Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_185/2024
Urteil vom 25. April 2024
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Gerichtsschreiberin Ivanov.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Alex Ertl,
gegen
Departement des Innern des Kantons Solothurn, vertreten durch Migrationsamt, Ambassadorenhof, Riedholzplatz 3, 4509 Solothurn,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Sistierung des Aufenthaltsgesuchs zwecks Vorbereitung der Heirat,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 1. März 2024 (VWBES.2023.215).
Erwägungen:
1.
1.1. Der aus Sri Lanka stammende A.________ ist seit 21. Juni 2018 im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung. Am 25. März 2019 reichte er beim Migrationsamt des Kantons Solothurn ein Aufenthaltsgesuch zwecks Vorbereitung der Heirat für seine Partnerin ein.
Mit Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt vom 12. Juni 2020 wurde A.________ wegen Angriffs zu einer 24-monatigen Freiheitsstrafe und einer achtjährigen Landesverweisung verurteilt. Dagegen erhob er Berufung.
1.2. Mit Schreiben vom 28. September 2022 sistierte das Migrationsamt das Aufenthaltsgesuch zwecks Vorbereitung der Heirat bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids über die obligatorische Landesverweisung.
Mit Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 16. März 2023 wurde A.________ in zweiter Instanz lediglich der Nötigung für schuldig erklärt und zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, bedingt vollziehbar, verurteilt. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung einer Landesverweisung wurde abgewiesen. Gegen dieses Urteil erhob die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt am 28. Juli 2023 Beschwerde an das Bundesgericht. Dieses Verfahren ist derzeit hängig.
1.3. Mit Schreiben vom 28. April 2023 beantragte A.________ die Aufhebung der Sistierung des Verfahrens um Aufenthalt zwecks Vorbereitung der Heirat bzw. den Erlass einer beschwerdefähigen Sistierungsverfügung.
Mit Verfügung vom 14. Juni 2023 sistierte das Migrationsamt das Verfahren zum Aufenthaltsgesuch zwecks Vorbereitung der Heirat bis zum rechtskräftigen Entscheid des Verfahrens über die Landesverweisung.
Gegen diese Sistierungsverfügung erhob A.________ am 22. Juni 2023 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn.
1.4. Mit Verfügung vom 14. Februar 2024 wurde anhand der Akten festgestellt, dass A.________ seine Partnerin am 5. September 2022 bereits in der Heimat geheiratet hatte, weshalb erwogen wurde, auf die Beschwerde nicht einzutreten. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Am 18. Februar 2024 teilte A.________ dem Verwaltungsgericht mit, dass es inzwischen nicht mehr um ein Aufenthaltsgesuch zwecks Vorbereitung der Heirat gehe, sondern neu um ein Familiennachzugsgesuch. Er sei aber nach wie vor beschwert, weil das Migrationsamt sich weigere zu entscheiden, ob seine Ehefrau in die Schweiz kommen dürfe.
1.5. Mit Urteil vom 1. März 2024 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Verfügung vom 14. Juni 2023 ab, soweit es darauf eintrat.
1.6. A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 17. April 2024 an das Bundesgericht und beantragt, es sei das Urteil vom 1. März 2024 vollumfänglich aufzuheben und es sei die Sistierung des Aufenthaltsgesuchs zwecks Vorbereitung der Heirat bzw. des Familiennachzugsgesuchs vollumfänglich aufzuheben.
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet.
2.
Die Verfügung des Migrationsamts vom 14. Juni 2023, mit welcher das Verfahren betreffend das Aufenthaltsgesuch zwecks Vorbereitung der Heirat sistiert wurde, stellt einen Zwischenentscheid dar. Beim vorliegend angefochtenen Urteil, mit welchem eine Beschwerde gegen diese Verfügung abgewiesen wurde, soweit darauf eingetreten wurde, handelt es sich ebenfalls um einen Zwischenentscheid i.S.v. Art. 93 BGG (vgl. u.a. Urteil 4A_309/2023 vom 15. Juni 2023 E. 2).
Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg demjenigen der Hauptsache (vgl. BGE 137 III 380 E. 1.1; Urteile 2C_477/2021 vom 24. Juni 2021 E. 1.2; 2C_1062/2020 vom 25. März 2021 E. 1.1). Ob vorliegend mit Blick auf Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig sei, kann angesichts des Verfahrensausgangs offenbleiben.
3.
3.1. Anfechtungsgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren bildet grundsätzlich nur das Rechtsverhältnis, zu dem die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig in Form einer Verfügung Stellung genommen hat. Insoweit bildet die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand (vgl. BGE 144 I 11 E. 4.3; 131 V 164 E. 2.1; Urteil 9C_678/2019 vom 22. April 2020 E. 4.3.1). Streitgegenstand im System der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege ist das Rechtsverhältnis, welches - im Rahmen des durch die Verfügung bestimmten Anfechtungsgegenstandes - den auf Grund der Beschwerdebegehren effektiv angefochtenen Verfügungsgegenstand bildet (BGE 144 I 11 E. 4.3). Anfechtungs- und Streitgegenstand sind danach identisch, wenn die Verwaltungsverfügung insgesamt angefochten wird (BGE 131 V 164 E. 2.1; Urteil 8C_590/2021 vom 1. Dezember 2021 E. 4.1).
Streitgegenstand vor einer Rechtsmittelinstanz kann höchstens sein, was bereits vor der Vorinstanz Streitgegenstand gewesen ist oder richtigerweise hätte sein sollen (BGE 142 I 155 E. 4.4.2; 141 II 233, nicht publ. E. 1.2.1; 136 II 457 E. 4.2; Urteile 2C_767/2021 vom 24. Juni 2021 E. 1.2; 2C_789/2018 vom 30. Januar 2019 E. 1.3.1). Der Streitgegenstand kann im Laufe des Verfahrens und auch vor Bundesgericht nicht mehr ausgedehnt oder geändert, sondern nur noch eingeschränkt werden (BGE 142 I 155 E. 4.4.2; 136 V 362 E. 3.4.2).
3.2. Anfechtungsobjekt im vorinstanzlichen Verfahren war eine (verfahrensleitende) Verfügung des Migrationsamts vom 14. Juni 2023, mit welcher ein bei diesem hängiges Verfahren betreffend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an die Partnerin des Beschwerdeführers zur Vorbereitung der Heirat sistiert wurde. Gemäss dem angefochtenen Entscheid beantragte der Beschwerdeführer - nebst der unentgeltlichen Rechtspflege, die mit separater Verfügung vom 11. Juli 2023 abgewiesen wurde - "es sei die Verfügung des [Migrationsamts] vom 14. Juni 2023 betreffend die Sistierung des Aufenthaltsgesuchs zwecks Vorbereitung der Heirat aufzuheben und es sei das Gesuch zu prüfen und eine entsprechende Verfügung zu erlassen" (Rechtsbegehren 1).
3.3. Streitgegenstand des vorinstanzlichen und somit auch des bundesgerichtlichen Verfahrens bildet somit einzig die Sistierung des Verfahrens betreffend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Vorbereitung der Heirat an die Partnerin des Beschwerdeführers. Dem angefochtenen Urteil lässt sich zwar entnehmen, dass die Einleitung eines davon zu unterscheidenden Familiennachzugsverfahrens zugunsten der Partnerin des Beschwerdeführers im Rahmen der Instruktion thematisiert wurde; allerdings ergibt sich weder aus dem vorinstanzlichen Entscheid noch aus den Ausführungen des Beschwerdeführers, dass im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils eine Sistierungsverfügung betreffend ein allfälliges Familiennachzugsverfahren erlassen worden wäre. Diese Frage bildet somit nicht Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens.
