Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_636/2023
Urteil vom 25. April 2024
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann, Beusch,
Gerichtsschreiber Seiler.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Rechsteiner,
Beschwerdeführer,
gegen
Kantonales Steueramt St. Gallen,
Davidstrasse 41, 9000 St. Gallen,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons St. Gallen, Steuerperioden 2010-2015,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 16. September 2023 (B 2023/64).
Erwägungen:
1.
1.1. A.________ (geb. 1960) ist verheiratet mit B.________ (geb. 1960) und wohnt mit ihr zusammen in U.________/SG. Er ist Verwaltungsratspräsident und Alleinaktionär der C.________ AG, die seit dem 16. Mai 2023 Sitz in V.________/AR hat (zuvor befand sich der Sitz in U.________, W.________/AR und X.________/GR), sowie dipl. Treuhandexperte und seit 1994 Inhaber eines im Handelsregister eingetragenen Einzelunternehmens (D.________, mit Sitz in U.________).
1.2. Im November 2019 und im Januar 2020 wurden A.________ und seine Ehegattin für die Steuerperioden 2014 und 2015 veranlagt. Dabei stellte die Veranlagungsbehörde fest, dass A.________ Eigentümer aller 2'000 Aktien der C.________ AG ist und bis anhin jeweils nur 1'000 Aktien versteuert worden waren. Am 15. November 2019 eröffnete das Steueramt des Kantons St. Gallen gegen das Ehepaar ein Nachsteuerverfahren zur Erfassung der nicht versteuerten Vermögenswerte der Steuerjahre 2009 bis 2013. Das Nachsteuerverfahren wurde am 28. Januar 2020 rechtskräftig abgeschlossen.
1.3. Nach Untersuchung und diverser Korrespondenz mit A.________ und seinem Rechtsvertreter sprach das Steueramt des Kantons St. Gallen A.________ für die Steuerjahre 2010 bis 2013 der vollendeten und für die Steuerjahre 2014 und 2015 der versuchten Steuerhinterziehung schuldig. Es warf ihm vor, in den Steuererklärungen für die rechtskräftig veranlagten Steuerjahre 2010 bis 2013 sowie in den Steuererklärungen für die noch nicht rechtskräftig veranlagten Steuerjahre 2014 und 2015 jeweils 1'000 der 2'000 Aktien der C.________ AG nicht deklariert zu haben (nicht deklariertes Vermögen Steuerjahr 2010: Fr. 3'640'000.-; Steuerjahr 2011: Fr. 3'510'000.-; Steuerjahr 2012: Fr. 3'770'000.-; Steuerjahr 2013: Fr. 5'980'000.-; Steuerjahre 2014 und 2015: je Fr. 5'100'000.-). Das Steueramt büsste A.________ für die vollendete Steuerhinterziehung mit Fr. 25'800.- und für die versuchte Steuerhinterziehung mit Fr. 15'150.-, insgesamt mit Fr. 40'950.-, und auferlegte ihm Verfahrenskosten von Fr. 1'500.-.
1.4. Mit Eingabe vom 4. Februar 2021 erhob A.________ Einsprache gegen den Strafbefehl des Steueramts. Das Steueramt überwies die Strafsache der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen zur Beurteilung. Diese sprach A.________ mit Entscheid vom 13. Februar 2023 von allen Vorwürfen frei. Er habe zwar den objektiven Tatbestand der vollendeten und der versuchten Steuerhinterziehung erfüllt, nicht aber den subjektiven Tatbestand.
1.5. Das Steueramt führte gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen. Dieses hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 16. September 2023 gut. Es sprach A.________ der eventualvorsätzlichen vollendeten Steuerhinterziehung (Kantons- und Gemeindesteuern 2011, 2012 und 2013) sowie der eventualvorsätzlichen versuchten Steuerhinterziehung (Kantons- und Gemeindesteuern 2014 und 2015) schuldig und verurteilte ihn zu Bussen von Fr. 20'800.- (vollendete Steuerhinterziehung) und Fr. 15'150.- (versuchte Steuerhinterziehung). Weiter auferlegte das Verwaltungsgericht A.________ die Kosten des Beschwerdeverfahrens, des Verfahrens vor der Verwaltungsrekurskommission und des Untersuchungsverfahrens.
1.6. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. Oktober 2023 beantragt A.________ die Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts vom 16. September 2023 und den Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung. Das Steueramt und das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen beantragen die Abweisung der Beschwerde.
2.
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die kantonalen Instanzen hätten den Anklagegrundsatz ( Art. 9 und 325 StPO ; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV ; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK) verletzt. Der Strafbefehl sei so formuliert gewesen, dass er nur mit einer Verurteilung wegen fahrlässiger Steuerhinterziehung habe rechnen müssen. Ausserdem habe die Vorinstanz zu Unrecht darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer aufgrund der unvollständigen Deklaration einen Pauschalabzug für Minderheitsbeteiligungen erhalten habe. Diesen Vorwurf habe das Steueramt erst im Rahmen des Verwaltungsgerichtsverfahrens erhoben; er sei im Strafbefehl nicht enthalten gewesen.
2.2. Diese Rügen sind offensichtlich unbegründet.
2.2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass das Strafverfahren wegen Hinterziehung kantonaler Steuern nicht der StPO unterliegt (vgl. Art. 1 Abs. 1 StPO; vgl. auch Urteile 9C_578/2023 vom 27. November 2023 E. 8.2; 2C_1052/2020 vom 19. Oktober 2021 E. 2.2.2, in: StE 2022 B 101.21 Nr. 22). Deren Bestimmungen über den Anklagegrundsatz finden demnach jedenfalls nicht kraft Bundesrechts, sondern höchstens als subsidiäres kantonales Recht Anwendung (vgl. BGE 142 V 577 E. 3.1; 140 I 320 E. 3.3; 138 I 232 E. 2.4). Gemäss der Vorinstanz verweist das kantonale Recht soweit hier relevant indessen nicht auf die Bestimmungen der StPO, sondern auf die Vorschriften über das Rekursverfahren bei der Veranlagung für die Staatssteuer (vgl. angefochtenes Urteil E. 3.2; vgl. auch Art. 57bis Abs. 3 StHG [SR 642.14]). Art. 9 und 325 StPO sind demnach nicht einschlägig.
2.2.2. In Bezug auf die Verfassungs- und Konventionsbestimmungen, auf die sich der Beschwerdeführer beruft, hat das Bundesgericht im Kontext des Steuerhinterziehungsverfahrens unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR festgehalten, dass die Veranlagungsbehörde in ihrer Bussenverfügung mit hinreichender Deutlichkeit aufzeigen muss, welcher Sachverhalt der steuerpflichtigen Person zur Last gelegt wird. Anhand dessen kann diese dann den Tat- und Schuldvorwurf vor der Verwaltungsgerichtsbehörde beanstanden (Urteile 2C_1052/2020 vom 19. Oktober 2021 E. 2.2.3, in: StE 2022 B 101.21 Nr. 22; 2C_257/2018 / 2C_308/2018 vom 11. November 2019 E. 2.4.2; vgl. zum Anklagegrundsatz allgemein BGE 143 IV 63 E. 2.2). Diesen Anforderungen wird der Strafbefehl des Steueramts offensichtlich gerecht. Dass der Beschwerdeführer in diesem Dokument nicht nur der fahrlässigen Steuerhinterziehung beschuldigt wurde, wie er nun vor Bundesgericht geltend macht, ergibt sich bereits daraus, dass ihn das Steueramt darin wegen eventualvorsätzlicher vollendeter und versuchter Steuerhinterziehung schuldig spricht. Wenn die Steuerbehörde sodann der beschuldigten Person anzeigt, dass sie ihr eine vorsätzliche Falschdeklaration vorwirft, und darlegt, dass daraus eine Steuerverkürzung entstanden sei, ist die Tat hinreichend konkret umschrieben und dem verfassungs- und konventionsmässigen Anklagegrundsatz im Steuerstrafverfahren Genüge getan. Das beurteilende Gericht verletzt den Anklagegrundsatz jedenfalls nicht, wenn es die eingetretene Steuerverkürzung steuerrechtlich anders herleitet als die Steuerbehörde im Strafbefehl, da es insoweit nur um die rechtliche Würdigung des Sachverhalts geht (vgl. BGE 143 IV 63 E. 2.2 mit Hinweis auf Art. 350 StPO).
3.
Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz habe zu Unrecht auf Eventualvorsatz geschlossen. Die Feststellung der Vorinstanz, er habe die Falschdeklaration wissentlich und willentlich vorgenommen und die Steuerverkürzung in Kauf genommen, sei willkürlich (Art. 9 BV) und offensichtlich unrichtig (Art. 97 Abs. 1 BGG).
Auch diese Rüge ist offensichtlich unbegründet. Die Vorinstanz hat eine Reihe von Anhaltspunkten dafür genannt, die sie zum Schluss bewogen haben, der Beschwerdeführer habe die Unrichtigkeit der Deklaration gekannt. Sie hat unter anderem auf die besonderen Fachkenntnisse des Beschwerdeführers, auf das offensichtliche Missverhältnis zwischen dem effektiven Wert der Aktien und ihrem Steuerwert gemäss den Veranlagungen, auf die zeitlichen Abläufe und auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer auch bei einer anderen Beteiligung nur die Hälfte der Aktien deklariert hatte, hingewiesen (vgl. angefochtenes Urteil E. 5.5 und 5.6). Angesichts dieser Indizienlage ist es entgegen dem Beschwerdeführer auf jeden Fall nicht offensichtlich unrichtig, darauf zu schliessen, der Beschwerdeführer habe um die Falschdeklaration und die Steuerverkürzung gewusst und sie billigend in Kauf genommen, wie dies die Vorinstanz getan hat (vgl. angefochtenes Urteil E. 5.7).
4.
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet, weswegen sie im vereinfachten Verfahren abzuweisen ist (Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG). Die Gerichtskosten sind anhand des Streitwerts zu bestimmen (Art. 65 Abs. 2 BGG i.V.m. dem Tarif vom 31. März 2006 für die Gerichtsgebühren im Verfahren vor dem Bundesgericht [SR 173.110.210.1]) und dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen ( Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG ). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kantonalen Steueramt St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 25. April 2024
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Parrino
Der Gerichtsschreiber: Seiler