Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_247/2010 
 
Urteil vom 25. Juni 2010 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Kernen, Seiler, 
Gerichtsschreiber Nussbaumer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
W.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Horschik, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 2. Februar 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
W.________ (geboren 1949), ausgebildete Laborantin und Tänzerin, arbeitet seit 1991 als Herbar-Assistentin an der Universität X.________. Im April 2005 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Ab 1. Juli 2005 reduzierte sie das Arbeitspensum von 80 % auf 50 %. Mit Verfügung vom 5. September 2005 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich der Versicherten nach Ermittlung eines Invaliditätsgrades von 50 % mit Wirkung ab 1. April 2004 eine halbe Invalidenrente zu. Im Rahmen eines im August 2007 eingeleiteten Rentenrevisionsverfahrens hob die IV-Stelle mit Verfügung vom 12. März 2008 die Rente wiedererwägungsweise auf Ende April 2008 auf. 
 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 2. Februar 2010 ab. 
 
C. 
W.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihr die gesetzlichen Leistungen zu erbringen, insbesondere eine Rente. Eventuell sei die Sache an die IV-Stelle zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Ferner ersucht sie um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2 S. 550; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
 
1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007 N 24 zu Art. 97). 
 
2. 
2.1 Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 2 ATSG und Art. 1 Abs. 1 IVG kann die IV-Stelle auf formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Eine Wiedererwägung in diesem Sinne ist in den Schranken von Art. 53 Abs. 3 ATSG jederzeit möglich, insbesondere auch wenn die Voraussetzungen der Revision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind. Wird die zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenverfügung erst vom Gericht festgestellt, so kann es die im Revisionsverfahren verfügte Aufhebung der Rente mit dieser substituierten Begründung schützen (BGE 125 V 368 E. 2 S. 369; Urteil 9C_11/2008 vom 29. April 2008 E. 2). Dabei muss der versicherten Person vorgängig das rechtliche Gehör zur Substitution der Motive gewährt worden sein (BGE 125 V 368 E. 4a und b S. 370; vgl. auch BGE 128 V 272 E. 5b/bb S. 278). 
Bei Renten der Invalidenversicherung im Besonderen ist zu beachten, dass die Ermittlung des Invaliditätsgrades verschiedene Ermessenszüge aufweisende Elemente und Schritte umfasst. Scheint die seinerzeitige Beurteilung vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen Rentenzusprechung darbot, als vertretbar, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus (vgl. bezüglich Einschätzung der Arbeitsfähigkeit SVR 2006 IV Nr. 21 S. 75 E. 1.2 [I 545/02]; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 632/04 vom 23. Februar 2005 E. 3.1; Urteil 9C_215/2007 vom 2. Juli 2007 E. 3.2). 
 
2.2 Die IV-Stelle hob die Invalidenrente wiedererwägungsweise mit der Begründung auf, sie sei bisher davon ausgegangen, dass die Versicherte ohne Gesundheitsschaden einer vollen Erwerbstätigkeit, d.h. zu 100 % nachgehen würde. Nach Durchsicht der Akten habe sie festgestellt, dass die Versicherte nie zu einem 100%-Pensum gearbeitet habe. Sie habe früher zu einem Pensum zu 50 % gearbeitet und dies per Juni 1999 auf 80 % erhöht. Das kantonale Gericht schützte diese Betrachtungsweise, da aufgrund der Akten feststehe, dass die Beschwerdeführerin vom 15. April 1991 bis 30. Mai 1999 vorerst im Umfang eines Beschäftigungsgrades von 50 % und vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2005 im Umfang eines solchen von 80 % an der Universität Zürich tätig gewesen sei. Es habe daher als erstellt zu gelten, dass die Beschwerdeführerin vor Eintritt des Gesundheitsschadens im Januar 2002 während rund 10 Jahren ausschliesslich im Rahmen eines Teilzeitarbeitspensums tätig gewesen sei. Daraus sei mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu schliessen, dass die Beschwerdeführerin ohne Gesundheitsschaden aus invaliditätsfremden Gründen auf die Ausübung einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit verzichtet habe und weiterhin im Umfang eines teilzeitlichen Arbeitspensums von höchstens 80 % als Herbar-Assistentin an der Universität X.________ tätig gewesen wäre. Ferner sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ohne gesundheitliche Beeinträchtigung freiwillig im Umfang eines teilzeitlichen Arbeitspensums eine Erwerbstätigkeit ausüben würde und die verbleibende Zeit für Freizeitbeschäftigungen und nicht für die Besorgung des Haushalts aufwenden würde. Für die Anwendung der gemischten Methode bestehe daher kein Raum. Der Vergleich des Valideneinkommens von Fr. 63'413.- mit dem Invalideneinkommen von Fr. 39'633.- ergebe eine Erwerbseinbusse von Fr. 23'780.-, womit ein Invaliditätsgrad von gerundet 38 % resultiere. Ein Rentenanspruch sei bereits bei Erlass der ursprünglichen Verfügung vom 5. September 2005 nicht ausgewiesen gewesen. Unter diesen Umständen sei die Verfügung vom 5. September 2005 zweifellos unrichtig. Da ihr Verfügungsgegenstand Rentenleistungen betreffe, komme ihrer Berichtigung zudem eine erhebliche Bedeutung zu. 
 
2.3 Wie das kantonale Gericht verbindlich festgestellt hat, übte die Beschwerdeführerin zunächst ihre Tätigkeit als Herbar-Assistentin mit einem Pensum von 50 % aus, welches sie ab 1999 auf 80 % erhöhte. Daraus alleine kann noch nicht geschlossen werden, die Beschwerdeführerin hätte als Gesunde ihr Pensum nicht auf 100 % ausgedehnt. Bereits aus den im Zusammenhang mit der ursprünglichen Rentenverfügung vom 5. September 2005 eingeholten Arztberichten geht hervor, dass die Beschwerdeführerin wegen ihren Rückenbeschwerden auf eine Erwerbstätigkeit von 100 % verzichtet (Bericht des Dr. med. H.________ vom 9. März 2005) und ein Angebot der Arbeitgeberin auf Erhöhung ihres Pensums auf 100 % abgelehnt habe (Bericht des Dr. med. B.________ vom 26. April 2005). Auch der Bericht des Dr. med. U.________ vom 25. Mai 2005, welcher die Beschwerdeführerin seit 1988 behandelte, weist seit 2001 zunehmende Schmerzen im Rücken, "am 11. September 2002 dynamische Fixation L3 bis S1", mit behandlungsresistenten objektivierbaren Befunden aus, welche die Beschwerdeführerin selbst bei ihrer Teilzeitarbeit als Büroangestellte im Botanischen Garten beeinträchtigten. Im Zeitpunkt der ursprünglichen Rentenverfügung hatte somit die IV-Stelle die hypothetische Frage zu entscheiden, ob die Beschwerdeführerin als Gesunde ein Vollzeitpensum ausüben würde. Wenn sie aufgrund dieser Aktenlage damals zum Schluss gekommen ist, die Beschwerdeführerin sei als Erwerbstätige mit einem Arbeitspensum von 100 % einzustufen, so ist diese Schlussfolgerung nicht zweifellos unrichtig, selbst wenn eine Erwerbstätigkeit von 80 % naheliegender gewesen wäre. IV-Stelle und kantonales Gericht haben somit Bundesrecht verletzt, wenn sie die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung bejaht haben. Die Beantwortung der hypothetischen Statusfrage weist im besonderem Masse Ermessenszüge auf, weswegen eine wiedererwägungsweise Korrektur nur bei Unvertretbarkeit in Betracht fällt, ansonsten die Wiedererwägung zum Instrument einer voraussetzungslosen Neubeurteilung wird, was nach ständiger Rechtsprechung nicht angeht (SVR 2010 IV Nr. 5 S. 10 E. 2.2 und 4.1). 
 
3. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung und Prozessführung ist daher gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
In Gutheissung der Beschwerde wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 2. Februar 2010 und die Verfügung der IV-Stelle Zürich vom 12. März 2008 aufgehoben. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3. 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird die Kosten und Parteientschädigung für das kantonale Verfahren aufgrund des Ausgangs des letztinstanzlichen Verfahrens neu verlegen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 25. Juni 2010 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Nussbaumer