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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_519/2009 
 
Urteil vom 25. Januar 2010 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Müller, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Donzallaz, 
Gerichtsschreiber Winiger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Ebnöther, 
 
gegen 
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, 
Regierungsrat des Kantons Zürich. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Kammer, 
vom 14. Juli 2009. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 X.________ (geb. 1953) ist türkische Staatsangehörige und reiste am 4. August 1999 mit einem Besuchervisum in die Schweiz ein. Nach einem Autounfall beantragte sie am 3. Dezember 1999 eine Aufenthaltsbewilligung zwecks ärztlicher Behandlung. Das heutige Migrationsamt des Kantons Zürich lehnte das Gesuch ab und setzte ihr eine Ausreisefrist bis zum 31. Januar 2000. Am 10. Januar 2000 heiratete X.________ den Schweizer Bürger Y.________ (geb. 1949) und erhielt als Ehegattin eines Schweizer Bürgers eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Zürich. Y.________ meldete am 7. März 2000 den Wegzug seiner Ehefrau; seither wurde die eheliche Wohngemeinschaft nicht mehr aufgenommen. 
 
1.2 Das Migrationsamt verlängerte die Aufenthaltsbewilligung von X.________ letztmals bis zum 9. Oktober 2006. Am 14. September 2006 stellte sie ein Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung bzw. Erteilung der Niederlassungsbewilligung. Mit Verfügung vom 8. Januar 2008 lehnte das Migrationsamt das Gesuch ab. Hiergegen rekurrierte sie erfolglos beim Regierungsrat des Kantons Zürich. Eine beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eingereichte Beschwerde wurde von diesem mit Urteil vom 14. Juli 2009 abgewiesen. 
 
1.3 Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 24. August 2009 beantragt X.________ dem Bundesgericht die Aufhebung des Entscheides der Vorinstanz und damit die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. 
 
Der Regierungsrat des Kantons Zürich - vertreten durch seine Staatskanzlei - und das Bundesamt für Migration ersuchen um Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet, während sich die Sicherheitsdirektion nicht geäussert hat. 
 
1.4 Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der Beschwerde mit Verfügung vom 9. September 2009 antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
2. 
2.1 Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG schliesst die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide über ausländerrechtliche Bewilligungen aus, auf deren Erteilung weder nach dem Bundes- noch dem Völkerrecht ein Rechtsanspruch besteht. 
 
2.2 Das streitige Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung wurde vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) am 1. Januar 2008 eingereicht und beurteilt sich daher noch nach dem inzwischen aufgehobenen Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; BS 1 121) und seinen Ausführungserlassen (Art. 126 Abs. 1 AuG). 
 
2.3 Nach Art. 7 Abs. 1 ANAG (in der Fassung vom 23. März 1990) hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers grundsätzlich Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (Satz 1) sowie nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung (Satz 2). 
Die Beschwerdeführerin lebt zwar von ihrem schweizerischen Ehemann getrennt, die Ehe besteht aber formell weiterhin. Damit hat sie grundsätzlich einen Anwesenheitsanspruch gemäss Art. 7 ANAG. Die Frage, ob die Bewilligung verweigert werden durfte, weil einer der in Art. 7 ANAG vorgesehenen Ausnahmetatbestände oder ein Verstoss gegen das Rechtsmissbrauchsverbot gegeben ist, betrifft nicht das Eintreten, sondern bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 128 II 145 E. 1.1.2 bis 1.1.5 S. 148 ff. mit Hinweisen). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist somit einzutreten. 
 
3. 
3.1 Gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers - wie erwähnt - Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sowie nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung. Kein Anspruch besteht, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern zu umgehen (Art. 7 Abs. 2 ANAG). Hierunter fällt die sogenannte Scheinehe oder Ausländerrechtsehe, bei der die Ehegatten von vornherein keine echte eheliche Gemeinschaft beabsichtigen. Doch auch wenn eine Ehe nicht bloss zum Schein eingegangen worden ist, heisst das nicht zwingend, dass dem ausländischen Ehepartner der Aufenthalt ungeachtet der weiteren Entwicklung gestattet werden muss. Zu prüfen ist, ob sich die Berufung auf die Ehe nicht als rechtsmissbräuchlich erweist. Nach gefestigter bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt Rechtsmissbrauch vor, wenn der Ausländer sich im fremdenpolizeilichen Verfahren auf eine Ehe beruft, welche nur (noch) formell besteht oder aufrecht erhalten wird, mit dem alleinigen Ziel, ihm eine Anwesenheitsberechtigung zu verschaffen; dieses Ziel wird von Art. 7 ANAG nicht geschützt (BGE 131 II 265 E. 4.2 S. 267; 130 II 113 E. 4.2 S. 117, je mit Hinweisen). 
 
3.2 Ob eine Scheinehe geschlossen wurde bzw. ob die Ehe nur noch formell und ohne Aussicht auf Wiederaufnahme einer ehelichen Gemeinschaft besteht, entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis und ist bloss durch Indizien zu erstellen (BGE 130 II 113 E. 10.2 und 10.3 S. 135 f. mit Hinweis). Feststellungen über das Bestehen solcher Indizien können äussere Gegebenheiten, aber auch innere, psychische Vorgänge betreffen (Wille der Ehegatten); es handelt sich so oder anders um tatsächliche Feststellungen, welche für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich sind (vgl. Art. 105 BGG). Frei zu prüfen ist die Rechtsfrage, ob die festgestellten Tatsachen (Indizien) darauf schliessen lassen, die Berufung auf die Ehe bezwecke die Umgehung fremdenpolizeilicher Vorschriften oder sei rechtsmissbräuchlich (BGE 128 II 145 E. 2.3 S. 152 mit Hinweisen). 
 
3.3 Die Vorinstanz lässt offen, ob bereits eine sog. Ausländerrechts- bzw. Scheinehe im Sinne von Art. 7 Abs. 2 ANAG geschlossen worden ist. Sie ist indes der Auffassung, die Berufung auf die Ehe sei bereits lange vor Ablauf der Fünfjahresfrist des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG - mithin vor dem 10. Januar 2005 - rechtsmissbräuchlich gewesen. Es sei fraglich, ob die Eheleute nach ihrer Hochzeit am 10. Januar 2000 überhaupt je eine gemeinsame Wohnung bezogen hätten. Spätestens am 1. März 2000 sei die Beschwerdeführerin ohne ihren Ehemann zu ihrem Bruder S.________ gezogen. Dort habe sie - von einem kleinen Unterbruch abgesehen - bis zum 1. April 2007 gewohnt, ehe sie sich nach Glattbrugg/ZH zu ihrem Bruder T.________ abmeldete. Seit dem 30. April 2008 wohne die Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter Z.________ wieder in Zürich. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei für einige Zeit verschwunden gewesen und wohne seit dem 18. Juni 2003 im Wohnheim der Heilsarmee in Zürich. An der Würdigung, die Berufung auf die Ehe sei rechtsmissbräuchlich, ändere im Übrigen nichts, dass die Beschwerdeführerin einen auf ihren resp. den Namen ihres Ehemanns lautenden und ab 1. Juli 2009 geltenden Untermietvertrag (Vermieter Bruder T.________) ins Recht gelegt habe. 
Die Beschwerdeführerin wendet ein, es könne nicht ihr angelastet werden, wenn ihr Ehegatte während Jahren verschwunden war. Sie habe sich bemüht, eine gemeinsame Wohnung mit ihrem Ehemann zu finden, was aber mit ihren bescheidenen Einkommensverhältnissen auf dem Wohnungsmarkt im Kanton Zürich sehr schwierig sei. Zudem habe sie nicht auf Landgemeinden oder gar angrenzende Kantone ausweichen wollen, da ihr Ehemann in der Stadt Zürich sein soziales Netz habe und auch sie in der Stadt verwurzelt sei. Die Ehekrise sei nun überwunden und dank der gemeinsamen Wohnung werde die Beziehung nun wieder "als eine eheliche, im Sinne einer Lebenspartnerschaft, gelebt." 
 
