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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 589/02 
 
Urteil vom 25. März 2003 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiberin Kopp Käch 
 
Parteien 
A.________, 1945, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Luzius Hafen, Beethovenstrassse 24, 8002 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Kasernenstrasse 4, 9102 Herisau, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Trogen 
 
(Entscheid vom 22. Mai 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1945 geborene A.________ war bis 30. Juni 1998 als Sachbearbeiterin beim Verband X.________ tätig. Anschliessend war sie bei der Arbeitslosenversicherung gemeldet und teilweise wegen eines Achillessehnenleidens arbeitsunfähig. Am 4. Dezember 1998 erlitt sie bei einer Auffahrkollision ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule und ist seither in ärztlicher Behandlung, wofür die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) die gesetzlichen Leistungen erbringt. Am 15. Oktober 1999 meldete sich A.________ bei der Invalidenversicherung zum Bezug einer Rente an. Die IV-Stelle des Kantons Appenzell Ausserrhoden hat nach verschiedenen medizinischen Abklärungen eine Begutachtung in der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) der Invalidenversicherung am Spital F.________ in Auftrag gegeben. Im Rahmen dieser polydisziplinären Untersuchung wurde A.________ zu einer neuropsychologischen und ORL-ärztlichen Abklärung aufgeboten, woran sie die Teilnahme indessen verweigerte. Die IV-Stelle hielt an der Notwendigkeit weiterer Untersuchungen fest und beauftragte am 7. März 2001 die ärztliche Leitung der ORL-Klinik des Spital G.________ mit einer otologischen und neurootologischen Begutachtung. Mit Schreiben vom 29. März und 4. April 2001 wies die IV-Stelle die Versicherte auf die Folgen der Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht hin. Nachdem A.________ zur Untersuchung am Spital G.________ nicht erschienen war, wies die IV-Stelle ihr Leistungsbegehren mit Verfügung vom 4. Juli 2001 aufgrund der Akten ab. 
B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher A.________ die Zusprechung einer Invalidenrente analog den durch die Unfallversicherung bezahlten Taggeldleistungen seit Unfalltag unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wartefrist beantragen liess, wies das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 22. Mai 2002 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt A.________ die Zusprechung einer ganzen IV-Rente seit 4. Dezember 1999 beantragen. 
 
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
D. 
Mit Eingabe vom 17. Januar 2003 lässt A.________ dem Eidgenössischen Versicherungsgericht mitteilen, dass sich die IV-Stelle an der von der SUVA in Auftrag gegebenen medizinischen und psychiatrischen Abklärung beteilige. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt der streitigen Verfügung (hier: 4. Juli 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar. 
2. 
2.1 Als Invalidität gilt gemäss Art. 4 Abs. 1 IVG die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit. 
2.2 Nach Art. 28 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf eine ganze Rente, wenn er mindestens zu 66 2/3 %, auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zu 50 % oder auf eine Viertelsrente, wenn er mindestens zu 40 % invalid ist. In Härtefällen hat der Versicherte gemäss Art. 28 Abs. 1bis IVG bereits bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % Anspruch auf eine halbe Rente. 
2.3 Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung (und im Beschwerdefall das Gericht) auf Unterlagen angewiesen, die ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Im weiteren sind die ärztlichen Auskünfte eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen der Person noch zugemutet werden können (BGE 125 V 261 Erw. 4). 
3. 
3.1 Die IV-Stelle kann gemäss Art. 73 IVV - wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat - unter Ansetzung einer angemessenen Frist und Darlegung der Säumnisfolgen auf Grund der Akten beschliessen, wenn Versicherte schuldhaft eine Begutachtung (Art. 69 Abs. 2 IVV) verweigern (BGE 111 V 222 Erw. 1, 107 V 28 Erw. 3; zum Mahn- und Bedenkzeitverfahren bei Widersetzlichkeit gegenüber einer Eingliederungsmassnahme vgl. BGE 122 V 219 Erw. 4b mit Hinweisen). Wer Leistungen der Invalidenversicherung beansprucht, hat sich jeder zumutbaren Massnahme zu unterziehen. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit sind die gesamten (objektiven und subjektiven) Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. 
3.2 Die Schreiben der IV-Stelle an die Versicherte vom 29. März und 4. April 2001 erfüllen die formellen Voraussetzungen des Art. 73 IVV. Die Beschwerdeführerin wurde unter Hinweis auf die Notwendigkeit der angeordneten medizinischen Abklärung im Spital G.________ ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allfällige Leistungen eingestellt oder verweigert werden können, wenn sich Versicherte einer angeordneten zumutbaren Abklärungs- oder Eingliederungsmassnahme entziehen oder widersetzen. Zudem enthielten die Schreiben die Aufforderung an die Versicherte, sich innert einer angesetzten Frist zu melden, verbunden mit dem Hinweis, dass aufgrund der Akten entschieden werden könne, wenn sie die Abklärungsbemühungen weiterhin erschwere. Trotzdem gab die Beschwerdeführerin mehrmals unmissverständlich zu verstehen, dass sie sich der angeordneten Untersuchung nicht unterziehen werde. 
 
3.3 Das kantonale Gericht hat mit zutreffender Begründung, auf welche verwiesen wird, dargelegt, dass die angeordnete medizinische Abklärung im Spital G.________ notwendig und zumutbar war. Daran vermögen die Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts zu ändern. Bezüglich Notwendigkeit ist mit dem BSV auf das Schreiben der MEDAS vom 7. Februar 2001 hinzuweisen, in welchem Dr. med. H.________ darlegte, für eine ganzheitliche Beurteilung, wie sie der MEDAS obliege, brauche es interdisziplinäre Besprechungen zwischen den einzelnen Fachgutachtern. Nur bei einfacher Sachlage könne auf vorhandene Berichte abgestellt werden. Ansonsten sei eine ärztliche Untersuchung durch einen versicherungsmedizinisch erfahrenen Spezialisten, welcher auch bereit sei, an der interdisziplinären Diskussion teilzunehmen, erforderlich. Anzumerken sei, dass die gutachterliche Beurteilung nicht durch die behandelnden Ärzte erfolgen könne. Eine ORL-fachärztliche Begutachtung sei vorliegend schon deswegen notwendig gewesen, weil Dr. med. I.________ die Unfallkausalität diskutiert, sich aber zur Arbeitsunfähigkeit nicht geäussert habe. Von der Zumutbarkeit der am Spital G.________ angeordneten Begutachtung sodann darf mit der Vorinstanz ohne weiteres ausgegangen werden. Da die Versicherte diese Abklärung verweigerte, war die Verwaltung befugt, gemäss Art. 73 IVV vorzugehen und schliesslich einen Entscheid auf Grund der Akten zu fällen. 
4. 
4.1 Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht im Bereich der Unfallversicherung wiederholt festgestellt hat, darf das kantonale Sozialversicherungsgericht nicht ohne weiteres auf die unvollständigen Akten abstellen, wenn der Unfallversicherer nach Art. 47 Abs. 3 Satz 2 UVG und Art. 59 UVV (Aktenentscheid nach vorgängiger Androhung bei Erschwerung der Abklärung des Sachverhalts) über den Leistungsanspruch entschieden hat. Denn diese Bestimmungen schränken die Pflicht des Gerichts gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. c UVG, die erheblichen Tatsachen festzustellen und notwendige Beweise zu erheben, nicht ein (RKUV 2001 Nr. U 414 S. 89). Das Gericht hat daher den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären und gegebenenfalls eine ärztliche Expertise zu veranlassen, wobei es ein Gerichtsgutachten in Auftrag geben oder die Sache zur Anordnung einer Begutachtung an den Unfallversicherer zurückweisen kann. Diese Rechtsprechung gilt auch im Bereich der Invalidenversicherung (Urteil B. vom 25. Oktober 2001, I 214/01). Die Rekursinstanz hat daher nach Art. 85 Abs. 2 lit. c AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG die für den Entscheid wesentlichen Tatsachen festzustellen und die notwendigen Beweise zu erheben. Nicht Sache des kantonalen Gerichts kann es indessen sein, ein Gutachten nochmals anzuordnen, wenn die versicherte Person die Mitwirkung daran im Verwaltungsverfahren ohne stichhaltige Gründe verweigert hat und nach wie vor keine entsprechende Bereitschaft zeigt. Weil die Beschwerdeführerin vorliegend auch im Beschwerdeverfahren in keiner Weise zu erkennen gegeben hat, dass sie nunmehr bereit wäre, sich der vorgesehenen Abklärung zu unterziehen, durfte sich die Vorinstanz demzufolge darauf beschränken zu überprüfen, ob die angefochtene Verfügung aufgrund der vorhandenen Akten korrekt war (Urteil B. vom 25. Oktober 2001, I 214/01). Entsprechendes gilt für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht. 
4.2 Die Verfügung der IV-Stelle vom 4. Juli 2001, mit welcher das Leistungsbegehren auf Grund der Akten abgewiesen worden ist, stützt sich auf das Gutachten der MEDAS vom 14. November 2000. Darin wurden Probleme der Krankheitsbewältigung bei einem chronifizierten Schmerzsyndrom sowie Status nach HWS-Trauma am 4. Dezember 1998 diagnostiziert und die Arbeitsfähigkeit der Versicherten unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde als nicht objektivierbar eingeschränkt qualifiziert. Dies gelte für die bisherige Tätigkeit als Sachbearbeiterin wie auch für andere Tätigkeiten, wobei Arbeiten, bei denen schweres Heben oder längerfristiges Verharren in einer Körperposition erforderlich wären, eher ungünstig seien. Die Verneinung des Anspruchs auf eine IV-Rente durch Verwaltung und Vorinstanz ist bei dieser Aktenlage nicht zu beanstanden. 
5. 
Wenn die Beschwerdeführerin - nachdem sie im Schreiben vom 14. Februar 2000 mit aller Vehemenz eine "defakto-Zusammenlegung" von UV- und IV-Verfahren ablehnte und kritisierte, die IV-Stelle dürfe sich nicht hinter der SUVA verstecken, zumal die Bemessungskriterien nicht dieselben seien - im vorinstanzlichen und im vorliegenden Verfahren nun kritisiert, dass die IV-Stelle nicht auf die Beurteilungen der SUVA abstellte, ist auch diesbezüglich auf die zutreffenden Erwägungen des vorinstanzlichen Entscheids zu verweisen. Wie das kantonale Gericht ausführt, hat die SUVA bei der Invaliditätsbemessung gemäss Rechtsprechung keinen Vorrang mehr gegenüber der Invalidenversicherung (BGE 126 V 292 Erw. 2c mit Hinweisen). Solange noch kein rechtskräftiger Entscheid der Unfallversicherung vorliegt, hat die Invalidenversicherung vielmehr ihre Abklärungen voranzutreiben und mit ihrem Entscheid nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des unfallversicherungsrechtlichen Verfahrens zuzuwarten. 
6. 
Bezüglich Eingabe der Beschwerdeführerin vom 17. Januar 2003, worin sie mitteilt, die IV-Stelle beteilige sich an der medizinischen und psychiatrischen Begutachtung der SUVA, ist darauf hinzuweisen, dass die IV-Stelle bereits in ihrer Verfügung signalisiert hatte, sie sei zu einer Neubeurteilung bereit, sobald die Beschwerdeführerin an der notwendigen medizinischen Abklärung mitwirke. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, I. Abteilung, Trogen, der Ausgleichskasse für das Schweizer Bankgewerbe und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 25. März 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer Die Gerichtsschreiberin: