Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_197/2018  
 
 
Urteil vom 25. September 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Advokat Nicolai Fullin, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 16. Januar 2018 (VBE.2017.584). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 20. April 1999 meldete sich die 1968 geborene A.________ bei der IV-Stelle Aargau zum Leistungsbezug an. Die Verwaltung sprach ihr mit Verfügungen vom 27. Februar und 17. April 2003 rückwirkend auf den 1. August 2001 aufgrund eines Invaliditätsgrads von 58 % eine halbe Rente und ab 1. November 2001 bei einem Invaliditätsgrad von 70 % eine ganze Invalidenrente zu. Die Revisionsverfahren in den Jahren 2004 und 2006 ergaben keine Veränderungen.  
 
A.b. Anlässlich des im Jahr 2011 eingeleiteten Revisionsverfahrens stellte die Verwaltung anhand der Auszüge aus dem individuellen Konto (IK) fest, dass A.________ seit Januar 2009 ein Einkommen erzielte. Aufgrund des Verdachts eines unrechmässigen Leistungsbezugs und der diesbezüglich anfallenden Abklärungen sistierte die IV-Stelle mit Verfügung vom 21. August 2012 die laufenden Rentenleistungen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 9. Januar 2013 ab. Das Bundesgericht trat mit Urteil 8C_160/2013 vom 12. März 2013 auf die Beschwerde hiergegen nicht ein.  
 
A.c. Nachdem die IV-Stelle ein polydisziplinäres Gutachten bei der BEGAZ GmbH, Begutachtungszentrum BL (BEGAZ) vom 20. März 2014 eingeholt sowie weitere Arztberichte zu den Akten genommen hatte, veranlasste sie ein Verlaufsgutachten bei der MEDAS Interlaken Unterseen GmbH (MEDAS) vom 26. September 2016. Mit Verfügungen vom 7. und 27. Juni 2017 hob sie die bisherige Invalidenrente rückwirkend auf den Sistierungszeitpunkt auf und sprach A.________ ab 1. August 2014 wiederum eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu.  
 
B.   
Die Beschwerde der A.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 16. Januar 2018 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihr auch in der Zeit von August 2012 bis Juli 2015 eine ganze, eventualiter mindestens eine Teilrente der Invalidenversicherung zuzusprechen. Ferner wird um unentgeltliche Rechspflege ersucht. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig ist, ob das kantonale Gericht die von der IV-Stelle am 7. und 27. Juni 2017 verfügte rückwirkende Aufhebung der bisherigen Invalidenrente auf den Sistierungszeitpunkt (21. August 2012) hin bis zur erneuten Zusprache einer ganzen Rente ab 1. August 2014 zu Recht bestätigte. Das Rechtsbegehren, wonach ihr auch von August 2012 bis Juli 2015 Rentenleistungen zuzusprechen seien, ist dahingehend zu interpretieren, dass die Zeitspanne von August 2012 bis Ende Juli 2014 gemeint ist. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin bestreitet die Kausalität der Verletzung ihrer Meldepflicht für die weitere Rentenausrichtung. Die angebliche Verletzung der Meldepflicht sei erst im November 2011 erfolgt, weshalb sie für bezogene Leistungen vor diesem Zeitpunkt nicht kausal sein könne. Ebenso wenig sei sie kausal für danach erbrachte Leistungen, da die IV-Stelle vor Eingang des Revisionsfragebogens mit den unterlassenen Angaben Kenntnis von ihrer Erwerbstätigkeit gehabt habe, weshalb die rückwirkende Rentenaufhebung bundesrechtswidrig sei. 
 
4.  
 
4.1.  
 
4.1.1. Jede wesentliche Änderung in den für eine Leistung massgebenden Verhältnissen ist von den Bezügerinnen und Bezügern, ihren Angehörigen oder Dritten, denen die Leistung zukommt, dem Versicherungsträger oder dem jeweils zuständigen Durchführungsorgan zu melden (Art. 31 Abs. 1 ATSG). Der Berechtigte oder sein gesetzlicher Vertreter sowie Behörden oder Dritte, denen die Leistung zukommt, haben jede für den Leistungsanspruch wesentliche Änderung, insbesondere eine solche des Gesundheitszustandes, der Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit sowie der persönlichen und gegebenenfalls der wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten unverzüglich der IV-Stelle anzuzeigen (Art. 77 IVV).  
 
4.1.2. Liegt eine Verletzung der Meldepflicht im Sinne von Art. 77 IVV vor, ist gemäss Art. 88bis Abs. 2 lit. b IVV (in der hier anwendbaren, bis 31. Dezember 2014 gültig gewesenen Fassung) zwischen dem zu sanktionierenden Verhalten (Meldepflichtverletzung) und dem eingetretenen Schaden (unrechtmässiger Bezug von Versicherungsleistungen) ein Kausalzusammenhang erforderlich.  
 
4.2. Die Feststellung des kantonalen Gerichts, wonach die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin die seit 2009 aufgenommene Erwerbstätigkeit verschwieg, wird nicht bestritten. Des weiteren hielt das Gericht zutreffend fest, dass mit der Wiederaufnahme der Teilerwerbstätigkeit, wäre die Versicherte ihrer Meldepflicht nachgekommen, der Rentenanspruch in erwerblicher und medizinischer Hinsicht neu abgeklärt worden wäre. Mit Blick darauf, dass die Beschwerdeführerin dannzumal als vollständig arbeitsunfähig im erwerblichen Bereich galt, zeigte die Vorinstanz in nicht zu beanstandender Weise unter Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Einkommens auf, dass bereits aufgrund der veränderten erwerblichen Verhältnisse kein Anspruch mehr auf eine ganze, sondern nur noch auf eine Dreiviertelsrente bestand. Nachdem die Versicherte gemäss Einschätzung im Gutachten des BEGAZ vom 20. März 2014 seit Ende Oktober 2009 in einer leidensadaptierten Tätigkeit vollzeitlich mit 30%iger Leistungseinschränkung arbeitsfähig gesesen war, hätte die korrekt gemeldete Wiederaufnahme der Teilerwerbstätigkeit spätestens per 1. Feburar 2010 zur Aufhebung der Rente geführt, wie die Vorinstanz darlegte. Damit verletzte die Beschwerdeführerin die ihr obliegende Meldepflicht (Art. 77 IVV) in klarer und für den unrechtmässigen Leistungsbezug einer ganzen Invalidenrente kausaler Weise (BGE 142 V 259 E. 3.2.1 S. 261; 118 V 214 E. 2a S. 218; SVR 2012 IV Nr. 12 S. 61 E. 4.2.1, 9C_226/2011; Urteil 9C_245/2012 E. 4.1).  
Zu wiederholen ist, dass der Gutglaubensschutz hier nicht greift. Unabhängig einer behaupteten falschen behördlichen Auskunft hinsichtlich der Höhe eines möglichen Erwerbseinkommes ohne Einfluss auf den Rentenanspsruch gab die Versicherte im Fragebogen der IV-Stelle offensichtlich unwahr an, keinerlei Erwerbseinkommen zu erzielen Es musste ihr bewusst sein, dass sie das Formular wahrheitsgetreu auszufüllen hat und die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit eine meldepflichtige Veränderung in den Verhältnissen darstellt. D ie rückwirkende Einstellung der Rentenleistungen mit Verfügungen vom 7. und 21. Juni 2017 ab August 2012 ist demnach rechtmässig. Wie die Vorinstanz festhielt, steht eine Rückerstattungspflicht der bereits erbrachten Leistungen wegen des Verzichts der Beschwerdegegnerin auf Rückerstattung und der Verwirkungsfristen eines allfälligen Rückforderungsanspruchs (Art. 25 Abs. 2 ATSG) ohnehin nicht im Raum. 
 
5.   
 
5.1. Soweit die Beschwerdeführerin im Sinne einer Eventualbegründung die Rechtmässigkeit der Festsetzung des Invalideneinkommens für das Jahr 2012 verneint, da nicht auf das tatsächlich erzielte Einkommen hätte abgestellt werden dürfen, dringt sie nicht durch. Weder die Verwaltung noch das kantonale Gericht gingen im Erwerbsbereich vom tatsächlich erzielten Einkommen aus, sondern legten der Bemessung des hypothetisch erzielbaren Einkommens als Invalide statistische Werte nach den Tabellenlöhnen der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2012 des Bundesamtes für Statistik (LSE) zugrunde. Zudem begründete die Vorinstanz zutreffend, weshalb rechtsprechungsgemäss kein leidensbedingter Abzug vorzunehmen ist (Urteile 8C_552/2017 vom 18. Januar 2018 E. 5.3.1 und 8C_536/2014 vom 20. Januar 2015 E. 4.3 mit weitere Hinweisen). Unter Verweis auf die Darlegungen im kantonalen Entscheid und die Verfügungen der Beschwerdegegnerin erübrigen sich hierzu Weiterungen.  
 
5.2. Schliesslich wird eingewendet, die Vorinstanz hätte die Berechnung des Invaliditätsgrades anhand der bei ihrem Entscheid vom 16. Januar 2018 bereits in Kraft stehenden Regeln von Art. 27 Abs. 3 IVV vornehmen müssen. Damit vermag die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht durchzudringen. Denn das nun auf den 1. Januar 2018 eingeführte neue Berechnungsmodell für die Invaliditätsbemessung Teilerwerbstätiger mit Aufgabenbereich gemäss Art. 27bis Abs. 2-4 IVV ist auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht anzuwenden. Gemäss den allgemein gültigen intertemporalrechtlichen Grundsätzen sind zur Beurteilung der Rechtsfolgen eines Ereignisses grundsätzlich jene Rechtssätze massgebend, welche zum Zeitpunkt der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 138 V 475 E. 3.1 S. 478; vgl. Urteil 8C_21/2018 vom 25. Juni 2018 E. 6 mit Hinweisen sowie die Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 1. Dezember 2017; AS 2017 7581 f.). Der zur umstrittenen Rechtsfolge führende Tatbestand verwirklichte sich hier abschliessend vor Inkrafttreten der Verordnungsbestimmung, weshalb die gemischte Bemessungsmethode zutreffend nach dem bis Ende 2017 in Kraft stehenden Recht angewandt wurde.  
 
6.   
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG - mit summarischer Begründung unter Verweis auf den kantonalen Entscheid (Art. 102 Abs. 1 und Art. 109 Abs. 3 BGG) - erledigt. 
 
7.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren kann wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens nicht stattgegeben werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. September 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla