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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_686/2018  
 
 
Urteil vom 25. Januar 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Elmiger-Necipoglu. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Bleuer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
beco Berner Wirtschaft, Arbeitsvermittlung, Rechtsdienst, Lagerhausweg 10, 3018 Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 29. August 2018 (200 18 366). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1976 geborene A.________ bezog von der Arbeitslosenkasse vom 9. Februar 2015 bis zum 30. April 2015 Planungstaggelder zur Förderung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit. Vom 1. Mai 2015 bis zum 25. Oktober 2017 arbeitete sie als selbstständigerwerbende Projektmanagerin in der Pharmaindustrie. Am 25. Oktober 2017 meldete sie sich zum Bezug von Arbeitslosentaggeldern an. Mit Schreiben vom 2. November 2017 forderte die Arbeitslosenkasse A.________ auf, schriftlich mitzuteilen, ob sie die selbstständige Tätigkeit definitiv aufgegeben habe. Den massgeblichen Fragebogen retournierte die Versicherte versehen mit dem Datum des 8. November 2017. Zur Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit forderte sie das beco, Berner Wirtschaft (nachfolgend: beco), am 17. November 2017 auf, weitere Fragen zu beantworten bzw. die bezeichneten Unterlagen zuzustellen. Mit E-Mail vom 1. Dezember 2017 äusserte sich A.________ zu den gestellten Fragen. Mit Entscheid vom 13. Dezember 2017 teilte das beco ihr mit, dass sie ab 26. Oktober 2017 "nicht vermittlungsfähig und auch nicht anspruchsberechtigt" sei, wogegen sie Einsprache erhob. Mit Einspracheentscheid vom 5. April 2018 hiess das beco die Einsprache insoweit gut, als sie die Vermittlungsfähigkeit ab dem 12. Januar 2018 bejahte. Im Übrigen wurde die Einsprache abgewiesen. 
 
B.   
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 29. August 2018 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und im Wesentlichen beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihre Vermittlungsfähigkeit ab dem 25. Oktober 2017 zu bejahen. 
Die Vorinstanz und das beco, mit Verweis auf den angefochtenen Entscheid, verzichten auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (8C_655/2017 vom 3. Juli 2018, nicht [in BGE 144 V 224] publizierte E. 1.2; 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, als es die Vermittlungsfähigkeit und den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosentaggelder vom 25. Oktober 2017 bis 11. Januar 2018 verneinte. 
 
3.   
 
3.1. Gestützt auf Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG hat die versicherte Person Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn sie (unter anderem) vermittlungsfähig ist, d.h. wenn sie bereit, in der Lage und berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen. Der Begriff der Vermittlungsfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung schliesst graduelle Abstufungen aus. Entweder ist die versicherte Person vermittlungsfähig, insbesondere bereit, eine zumutbare Arbeit (im Umfang von mindestens 20 % eines Normalarbeitspensums; vgl. Art. 5 AVIV und BGE 120 V 385 E. 4c/aa S. 390) anzunehmen, oder nicht (BGE 136 V 95 E. 5.1 S. 97). Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt zudem einen anrechenbaren Arbeitsausfall voraus (Art. 8 Abs. 1 lit. b AVIG).  
 
3.2. Zu ergänzen ist, dass bei der Beurteilung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung andauernd selbstständig erwerbender Personen unter dem Gesichtspunkt der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung rechtsprechungsgemäss massgebend ist, ob der Status des Selbstständigerwerbenden mit dem Ziel dauernder wirtschaftlicher und unternehmerischer Unabhängigkeit aufgenommen und beibehalten wird (Urteile 8C_344/2018 vom 13. Juni 2018 E. 3.4; 8C_672/2012 vom 5. Dezember 2012 E. 2). Die Dauerhaftigkeit der selbstständigen Erwerbstätigkeit ist insofern von Bedeutung, als sie allenfalls die Vermittlungsfähigkeit in Frage stellt. Sie ist indessen keine negative Anspruchsvoraussetzung, bei deren Vorliegen ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung von vornherein ausgeschlossen wäre. Massgebendes Kriterium für diesen Anspruch ist die Vermittlungsfähigkeit (Urteile 8C_672/2012 vom 5. Dezember 2012 E. 2; 8C_79/2009 vom 25. September 2009 E. 4.1; C 88/02 vom 17. Dezember 2002 E. 2.4.1). Übt eine versicherte Person während ihrer Arbeitslosigkeit eine selbstständige Erwerbstätigkeit aus, ist die Vermittlungsfähigkeit nur solange gegeben, als die selbstständige Erwerbstätigkeit ausserhalb der normalen Arbeitszeit ausgeübt werden kann (Urteile 8C_672/2012 vom 5. Dezember 2012 E. 2; 8C_79/2009 vom 25. September 2009 E. 4.1; C 353/00 vom 16. Juli 2001 E. 2b).  
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz stellte in sachverhaltlicher Hinsicht fest, sowohl aus der Anmeldung zur Arbeitsvermittlung wie auch aus dem Antrag auf Arbeitslosenentschädigung gehe klar hervor, dass die Beschwerdeführerin eine Tätigkeit in einem 100%-Pensum bzw. eine Vollzeitstelle suche und in diesem Umfang dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen wolle. Darüber hinaus erwog sie, dass die Beschwerdeführerin - für den Fall der teilzeitlichen Weiterführung ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit - sich für die Bestimmung des anrechenbaren Arbeitsausfalls über deren Umfang und die konkreten Einsatztage hätte festlegen müssen. Der entsprechenden Frage, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten sie seit der Anmeldung mit der Ausübung ihrer selbstständigen Tätigkeit beschäftigt sei, sei die Beschwerdeführerin in der Antwortmail vom 1. Dezember 2017 ausgewichen und habe sie nicht beantwortet. Auch im "Fragebogen Deklaration der Selbstständigkeit oder in der eigenen Firma beschäftigt" habe sie sich auf keine klaren Zeiten festlegen wollen bzw. können und die entsprechenden Zeilen leer gelassen. Damit habe sie auf der Ausübung ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit beharrt. Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, dass bis zur definitiven Aufgabe der Selbstständigkeit am 11. Januar 2018 die Beschwerdeführerin als vermittlungsunfähig gegolten habe.  
 
4.2. Unbestrittenermassen hat die Beschwerdeführerin ihre selbstständige Erwerbstätigkeit mit dem Ziel einer wirtschaftlich tragfähigen, auf Dauer ausgerichteten Selbstständigkeit am 1. Mai 2015 aufgeommen, nachdem sie bis zum 30. April 2015 Planungstaggelder (Art. 71a ff AVIG) bezogen hatte. Aufgrund der Akten ist davon auszugehen, dass sie die selbstständige Tätigkeit vollzeitlich ausüben wollte. Ferner ist aktenkundig, dass es ihr nicht gelang, eine wirtschaftlich tragfähige Selbstständigkeit aufzubauen und sie sich deshalb am 25. Oktober 2017 zur Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung gezwungen sah. Wie die Vorinstanz richtig erwog, bezweckt die Arbeitslosenversicherung nicht die Abdeckung von Unternehmensrisiken, wozu auch ein zu geringes Einkommen aufgrund entgangener Aufträge gehört (Urteile 8C_966/2010 vom 28. März 2011 E. 3.4; 8C_4972009 vom 5. Juni 2009 E. 4 in ARV 2009 S. 336). Entscheidend ist aber sowohl unter den Aspekten der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung als auch der Vermittlungsfähigkeit, ob die Beschwerdeführerin weiterhin den Ausbau einer auf Dauer angelegten Selbstständigkeit anstrebte (E. 3.2) oder bereit war, sich im angegebenen Umfang um eine Arbeitnehmertätigkeit zu bemühen.  
Der Beschwerdeführerin ist insofern beizupflichten, als sie der Beschwerdegegnerin mitgeteilt hat, willens und bereit zu sein, jede mögliche Stelle zu einem Vollzeitpensum anzunehmen. Damit blendet sie allerdings aus, dass sie in ihren jeweiligen Stellungnahmen vom 8. November und 1. Mai 2017 explizit darauf hinwies, auch als Selbstständigerwerbende weiterhin tätig sein zu wollen. Hinsichtlich des Umfangs dieser Tätigkeit machte sie indessen keine Angaben beziehungsweise schrieb sie lediglich, dass die Kundenaufträge zu verschiedenen Zeiten kommen könnten und dass keine geregelten Arbeitszeiten bestünden. Vorwiegend diese schriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin waren es, die die Vorinstanz zu ihrem Entscheid bewogen. Die Tatsache, dass (noch) keine Abmeldung von der Ausgleichskasse erfolgt war, diente ihr zwar als weiteres, entgegen der beschwerdeweisen Behauptung, aber nicht als einziges Argument für die fehlende Bereitschaft der Beschwerdeführerin, ihre Selbstständigkeit definitiv aufgeben zu wollen. Ausgehend von einem nicht offensichtlich unrichtig oder unvollständig festgestelltem Sachverhalt durfte die Vorinstanz angesichts dieser ambivalenten Haltung der Versicherten, ohne Bundesrecht zu verletzen, zum Schluss gelangen, die subjektive Vermittlungsfähigkeit sei nicht gegeben. 
 
4.3. Selbst wenn im Übrigen mit der Beschwerdeführerin davon auszugehen wäre, dass die subjektive Vermittlungsfähigkeit bereits vor dem 12. Januar 2018 gegeben war, liesse sich mangels Angaben zu den konkreten Zeiten, an denen sie die selbstständige Tätigkeit ausgeübt hätte, der anrechenbare Arbeitsausfall nicht bestimmen. Damit würde der Anspruch auf Arbeitslosentaggelder bereits an dieser Voraussetzung scheitern (Art. 8 Abs. 1 lit. b AVIG i.V.m. Art. 11 AVIG, E. 3.1 hiervor).  
 
5.   
Die Beschwerdeführerin macht schliesslich eine Verletzung der Aufklärungspflicht (Art. 27 Abs. 2 ATSG) geltend. Sie ist der Ansicht, der Beschwerdegegnerin hätte aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen klar sein müssen, dass sie sich vollumfänglich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen wolle und sie entsprechend auf die Abmeldung von der Ausgleichskasse hinweisen müssen. Mit Blick auf die Akten stösst auch dieser Einwand ins Leere. Nach der Anmeldung der Beschwerdeführerin zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung am 25. Oktober 2017 forderte die Beschwerdegegnerin sie mit Schreiben vom 2. November 2017 auf, ihr schriftlich mitzuteilen, ob sie die selbstständige Tätigkeit definitiv aufgegeben habe. Sie wies zudem darauf hin, dass bejahendenfalls eine Bestätigung der Ausgleichskasse benötigt werde, woraus ersichtlich sei, per wann sie ihre selbstständige Tätigkeit aufgegeben habe. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegt demnach nicht vor. Die Beschwerde ist unbegründet und folglich abzuweisen. 
 
6.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die unterliegende Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. Januar 2019 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Elmiger-Necipoglu