Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_153/2023
Urteil vom 25. Januar 2024
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Beusch,
Gerichtsschreiber Businger.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Wehrpflichtersatzverwaltung, Hauptgasse 70 / Kapitelhaus, 4509 Solothurn,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Wehrpflichtersatz; Ersatzjahre 2018-2020,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 19. Dezember 2022 (SGWPE.2022.3).
Sachverhalt:
A.
A.________ wurde 2016 im Alter von 28 Jahren in der Schweiz eingebürgert. Die Wehrpflichtersatzverwaltung des Kantons Solothurn veranlagte ihn mit Verfügung vom 27. September 2018 für das Ersatzjahr 2017 mit Fr. 627.-, mit Verfügung vom 28. August 2020 für das Ersatzjahr 2018 mit Fr. 1'083.- und mit Verfügung vom 10. Juni 2021 für das Ersatzjahr 2019 mit Fr. 1'248.-. Diese Veranlagungen sind unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
B.
Am 27. Juli 2022 veranlagte ihn die Wehrpflichtersatzverwaltung für das Ersatzjahr 2020 mit Fr. 1'308.-. Dagegen erhob A.________ Einsprache. Er machte geltend, dass seit 2018 keine Abgabepflicht mehr bestehe, und forderte die geleisteten Zahlungen ab 2018 zurück. Die Wehrpflichtersatzverwaltung trat am 31. August 2022 auf die Einsprache nicht ein, soweit sie die Ersatzjahre 2018 und 2019 betraf, und wies sie in Bezug auf das Ersatzjahr 2020 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonale Steuergericht Solothurn mit Urteil vom 19. Dezember 2022 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 14. Februar 2023 beantragt A.________ dem Bundesgericht, in Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheide sei festzustellen, dass die Ersatzpflicht seit 31. Dezember 2017 nicht mehr bestehe, unter Rückerstattung der seit 2018 bezahlten Beträge.
Das Kantonale Steuergericht Solothurn, die Wehrpflichtersatzverwaltung des Kantons Solothurn und die Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG). Ein Ausschlussgrund liegt nicht vor (Art. 83 BGG e contrario) und der legitimierte Beschwerdeführer (Art. 89 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 31 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1959 über die Wehrpflichtersatzabgabe [WPEG; SR 661]) hat die Beschwerde form- und fristgerecht eingereicht (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG ).
1.2. Anfechtungsobjekt des vorliegenden Verfahrens bildet einzig das Urteil des Steuergerichts, das die Entscheide der Wehrpflichtersatzverwaltung ersetzt (sog. Devolutiveffekt). Soweit der Beschwerdeführer auch die Aufhebung des Einspracheentscheids bzw. der Veranlagungsverfügung beantragt, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Immerhin gelten Entscheide unterer Instanzen als inhaltlich mitangefochten (vgl. Urteil 9C_634/2022 vom 19. April 2023 E. 1.3).
2.
Streitig sind einerseits die Veranlagungen für die Ersatzjahre 2018 und 2019.
2.1. Es ist unbestritten, dass die Veranlagungen für die Ersatzjahre 2018 und 2019 unangefochten in Rechtskraft erwachsen sind. Gemäss Art. 40 Abs. 1 der Verordnung vom 30. August 1995 über die Wehrpflichtersatzabgabe (WPEV; SR 661.1) zieht die Veranlagungsbehörde oder Rekursinstanz eine rechtskräftige Verfügung oder einen rechtskräftigen Entscheid von Amtes wegen oder auf Begehren eines Betroffenen in Revision, wenn a) neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden; b) die Behörde aktenkundige erhebliche Tatsachen oder bestimmte Begehren übersehen hat; c) die Behörde wesentliche Verfahrensgrundsätze, insbesondere das Recht auf Akteneinsicht oder auf rechtliches Gehör, verletzt hat.
2.2. Der Beschwerdeführer bringt weder neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vor noch macht er geltend, die Behörden hätten aktenkundige erhebliche Tatsachen oder Begehren übersehen bzw. wesentliche Verfahrensgrundsätze verletzt. Er sieht einen Revisionsgrund im Umstand, dass das Recht "vorliegend von Anfang an falsch angewendet worden" sei. Die falsche Rechtsanwendung alleine vermag indessen keine Revision zu rechtfertigen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der betreffende Entscheid stossend ist und dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Ist der Entscheid nicht nichtig, was der Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend macht (zum Nichtigkeitsbegriff vgl. BGE 147 III 226 E. 3.1.2), kann die falsche Rechtsanwendung lediglich im Rahmen der ordentlichen Rechtsmittel gerügt werden (vgl. Urteil 9C_479/2023 vom 11. Oktober 2023 E. 2.3.2). Nachdem der Beschwerdeführer bei den Veranlagungen 2018 und 2019 auf die Ergreifung von Rechtsmitteln verzichtet hat, kann er sie nicht nachträglich infrage stellen. Die Vorinstanz hat deshalb die Voraussetzungen der Revision zu Recht verneint.
2.3. Auch der Verweis in der Beschwerde auf Art. 34a Abs. 1 WPEG ist unbehelflich. Danach kann der Ersatzpflichtige einen von ihm bezahlten Ersatzabgabebetrag zurückfordern, wenn er irrtümlicherweise eine ganz oder teilweise nicht geschuldete Abgabe bezahlt hat. Die Bestimmung entspricht der Regelung von Art. 168 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) und beschlägt den Bezug und nicht die Veranlagung der Abgabe, wie sich aus ihrer systematischen Stellung im 6. Abschnitt ("Bezug der Ersatzabgabe") ergibt. Ein Rückerstattungsanspruch besteht deshalb nur für Zahlungen, die die gemäss definitiver Veranlagung geschuldeten Abgaben übersteigen (vgl. Urteil 2A.321/2002 vom 2. Juni 2003 E. 2.2). Dagegen bietet Art. 34a Abs. 1 WPEG nicht Hand, eine bereits rechtskräftige Veranlagung erneut infrage zu stellen. Nachdem der Beschwerdeführer nicht behauptet, der Bezug der Abgabe sei nicht entsprechend den rechtskräftigen Veranlagungen erfolgt, bleibt mit Blick auf Art. 34a Abs. 1 WPEG weder Raum für eine Überprüfung der Veranlagung noch für eine Rückforderung der gemäss Veranlagung entrichteten Abgaben.
Dies führt zur Abweisung der Beschwerde bezüglich der rechtskräftig veranlagten Ersatzjahre 2018 und 2019.
3.
Der Beschwerdeführer stellt auch die Erhebung der Ersatzabgabe für das Jahr 2020 infrage.
3.1. Gemäss Art. 59 Abs. 1 BV ist jeder Schweizer verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden nach Art. 59 Abs. 3 BV eine Abgabe. Damit soll die Gleichbehandlung von Wehrpflichtigen, die Militär- oder Zivildienst leisten, und hiervon befreiten Wehrpflichtigen gewährleistet werden (vgl. Urteil 2C_339/2021 vom 4. Mai 2022 E. 3.1 m.H.).
Nach Art. 1 WPEG haben Schweizer Bürger, die ihre Wehrpflicht nicht oder nur teilweise durch persönliche Dienstleistung (Militär- oder Zivildienst) erfüllen, einen Ersatz in Geld zu leisten. Die Abgabe wird jährlich (Art. 25 Abs. 1 WPEG) von den Ersatzpflichtigen, die im Ersatzjahr die Dienstpflicht nicht erfüllt haben ( Art. 2 und 8 WPEG ), deren Ersatzpflicht noch andauert (Art. 3 WPEG) und die nicht von der Ersatzpflicht befreit sind ( Art. 4 und 4a WPEG ), auf dem taxpflichtigen Einkommen erhoben ( Art. 11 und 12 WPEG ). Sie beträgt 3 Franken je 100 Franken des taxpflichtigen Einkommens, mindestens aber 400 Franken (Art. 13 Abs. 1 WPEG).
3.2. Das WPEG wurde mit Bundesgesetz vom 16. März 2018 geändert. Die Gesetzesänderung trat am 1. Januar 2019 in Kraft. Sie betraf insbesondere die Dauer der Ersatzpflicht, die in Art. 3 WPEG geregelt ist.
Nach Art. 3 WPEG in der Fassung vom 16. März 2018 beginnt die Ersatzpflicht frühestens am Anfang des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 19. Altersjahr vollendet. Sie dauert längstens bis zum Ende des Jahres, in dem er das 37. Altersjahr vollendet (Abs. 1). Für Wehrpflichtige, die während mehr als sechs Monaten weder in einer Formation der Armee eingeteilt noch der Zivildienstpflicht unterstellt sind und die keinen Zivilschutzdienst leisten, beginnt die Ersatzpflicht im Jahr, das auf die Rekrutierung folgt. Sie dauert elf Jahre (Abs. 2).
Nach altem Recht (Art. 3 Abs. 1 aWPEG; AS 2010 6015, 6031 f.; in Kraft bis am 31. Dezember 2018) begann die Ersatzpflicht am Anfang des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 20. Altersjahr vollendet. Sie dauerte für nicht in einer Formation der Armee eingeteilte und nicht der Zivildienstpflicht unterstehende Wehrpflichtige bis zum Ende des Jahres, in dem sie das 30. Altersjahr vollenden (Art. 3 Abs. 2 lit. a aWPEG). Für in einer Formation der Armee eingeteilte oder der Zivildienstpflicht unterstehende Wehrpflichtige dauerte sie längstens bis zum Ende des Jahres, in dem sie das 34. Altersjahr vollenden (Art. 3 Abs. 2 lit. b aWPEG).
3.3. Die Vorinstanz erwog, für das Abgabejahr 2020 liege keine verbotene Rückwirkung vor. Die Gesetzesänderung sei auf den 1. Januar 2019 in Kraft getreten und die Voraussetzungen der Abgabepflicht hätten sich vollumfänglich im Abgabejahr ereignet. Dass die Dauer der Ersatzpflicht mit Vollendung der altrechtlichen Altersgrenze vollendet gewesen sei, bedeute nicht, dass die Ersatzpflicht nicht zu einem späteren Zeitpunkt durch eine neue gesetzliche Regelung wieder aufleben könne (vgl. E. 4.5 des angefochtenen Urteils).
Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, seine Abgabepflicht sei Ende 2017 nach dem damaligen Recht vollständig abgeschlossen gewesen. Die Anwendung der Gesetzesänderung stelle deshalb eine unzulässige echte Rückwirkung dar. Da er seine Wehrersatzpflicht mit Erreichen der Altersgrenze von 30 Jahren gemäss Art. 3 Abs. 2 lit. a aWPEG bereits vollständig erfüllt habe, schulde er keine Ersatzabgabe mehr. Für das Wiederaufleben der Abgabepflicht müsse eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung vorliegen; die Gesetzesänderung vom 1. Januar 2019 ordne aber keine echte Rückwirkung auf Sachverhalte an, die unter altem Recht bereits abgeschlossen worden seien.
3.4. Das Bundesgericht hat im Urteil 2C_1005/2021 vom 27. April 2022 (bestätigt mit Urteil 2C_339/2021 vom 4. Mai 2022) erkannt, dass die Anwendung des neuen Rechts auf frühere Ersatzjahre (in casu das Ersatzjahr 2018) eine unzulässige Rückwirkung darstellt. Die Ersatzpflicht knüpft nicht an einen Dauersachverhalt an, sondern - mit Ausnahme des Beginns der Ersatzpflicht - an Tatsachen und Zustände, die sich im Ersatzjahr ereignen bzw. im Ersatzjahr bestehen und von diesem zeitlich eingegrenzt werden. Die Ersatzjahre vor Inkrafttreten des neuen Rechts fallen nicht in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts, sondern unterstehen altem Recht (vgl. E. 5.2 f.). Im vorliegenden Fall geht es indessen um das Ersatzjahr 2020 und damit um ein Jahr, das zeitlich in den Geltungsbereich des neuen Rechts fällt. Insoweit kann der Beschwerdeführer aus diesem Urteil nichts zu seinen Gunsten ableiten.
3.5. Mit der Anwendung des neuen Rechts auf nachfolgende Ersatzjahre (in casu das Ersatzjahr 2019) hat sich das Bundesgericht im Urteil 9C_648/2022 vom 9. Januar 2024 befasst. Es bestätigte die vorher zitierte Rechtsprechung, wonach die Wehrpflichtersatzabgabe nicht die Merkmale eines Dauersachverhalts aufweist. Die entscheidenden Elemente für die Abgabepflicht sind die (Nicht-) Einteilung in eine Formation der Armee, die (Nicht-) Unterstellung unter die Zivildienstpflicht und die (Nicht-) Leistung von Militär- oder Zivildienst im Ersatzjahr (Art. 2 Abs. 1 WPEG); massgebend ist weiter das Alter der abgabepflichtigen Person im Ersatzjahr (Art. 3 Abs. 1 WPEG) und das Datum des Beginns der Ersatzpflicht ( Art. 3 Abs. 2-5 WPEG ). Mit Ausnahme des Beginns der Ersatzpflicht stellen die anderen Elemente Tatsachen bzw. Zustände dar, die im Ersatzjahr eingetreten sind bzw. bestehen und durch dieses zeitlich begrenzt werden. Insoweit bewirkt die Anwendung des neuen Rechts auf nachfolgende Ersatzjahre keine (unzulässige) Rückwirkung; es wird gerade nicht an einen Sachverhalt angeknüpft, der sich unter altem Recht ereignet hat. Ob die Ersatzpflicht mit Erreichen der altrechtlichen Altersgrenze geendet hatte und durch das neue Recht "wiederauflebt", spielt deshalb keine Rolle; massgebend ist das Alter des Betroffenen und die Altersgrenze im entsprechenden Ersatzjahr. Folglich ist für jedes Ersatzjahr gesondert zu beurteilen, ob die Voraussetzungen der Ersatzpflicht nach dem für das jeweilige Jahr geltenden Recht vorliegen (vgl. Urteil 9C_648/2022 vom 9. Januar 2024 E. 7, zur Publikation vorgesehen).
3.6. Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer im hier streitigen Ersatzjahr 2020 weder in eine Formation der Armee eingeteilt noch zivildienstpflichtig war und weder Militär- noch Zivildienst geleistet hat. Sodann fiel der Beschwerdeführer unter die für das Jahr 2020 geltende Altersgrenze von 37 Jahren (Art. 3 Abs. 1 WPEG) und hatte die elfjährige Ersatzpflicht nach Art. 3 Abs. 2 WPEG noch nicht erfüllt (vgl. E. 4.2 des angefochtenen Urteils). Damit ist er für das Jahr 2020 ersatzpflichtig. Dass er Ende 2017 die damalige Altersgrenze erreicht hatte und nach altem Recht nicht (mehr) ersatzpflichtig war, spielt nach dem zuvor Gesagten keine Rolle.
Dies führt zur Abweisung der Beschwerde auch hinsichtlich des Ersatzjahres 2020.
4.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet ( Art. 68 Abs. 1-3 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonalen Steuergericht Solothurn und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 25. Januar 2024
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Parrino
Der Gerichtsschreiber: Businger