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[AZA 7] 
U 154/00 Ge 
 
 
II. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Nussbaumer 
 
 
Urteil vom 25. Januar 2002 
 
in Sachen 
 
B.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Alfred Dätwyler, Bielstrasse 111, 4500 Solothurn, 
 
gegen 
 
ELVIA Versicherungen, Badenerstrasse 694, 8048 Zürich, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn 
 
 
 
Mit Einspracheentscheid vom 13. Juli 1999 bestätigte die ELVIA Versicherungen ihre am 2. Februar 1999 mit Ausnahme der Kosten für die Behandlung der Schulterbeschwerden verfügte Einstellung der Versicherungsleistungen (Heilbehandlungskosten und Taggelder), welche sie B.________ wegen der am 28. Januar 1997 bei einem Verkehrsunfall zugezogenen Verletzungen und der dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeit hatte zukommen lassen. 
 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 10. März 2000 ab. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides sei die Sache an die ELVIA Versicherungen zurückzuweisen, damit diese über die beantragten Leistungen (Taggelder, Heilungskosten, eventuell Erwerbsausfallrente und Integritätsentschädigung) neu befinde. Ferner sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege mit Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters zu bewilligen. 
 
Die ELVIA Versicherungen schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. - Am 23. Januar 2001 liess die Beschwerdeführerin ein Gutachten des Zentrums für medizinische Begutachtung (ZMB) in Basel vom 9. Januar 2001 einreichen, worauf die ELVIA Versicherungen Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Gutachten erhielt (Eingabe vom 31. Januar 2001). 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Im angefochtenen Entscheid wird die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang im Allgemeinen (vgl. auch BGE 119 V 337 Erw. 1) und bei Schleudertraumen der HWS oder äquivalenten Verletzungsmechanismen im Besonderen (BGE 119 V 338; RKUV 2000 Nr. U 359 S. 29) richtig dargelegt. Entsprechendes gilt für die Grundsätze zum Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhanges (vgl. auch BGE 125 V 461 Erw. 5a, 123 V 103, 122 V 416 Erw. 2a), insbesondere bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133) und bei den Folgen eines Unfalles mit Schleudertrauma der HWS oder äquivalenten Verletzungen ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle (BGE 117 V 359). 
 
2.- a) Streitig ist, ob es sich bei der bei der Beschwerdeführerin bestehenden psychischen Gesundheitsstörung, welche das ZMB im Gutachten vom 9. Januar 2001 als eine sich im Abklingen befindliche posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, um eine Folge des versicherten Unfalles vom 28. Januar 1997 handelt. Dabei ist gestützt auf die medizinischen Akten mit dem kantonalen Gericht der natürliche Kausalzusammenhang zu bejahen. Gestützt auf die medizinischen Akten, namentlich auch aufgrund des Gutachtens der MEDAS vom 9. Januar 2001, ist ferner davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin beim Unfall weder ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule noch eine dem Schleudertrauma äquivalente Verletzung erlitten hat. Aktenergänzungen zu diesem Punkt bedarf es daher nicht. Die Beurteilung der Adäquanz ist demzufolge nach den Kriterien gemäss BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa vorzunehmen. Im Unterschied zu den bei Unfällen mit Schleudertrauma der HWS massgebenden Kriterien (vgl. dazu BGE 117 V 366 Erw. 6a und 382 Erw. 4b) wird für die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs bei psychischen Unfallfolgen zwischen physischen und psychischen Komponenten differenziert (BGE 117 V 367 Erw. 6a in fine). 
 
b) Die Beschwerdeführerin erlitt am 28. Januar 1997 als Fussgängerin einen Verkehrsunfall. Sie überquerte mit ihrem zweijährigen Sohn, den sie im Kinderwagen vor sich schob, in Y.________ einen Fussgängerstreifen. Dabei näherte sich ein Personenwagen mit einer Geschwindigkeit von 35 bis 45 Std./km. Die Beschwerdeführerin realisierte, dass der PW-Lenker sie offenbar übersah und keine Anstalten machte, ihr den Vortritt zu gewähren. Obwohl sie versuchte, die Kollision zu vermeiden, wurden sie und der Kinderwagen vom linken vorderen Kotflügel des PW erfasst. Dabei zogen sich sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Sohn Verletzungen zu. Diesen Unfallablauf hat das kantonale Gericht entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin zu Recht im mittleren Bereich angesiedelt, ohne dass er im Grenzbereich zu den schwereren Unfällen einzureihen wäre. Es kann in diesem Punkt auf die einlässliche Begründung im kantonalen Entscheid verwiesen werden. Dass die Beschwerdeführerin das Bild des Unfalls als von Überraschung, Verletzung, Schmerz, Hilflosigkeit und Verletzlichkeit geprägt schildert, ist begreiflich, im vorliegenden Zusammenhang jedoch irrelevant, da nicht das Unfallerlebnis, sondern das objektivierte Unfallereignis massgebend ist (BGE 117 V 366 Erw. 6a). Hingegen kann mit der Beschwerdeführerin das Kriterium der besonderen Eindrücklichkeit des Unfalls als erfüllt betrachtet werden. 
Die Beschwerdeführerin hat bei der Kollision eine Luxationsverletzung an der linken Schulter, eine Kompressionsfraktur BWK 12 und LWK 2 sowie eine Commotio cerebri erlitten. Diese Verletzungen sind mit Ausnahme der leichtgradigen Periarthropatie an der linken Schulter gemäss dem Gutachten der Rheumatologischen Klinik und Poliklinik des Spitals X.________ vom 27. Oktober 1998, auf welches abzustellen ist, ausgeheilt. Bei diesen Gesundheitsschäden handelt es sich nicht um Verletzungen, die erfahrungsgemäss psychische Fehlentwicklungen auslösen können, noch kann hinsichtlich der organischen Unfallfolgen von einer ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung gesprochen werden. Der Umstand, dass die Luxationsverletzung an der linken Schulter erst rund zwei Monate nach dem Unfall anlässlich des Aufenthaltes im Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil diagnostiziert worden ist, vermag das Kriterium der ärztlichen Fehlbehandlung nicht zu erfüllen. Zu Recht hat das kantonale Versicherungsgericht auch festgestellt, dass erhebliche Komplikationen und ein schwieriger Heilungsverlauf in somatischer Hinsicht nicht auszumachen sind. Soweit die MEDAS anlässlich des IV-Abklärungsverfahrens im Gutachten vom 9. Januar 2001, welches auf Untersuchungen vom 4. bis 7. Dezember 2000 beruht und damit den Gesundheitszustand sowie die Arbeitsunfähigkeit nach dem massgebenden Zeitpunkt des Einspracheentscheides beschreibt (13. Juli 1999; BGE 116 V 248 Erw. 1a und RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101), hinsichtlich der Unfallkausalität des chronischen Lumbovertebralsyndroms zu anderen Schlussfolgerungen gelangt, so besteht kein Anlass, nicht auf das schlüssige Gutachten der Rheumatologischen Klinik und Poliklinik des Spitals X.________ vom 27. Oktober 1998 abzustellen. Dieses hatte sich gerade zur Unfallkausalität auszusprechen, welche im Rahmen der IV als finale Versicherung (BGE 124 V 178 oben) ohne Bedeutung ist. 
Schliesslich ist auch das Kriterium der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit nicht gegeben. Aus physischer Sicht war die Beschwerdeführerin ab 1. Oktober 1997 zu 50 % und ab 1. März 1998 zu 100 % arbeitsfähig. So bezeichnet denn auch die Rheumatologische Klinik und Poliklinik des Spitals X.________ im Gutachten vom 27. Oktober 1998, welches auf einer ambulanten Untersuchung am 4. März 1998 beruht, die Beschwerdeführerin in der vor dem Unfall ausgeübten Tätigkeit als Küchenmitarbeiterin und als Hausfrau für voll arbeitsfähig. Zu Recht verweist in diesem Zusammenhang das kantonale Gericht auf einen ähnlichen Sachverhalt in BGE 115 V 133 (Kasuistik zu Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit im Urteil L. vom 30. August 2001, U 56/00). Daran würde nichts ändern, wenn wegen der Schulterbeschwerden eine leicht eingeschränkte Arbeitsfähigkeit angenommen werden müsste, wie dies in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht wird. 
 
c) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass von den in BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa genannten Kriterien - unter Ausserachtlassung psychischer Einflüsse (BGE 117 V 367 Erw. 6a in fine) - weder ein einzelnes in besonders ausgeprägter noch mehrere in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sind. Die Beschwerdegegnerin hat daher mit Ausnahme der Kosten für die Behandlung der Schulterbeschwerden ihre Leistungen zu Recht eingestellt. 
 
3.- Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten erweist sich daher als gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung 
wird Fürsprecher Alfred Dätwyler für das Verfahren vor 
dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse 
eine Entschädigung (einschl. Mehrwertsteuer) 
von Fr. 2500.- ausgerichtet. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht 
des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für 
Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 25. Januar 2002 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident Der Gerichtsder 
II. Kammer: schreiber: