdegegner) zu verpflichten, den Beschwerdeführenden (für das vorinstanzliche Verfahren 100.2022.187) Parteikosten in der Höhe von Fr. 2'274.10 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer [MWSt]) oder eventuell in gerichtlich festzusetzender Höhe zu bezahlen. Eventuell sei die Sache zwecks Neuentscheidung (über die Parteikosten im Verfahren 100.2022.187) an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die BVD verzichtet auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde. Der Beschwerdegegner hat sich dazu nicht vernehmen lassen. Das Verwaltungsgericht führt in seiner Stellungnahme zusammengefasst aus, die Beschwerde sei bezüglich der Aufhebung der Ziff. 4 des Dispositivs des angefochtenen Urteils gutzuheissen. Für das Verfahren 100.2022.187 erscheine ein Parteikostenersatz von pauschal Fr. 1'000 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer [MWSt]) angemessen. Die Beschwerdeführenden bestätigen in ihrer Replik die in der Beschwerde gestellten Anträge.
Erwägungen:
1.
1.1. Gegen das angefochtene Urteil auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zur Verfügung (Art. 82 lit. a BGG). Mit dieser Beschwerde können auch nur die Kosten- und Entschädigungsfolgen dieses Urteils angefochten werden. Diesbezüglich sind die Beschwerdeführerenden nach Art. 89 Abs. 1 BGG auch dann zur Beschwerde berechtigt, wenn sie im kantonalen Verfahren 100.2022.187 obsiegten und ihnen zu Unrecht keine Parteientschädigung zugesprochen wurde (Urteil 1C_7/2024 vom 5. April 2024 E. 1 mit Hinweis; vgl. auch BGE 137 V 57 E. 1.1). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen gestützt auf die Akten von Amtes wegen ergänzen (Art. 105 Abs. 2 BGG; Urteile 2C_775/2017 vom 28. März 2018 E. 2.1; 5A_310/2010 vom 19. November 2010 E. 4.3; 2C_320/2009 vom 3. Februar 2010 E. 2.2).
2.
Die Vorinstanz räumt in ihrer Vernehmlassung zur Beschwerde ein, dass sie ersatzfähige Parteikosten im Verfahren 100.2022.187 fälschlicherweise nicht verlegte. Die Rüge der Beschwerdeführenden, der Verzicht auf die Zusprechung von Ersatz für Parteikosten in Ziff. 4 des Dispositivs des angefochtenen Urteils verletze das Willkürverbot bezüglich der Anwendung von Art. 104 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Mai 1989 des Kantons Bern (VRPG; BSG 155.21), ist damit offensichtlich begründet. Insoweit kann das Urteil summarisch begründet werden (Art. 109 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 BGG).
3.
3.1. Die Beschwerdeführenden bringen weiter vor, sie reichten für das vorinstanzliche Verfahren eine Kostennote zu den Akten. Über das damit verlangte Honorar von Fr. 2'050.-- zuzüglich Fr. 61.50 für Auslagen und Fr. 162.60 Mehrwertsteuer (MWSt) könne das Bundesgericht reformatorisch entscheiden.
3.2. Die Vorinstanz führt zur Höhe der geltend gemachten Parteikosten aus, gemäss Art. 41 Abs. 1 des Kantonalen Anwaltsgesetzes vom 28. März 2006 (KAG; BSG 168.11) in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 der Verordnung vom 17. Mai 2006 über die Bemessung des Parteikostenersatzes (Parteikostenverordnung, PKV; BSG 168.811) betrage das Honorar in Beschwerdeverfahren Fr. 400.-- bis 11'800.-- pro Instanz. Innerhalb dieses Rahmentarifs bemesse sich der Parteikostenersatz nach dem in der Sache gebotenen Zeitaufwand, der Bedeutung der Streitsache und der Schwierigkeit des Prozesses (Art. 41 Abs. 3 KAG). Die von den Beschwerdeführenden verlangte Parteientschädigung von insgesamt Fr. 2'274.10 sei angesichts dieser Kriterien überhöht, da die Beschwerdeführenden im Verfahren 100.2022.187 mit einfachem Schriftenwechsel (einzig) eine 4-seitige Beschwerdeantwort eingereicht hätten. Es seien keine umfangreichen Beilagen zu studieren gewesen, die nicht bereits aufgrund der anwaltlichen Vertretung im Verfahren vor der BVD bekannt gewesen seien. Die Bedeutung der Streitsache, der gebotene Zeitaufwand sowie die Schwierigkeit des Prozesses seien demnach unterdurchschnittlich gewesen, weshalb ein Parteikostenersatz von pauschal Fr. 1'000.-- (inkl. Auslagen und MWSt) als angemessen erscheine.
3.3. Die Beschwerdeführenden wenden in ihrer Replik ein, die Vorinstanz verkenne, dass die Beschwerdeführenden im Beschwerdeverfahren vor der damaligen Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion im Jahr 2018 noch nicht anwaltlich vertreten gewesen seien. Beinahe sämtliche vom Beschwerdegegner im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Unterlagen stammten aus diesem Beschwerdeverfahren und seien ihrer Rechtsvertreterin damit nicht bekannt gewesen. Die anderweitigen Ausführungen der Vorinstanz seien falsch und rechtfertigten keine Ausschöpfung des Tarifrahmens von weniger als 8 %, weshalb die mit der Beschwerde geltend gemachten Parteikosten von Fr. 2'274.10 (inkl. Auslagen und MWSt) zu ersetzen seien.
3.4. Obwohl die Beschwerdeführenden im vorinstanzlichen Verfahren 100.2022.187 obsiegten und sie in ihrer Beschwerdeantwort die Einreichung einer Honorarnote auf Ansuchen anboten, hat die Vorinstanz ihnen keine entsprechende Aufforderung zukommen lassen (vgl. zur Wahrung des rechtlichen Gehörs: Urteil 9C_307/2014 vom 15. Juli 2014 E. 3). Demnach wurde die nachträgliche Einreichung der Honorarnote durch den Entscheid der Vorinstanz veranlasst, weshalb diese Note gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG zugelassen werden kann.
Gemäss der zutreffenden Annahme der Vorinstanz ist davon auszugehen, die Rechtsvertreter der Beschwerdeführenden hätten im Beschwerdeverfahren bei der BVD von den Verfahrensakten Kenntnis genommen. Dies wird dadurch bestätigt, dass die BVD diesen Rechtsvertretern mit Verfügung vom 21. Juli 2021 namentlich die Baugesuchsakten der Gemeinde Sigriswil und Archivakten des Rechtsamtes der BVE (S. 1-273) zur Einsichtnahme zustellte. Zudem musste die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführenden bei der Verfassung der Beschwerde im Verfahren 100.2022.181 die Verfahrensakten kennen, weshalb bei der späteren Stellungnahme zur Beschwerde im Verfahren 100.2022.187 betreffend das gleiche Bauprojekt ein besonderer Aufwand für das Aktenstudium nicht gerechtfertigt erscheint. Sodann gehen die Beschwerdeführenden gemäss ihren Angaben zur Ausschöpfung des Tarifrahmens selber davon aus, der gebotene Zeitaufwand, die Bedeutung der Sache und die Schwierigkeit seien unterdurchschnittlich gewesen, da die Beschwerde (des Bauherrn) kurz gewesen sei, sie nur Gutachterkosten betroffen habe und die rechtliche Ausgangslage klar gewesen sei.
3.5. Unter diesen Umständen kann der Vorinstanz gefolgt werden, wenn sie für die Verfassung der vier Seiten umfassenden Beschwerdeantwort im Verfahren 100.2022.187 in Anwendung des von ihr genannten kantonalen Rechts eine Parteientschädigung von pauschal Fr. 1'000.-- (inkl. Auslagen und MWSt) als angemessen erachtet. Da die Sache insoweit spruchreif ist, kann das Bundesgericht gemäss Art. 68 Abs. 5 BGG über die Parteientschädigung im kantonalen Verfahren reformatorisch entscheiden und die von der Vorinstanz als angemessen erachtete Entschädigung zusprechen (vgl. Urteile 6B_186/2008 vom 22. August 2008 E. 1.3; 1C_243/2019 25. November 2020 E. 5).
4.
4.1. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde insoweit gutzuheissen, als der Beschwerdegegner in Abänderung von Ziff. 4 des Dispositivs des angefochtenen Urteils zu verpflichten ist, den Beschwerdeführenden für das kantonale Verfahren 100.2022.187 eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu bezahlen. Der Beschwerdegegner unterliegt damit bezüglich des Antrags auf Zahlung einer solchen Entschädigung in der Höhe von insgesamt Fr. 2'274.10 teilweise, auch wenn er sich zur Beschwerde nicht vernehmen liess (vgl. Urteil 1C_393/2021 vom 20. Mai 2022 E. 4 mit Hinweisen).
4.2. Die Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Da die Vorinstanz die Parteikosten unzutreffend verlegte und ihr keine Gerichtskosten auferlegt werden können, rechtfertigt es sich, umständehalber auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG; Urteil 1C_7/2024 vom 5. April 2024 E. 4). Der teilweise unterliegende Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführenden eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Deren Höhe wird als Gesamtsumme auf Grundlage von Art. 68 Abs. 2 BGG und des Reglements vom 31. März 2006 über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht (SR 173.110.210.3; nachfolgend: Entschädigungsreglement) festgesetzt (Urteil 2C_891/2022 vom 24. Mai 2024 E. 8.2). Die Beschwerdeführenden haben für das bundesgerichtliche Verfahren eine Kostennote in der Höhe von insgesamt Fr. 3'897.-- eingereicht, ohne den anwaltlichen Arbeitsaufwand auszuweisen. Diese Kostennote erweist sich unter Berücksichtigung der Wichtigkeit und Schwierigkeit der Sache sowie des notwendigen Arbeitsaufwands der anwaltlichen Vertretung (vgl. Art. 6 Entschädigungsreglement) als überhöht, zumal die Beschwerde einzig die Parteientschädigung im vorinstanzlichen Verfahren betrifft, keine komplexen juristischen Fragen aufwirft und der Arbeitsaufwand daher beschränkt war (vgl. Urteil 1C_473/2020 vom 9. September 2021 E. 10). Angemessen erscheint eine (volle) Entschädigung von Fr. 2'000.-- (vgl. Urteile 1C_7/2024 vom 5. April 2024 E. 4 und Disp.-Ziff. 3; 6B_720/2011 vom 27. Dezember 2011, Disp.-Ziff. 3), die aufgrund des etwa hälftigen Unterliegens des Beschwerdegegners auf Fr. 1'000.-- (inkl. Auslagen und MWSt) zu reduzieren ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird Ziff. 4 des Dispositivs des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 5. März 2024, Verwaltungsrechtliche Abteilung, dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdegegner den Beschwerdeführenden im vorinstanzlichen Verfahren 100.2022.187 eine Parteientschädigung von pauschal Fr. 1'000.-- (inkl. Auslagen und MWSt) zu bezahlen hat. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführenden für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Einwohnergemeinde Sigriswil, der Bau- und Verkehrsdirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. Oktober 2024
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Der Gerichtsschreiber: Gelzer