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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.567/2005 /ggs 
 
Urteil vom 26. Januar 2006 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio, 
Gerichtsschreiberin Schilling. 
 
Parteien 
Erbengemeinschaft X.________, bestehend aus: 
- A.________, 
- B.________, 
- Erbengemeinschaft C.________, bestehend aus: 
- D.________, 
- E.________, 
- F.________, 
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Fürsprecher 
Dr. Thomas Müller, 
 
gegen 
 
Einwohnergemeinde Steffisburg, handelnd durch den Gemeinderat, Höchhusweg 5, 3612 Steffisburg, 
Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern, Münstergasse 2, 3011 Bern, 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Speichergasse 12, 3011 Bern. 
 
Gegenstand 
Überbauungsordnung Nr. 65 "Ringweg Schwäbis", Steffisburg, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 18. Juli 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Pläne der Überbauungsordnung Nr. 65 "Ringweg Schwäbis" lagen in der Einwohnergemeinde Steffisburg im September 2001 öffentlich auf. Gemäss dem Überbauungs- und dem Landerwerbsplan soll von der am Ringweg liegenden Parzelle Nr. 1841 ein 2 m breiter Streifen längs der Grundstücksgrenze abgetreten werden, um die Fusswegverbindung Kirchfeldstrasse - Ringweg wieder herzustellen. Der Verbindungsweg soll insbesondere als Schulweg zu den nahe gelegenen Schulhäusern Sonnenfeld und Bernstrasse dienen. 
Gegen das Planungs- und Bauvorhaben reichten unter anderem die Mitglieder der Erbengemeinschaft X.________ als Eigentümer der Parzelle Nr. 1841 Einsprache ein. Der Gemeinderat Steffisburg stimmte der Überbauungsordnung am 16. Dezember 2002 zu. Mit Verfügung vom 3. Juni 2003 genehmigte das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung die Überbauungsordnung und wies die Einsprachen ab. Das Amt erteilte die nachgesuchte Baubewilligung für die Wiederherstellung des Fussweges mit der Auflage, dass dieser mit einem allgemeinen Fahrverbot belegt werde, welches durch bauliche Massnahmen sicherzustellen sei. 
B. 
Gegen den Genehmigungs- und Einsprachenentscheid vom 3. Juni 2003 erhoben die Mitglieder der Erbengemeinschaft X.________ Beschwerde bei der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern. Diese wies die Beschwerde nach Durchführung einer Augenscheinsverhandlung am 6. Juli 2004 ab. Die Erben X.________ zogen diesen Entscheid an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern weiter. Dessen Verwaltungsrechtliche Abteilung wies die Beschwerde mit Urteil vom 18. Juli 2005 ab, soweit auf sie eingetreten werden konnte. 
C. 
Die Mitglieder der Erbengemeinschaft X.________ führen gegen das Urteil des Berner Verwaltungsgerichtes staatsrechtliche Beschwerde. Sie rügen Verletzung der Eigentumsgarantie und des rechtlichen Gehörs sowie willkürliche Sachverhaltsfeststellung. 
Die Einwohnergemeinde Steffisburg beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ersuchen um Abweisung der Beschwerde. 
D. 
Das Gesuch der Beschwerdeführer um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ist mit Präsidialverfügung vom 18. Oktober 2005 abgewiesen worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid über einen kommunalen (Sonder-)Nutzungsplan ist die staatsrechtliche Beschwerde zulässig (vgl. Art. 34 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Raumplanung [RPG, SR 700]). Die Beschwerdeführer sind als Eigentümer des von der planerischen Massnahme betroffenen Grundstücks ohne weiteres zur Beschwerde legitimiert. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten. 
2. 
Die Beschwerdeführer beanstanden in erster Linie gewisse Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichts, zu denen sie keine Stellung hätten nehmen können. Dadurch sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör missachtet worden. Die Sachverhaltsfeststellungen seien teils auch weder aktenkundig noch beruhten sie auf Erkenntnissen des Augenscheins. 
Zu diesen Vorwürfen ist vorab zu bemerken, dass der Richter nicht gehalten ist, sämtliche tatbeständlichen Feststellungen, auf die er seinen Entscheid stützen will, den Parteien vorneweg zur Kenntnis zu bringen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Ein Äusserungsrecht besteht insbesondere nur zu Feststellungen, die letztlich für den Entscheid ausschlaggebend sind. Ferner darf ohne weiteres auf allgemein bekannte Tatsachen oder auf die Angaben in öffentlich zugänglichen Dokumenten abgestellt werden, wenn den Parteien klar sein muss, dass diese im fraglichen Streitverfahren eine Rolle spielen. Und schliesslich darf in Fällen wie dem vorliegenden davon ausgegangen werden, dass den Eigentümern eines Streitobjekt bildenden Grundstücks die örtlichen Verhältnisse um dieses Grundstück bekannt sind und ihnen insofern nicht noch speziell Kenntnis gegeben und ein Äusserungsrecht gewährt werden muss. 
Im Lichte dieser Grundsätze erweisen sich die Vorwürfe der Beschwerdeführer als offensichtlich unbegründet: 
2.1 Die Beschwerdeführer rügen zunächst, im angefochtenen Entscheid werde festgehalten, dass die vom Quartier Kirchfeldstrasse zur Bernstrasse einerseits und zum Radweg andererseits führenden Wege, die nach Meinung der Beschwerdeführer von den Schulkindern benützt werden sollten, über Privatgrundstücke führten und mit Verbotstafeln bzw. mit abschliessbaren Toren versehen seien. Derartiges sei aber anlässlich des Augenscheins nicht bemerkt worden und sei auch nicht aktenkundig, sondern lediglich in der Vernehmlassung der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion behauptet worden. Zu dieser Behauptung hätten die Beschwerdeführer jedenfalls nicht ausführlich Stellung nehmen können. Selbst wenn aber die Verbotstafeln und die abschliessbaren Tore tatsächlich vorhanden wären, hätte - wie die Beschwerdeführer beantragt hätten - abgeklärt werden müssen, ob die Schulkinder des Quartiers nicht dennoch zur Benützung der Durchgänge berechtigt seien. Dass diese Abklärungen nicht getroffen worden seien, laufe ebenfalls auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs hinaus. 
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführer ist jedoch unerheblich, ob die über Privatgrundstücke führenden Durchgänge zurzeit mit Verbotstafeln oder Toren versehen sind und ob allenfalls die Schulkinder diese Wege heute trotzdem benützen könnten. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die fraglichen Durchgänge unbestrittenermassen rechtlich nicht gesichert sind und von den Grundeigentümern jederzeit aufgehoben werden können. Die zum Radweg und zur Bernstrasse führenden Durchgänge sind daher zu Recht nicht als dauerhafte, gesicherte Wegverbindungen betrachtet worden, die den geplanten, über das Grundstück Nr. 1841 führenden Schulweg zu ersetzen vermöchten. Das Verwaltungsgericht hatte daher keinen Anlass, weitere Beweiserhebungen über die derzeit mögliche Benützung der Privat-Durchgänge anzustellen und diese Frage zum Gegenstand eines weiteren Schriftenwechsels zu machen. 
2.2 Ebenfalls zu Unrecht beanstandet wird die Feststellung des Verwaltungsgerichts, gemäss Telefonbuch (Twixtel) seien entlang der Kirchenfeld- und der Turmstrasse rund 300 Teilnehmeranschlüsse zu verzeichnen, was mit einem entsprechend hohen Potential an Schulkindern verbunden sei, die den geplanten Schulweg benützen könnten. Abgesehen davon, dass es sich beim Telefonbuch um einen für jedermann zugänglichen Datenträger handelt, schildern die Beschwerdeführer sowohl in der kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch in der staatsrechtlichen Beschwerde selbst, dass infolge des Baus verschiedener Mehrfamilienhäuser im Quartier Kirchfeldstrasse der Verkehr auf der umstrittenen, schon früher benutzten und heute wieder herzustellenden Fusswegverbindung massiv zugenommen habe. Das Verwaltungsgericht hat diese Feststellung der Beschwerdeführer zu den heutigen Überbauungsverhältnissen und zum Weg-Benützerkreis mit einer auf die Telefonanschlüsse bezogenen Präzisierung lediglich bestätigt. Es ist daher nicht einzusehen, weshalb das Gericht die Beschwerdeführer zu diesen Fragen nochmals hätte anhören sollen. 
2.3 Auch der Einwand der Beschwerdeführer, sie hätten zu den von der Gemeinde stammenden und vom Verwaltungsgericht übernommenen Angaben über die hohe Verkehrsbelastung der Bernstrasse (durchschnittlicher Tagesverkehr: 24'000 Fahrzeuge) nie Stellung nehmen können, geht offensichtlich fehl. Einerseits darf als allgemein bekannt vorausgesetzt werden und lässt sich kaum bestreiten, dass die schweizerischen Hauptstrassen in der Nähe der Agglomerationen stark verkehrsbelastet sind. Andererseits ist die genaue Zahl des durchschnittlichen Tagesverkehrs unerheblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Hauptverkehrsachse als Schulweg geeignet sei oder nicht. 
3. 
In der Sache selbst bestreiten die Beschwerdeführer das öffentliche Interesse an der wieder herzustellenden Fussgängerverbindung und bezeichnen den Eingriff in ihr Grundeigentum als unverhältnismässig. Das Verwaltungsgericht hat jedoch im angefochtenen Entscheid überzeugend dargelegt, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an einem sicheren und möglichst kurzen Schulweg zwischen den Schulhäusern und Kindergärten und den nahegelegenen Quartieren besteht und dass die Existenz des sich ebenfalls als Schulweg eignenden Trottoirs entlang des Radweges an der Notwendigkeit und Zweckmässigkeit eines zusätzlichen Weges nichts ändert. Auf die zutreffenden und mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu vereinbarenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes kann verwiesen werden (vgl. Art. 36a Abs. 3 OG). Im Übrigen legen die Beschwerdeführer nicht dar, weshalb und inwiefern die Abtretung eines 2 m breiten Streifens längs der Grenze ihres bereits überbauten Grundstücks derart einschneidend sei, dass ihr privates Interesse an der Erhaltung der Eigentumsverhältnisse dem öffentlichen Interesse an einer zweckmässigen Erschliessung vorgehe. Mit dem blossen Hinweis auf die wünschbare "Erhaltung einer möglichst freiheitlichen Eigentumsordnung als Voraussetzung für die individuelle Lebensgestaltung" kann ein starkes Privatinteresse und die Unverhältnismässigkeit des Eingriffs im konkreten Fall nicht dargetan werden. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen. 
4. 
Die bundesgerichtlichen Kosten sind dem Ausgang des Verfahrens entsprechend den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Parteientschädigungen sind in Anwendung von Art. 159 Abs. 2 OG praxisgemäss auch im staatsrechtlichen Verfahren nicht zuzusprechen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Einwohnergemeinde Steffisburg, der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 26. Januar 2006 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: