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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_592/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 25. September 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mord, Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 4. März 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte X.________ zweitinstanzlich wegen Mordes, mehrfacher Drohung, mehrfacher Nötigung und einfacher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 19 Jahren. 
 
 Dem Schuldspruch wegen Mordes liegt folgender Sachverhalt zugrunde: 
 
 X.________ lenkte seinen Personenwagen am 8. November 2011 mit einer Geschwindigkeit von 80-90 km/h gezielt in seine von ihm getrennt lebende Ehefrau, die auf dem Trottoir ging, und erfasste sie von hinten. Sie wurde in die Windschutzscheibe des Wagens geschleudert und kam halb auf dem Trottoir, halb auf der angrenzenden Wiese zu liegen. X.________ hielt seinen Wagen an, behändigte aus dem Kofferraum einen Radmutternschlüssel, der mit einem Eisenrohr verlängert war, und begab sich zu seiner Ehefrau. Nachdem er ihren Körper ganz auf das Trottoir gezogen hatte, schlug er mit dem Radmutternschlüssel vier bis fünf Mal mit grosser Kraft auf ihren Kopf. Seine Ehefrau erlag ihren Verletzungen, was X.________ wollte. 
 
B.   
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben, und er sei wegen vorsätzlicher Tötung anstatt Mordes schuldig zu sprechen. Er sei zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren zu verurteilen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die rechtliche Würdigung seiner Tat als Mord. Gemäss dem forensisch-psychiatrischen Gutachten habe er sich aufgrund seiner ethisch-kulturellen Hintergründe in einer schweren Konfliktsituation befunden, weshalb sein Beweggrund nicht besonders skrupellos gewesen sei. Indem die Vorinstanz diesen Umstand vernachlässige, verletze sie das Willkürverbot und Art. 9 sowie 14 EMRK.  
 
1.2. Die Vorinstanz erwägt zusammengefasst, der Beschwerdeführer sei besonders verwerflich vorgegangen. Er habe seine ahnungs- und wehrlose Ehefrau hinterrücks überfahren. Um sicher zu gehen, dass sie sterben würde, habe er mit dem Radmutternschlüssel mehrfach kräftig auf ihren Kopf eingeschlagen, als sie regungs- und wehrlos am Boden lag. Indem er den seiner Ehefrau zu Hilfe eilenden Zeugen bedroht habe, habe er die Unbeirrbarkeit und Beharrlichkeit offenbart, mit der er die Tötung angestrebt habe. Insgesamt zeuge die Tat von ausserordentlicher Brutalität und Kaltblütigkeit. Er habe besonders grausam und skrupellos gehandelt (Urteil S. 13 ff.).  
 
 Die Vorinstanz erachtet als erwiesen, dass die Trennung von seiner Ehefrau und ihre anschliessende Beziehung mit einem Türken Beweggrund für die Tat des Beschwerdeführers war. Dieser habe sich durch ihre Weigerung, zu ihm zurückzukehren, und durch ihre neue Beziehung gedemütigt sowie gekränkt gefühlt. Daran vermöchten auch die Ausführungen zum Beweggrund im forensisch-psychiatrischen Gutachten nichts zu ändern. Die Tat zeuge von Eifersucht und sei als Rachehandlung zu verstehen. Der Beschwerdeführer habe seine eigenen Interessen weit über diejenigen seiner Ehefrau gestellt und mit der Tat einen ausserordentlichen Egoismus gezeigt. Er habe aus einem vergleichsweise geringfügigen Anlass getötet und eine extreme Geringschätzung des Lebens ausgedrückt. Seine vermeintliche Kränkung stehe in einem krassen Missverhältnis zu dem von ihm vernichteten Leben. Sein Verhalten sei nicht nachvollziehbar, zumal die Ehe gescheitert und gerichtlich getrennt gewesen sei. Insgesamt sei auch der Beweggrund besonders verwerflich (Urteil S. 17 ff.). 
 
 An der Qualifikation seines Verhaltens als Mord würden auch allfällige Rechts- und Wertvorstellungen seiner Herkunftskultur nichts ändern. Es sei ihm zwar zuzugestehen, dass er sich durch das Verhalten seiner Ehefrau verletzt fühlte und wütend sowie verzweifelt war. Er habe sich indessen nicht in einer schweren Konfliktsituation befunden. Das von ihm durch das Verhalten seiner Ehefrau subjektiv erfahrene Unrecht lasse seine Tat nicht einfühlbar erscheinen. Auch habe er selbst eine andere Frau gesucht, weil seine Ehefrau nicht zu ihm habe zurückkehren wollen. Damit habe er sein Verhalten nach den hierzulande geltenden Wertmassstäben ausgerichtet. Ferner lebe er seit mehr als 24 Jahren in der Schweiz, weshalb nicht von andauernden Assimilierungsschwierigkeiten auszugehen sei. Ein möglicher fremdkultureller Hintergrund der Tat sei nicht zu beachten (Urteil S. 20 ff. mit Hinweisen). 
 
 Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, sowohl die Art der Tatausführung als auch der Beweggrund des Beschwerdeführers seien besonders verwerflich im Sinne von Art. 112 StGB. Er habe um die ausserordentliche Brutalität und Kaltblütigkeit seines Verhaltens sowie die Verwerflichkeit seines Beweggrundes gewusst und direkt vorsätzlich gehandelt. Er sei wegen Mordes schuldig zu sprechen (Urteil S. 22 f.). 
 
1.3. Eine vorsätzliche Tötung ist als Mord zu qualifizieren, wenn der Täter besonders skrupellos handelt, namentlich wenn sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich sind (Art. 112 StGB). Mord zeichnet sich nach der Rechtsprechung durch eine aussergewöhnlich krasse Missachtung fremden Lebens bei der Durchsetzung eigener Absichten aus. Es geht um die besonders verwerfliche Auslöschung eines Menschenlebens. Für die Qualifikation verweist das Gesetz in nicht abschliessender Aufzählung auf äussere (Ausführung) und innere Merkmale (Beweggrund, Zweck). Diese müssen nicht alle erfüllt sein, um Mord anzunehmen. Entscheidend ist eine Gesamtwürdigung der äusseren und inneren Umstände der Tat. Eine besondere Skrupellosigkeit kann beispielsweise entfallen, wenn das Tatmotiv einfühlbar und nicht krass egoistisch war, so etwa wenn die Tat durch eine schwere Konfliktsituation ausgelöst wurde. Für Mord typische Fälle sind die Tötung eines Menschen zum Zwecke des Raubes, Tötungen aus religiösem oder politischem Fanatismus oder aus Geringschätzung (BGE 127 IV 10 E. 1a S. 13 f. mit Hinweisen).  
Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sog. innere Tatsachen und ist somit Tatfrage (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339; 138 I 49 E. 7.1 S. 51; je mit Hinweisen) oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2 S. 228 mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; je mit Hinweisen). 
 
1.4. Indem der Beschwerdeführer einwendet, aufgrund seiner ethisch-kulturellen Hintergründe habe er sich in einer schweren Konfliktsituation befunden, weicht er von der Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz ab. Was er vorbringt, erschöpft sich weitestgehend in appellatorischer Kritik. So setzt er sich mit den vorinstanzlichen Ausführungen nicht auseinander, wonach der mögliche fremdkulturelle Hintergrund der Tat unbeachtlich sei. Ferner legt er weder dar, worin die Konfliktsituation bestehen sollte, noch begründet er, weshalb dadurch die besondere Skrupellosigkeit entfallen könnte. Der blosse Hinweis, die Vorinstanz verfalle in Willkür und verletze Art. 9 und 14 EMRK, indem sie die Ausführungen der Sachverständigen und seine schwere Konfliktsituation nicht berücksichtige, genügt den Begründungsanforderungen nicht. Darauf ist nicht einzutreten.  
 
1.5. Im Übrigen ist die Beschwerde unbe gründet. Nicht jede Konfliktsituation lässt die besondere Skrupellosigkeit im Sinne von Art. 112 StGB entfallen (Urteil 6B_734/2012 vom 3. April 2012 E. 7.3). Das Bundesgericht hat in BGE 127 IV 10 einlässlich dargelegt, inwiefern kulturell geprägte Verhaltensmuster für die Mordqualifikation eine Rolle spielen können (E. 1d S. 17). Darauf kann verwiesen werden. Vorliegend vermag der kulturelle Hintergrund nichts dazu beizutragen, die Tat zu erhellen und ein tatbezogenes Persönlichkeitsbild zu vermitteln. Insbesondere verkennt der Beschwerdeführer, dass die Gutachter zum Schluss gelangten, der Kanun (albanisches Gewohnheitsrecht) habe wahrscheinlich nur eine Alibifunktion gehabt; es sei dem Beschwerdeführer nicht primär darum gegangen, dessen Regeln einzuhalten (Gutachten S. 62, kantonale Akten, act. P/23).  
 
 Insgesamt zeugt die Tat von einer extremen Geringschätzung des menschlichen Lebens und ist besonders skrupellos im Sinne von Art. 112 StGB. Indem die Vorinstanz sie als Mord einstuft, verletzt sie kein Bundesrecht. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (S. 13 ff.) kann verwiesen werden. 
 
2.   
Der Beschwerdeführer kritisiert die Strafzumessung. Die Vorinstanz verletze das Doppelverwertungsverbot, indem sie die mordqualifizierenden Merkmale beim Tatverschulden erneut berücksichtige. 
Das Doppelverwertungsverbot bedeutet, dass Umstände, die zur Anwendung eines höheren oder tieferen Strafrahmens führen, innerhalb des geänderten Strafrahmens nicht noch einmal als Straferhöhungs- oder Strafminderungsgrund berücksichtigt werden dürfen. Sonst würde dem Täter der gleiche Umstand zweimal zur Last gelegt oder zugutegehalten. Indes ist es dem Gericht nicht verwehrt, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, in welchem Ausmass ein qualifizierender oder privilegierender Tatumstand gegeben ist. Das Gericht verfeinert damit nur die Wertung, die der Gesetzgeber mit der Festsetzung des Strafrahmens vorgezeichnet hat (BGE 120 IV 67 E. 2b S. 72 mit Hinweis). 
 
 Die Vorinstanz führt aus, das Verhalten des Beschwerdeführers sei als überaus grausam und abscheulich zu bezeichnen. Er habe es nicht dabei belassen, seine Ehefrau hinterrücks zu überfahren, sondern habe ihr Gesicht zertrümmert und verunstaltet. Er habe ihr schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen zugefügt. Er habe bei der Tatausführung eine ausserordentliche Skrupellosigkeit offenbart. Auch die besondere Verwerflichkeit des Beweggrundes sei überaus gravierend (Urteil S. 24). 
 
 Mit diesen Erwägungen trägt die Vorinstanz dem konkreten Ausmass der Tatausführung unter Verschuldensgesichtspunkten Rechnung. Eine Verletzung des Doppelverwertungsverbots liegt nicht vor. 
 
3.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hat die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seine angespannte finanzielle Situation ist bei der Bemessung der Gerichtskosten angemessen zu berücksichtigen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, den Kindern des Opfers und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. September 2014 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres