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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_934/2020  
 
 
Urteil vom 25. Mai 2022  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Flurin Turnes, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 
Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
2. Eidg. Spielbankenkommission ESBK, 
Eigerplatz 1, 3003 Bern, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Übertretung des Spielbankengesetzes; Verjährung; Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 19. Mai 2020 (SU190030-O/U/cwo). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) wirft A.________ vor, zwischen dem 7. und 8. Februar 2014 als Geschäftsführer der Gastwirtschaft "B.________" zwei Geldspielautomaten mit "als Glücksspielautomaten qualifizierten Spielen gemäss Auflistung" aufgestellt und betrieben zu haben, ohne zuvor eine Prüfung oder Konformitätsbewertung durchzuführen resp. eine Zulassung einzuholen. Dadurch habe der Beschuldigte eine Übertretung nach Art. 56 Abs. 1 lit. c des vormaligen Spielbankengesetzes begangen (Strafverfügung vom 20. August 2018). 
 
A.________ verlangte eine gerichtliche Beurteilung. Das Bezirksgericht Zürich erkannte ihn mit Urteil vom 2. Juli 2019 der Widerhandlung (Übertretung) des Spielbankengesetzes im Sinn von Art. 56 Abs. 2 (richtig: Abs. 1) lit. c SBG für schuldig. Dafür belegte es ihn mit einer Busse von Fr. 6'600.--. 
 
B.  
Auf Beschwerde von A.________ hin bestätigt das Obergericht des Kantons Zürich den Schuldspruch. Die Busse reduziert es auf Fr. 5'000.-- (Urteil vom 19. Mai 2020). 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er vom Vorwurf, gegen das Spielbankengesetz verstossen zu haben, freizusprechen. Die verfügten Einziehungen seien aufzuheben. 
 
D ie Oberstaatsanwaltschaft, das Obergericht und die ESBK verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der dem Beschwerdeführer angelastete Sachverhalt datiert aus dem Jahr 2014. Am 1. Januar 2019 ist das Spielbankengesetz vom 18. Dezember 1998 (SBG) durch das Geldspielgesetz vom 29. September 2017 (BGS) ersetzt worden. Eine Tat, die vor Inkrafttreten des geltenden Rechts begangen wurde, wird nach neuem Recht beurteilt, wenn dieses für den Täter das mildere ist (Art. 2 Abs. 2 StGB in Verbindung mit Art. 2 VStrR; Grundsatz der lex mitior; Urteil 6B_928/2020 vom 6. September 2021 E. 2 mit Hinweisen).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer bringt unter anderem vor, das Verfahren sei aufgrund von Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG eingeleitet worden. Im Hinblick auf den letztlich erhobenen Tatvorwurf nach Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG sei keine Untersuchung durchgeführt worden. Der angefochtene Entscheid verletze den Anklagegrundsatz. Zudem macht er eine Verletzung des Grundsatzes der lex mitior geltend; beim BGS handle es sich um das mildere Recht, weil im neuen Recht keine dem vormaligen Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG ("Konformitätsbewertung") entsprechende Strafnorm mehr figuriere.  
 
1.3. Die Vorinstanz prüft das Verhalten des Beschwerdeführers alt- und neurechtlich anhand folgender Strafbestimmungen:  
 
Nach Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG macht sich strafbar, wer Spielsysteme oder Glücksspielautomaten ohne Prüfung, Konformitätsbewertung oder Zulassung zum Zweck des Betriebs aufstellt. Fahrlässiges Handeln ist ebenfalls strafbar (Art. 56 Abs. 2 SBG). Wer einen Geschicklichkeits- oder Glücksspielautomaten (Geldspielautomaten) in Verkehr setzen will, muss ihn vor der Inbetriebnahme der ESBK vorführen (Art. 61 Abs. 1 der [ebenfalls auf Anfang 2019 aufgehobenen] Verordnung vom 24. September 2004 über Glücksspiele und Spielbanken [Spielbankenverordnung, VSBG]; vgl. auch Art. 64 Abs. 1 VSBG). 
 
Nach Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS ist es strafbar, vorsätzlich ohne die dafür nötigen Konzessionen oder Bewilligungen Spielbankenspiele (vgl. Art. 3 lit. a und g BGS) oder Grossspiele durchzuführen, zu organisieren oder zur Verfügung zu stellen. 
 
1.4. Der Anklagegrundsatz (Art. 9 StPO; BGE 143 IV 63 E. 2.2) gilt auch im Verwaltungsstrafverfahren (Art. 82 VStrR; zur Anwendung des VStrR vgl. erwähntes Urteil 6B_928/2020 E. 3.3.3). Der Adressat einer Strafverfügung kann die strafgerichtliche Beurteilung verlangen (Art. 72 Abs. 1 VStrR). In diesem Fall überweist die Verwaltung die Akten an die kantonale Staatsanwaltschaft zuhanden des zuständigen Strafgerichts (Art. 73 Abs. 1 VStrR). Die Überweisung gilt als Anklage. Sie muss den Sachverhalt und die anwendbaren Strafbestimmungen enthalten oder auf die Strafverfügung verweisen (Art. 73 Abs. 2 VStrR).  
Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden (Immutabilitätsprinzip), nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (Art. 350 Abs. 1 StPO). Voraussetzung für eine andere rechtliche Würdigung ist, dass der eingeklagte Sachverhalt sämtliche Tatbestandselemente des ins Auge gefassten Delikts genügend umschreibt (Urteil 6B_928/2020 E. 3.3.3 a.E. mit Hinweisen). 
 
1.5. Die Vorinstanz stellt fest, die ESBK werfe dem Beschwerdeführer eine Übertretung nach Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG (Aufstellen von Glücksspielautomaten zum Zweck des Betriebs ohne Prüfung, Konformitätsbewertung oder Zulassung) vor. Nicht angeklagt sei ein Handeln nach Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG (Organisieren oder gewerbsmässiges Betreiben von Glücksspielen ausserhalb konzessionierter Spielbanken; angefochtenes Urteil S. 9 E. 5.2).  
 
Die Vorinstanz schliesst, das Handeln des Beschwerdeführers sei im Sinn von Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG strafbar. In der Gastwirtschaft des Beschwerdeführers hätten sich zwei Geräte befunden, die mit den als Glücksspielautomaten qualifizierten automatisierten Spielen ausgestattet und zum Zweck des Spiels aufgestellt wurden resp. in Betrieb waren. Vor Inbetriebnahme seien sie unbestrittenermassen weder der ESBK zur Prüfung vorgeführt worden noch hätten sie über eine Konformitätsbewertung oder Zulassung verfügt (angefochtenes Urteil S. 15 ff. E. 2.2). 
 
Nach neuem Recht habe der Beschwerdeführer den Tatbestand von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS (Variante des Durchführens) erfüllt, indem er die betreffenden Geräte aufstellte und in Betrieb setzte (S. 19 f. E. 2.3). Somit habe sich der Beschwerdeführer sowohl nach altem wie neuem Recht strafbar gemacht. Der Strafandrohung nach sei das alte Recht im vorliegenden Fall das mildere (S. 21 E. 2.4). 
 
Die Vorinstanz fügt an, zwar habe die erste Instanz entgegen ihren eigenen Erwägungen, in welchen sie auf eine vorsätzliche Widerhandlung gegen das Spielbankengesetz (Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG) geschlossen habe, den Beschwerdeführer im Dispositiv der fahrlässigen Widerhandlung gegen das Spielbankengesetz ("Art. 56 Abs. 2 Bst. c SBG") schuldig gesprochen. Dieses offensichtliche Versehen hätte das Bezirksgericht von Amtes wegen berichtigen müssen (Art. 83 Abs. 1 StPO). Für sie, so die Vorinstanz, sei das bezirksgerichtliche Urteilsdispositiv aufgrund des Verschlechterungsverbots aber massgebend (BGE 139 IV 282 E. 2.5). Deswegen bleibe es bei der (nicht zutreffenden) Qualifikation der fahrlässigen Tatbegehung (S. 21 f. E. 2.5 und E. 3).  
 
1.6.  
 
1.6.1. Vorab ist festzuhalten, dass für die Frage, ob der Rechtsmittelentscheid eine unzulässige Verschlechterung ( reformatio in peius; Art. 391 Abs. 2 erster Satz StPO) vorsieht, zwar dessen Dispositiv massgebend ist (BGE 147 IV 167 E. 1.5.2). Das heisst jedoch nicht ohne Weiteres, dass die Rechtsmittelinstanz auch an eine Fassung des Dispositivs gebunden ist, die sich nicht mit dem Entscheidtenor deckt und offenkundig versehentlich erfolgt ist. Dies zeigt sich schon daran, dass es "Art. 56 Abs. 2 Bst. c SBG" gar nicht gibt. Die Frage ist aus den nachfolgenden Gründen indes obsolet.  
 
1.6.2. Die Vorinstanz hat das Handeln des Beschwerdeführers sowohl unter Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG wie auch unter Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS subsumiert (oben E. 1.3 und 1.5). Angeklagt ist indes allein das im Sinn von Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG unterlassene Vorführen der Geräte (dazu Urteil 6B_928/2020 E. 3.4.2). Anders als die meisten nach dem alten Spielbankengesetz strafbaren Handlungen ist das Unterlassen einer Vorführung nicht als Straftatbestand in das neue Gesetz (BGS) übernommen worden (Urteil 6B_928/2020 E. 3.4.3 mit Hinweisen). Steht die im Hinblick auf Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG angeklagte Missachtung der Vorführungspflicht im BGS somit nicht mehr unter Strafe, wird dieses als das mildere Recht massgebend (oben E. 1.1). Nach dem Grundsatz der lex mitior fällt eine Bestrafung nach Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG ausser Betracht.  
 
Damit bleibt die Frage, ob die vorinstanzlich bejahte Strafbarkeit nach Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS standhält. Diese Strafnorm befasst sich u.a. mit dem Anbieten von nicht konzessionierten oder bewilligten Spielen. Sie entspricht der Sache nach dem Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG, über den das Organisieren oder gewerbsmässige Betreiben von Glücksspielen ausserhalb konzessionierter Spielbanken sanktioniert wurde. Eine entsprechende rechtliche Würdigung setzte voraus, dass der eingeklagte Sachverhalt sämtliche wesentlichen Tatbestandselemente genügend umschreibt (vgl. oben E. 1.4). Die Vorinstanz hat indes - für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) - festgestellt, dem Beschwerdeführer werde keine Handlung nach Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG vorgeworfen (angefochtenes Urteil S. 9 E. 5.2). Besteht hinsichtlich Handlungen im Sinn von Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG resp. Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS keine Anklage, so entfällt eine Strafbarkeit des Beschwerdeführers auch diesbezüglich. Mithin erweist sich das angefochtene Urteil als rechtsfehlerhaft im Sinn von Art. 398 Abs. 4 StPO
 
2.  
Der Beschwerdeführer verlangt, die Verfügungen betreffend Einziehung der Geldspielautomaten zur Verwertung resp. Vernichtung seien aufzuheben. Die Vorinstanz stellt die Rechtskraft der Einziehungsverfügung der ESBK vom 25. Februar 2014 fest und tritt auf einen entsprechenden Antrag der Verteidigung nicht ein (angefochtenes Urteil S. 27 IV.). Damit setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Auf sein Rechtsmittel ist in diesem Punkt nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG). 
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung (namentlich über die Kostenfolgen) an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Kanton Zürich trägt keine Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 4 BGG). Er hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren aber angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit auf sie einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. Mai 2020 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. Mai 2022 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Traub