3.4 Zwar verlangt Art. 7 Abs. 1 ANAG nicht, dass die Eheleute den gleichen Wohnsitz haben. Wohnen Eheleute jedoch über Jahre hinweg nicht am selben Ort, ohne dass hierfür besondere Gründe ersichtlich sind, besteht die Vermutung, dass sich der ausländische Ehepartner rechtsmissbräuchlich auf die Ehe beruft, um in der Schweiz bleiben zu können. Insoweit obliegt es dem Ausländer, diese Vermutung zu entkräften, indem er substantiiert dartut und - soweit möglich - belegt, dass die Ehe weiterhin gelebt wird. Er darf sich nicht mit blossem Bestreiten oder pauschalen Behauptungen begnügen. Das ergibt sich nicht nur aus der den Ausländer nach Art. 3 Abs. 2 und Art. 13f ANAG treffenden Mitwirkungspflicht, sondern bereits aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV), da es um Tatsachen geht, die der Ausländer naturgemäss besser kennt als die Behörden und welche diese ohne seine Mitwirkung gar nicht oder nicht mit vernünftigem Aufwand feststellen können (Urteil 2C_408/2008 vom 11. September 2008 E. 5). 
Die Einwendungen der Beschwerdeführerin vermögen nicht zu überzeugen: Es erscheint wenig glaubwürdig, nach neunjährigem Getrenntleben zu behaupten, man wolle das gemeinsame Eheleben - als Untermieter beim Bruder der Beschwerdeführerin - plötzlich wieder aufnehmen. Gewiss mag es für Personen mit bescheidenem Einkommen im Raum Zürich nicht einfach sein, eine Mietwohnung zu finden. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, eine Wohnung in einer Landgemeinde oder ausserhalb des Kantons Zürich sei nicht in Frage gekommen, zeigt jedoch auf, dass dem Zusammenleben offenbar nur eine untergeordnete Bedeutung zukam und immer noch zukommt. Selbst wenn der Ehemann sein soziales Netz in der Stadt Zürich hat und die Ehefrau hier über familiäre Kontakte verfügt, wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, in den letzten neun Jahren eine gemeinsame Wohnung - wenn auch vielleicht ausserhalb des Stadtzentrums - zu finden. 
Die übrigen von der Vorinstanz festgestellten Indizien (mangelnde Kenntnisse der Eheleute über das Leben des Partners, keine gemeinsame Freizeit, widersprüchliche Angaben über persönliche Kontakte) werden von der Beschwerdeführerin nicht einmal pauschal bestritten, so dass diese Umstände ebenfalls als erstellt gelten (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG). 
 
3.5 Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung vom Art. 8 EMRK und Art. 13 BV rügt und dabei in unzulässiger Weise (vgl. BGE 133 II 396 E. 3.2) pauschal auf ihre Eingabe an die Vorinstanz verweist (Ziff. 2.3 der Beschwerdeschrift) erweist sich die Beschwerde als zu wenig substantiiert (vgl. Art. 42 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG), weshalb auf diese Rügen nicht einzutreten ist. 
 
3.6 Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich geht im angefochtenen Entscheid von der dargelegten Rechtsprechung zur missbräuchlichen Berufung auf die Ehe aus. Bei gesamthafter Betrachtung aller Indizien musste sich der Schluss aufdrängen, dass schon deutlich vor dem 10. Januar 2005 keine Aussichten auf Wiederaufnahme einer echten ehelichen Gemeinschaft mehr bestanden. War aber die Ehe klarerweise schon vor Ablauf der Fünfjahresfrist gemäss Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG definitiv gescheitert, so konnte kein Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung entstehen. Damit verstösst die Verweigerung der beantragten Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nicht gegen Bundesrecht. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich. Es genügt, ergänzend auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid zu verweisen (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
4. 
4.1 Die Beschwerde erweist sich somit als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
4.2 Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit des Beschwerdebegehrens nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin wird somit kostenpflichtig (Art. 66 BGG). Bei der Bemessung der Gerichtsgebühr wird indessen ihrer finanziellen Lage Rechnung getragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Sicherheitsdirektion, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht (4. Kammer) des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 25. Januar 2010 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Müller Winiger