3.4. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Eingabe an das Bundesgericht auch um Aufhebung der Sistierung eines am 26. Februar 2024 gestellten Familiennachzugsgesuchs ersucht, gehen seine Rechtsbegehren nach dem Gesagten über den Streitgegenstand hinaus, sodass darauf bereits aus diesem Grund nicht einzutreten ist. Im Übrigen stellen die von ihm im bundesgerichtlichen Verfahren eingereichten Unterlagen (E-Mail-Verkehr vom 25. bzw. 26. März 2024 zwischen dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers und dem Migrationsamt), die darauf hindeuten, dass das Familiennachzugsgesuch im Anschluss an das angefochtene Urteil sistiert wurde, echte Noven dar. Solche sind vor Bundesgericht unzulässig, ebenso neue Anträge, die sich darauf stützen (Art. 99 BGG; Urteil 2C_789/2018 vom 30. Januar 2019 E. 1.3.4).
3.5. Die Beschwerdebefugnis setzt sowohl im Rahmen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch der subsidiären Verfassungsbeschwerde ein aktuelles und praktisches Interesse an der Behandlung der gestellten Rechtsbegehren voraus (vgl. u.a. Urteil 8C_252/2018 vom 29. Januar 2019 E. 7.2). Dieses muss nicht nur bei der Beschwerdeeinreichung, sondern auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung aktuell und praktisch sein. Fällt das aktuelle Interesse im Verlaufe des Verfahrens dahin, wird die Sache als erledigt erklärt; fehlte es schon bei Beschwerdeeinreichung, ist auf die Eingabe nicht einzutreten (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.3.1; 139 I 206 E. 1.1; Urteil 1C_4/2021 vom 27. April 2021 E. 1.2).
Wie dem angefochtenen Urteil zu entnehmen ist, hatte der Beschwerdeführer seine Partnerin bereits am 5. September 2022 und somit vor der Beschwerdeerhebung an das Verwaltungsgericht (am 22. Juni 2023) geheiratet. Folglich war das vor dem Migrationsamt hängige Verfahren betreffend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwecks Vorbereitung der Heirat bereits im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils gegenstandslos geworden, was im Übrigen auch von der Vorinstanz festgestellt wurde. Damit war auch die hier strittige Sistierungsverfügung vom 14. Juni 2023 dahingefallen, zumal verfahrensleitende Verfügungen nur für die Dauer des Hauptverfahrens Bestand haben (vgl. u.a. Urteil 2C_910/2022 vom 8. Januar 2024 E. 1.2.1). Folglich fehlte das Interesse des Beschwerdeführers an der Behandlung der Frage, ob dieses Verfahren zu Recht sistiert worden sei, bereits bei der Einreichung der Beschwerde an das Bundesgericht. Umstände, die es ausnahmsweise rechtfertigen würden, auf das Erfordernis des aktuellen Interesses zu verzichten (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.3.1; 139 I 206 E. 1.1; Urteil 1C_736/2021 vom 17. März 2022 E. 1.2), sind mit Blick auf den Streitgegenstand nicht ersichtlich.
Der Umstand, dass die Vorinstanz die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers dennoch bejaht hat, weil sie der Ansicht war, die Zwischenverfügung vom 14. Juni 2023 sei "präjudizierlich", da "sich die gleiche Frage der Sistierung auch in einem neuen Verfahren betreffend Familiennachzug wieder stellen wird", hat nicht zur Folge, dass das Bundesgericht ein rein hypothetisches Interesse an der Prüfung von Fragen, die den Streitgegenstand sprengen, als genügend erachtet und auf die Eingabe eintritt.
4.
4.1. Im Ergebnis ist auf die Beschwerde mangels aktuellen Interesses mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG (Abs. 1 lit. a) nicht einzutreten.
4.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die umständehalber reduzierten Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt die Präsidentin:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 25. April 2024
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov