Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1P.380/2006 /ggs
Urteil vom 25. Oktober 2006
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Nay, Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Störi.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Bürgin,
gegen
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Zweierstrasse 25, Postfach 9780, 8036 Zürich,
Bezirksgericht Zürich, Einzelrichteramt für Zivil- und Strafsachen, Wengistrasse 28, Postfach, 8026 Zürich.
Gegenstand
Einstellung des Strafverfahrens,
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Einzelrichters für Zivil- und Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich vom 27. April 2006.
Sachverhalt:
A.
X.________ erstattete am 18. August 2004 Strafanzeige gegen Hans Bébie, A.________ und B.________ wegen eventualvorsätzlicher versuchter Tötung bzw. Anstiftung dazu, Freiheitsberaubung, Amtsmissbrauchs, unterlassener Nothilfe, falscher Anschuldigung etc. Den letzteren beiden warf er vor, sie hätten gegen ihn eine haltlose Strafanzeige eingereicht und sich dabei ausgerechnet, er würde seine Verhaftung wegen seines bekannt schlechten Gesundheitszustandes nicht überleben. Dem damaligen Bezirks- und heutigen Staatsanwalt Hans Bébie warf er vor, er habe ihn nach der Verhaftung vom 3. Oktober 2000 trotz lebensbedrohender Atemnot-Attacken nicht angemessen medizinisch versorgen lassen. In der Folge dehnte er seine Strafanzeige auf C.________ aus, dem er Urkundenfälschung vorwarf.
Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich trat am 16. Dezember 2005 auf die Strafanzeige nicht ein. Sie erwog, X.________ habe nach seiner Verhaftung am Morgen des 3. Oktober 2000 gegenüber der Polizei zwar angegeben, an einem Bronchial- und Lungenasthma zu leiden, welches in Stresssituationen einen plötzlichen, tödlichen Atemstopp bewirken könne. Er habe aber ausdrücklich erklärt, er sei in der Lage, Auskunft zu geben, benötige keinen Arzt und wolle die Einvernahme nicht abbrechen, sondern vielmehr hinter sich bringen. In Form einer Protokollnotiz sei ein Telefonat von 12:15 Uhr festgehalten, mit welchem mitgeteilt wurde, es sei ein Arzt zur Stelle, X.________ könne entweder eine Visite in Anspruch nehmen oder sich Medikamente verschreiben lassen, worauf dieser ausdrücklich verzichtet habe. Am Ende der polizeilichen Einvernahme habe sich X.________ ausdrücklich für die unter Berücksichtigung seiner Krankheit korrekt durchgeführte Befragung bedankt. Zu Beginn der Befragung durch Bezirksanwalt Bebié habe X.________ erklärt, der Einvernahme trotz Atemproblemen problemlos folgen zu können. Der Bezirksanwalt habe ihn ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sofort melden müsse, wenn er der Einvernahme nicht mehr folgen könne. Nach nur zwei Fragen sei in Form einer Protokollnotiz festgehalten worden, X.________ atme schwer und antworte teilweise nur noch flüsternd. Er habe auf Nachfrage indessen nochmals bestätigt, der Einvernahme folgen zu können. Nach insgesamt einer halben Stunde hätten die Zweifel an der Einvernahme- und Hafterstehungsfähigkeit von X.________ überwogen, worauf dieser zur Durchführung der medizinischen Abklärungen ins Institut für Rechtsmedizin gebracht worden sei. Nachdem sich dieses für unzuständig erklärt habe, sei X.________ wieder ins Büro des Bezirksanwalts zurückgebracht worden, wo die Einvernahme nochmals kurz wiederaufgenommen worden sei. X.________ habe dann einen Antrag auf Protokollergänzung gestellt und festgehalten, er sei seit 06:15 Uhr herumgeschoben worden, ohne etwas zu essen erhalten zu haben. Auf entsprechende Frage verneinte er, etwas zu essen zu wünschen. Um 21:20 Uhr sei X.________ aus der Haft entlassen worden und auf Empfehlung des beigezogenen Notarztes ins Stadtspital Triemli eingeliefert worden. Dort habe er indessen die Behandlung verweigert und die Notaufnahme gegen den Willen der zuständigen Ärzte verlassen.
Weiter führte die Staatsanwaltschaft I aus, es bestünden keine Anhaltspunkte, dass die von X.________ unterschriebenen Protokolle das Geschehen nicht richtig wiedergeben würden. Das derart dokumentierte Verhalten des Bezirksanwaltes sei nicht zu beanstanden; er habe auf die gesundheitlichen Probleme von X.________ angemessen Rücksicht genommen und dieser hätte, wozu er als erwachsene und eigenverantwortliche Person durchaus in der Lage gewesen wäre, jederzeit um einen Unterbruch der Einvernahme ersuchen können. Werde nun im Nachhinein behauptet, X.________ sei wegen seines schlechten Gesundheitszustands nicht mehr voll zurechnungsfähig gewesen, so werde ein falsches Bild gezeichnet. Es treffe nicht zu, dass er trotz Ersuchen keine Medikamente erhalten habe. In der Anzeigeerstattung liege vielmehr ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Auch wenn möglicherweise die Einlieferung ins Stadtspital Triemli verzögert erfolgt sei, genüge dies nicht, um einen Anfangsverdacht gegen Hans Bebié im Sinne einer versuchten schweren Körperverletzung, einer Gefährdung des Lebens oder gar einer versuchten Tötung zu wecken.
Was die Strafanzeige von A.________ und B.________ gegen X.________ betreffe, so könne diese nicht völlig haltlos gewesen sein, was sich schon daraus ergebe, dass das Verfahren gegen ihn nicht eingestellt, sondern beim Gericht anhängig gemacht worden sei. Es fehle daher an einem Anfangsverdacht, dass die beiden wider besseren Wissens einen Nichtschuldigen einer strafbaren Handlung beschuldigt hätten. Völlig aus der Luft gegriffen sei der Vorwurf, sie hätten mit der Anzeige den Tod von X.________ in Kauf genommen.
Ohne Weiterungen nicht anhand zu nehmen sei sodann die Anzeige gegen C.________, da X.________ nicht einmal andeutungsweise dargelegt habe, inwiefern sich dieser strafbar gemacht haben sollte.
Der Einzelrichter für Zivil- und Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich wies den Rekurs von X.________ gegen diese Nichteintretensverfügung der Staatsanwaltschaft am 27. April 2006 ab.
B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 19. Juni 2006 wegen Verletzung von Art. 10 Abs. 3 BV sowie von Art. 3 und 13 EMRK beantragt X.________, diese Verfügung des Bezirksrichters aufzuheben.
Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde wegen verfassungsmässiger Rechte zulässig ist (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist angeblich Opfer einer schweren Straftat gegen seine körperliche Integrität und damit Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG; damit ist er befugt, sich gegen den die Einstellung des Strafverfahrens gegen den den angeblichen Täter schützenden Rekursentscheid zur Wehr zu setzen. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c), einzutreten ist.
Die Beschwerde genügt den Begründungsanforderungen über weite Strecken nicht, etwa soweit die Verletzung einfachen Gesetzesrechts gerügt wird. Soweit im Folgenden auf Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht eingegangen wird, genügen sie den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht.
2.
Nach § 22 Abs. 4 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO) ist eine Strafuntersuchung zu eröffnen, wenn ein hinreichender Anfangsverdacht besteht. Sind die Voraussetzungen für die Eröffnung nicht erfüllt, ist auf die Strafanzeige nicht einzutreten (§ 22 Abs. 5 StPO). Zu prüfen ist somit, ob der Bezirksrichter im angefochtenen Entscheid in haltbarer Weise verneinen konnte, es bestehe ein hinreichender Anfangsverdacht gegen Bezirksanwalt Bebié, den Beschwerdeführer während der Einvernahme vom 3. Oktober 2000 "gefoltert" zu haben, indem er ihm eine angemessene und zeitgerechte medizinische Versorgung verweigert habe, obwohl er lebensbedrohende, mit Stimmverlust verbundene Atemnot-Attacken erlitten hätte.
Der Vorwurf trifft offensichtlich nicht zu, es kann auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft und des Bezirksrichters verwiesen werden. Danach ergibt sich aus den Befragungsprotokollen, deren Inhalt der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift selber als richtig bestätigte, dass ihm wiederholt medizinische Hilfe angeboten und er ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurde, sofort zu melden, wenn er der Einvernahme aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr folgen könne. Seine Behauptung, er sei damals wegen seiner Atemnot in Panik geraten und völlig unzurechnungsfähig gewesen, weshalb der Bezirksanwalt nicht einfach auf seine Bestätigungen hätte abstellen dürfen, er könne der Einvernahme folgen, ist wenig plausibel und wurde im angefochtenen Entscheid zu Recht zurückgewiesen. Selbst wenn der Bezirksanwalt nach der Einvernahme mit der Einweisung des Beschwerdeführers etwas lange zugewartet haben sollte - was nicht erstellt ist -, so ist die im angefochtenen Entscheid vertretene Auffassung, eine allfällige leichte Verzögerung sei von vornherein nicht geeignet, einen der vom Beschwerdeführer angerufenen Straftatbestände zu erfüllen, nicht zu beanstanden.
Zusammenfassend ist somit der Schluss des Bezirksrichters im angefochtenen Entscheid, die vom Beschwerdeführer gegen Bezirksanwalt Bebié erhobenen Vorwürfe seien mit dem protokollarisch festgehaltenen Ablauf der Einvernahmen nicht zu vereinbaren und deshalb nicht geeignet, einen entsprechenden Anfangsverdacht zu erwecken, welcher die Eröffnung einer Strafuntersuchung rechtfertigen würde, ohne weiteres vertretbar. Ergänzend sei beigefügt, dass diese Vorwürfe vom Beschwerdeführer erst in seiner Strafanzeige vom 18. August 2004, mithin fast vier Jahre nach dem umstrittenen Vorfall erhoben wurden. Das spricht keineswegs für ihre Glaubhaftigkeit, ist es doch kaum nachvollziehbar, dass jemand nach einer derart schlimmen, traumatisierenden Behandlung durch einen Untersuchungsrichter, wie sie der Beschwerdeführer erlitten zu haben behauptet, derart lange mit einer Strafanzeige zugewartet haben sollte. Der angefochtene Entscheid verletzt damit weder das Folterverbot (Art. 10 Abs. 3 BV und Art. 3 EMRK), noch war der Bezirksrichter auf Grund von Art. 13 EMRK verpflichtet, weitere Abklärungen vorzunehmen.
3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 156 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich und dem Einzelrichter für Zivil- und Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. Oktober 2006
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: