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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_763/2023  
 
 
Urteil vom 25. Juli 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Beusch, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Marina Walther, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Ausgleichskasse, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (Covid-19), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Oktober 2023 (EE.2021.00053). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1982 geborene A.________ wandelte am 1. September 2020 seine Einzelfirma, mit der er seit dem 1. November 2017 das Restaurant B.________ geführt hatte, in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (B.________ GmbH) um, deren einziger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist. Am 29. Mai 2021 beantragte er bei der Ausgleichskasse des Kantons Zürich für die Monate November 2020 bis Februar 2021 eine Erwerbsausfallentschädigung, da er aufgrund von behördlichen Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie einen Lohnausfall erlitten habe. Die Ausgleichskasse lehnte dieses Leistungsbegehren mit Verfügung vom 15. Juni 2021 und Einpracheentscheid vom 23. September 2021 ab. 
 
B.  
Die von A.________ hiergegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 26. Oktober 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, die Ausgleichskasse sei unter Aufhebung des kantonalen Urteils zu verpflichten, ihm für die Monate November 2020 bis Februar 2021 eine Corona-Erwerbsersatzentschädigung auszurichten, eventuell sei die Sache zu weiteren Abklärungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. 
Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es einen Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Corona-Erwerbsersatzentschädigung für die Monate November 2020 bis Februar 2021 verneinte. 
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall in der vorliegend anwendbaren (vgl. BGE 148 V 162 E. 3.2 und Urteil 9C_432/2022 vom 20. April 2023 E. 5.1), vom 17. September 2020 bis 30. Juni 2022 in Kraft stehenden, Fassung (AS 2020 4571; 2022 97) haben Selbstständigerwerbende im Sinne von Art. 12 ATSG (SR 830.1) und (arbeitgeberähnliche) Personen nach Art. 31 Abs. 3 lit. b und c AVIG (SR 837.0), die nach AHVG obligatorisch versichert sind, Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz. Vorausgesetzt ist, dass (a.) die Erwerbstätigkeit der Betroffenen aufgrund behördlich angeordneter Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie massgeblich eingeschränkt ist, (b.) sie einen Erwerbs- oder Lohnausfall erleiden, und (c.) sie im Jahr 2019 für diese Tätigkeit ein AHV-pflichtiges Erwerbseinkommen von mindestens Fr. 10'000.- erzielt haben; diese Voraussetzung gilt sinngemäss, wenn die Tätigkeit nach dem Jahr 2019 aufgenommen wurde; wurde die Tätigkeit nicht während eines vollen Jahres ausgeübt, so gilt diese Voraussetzung proportional zu deren Dauer.  
 
3.2. Zur einheitlichen Durchführung der Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall hat das Bundesamt für Sozialversicherungen das Kreisschreiben über die Entschädigung bei Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus - Corona-Erwerbsersatz (KS CE) veröffentlicht. In der 12. Fassung, gültig ab 29. Januar 2021, wurde die Rz. 1041.5a ins Kreisschreiben aufgenommen. Diese bestimmt, dass im Falle einer Änderung der Rechtsform (Änderung von Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder juristischen Personen) für die Prüfung der Umsatzeinbusse, des Anspruchs und für die Berechnung des Anspruchs einzig auf die neue Rechtsform abgestellt wird.  
 
3.3. Die Verwaltungsweisungen richten sich an die Durchführungsstellen und sind für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (BGE 146 V 104 E. 7.1; 144 V 195 E. 4.2). Allerdings dürfen auf dem Wege von Verwaltungsweisungen keine über Gesetz und Verordnung hinausgehenden Einschränkungen eines materiellen Rechtsanspruchs eingeführt werden (BGE 146 V 104 E. 7.1; 140 V 543 E. 3.2.2.1 f.; vgl. auch BGE 140 V 343 E. 5.2).  
 
4.  
 
4.1. Es steht fest und ist letztinstanzlich unbestritten, dass sich der Beschwerdeführer - als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH Arbeitnehmer in arbeitgeberähnlicher Stellung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG - in den vorliegend streitbetroffenen Monaten November 2020 bis Februar 2021 keinen Lohn ausbezahlt hat. Weiter hat die Vorinstanz festgestellt, dass er auch in den Monaten September und Oktober 2020, mithin seit der Umwandlung der Einzelfirma in eine GmbH, kein Gehalt bezogen hat. Da Rz. 1041.5a KS CE (vgl. E. 3.2 hiervor) gemäss den vorinstanzlichen Erwägungen eine überzeugende Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben darstelle und damit bereits vor deren formellen Veröffentlichung Anwendung finden könne, schloss die Vorinstanz, ein Anspruch auf eine Erwerbsausfallentschädigung sei bei vorliegender Ausgangslage zu verneinen.  
 
4.2. Durch eine Verwaltungsanweisung darf das Bestehen eines materiellen Rechtsanspruchs nicht an neue, nicht in den gesetzlichen Grundlagen enthaltenen Bedingungen geknüpft werden (vgl. E 3.3 hiervor). Wie der Beschwerdeführer indessen zu Recht geltend macht, führt die Anwendung der Rz. 1041.5a KS CE vorliegend dazu, dass sein Anspruch auf eine Erwerbsausfallentschädigung einzig deshalb verneint wird, weil er während der Pandemie die Rechtsform seiner Geschäftstätigkeit geändert hat. Eine solche Regel ist indessen der Verordnung nicht zu entnehmen; zudem sind auch keine hinreichenden Gründe ersichtlich, weshalb der Verordnungsgeber eine solche hätte statuieren sollen. Zwar trifft es - wie die Vorinstanz überzeugend erwogen hat - zu, dass der Verdienst eines selbstständig Erwerbstätigen nicht unbesehen dem Lohn eines Arbeitnehmers in arbeitgeberähnlicher Stellung gleichgesetzt werden kann. Die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten, welche eine rechtsgleiche Bemessung der Entschädigung in Fällen, in denen es während der Pandemie zu einer Änderung der Rechtsform kam, bereiten, sind indessen jedenfalls nicht unüberwindbar und rechtfertigen es nicht, den Anspruch gegebenenfalls einzig aus dem Grund zu verneinen, dass die Rechtsform geändert wurde. Rz. 1041.5a KS CE stellt mithin nicht eine überzeugende Konkretisierung der gesetzlichen Grundlagen dar, sondern führt eine neue, in der Verordnung nicht enthaltene Anspruchsvoraussetzung ein, was rechtsprechungsgemäss nicht zulässig ist. Somit ist dieser Randziffer die Anwendung zu versagen, ohne dass auf die übergangsrechtliche Problematik eingegangen werden müsste, dass diese Ergänzung des KS erst auf den 29. Januar 2021 erfolgte, während der Beschwerdeführer bereits einen Anspruch ab November 2020 geltend macht.  
 
4.3. Demnach verletzte die Vorinstanz Bundesrecht, als sie gestützt auf Rz. 1041.5a KS CE einen Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Corona-Erwerbsausfallentschädigung einzig deshalb verneinte, weil er am 1. September 2020 sein Einzelunternehmen in eine GmbH umgewandelt hatte und danach das Restaurant B.________ nicht länger als selbstständig Erwerbstätiger, sondern als Arbeitnehmer in arbeitgeberähnlicher Stellung führte. Entsprechend ist seine Beschwerde gutzuheissen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit dieses einen neuen Entscheid fälle mit der Vorgabe, dass die Änderung der Rechtsform keinen Grund für eine Verneinung des Anspruchs darstellt. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen.  
 
5.  
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem Beschwerdeführer überdies eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Oktober 2023 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. Juli 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold