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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_456/2022  
 
 
Urteil vom 25. Oktober 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, 
Bundesrichter Müller, 
Gerichtsschreiberin Hänni. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Sven Märki, 
 
gegen  
 
Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, Rötihof, Werkhofstrasse 65, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Schiessanlagen / Sanierungsverfügung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 23. Juni 2022 (VWBES.2021.418). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 20. September 2021 erliess das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn (BJD) folgende Verfügung: 
 
1. Die maximalen jährlichen Betriebsdaten für die Schiessanlage Aeschi (SO) werden wie folgt festgelegt: 
 
- Pegelkorrektur (K) kumuliert mit der Schiessanlage Niederönz: - 17.0 dB (A) 
- Anzahl Schuss (M) : 16'000 
- Anzahl Schiesshalbtage Werktage (Dw) : 16.0 
- Anzahl Schiesshalbtage Sonntage (Ds) : 1.0 
Dabei gilt: Die Schiesshalbtage auf der Anlage Aeschi (SO) sind zwingend gleichzeitig abzuhalten mit jenen auf der Anlage Niederönz (BE), soweit auf einer der beiden Anlagen nicht an mehr Schiesshalbtagen geschossen wird. 
 
2. Die auf der Anlage (Schiessstand) Aeschi bereits eingebauten und in Betrieb genommenen acht Schiesstunnel sind verbindlich. 
 
3. (Gewährung von Erleichterungen)  
 
4. Mit den Festlegungen unter Ziffern 1 - 3 gilt die Anlage Aeschi unter Vorbehalt der Kontrolle im Sinne der LSV als lärmrechtlich saniert. 
 
5. Hinweis: Der Kanton Bern hat - bezogen auf die Anlage Niederönz - mit Verfügung vom 20. September 2021 die folgenden maximalen jährlichen Betriebsdaten festgelegt: 
 
- Pegelkorrektur (K) kumuliert mit der Schiessanlage Aeschi: -17.0 dB (A) 
- Anzahl Schuss (M) : 24'500 
- Anzahl Schiesshalbtage Werktage (Dw) : 18.0 
- Anzahl Schiesshalbtage Sonntage (Ds) : 0.0 
Wobei gilt: Die Schiesshalbtage auf der Anlage Niederönz (BE) sind zwingend gleichzeitig abzuhalten mit jenen auf der Anlage Aeschi (SO), soweit auf einer der beiden Anlagen nicht an mehr Schiesshalbtagen geschossen wird. 
 
6. (Meldepflichten)  
 
7. Die vorliegende Verfügung tritt nur in Kraft, sofern auch die Verfügung des Kantons Bern mit den unter Ziffer 5 erwähnten Betriebsdaten in Kraft tritt. 
 
8. (Gebühr)  
 
Rechtsmittelbelehrung 
Gegen diese Verfügung kann innert 10 Tagen ab Eröffnung beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich Beschwerde erhoben werden. (...)  
 
Die Verfügung des BJD wurde A.________ eröffnet, nicht jedoch seinem Rechtsanwalt. 
 
B.  
Gegen die Verfügung des BJD vom 20. September 2021 erhob A.________, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, am 14. Oktober 2021 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. Dieses trat mit Urteil vom 23. Juni 2022 wegen Verspätung nicht auf die Beschwerde ein. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 29. August 2022 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. Juni 2022 sei aufzuheben und die Sache sei zur Fortführung des Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn zurückzuweisen. 
Das BJD beantragt die Abweisung der Beschwerde und verweist zur Begründung auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils und auf seine Stellungnahme ans Verwaltungsgericht vom 25. Oktober 2021. Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt. Er ist nach Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verletze Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet dieses von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5 mit Hinweis). Erhöhte Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 99 E. 1.7.2 mit Hinweisen). 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz begründet ihren Nichteintretensentscheid im Wesentlichen damit, dass die Beschwerde verspätet eingereicht worden sei. Die Verfügung des BJD sei dem Beschwerdeführer persönlich am 22. September 2021 eröffnet worden und die 10-tägige Beschwerdefrist habe am 23. September 2021 zu laufen begonnen. Der Beschwerdeführer habe seine Beschwerde der Post am 14. Oktober 2021 übergeben, womit sie sich als verspätet erweise.  
Für die Frage, ob die Verfügung seinem Rechtsvertreter hätte eröffnet werden müssen, sei entscheidend, ob dem BJD die Vertretung im Zeitpunkt des Versandes der Verfügung bekannt gegeben worden sei. Dies sei zu verneinen: der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe sich den solothurnischen Behörden gegenüber nie als solcher zu erkennen gegeben. Ob das BJD gewusst habe, dass der Beschwerdeführer im Verfahren im Kanton Bern anwaltlich vertreten sei, spiele demnach keine Rolle. Die ausschliessliche Zustellung an den Beschwerdeführer sei somit nicht zu beanstanden und gelte als fristauslösend. 
 
3.2. Der Beschwerdeführer macht dagegen im Wesentlichen geltend, seine Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht sei nicht verspätet gewesen, da ein Eröffnungsfehler vorliege. Das BJD habe die Lärmsanierungsverfügung vom 20. September 2021 fälschlicherweise ihm persönlich und nicht seinem Rechtsvertreter eröffnet. Er führt aus, das bernische Amt für Gemeinden und Raumordnung (nachfolgend: AGR) und das solothurnische Amt für Umwelt (nachfolgend: AfU) des BJD hätten das Lärmsanierungsverfahren für die beiden an der Kantonsgrenze liegenden Schiessstände von Niederönz (BE) und Aeschi (SO) gemeinsam eröffnet und geführt; die diesbezüglichen Publikationen in verschiedenen regionalen und kantonalen Anzeigern bzw. Amtsblättern hätten die Information enthalten, dass schriftliche Stellungnahmen an eine der beiden Vollzugsbehörden (AGR oder AfU) gerichtet werden könnten. Sein Rechtsvertreter habe das Mandat im April 2021 übernommen und dem bernischen AGR angezeigt. Diese Mandatsanzeige müsse somit auch für das solothurnische Verfahren Geltung haben. Im Übrigen habe die solothurnische Behörde von der Mandatsübernahme gewusst, seien ihr doch die Kopien von verschiedenen Schreiben des AGR zugestellt worden. Er rügt eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung, mehrere Verletzungen des rechtlichen Gehörs, eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots des überspitzten Formalismus sowie die Verletzung der Koordinationspflicht nach Art. 25a RPG (SR 700) und von § 13 Abs. 4 des Gesetzes des Kantons Solothurn vom 15. November 1970 über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (VRPG/SP; SR/SO 124.11).  
 
4.  
Es rechtfertigt sich, zunächst die Sachverhaltsrüge zu prüfen. 
 
4.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, deren Sachverhaltsfeststellung sei offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich, oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 97 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Darunter fällt auch die unvollständige Erhebung des Sachverhalts (BGE 143 V 19 E. 6.1.3). Die Behebung des Mangels muss für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Bei der Rüge der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 mit Hinweisen).  
 
4.2. Der Beschwerdeführer führt aus, die Vorinstanz gehe von einem offensichtlich unvollständigen und somit von einem offensichtlich unrichtigen Sachverhalt aus. Sie habe folgende Sachverhaltselemente in willkürlicher Weise nicht berücksichtigt:  
 
- Im Jahr 2015 hätten das bernische AGR und das solothurnische AfU gemeinsam ein Lärmsanierungsverfahren für die Schiessanlagen Niederönz (BE) und Aeschi (SO) eröffnet. 
- Die geplanten Lärmsanierungsmassnahmen für beide Schiessanlagen seien im Jahr 2020 in verschiedenen solothurnischen und bernischen Anzeigern bzw. Amtsblättern publiziert worden. Alle diese Bekanntmachungen hätten den Hinweis enthalten, dass schriftliche Stellungnahmen innert der Auflagefrist einer der beiden Vollzugsbehörden (AGR oder AfU) einzureichen seien. 
- Der Beschwerdeführer habe immer nur über das AGR am Lärmsanierungsverfahren für beide Schiessanlagen teilgenommen. 
- Sein Rechtsvertreter habe im April 2021 dem AGR das neu abgeschlossene Anwaltsmandat angezeigt und um eine Fristverlängerungen ersucht. Das AGR habe das Vertretungsverhältnis in einem Schreiben bestätigt und die Fristverlängerung gewährt. Eine Kopie des Schreibens sei dem solothurnischen BJD geschickt worden. Sein Rechtsvertreter habe im Mai 2021 um eine weitere Fristerstreckung ersucht. Das AGR habe ihm diese wiederum gewährt und eine Kopie des Schreibens dem solothurnischen BJD geschickt. Das BJD habe also im April/Mai 2021 vom Vertretungsverhältnis erfahren. 
 
4.3. Die substanziiert geltend gemachte Rüge des offensichtlich unrichtigen bzw. unvollständigen Sachverhalts des Beschwerdeführers ist begründet. In der Tat ist es nicht nachvollziehbar bzw. willkürlich, dass der Sachverhalt des angefochtenen Entscheids lediglich die Lärmsanierungsverfügung des BJD vom 20. September 2022 und die dagegen durch den Beschwerdeführer erhobene Beschwerde umfasst, nicht jedoch die oben erwähnten, vom Beschwerdeführer angeführten Sachumstände. Indem die Vorinstanz das vor Erlass der Verfügung durchgeführte, mehrjährige Verfahren nicht thematisiert hat, das schlussendlich mit den beiden Lärmsanierungsverfügungen im Kanton Bern und im Kanton Solothurn abgeschlossen wurde, hat sie den Sachverhalt unvollständig festgestellt. Ein solches kantonsübergreifendes Verfahren ist nicht alltäglich und stellt gerade mit Bezug auf die Zustellung von Parteieingaben und behördlichen Schreiben besondere Anforderungen, weshalb es geboten erscheint, dessen Ausgestaltung und Eigenheiten im Sachverhalt festzuhalten. Es ist verkürzt, die Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels, das der Beschwerdeführer bei der Vorinstanz eingereicht hat, einzig aufgrund der Ereignisse ab dem 20. September 2021 zu beurteilen.  
Der Beschwerdeführer hat im Übrigen aufgezeigt, dass die aufgeführten Sachverhaltselemente für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können. Zunächst kann entscheidrelevant sein, dass eine bernische und eine solothurnische Behörde das Lärmsanierungsverfahren gemeinsam eröffnet und geführt haben. Eine gemeinsame, kantonsübergreifende Verfahrensführung impliziert eine gewisse interne Aufgabenteilung, welche unter Umständen Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der am Verwaltungsverfahren beteiligten Personen im Umgang mit den Behörden haben kann. Diesbezüglich kann insbesondere die Frage entscheidrelevant sein, ob und inwiefern durch die koordinierten Publikationen in den amtlichen Anzeigern bzw. Amtsblättern ein berechtigtes Vertrauen dahingehend erweckt wurde, dass sämtliche Eingaben an eine der beiden Vollzugsbehörden gerichtet werden durften. Weiter kann entgegen den Ausführungen der Vorinstanz für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein, ob das BJD vom Vertretungsverhältnis gewusst hat oder davon wissen musste. Diesbezüglich ergibt sich bereits heute ohne Weiteres aus den Akten, dass zwei an den Beschwerdeführer gerichtete Verfügungen des bernischen AGR, welche dessen Vertretungsverhältnis in den Lärmsanierungsverfahren Niederönz (BE) und Aeschi (SO) bestätigen, dem solothurnischen BJD per E-Mail zugestellt worden sind. 
Um den Sachverhalt zu ergänzen, wird sich die Vorinstanz auf verschiedene Dokumente zu stützen haben, insbesondere die Eröffnungsverfügung der Lärmsanierungsverfahren, die Bekanntmachung in den amtlichen Anzeigern bzw. Amtsblättern wie auch die Schreiben vom 14. April 2021 und 17. Mai 2021 des AGR inkl. E-Mail-Verkehr zwischen den beiden Behörden. Der Beschwerdeführer macht diesbezüglich - in prima vista überzeugender Weise - geltend, das BJD habe diese möglicherweise entscheidrelevanten Dokumente der Vorinstanz im Rahmen der Aktenüberweisung und in Verletzung ihrer Aktenführungspflicht gar nicht zugestellt. Diese Frage wird die Vorinstanz ebenfalls zu klären haben. 
 
4.4. Die Sache ist somit an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Ergänzung des Sachverhalts und zur Neubeurteilung aufgrund dieses ergänzten Sachverhalts.  
 
5.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache wird zur Ergänzung des Sachverhalts und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer eine Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 23. Juni 2022 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Ergänzung des Sachverhalts und zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. Oktober 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Hänni