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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_785/2011 
 
Urteil vom 25. April 2012 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
V.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Curdin Conrad, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
CONCORDIA Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG, Bundesplatz 15, 6003 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung (Spezialitätenliste), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 8. September 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1973 geborene V.________ ist bei der Concordia Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung (nachfolgend: Concordia) obligatorisch krankenpflegeversichert. Vom .... bis .... 2009 hielt er sich in der Klinik X.________ auf. Es wurden folgende Diagnosen gestellt: F20.0 Paranoide Schizophrenie; F19.2 Psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen: Abhängigkeitssyndrom; F90.0 Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung. Im Rahmen der medikamentösen Behandlung wurden u.a. Ritalin und Concerta mit dem Wirkstoff Methylphenidat verabreicht (Berichte Psychiatrie-Dienste Y.________ vom 31. August 2009 und 15. Februar 2010). Gestützt auf die Beurteilung ihres Vertrauensarztes lehnte die Concordia mit Verfügung vom 7. Oktober 2010 eine Übernahme der Kosten beider Medikamente durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 13. Januar 2011 fest. 
 
B. 
Die Beschwerde des V.________ mit dem Antrag auf Übernahme der Kosten für die Medikamente, insbesondere Methadon und Concerta, wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 8. September 2001 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C. 
V.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 8. September 2011 sei aufzuheben und die Concordia zu verpflichten, die Kosten der Behandlung mit dem Medikament Concerta vollumfänglich zu übernehmen, eventualiter die Sache zwecks Vornahme weiterer Abklärungen zurückzuweisen. 
 
Die Concordia verzichtet auf eine Vernehmlassung, desgleichen das kantonale Versicherungsgericht. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) stellt keinen Antrag, erachtet aber weitere Abklärungen als angezeigt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Streitgegenstand bildet die Übernahme der Kosten für das Medikament Concerta durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung. Der vorinstanzlich angefochtene Einspracheentscheid vom 13. Januar 2011 begrenzt die gerichtliche Überprüfung in zeitlicher Hinsicht (Urteil 9C_731/2011 vom 31. Oktober 2011 E. 4.1). 
 
2. 
2.1 
2.1.1 Die soziale Krankenversicherung gewährt Leistungen u.a. bei Krankheit (Art. 3 ATSG; Art. 1a Abs. 2 lit. a KVG). Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose und Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Diese Leistungen umfassen u.a. die ärztlich verordneten Arzneimittel der Spezialitätenliste (SL; Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 25 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b KVG). Voraussetzung für eine Kostenübernahme im Einzelfall ist neben der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung (Art. 32 Abs. 1 KVG), dass der Einsatz des Medikaments im Rahmen der von der Heilmittelbehörde (Swissmedic) genehmigten medizinischen Indikationen und Dosierungen (BGE 131 V 349) sowie gemäss den Limitierungen nach Art. 73 KVV (zu deren Bedeutung BGE 130 V 532 E. 3.1 S. 536) erfolgt (BGE 136 V 395 E. 5.1 S. 398). 
2.1.2 
2.1.2.1 Nach der Rechtsprechung sind ausnahmsweise die Kosten für ein Arzneimittel der SL auch zu übernehmen, wenn es für eine Indikation abgegeben wird, für welche es keine Zulassung besitzt (sog. Off-Label-Use oder Einsatz "ausserhalb der Etikette": sic! 2/2009 S. 93, 2C_93/2008 E. 4.2). Voraussetzung ist, dass ein sogenannter Behandlungskomplex vorliegt (BGE 130 V 532 E. 6.1 S. 544) oder wenn für eine Krankheit, die für die versicherte Person tödlich verlaufen oder schwere und chronische gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann, oder wegen fehlender therapeutischer Alternativen keine andere wirksame Behandlungsmethode verfügbar ist, sofern das Arzneimittel einen hohen therapeutischen (kurativen oder palliativen) Nutzen hat (BGE 136 V 395 E. 5.2 S. 399 mit Hinweisen; SVR 2009 KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 E. 2.3). 
2.1.2.2 Seit 1. März 2011 sind diese Ausnahmetatbestände der "Übernahme der Kosten eines Arzneimittels der Spezialitätenliste ausserhalb der genehmigten Fachinformation oder Limitierung" in Art. 71a Abs. 1 KVV positivrechtlich normiert (AS 2011 653 ff.). Danach ist ein Behandlungskomplex gegeben, wenn der Einsatz des Arzneimittels eine unerlässliche Voraussetzung für die Durchführung einer anderen von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommenen Leistung bildet und diese eindeutig im Vordergrund steht (lit. a; vgl. BGE 130 V 532 E. 6.1 S. 544). Der zweite Tatbestand ist gegeben, wenn vom Einsatz des Arzneimittels ein grosser therapeutischer Nutzen gegen eine Krankheit erwartet wird, die für die versicherte Person tödlich verlaufen oder schwere und chronische gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, und wegen fehlender therapeutischer Alternativen keine andere wirksame und zugelassene Behandlungsmethode verfügbar ist (lit. b). Der Begriff des hohen therapeutischen Nutzens orientiert sich an der gleichlautenden Voraussetzung für eine befristete Bewilligung nicht zugelassener Arzneimittel im Sinne von Art. 9 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (HMG). Eine solche Zulassung setzt nach Art. 19 Abs. 1 lit. c der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 22. Juni 2006 über die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln und die Zulassung von Arzneimitteln im Meldeverfahren (VAZV) voraus, dass Zwischenergebnisse von klinischen Studien vorliegen, die darauf hinweisen, dass von der Anwendung ein grosser therapeutischer Nutzen zu erwarten ist (BGE 136 V 395 E. 6.5 S. 402 mit Hinweisen). Art. 71a KVV, der in Anlehnung an die Rechtsprechung geschaffen wurde, ist vorliegend jedoch aus intertemporalrechtlichem Grund nicht anwendbar (vorne E. 1). 
2.2 
2.2.1 Concerta mit dem Wirkstoff Methylphenidati hydrochloridum in der galenischen Form von Tabletten ist seit dem 31. Juli 2003 heilmittelrechtlich zugelassen (Swissmedic Journal 7/2003 S. 574). Nach der Fachinformation von Swissmedic ist Concerta zur Behandlung einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung indiziert. Stimulanzien sind nicht zur Anwendung bei Patienten vorgesehen, die sekundäre umfeldbedingte und/oder andere primäre psychiatrische Störungen, einschliesslich Psychosen, zeigen (Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz http://www.Kompendium.ch/Monographie Txt.aspx?lang=de&MonType=fi; vgl. Art. 13 der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 9. November 2001 über die Anforderungen an die Zulassung von Arzneimitteln [AMZV]). Die Schizophrenie zählt zu den nichtorganischen Psychosen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 262. Aufl. 2011, S. 1708 und 1851). Der Wirkstoff Methylphenidat ist eine potentiell Sucht erzeugende Substanz und fällt als solche unter das Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (BetmG). 
2.2.2 In der SL ist folgende Limitatio eingetragen: (bis 31. Mai 2011) "Nur als second-line-Behandlung nach Therapieversagen mit RITALIN. Nur bei hyperkinetischen Verhaltensstörungen bei Kindern"; (seit 1. Juni 2011) "Diagnosestellung durch Spezialarzt (Pädiater/Psychiater) mit Spezialisierung auf Behandlung des ADHS, Behandlung im Rahmen eines umfassenden Therapieprogramms; die Diagnose hat anhand der Kriterien resp. Richtlinien der Fachinformation zu erfolgen; bei Erwachsenen müssen entsprechende Symptome bereits in der Kindheit bestanden haben" (BAG Bulletin 2003, 36/03 S. 624 und 2011, 23/11 S. 481). 
 
3. 
Die Vorinstanz hat festgestellt, Concerta sei beim (1973 geborenen) Beschwerdeführer bis Ende Mai 2011 nicht gemäss der bis zu diesem Zeitpunkt gültigen Limitatio eingesetzt worden. In seinem Fall liege keine "hyperkinetische Verhaltensstörung bei Kindern" vor. Die Diagnose einer einfachen Aktivitäts- und Verhaltensstörung (ADHS) sei erstmals während des Aufenthalts in der Klinik X.________ vom .... bis .... 2009 gestellt worden. Es komme dazu, dass schon seit längerer Zeit und anhaltend eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden sei. Die ICD-10-Klassifikation schliesse aber die Diagnose einer hyperkinetischen Störung (F90) und somit einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F90.0) aus, wenn bereits eine Schizophrenie vorliege. Es gehe demnach um den Einsatz von Concerta zur Behandlung einer paranoiden Schizophrenie, was ausserhalb der zugelassenen Indikation für dieses Medikament liege und daher eine Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung grundsätzlich ausschliesse. Die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Vergütung der Leistung bei Off-Label-Use seien nicht gegeben. Ein Behandlungskomplex liege nicht vor, da die paranoide Schizophrenie selbst (neben der ADHS) im Vordergrund stehe. Sodann könne mangels klinischer Studien der hohe therapeutische Nutzen der Anwendung von Concerta bei der Behandlung einer Schizophrenie nicht nachgewiesen werden. 
 
4. 
4.1 Mit der Feststellung, eine Schizophrenie schliesse eine hyperkinetische Störung und somit eine Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung aus, stellt die Vorinstanz die Diagnose der behandelnden Ärzte der Psychiatrie-Dienste Y.________ im Bericht vom 31. August 2009 in Frage. Danach waren im Rahmen des stationären Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Klinik X.________ vom .... bis .... 2009 eine paranoide Schizophrenie (ICD-10 F20.0), psychische Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen: Abhängigkeitssyndrom (ICD-10 F19.2) sowie eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10 F90.0) festgestellt worden. Im Bericht vom 15. Februar 2010 führten sie zudem aus, der Versicherte leide an einer komplexen chronifizierten Störung. Hauptprobleme seien eine paranoide Schizophrenie und eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung. Als sekundär könne der Missbrauch multipler Substanzen bezeichnet werden, der in ein Abhängigkeitssyndrom geführt hätte. 
 
4.2 Zur Begründung, dass eine Schizophrenie eine hyperkinetische Störung ausschliesse, hat die Vorinstanz auf den Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, 4. Aufl. 2008, S. 310, verwiesen. An dieser Stelle werden nach einleitenden Ausführungen zu hyperkinetischen Störungen unter 'Ausschluss' fünf Störungen aufgezählt, darunter Schizophrenie (F20; ebenso 5. Aufl. 2010 S. 310). Der Beschwerdeführer bringt vor, dass allein gestützt darauf die von den Fachärzten der Psychiatrie-Dienste Y.________ gestellte Diagnose einer (einfachen) ADHS nicht in Frage gestellt oder sogar als falsch bezeichnet werden könne. Gemäss den von ihm eingereichten Unterlagen (Daniel Michael Gantert, Zur Komorbidität der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen mit schizophrenen Psychosen, Dissertation Universität Z.________ 2009 [Kurzfassung], und Rossen Doven und Andere, Comorbidity of schizophrenia and adult attention-deficit hyperactivity disorder, in: The World Journal of Biological Psychiatry, 2011 S. 52-56) können Schizophrenie-Patienten an ADHS leiden. Der Vertrauensarzt der Beschwerdegegnerin äusserte sich in seinen Stellungnahmen vom 4. November 2009 und 29. Januar 2010 nicht klar in dem Sinne, dass eine Schizophrenie in jedem Fall eine hyperkinetische Störung ausschliesse. Das BAG bringt in seiner Vernehmlassung vor, es sei nicht in der Lage, die von den Ärzten der Psychiatrie-Dienste Y.________ gestellten Diagnosen zu bestätigen. Der Vertrauensarzt zweifle an, dass neben der paranoiden Schizophrenie beim Versicherten zusätzlich ein ADHS diagnostiziert werden könne. Die Frage sei durch einen erfahrenen Psychiater zu beurteilen. 
 
5. 
5.1 ADHS bei Erwachsenen ist ein komplexes Gesamtbild biologischer und psychologischer Zeichen (Christophe C. Kaufmann, ADHS bei Erwachsenen: eine Herausforderung für die Gesundheitsversorgung, in: Schweizerische Ärztezeitung [SAeZ] 2011 S. 761; vgl. auch Swissmedic Journal 5/2004 S. 468). ADHS ist eine klinische Diagnose, die auf einer sorgfältigen und umfassenden Anamneseerhebung und Untersuchung beruht (P. Baud und Andere, Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung [ADHS] im Erwachsenenalter, in: Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 2007 Nr. 158 S. 218). Häufig tritt ADHS in Verbindung mit anderen psychischen Störungen auf, die teilweise ähnliche Symptome aufweisen (Kaufmann, a.a.O., S. 762; Baud und Andere, a.a.O., S. 218; Piero Rossi, Eckpunkte, Chancen und Stolpersteine der ADHS-Therapie bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, 2011, S. 9 [Zugang unter www.adhs.ch/2011/vorwort-2]). Es stellt sich dann die Frage, welche Störung als vorrangig zu betrachten ist und entsprechend zuerst (medikamentös) behandelt werden sollte. Da unbehandelte Psychosen eine Kontraindikation für eine Stimulanztherapie (beispielsweise mit Methylphenidat) einer komorbiden ADHS darstellen, ist eine Schizophrenie vorab zu behandeln (Baud und Andere, a.a.O., S. 222; vgl. auch vorne E. 2.2.1, wonach gemäss der Fachinformation von Swissmedic Stimulanzien nicht zur Anwendung vorgesehen sind u.a. bei Patienten, die primäre psychiatrische Störungen, einschliesslich Psychosen, zeigen). 
 
Vorliegend wurde der Beschwerdeführer im Rahmen der stationären Behandlung vom .... bis .... 2009 zuerst neuroleptisch behandelt. Nachdem es zu einer deutlichen Stabilisierung gekommen war, wurde zur Behandlung der in den Vordergrund getretenen Antriebsstörung, Unruhe und des Hygienedefizits zuerst erfolglos Ritalin und danach Concerta verabreicht, was zu einer weiteren Besserung des Zustandes führte und die Entlassung aus der Klinik erlaubte (Berichte der Psychiatrie-Dienste Y.________ vom 31. August 2009 und 15. Februar 2010). 
 
5.2 ADHS wird gemäss Baud und Andere, a.a.O., S. 218, zu 70 % als vererbt (genetisch bedingt) geschätzt. Gesellschaftliche Faktoren als Ursachen der ADHS sind offenbar von sekundärer Bedeutung (Rossi, a.a.O., S. 2). Nur ein Krankheitsbeginn spätestens mit 12 Jahren wird mit der Diagnose ADHS als vereinbar betrachtet (Kaufmann, a.a.O., S. 761). Für die Diagnosestellung ist daher das (anamnestisch) erstmalige Auftreten der Symptomatik von Bedeutung (Baud und Andere, a.a.O., S. 220). Die Diagnosekriterien für ADHS bei Personen im Erwachsenenalter orientieren sich an der Symptomatik im Kindesalter (Baud und Andere, a.a.O., S. 218; Swissmedic, Fragen und Antworten zum richtigen Gebrauch von Methylphenidat, www.swissmedic.ch/ marktueberwachung/00091/00092/01375/index.html?lang=de). Nach der Klassifikation des DSM-IV ('Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders' der 'American Psychiatric Association') setzt die Diagnose ADHS u.a. voraus, dass die Symptome nicht ausschliesslich im Verlauf einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung, einer Schizophrenie oder einer anderen psychotischen Störung auftreten und auch nicht durch eine andere psychische Störung (z.B. affektive Störung, Angststörung, dissoziative Störung oder Persönlichkeitsstörung) besser erklärt werden können (Henning Sass und andere, Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen - Textrevision - DSM-IV-TR, 2003, S. 118). 
 
Vorliegend ist unklar, ob beim Beschwerdeführer bereits im Kindesalter die Diagnose ADHS gestellt worden war oder ob er entsprechende Symptome aufwies. Insoweit kann die Diagnose einer selbständigen von der diagnostizierten paranoiden Schizophrenie abgrenzbaren (einfachen) Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10 F90.0) im Bericht der Psychiatrie-Dienste Y.________ vom 30. August 2009 nicht als gesichert gelten. 
 
5.3 Eine klare Diagnose ist nicht nur für den hier nicht zur Diskussion stehenden Zeitraum ab 1. Juni 2011 (Änderung der Limitatio für Concerta; vorne E. 2.2.2) von Bedeutung, sondern auch hinsichtlich der hier interessierenden Zeitspanne von .... 2009 (Beginn der stationären Behandlung in der Klinik X.________; E. 4.1) bis 13. Januar 2011 (Einspracheentscheid; E. 1). Diesbezüglich steht fest, dass die für den Einsatz von Concerta geltende Limitatio "Nur bei hyperkinetischen Verhaltensstörungen bei Kindern" nicht erfüllt war. Es liegt somit ein Off-Label-Use vor. Die Vorinstanz hat die Frage, ob dennoch ausnahmsweise Anspruch auf Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung besteht, unter der Annahme geprüft, das Medikament sei zur Behandlung der paranoiden Schizophrenie eingesetzt worden (vorne E. 3). Diese Annahme ist nach dem Gesagten indessen fraglich. 
5.3.1 Nach Eintritt in die Klinik X.________ trat allmählich zu Tage, dass der Beschwerdeführer an Halluzinationen litt. Diese wurden nach gewonnener Krankheitseinsicht neuroleptisch behandelt. Im Verlaufe von zwei Monaten kam es zu einer deutlichen Stabilisierung, ohne dass es jedoch gelungen wäre, das Krankheitsbild unter Kontrolle zu bringen. Im Vordergrund standen die Antriebsstörung, Unruhe und ein Hygienedefizit. Nachdem der Beschwerdeführer nicht auf Ritalin angesprochen hatte, wurde Concerta verabreicht, was trotz Weiterbestehen von Halluzinationen zu einer deutlichen Beruhigung führte und schliesslich den Austritt aus der Klinik erlaubte (Berichte Psychiatrie-Dienste Y.________ vom 31. August 2009 und 15. Februar 2010). Aus diesen fachärztlichen Feststellungen kann indessen entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht ohne weiteres gefolgert werden, der Einsatz von Concerta sei im Sinne der Rechtsprechung zum Behandlungskomplex (vgl. E. 2.1.2.1) eine unerlässliche Voraussetzung gewesen für die (wirksame) Behandlung der diagnostizierten paranoiden Schizophrenie. Erforderlich ist zudem, dass entweder die Antriebsstörung, Unruhe und das Hygienedefizit im Rahmen der Schizophrenie und nicht als Symptome einer eigenständigen hyperkinetischen Störung zu sehen oder Folge der Behandlung (der Schizophrenie) sind, oder dass ohne Einsatz von Concerta die psychotische Störung nicht unter Kontrolle gehalten werden kann. Damit hängt die Frage zusammen, ob eine ADHS tatsächlich vorliegt, insbesondere ob der Beschwerdeführer schon vor dem Aufenthalt in der Klinik X.________ entsprechende Symptome gezeigt hatte. 
Aus dem Bericht vom 31. August 2009 ergibt sich sodann, dass während der ersten zwei Monate des Klinikaufenthalts die Schizophrenie im Vordergrund stand und behandelt werden musste. Danach wurde eine kombinierte Behandlung mit Neuroleptika und Concerta durchgeführt, was dem Beschwerdeführer gemäss dem Bericht vom 15. Februar 2011 schliesslich ermöglichte, ausserhalb einer Klinik zu leben. In diesem Bericht wurden die paranoide Schizophrenie und das ADHS als Hauptprobleme bezeichnet, der Missbrauch multipler Substanzen, der in ein Abhängigkeitsverhältnis geführt habe, als sekundär. Ob die Schizophrenie eindeutig im Vordergrund stand und allenfalls wielange, lässt sich nicht sagen und hängt wesentlich von den Antworten auf die aufgeworfenen Fragen ab. 
5.3.2 ADHS ist keine Krankheit, die für davon betroffene Personen tödlich verlaufen oder schwere und chronische gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann. Die zweite Ausnahme für eine Vergütung von Concerta durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (seit 1. März 2011 in Art. 71a Abs. 1 lit. b KVV geregelt; vorne E. 2.1.2.2) fällt daher grundsätzlich ausser Betracht. Dies gilt auch für den Fall, dass die im Bericht vom 31. August 2009 erwähnten Antriebsstörung, Unruhe und das Hygienedefizit nicht als Symptome einer eigenständigen hyperkinetischen Störung zu sehen sind, sondern einzig im Rahmen der psychotischen Störung und allenfalls des Abhängigkeitssyndroms (multipler Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen; vorne E. 4.1); die Voraussetzung des - aufgrund klinischer Studien zu erwartenden - grossen therapeutischen Nutzens ist nach unbestrittener Feststellung der Vorinstanz nicht gegeben (vorne E. 3). Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob es sich bei der diagnostizierten paranoiden Schizophrenie um eine Krankheit handelt, die tödlich verlaufen kann, wie der Beschwerdeführer vorbringt, oder für ihn schwere und chronische gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, wie die Vorinstanz anzunehmen scheint. 
 
5.4 Aufgrund des Vorstehenden sind weitere Abklärungen erforderlich, um die streitige Vergütung von Concerta durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung abschliessend beurteilen zu können. Die Beschwerdegegnerin wird ein Gutachten einzuholen haben, das sich zu den aufgeworfenen Fragen äussert, und danach darüber neu verfügen. 
 
6. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 8. September 2011 und der Einspracheentscheid der Concordia Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung vom 13. Januar 2011 werden aufgehoben. Die Sache wird an den Krankenversicherer zurückgewiesen, damit er, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Vergütung von Concerta durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung neu verfüge. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Concordia Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung auferlegt. 
 
3. 
Die Concordia Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4. 
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hat die Parteientschädigung für das vorangegangene Verfahren neu festzusetzen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 25. April 2012 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler