Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_624/2023
Urteil vom 26. Januar 2024
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Hohl, Kiss,
Gerichtsschreiber Dürst.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Michael Vollenweider,
Bezirksgericht Zürich,
Beschwerdegegner,
Kanton Zürich,
vertreten durch das kantonale Steueramt Zürich, Dienstabteilung Inkasso.
Gegenstand
Ausstand (Rechtsöffnung),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 18. August 2023 (RT230107-O/U).
Sachverhalt:
A.
A.________ (Gesuchsgegnerin, Beschwerdeführerin) und der Kanton Zürich (Gesuchsteller), vertreten durch das kantonale Steueramt Zürich, stehen seit dem 16. August 2022 beim Bezirksgericht Zürich in einem Rechtsöffnungsverfahren betreffend Staats- und Gemeindesteuern. Dieses wurde seit Beginn ununterbrochen von Ersatzrichter Michael Vollenweider (Beschwerdegegner) geführt.
Mit Verfügung vom 22. Mai 2023 stellte das Bezirksgericht (hier der Beschwerdegegner) der Gesuchsgegnerin die Eingaben des Gesuchstellers vom 29. September 2022, 19. Oktober 2022 und 22. November 2022 zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zu, dies mit dem Hinweis, dass eine allfällige Stellungnahme innert zehn Tagen zu erfolgen habe, ansonsten diese unberücksichtigt bleibe. Am 9. Juni 2023 beantragte die Gesuchsgegnerin, es sei ihr die Frist von zehn Tagen bis zum 19. Juni 2023 zu erstrecken. Mit Verfügung vom 12. Juni 2023 (zugestellt per Gerichtsurkunde) wurde das Fristerstreckungsgesuch abgewiesen und eine nicht erstreckbare Notfrist bis 16. Juni 2023 gewährt.
B.
Mit Eingabe vom 20. Juni 2023 stellte die Gesuchsgegnerin folgende Anträge
(sic) :
1. "Die Verfügung vom 12. Juni 2023 sowie auch die Verfügungen vom 16. August 2022, vom 6. Oktober 2022, vom 23. Januar 2023, vom 16. Februar 2023 und 22. Mai 2022 im Bezug auf EB221055 sei für nichtig zu erklären und aufzuheben.
2. Ein unparteiischer und unvorgenommener Richter bzw. Richterin ist im Bezug auf EB221055 zuzuteilen und eine neue Beurteilung zu erfassen.
3. [...]"
In Anwendung von § 127 lit. c GOG/ZH und § 55 der Geschäftsordnung des Bezirksgerichts Zürich vom 3. Dezember 2010 entschied Bezirksrichterin Chantal Bas-Baumann über die Eingabe. Mit Entscheid vom 4. Juli 2023 wies sie das Ausstandsgesuch gegen Ersatzrichter Vollenweider ab, soweit darauf einzutreten war.
Dagegen erhob die Gesuchsgegnerin Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich mit den Anträgen, den angefochtenen Entscheid für "nichtig zu erklären" und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner hielt sie an ihren erstinstanzlichen Begehren fest. Mit Urteil vom 18. August 2023 wies das Obergericht die Beschwerde als offensichtlich unbegründet ab, soweit es darauf eintrat.
C.
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde Folgendes
(sic) :
"1. Der Urteil vom 18. August 2023 im Bezug auf RT230107 sei für nichtig zu erklären und aufzuheben und die Sache sei der Vorinstanz für neue Beurteilung zurückzuweisen.
2. Die Verfügung vom 12. Juni 2023 sowie auch die Verfügungen vom 16. August 2022, vom 6. Oktober 2022, vom 23. Januar 2023, vom 16. Februar 2023 und 22. Mai 2022 im Bezug auf EB221055 sei für nichtig zu erklären und aufzuheben.
3. Die Vorinstanz bzw. das Bezirksgericht Zürich sei gerichtlich anzuweisen MLaw Michel Vollenweider mit unparteiischen und unvorgenommer Richter bzw. Richterin ist im Bezug auf EB221055 zu ersetzen und eine neue Beurteilung zu erfassen.
4. [...]"
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1. Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren im Sinne von Art. 92 BGG. Als solcher ist er selbstständig beim Bundesgericht anfechtbar. In der Hauptsache handelt es sich um ein Rechtsöffnungsverfahren mit einem - gemäss Angabe der Vorinstanz - Streitwert von Fr. 45'120.55. Damit ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG).
Indessen verfehlt die Beschwerde sowohl in der Formulierung der Rechtsbegehren (Art. 42 Abs. 1 BGG) als auch in der Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG ) über weite Strecken die gesetzlichen Anforderungen. So wird in keiner Weise begründet, weshalb das angefochtene Urteil an derart krassen und offensichtlichen Mängeln leiden soll, dass es als nichtig zu erklären wäre, wie die Beschwerdeführerin beantragt. Darauf ist nicht einzutreten. Ebenso wenig wird begründet, weshalb die in Rechtsbegehren 2 genannten Verfügungen "nichtig" sein sollen. Schon die Vorinstanz konnte auf das entsprechende Begehren nicht eintreten. Gleiches gilt auch vor Bundesgericht. Somit bleibt das Ausstandsgesuch gegen Ersatzrichter Vollenweider gemäss Rechtsbegehren 3. Auch diesbezüglich kann auf die Beschwerde nur eingetreten werden, soweit wenigstens ansatzweise gehörig begründete Rügen erkennbar sind.
1.2. Beschwerden an das Bundesgericht sind hinreichend zu begründen, ansonsten darauf nicht eingetreten werden kann. Dazu muss in der Beschwerdeschrift unter Bezugnahme auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheids dargelegt werden, inwiefern dieser Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2). Eine allfällige Verletzung von Grundrechten wird vom Bundesgericht nicht von Amtes wegen geprüft, sondern nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG , dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im vorinstanzlichen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2).
2.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV. Sie zitiert direkt aus ihrer Beschwerde an die Vorinstanz (Rechtsbegehren 1 bis 4 sowie Begründung, Ziffern 1 bis 26) und macht geltend, die Vorinstanz habe ihre "begründete Rüge" im angefochtenen Urteil "nicht gehört, geprüft oder in der Entscheidfindung berücksichtigt".
Mit den wörtlichen Wiederholungen aus ihrer kantonalen Beschwerde wird sie den strengen Begründungsanforderungen an eine Verfassungsrüge (vgl. E. 1.2) nicht gerecht. Der Vorwurf, die Vorinstanz habe sich nicht mit ihren Vorbringen befasst, trifft angesichts der eingehenden Begründung des angefochtenen Entscheids offensichtlich nicht zu. Soweit die Vorinstanz nicht auf die Beschwerde eintreten konnte oder den Fall materiell abweichend von der Meinung der Beschwerdeführerin beurteilte, liegt von vornherein keine Verletzung des Gehörsanspruchs und der daraus fliessenden Begründungspflicht vor.
3.
Die Beschwerdeführerin sieht den Ausstand von Ersatzrichter Vollenweider in dessen Stellung als Leitender Gerichtsschreiber und gleichzeitig als Ersatzrichter begründet.
3.1. Die Vorinstanz erachtete das Ausstandsbegehren vom 20. Juni 2023 insoweit als verspätet und damit als verwirkt. Die Beschwerdeführerin habe seit der Entgegennahme der Verfügung vom 16. August 2022 gewusst, dass das Verfahren von Ersatzrichter Vollenweider geführt werde. Sie habe weder die genauen Umstände noch den exakten Zeitpunkt der Kenntnisnahme der von ihr vorgebrachten und im Zusammenhang mit der Funktion von Michael Vollenweider als Ersatzrichter und der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 149 I 14 E. 5) stehenden Ausstandsgründe substantiiert. Sie habe bloss vorgebracht, sie reiche das Ausstandsgesuch "fristgerecht" ein. Insofern könne nicht bejaht werden, dass die Beschwerdeführerin unverzüglich reagiert habe. Da sie den Ausstand von Ersatzrichter Vollenweider erst zehn Monate nach Kenntnisnahme der Verfügung vom 16. August 2022 gestellt habe, sei es als verspätet zu betrachten, zumal sie bis Ende Mai 2023 vier weitere Verfügungen von Ersatzrichter Vollenweider erhalten habe.
3.2. Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen. Sie wird verletzt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, die also geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Bei ihrer Beurteilung ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Entscheidendes Kriterium ist, ob bei objektiver Betrachtung der Ausgang des Verfahrens als noch offen erscheint (BGE 147 III 89 E. 4.1, 379 E. 2.3.1; 142 III 732 E. 4.2.2; 141 IV 178 E. 3.2.1; 140 III 221 E. 4.1; je mit weiteren Hinweisen). Dabei kann die Garantie des unabhängigen und unbefangenen Gerichts insbesondere durch organisatorische Gegebenheiten tangiert sein (BGE 149 I 14 E. 5.3.2; 147 III 577 E. 6, 89 E. 4.2.1; 147 I 173 E. 5.1).
Eine Partei, die eine Gerichtsperson ablehnen will, hat dem Gericht unverzüglich ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat. Die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 49 Abs. 1 ZPO). Der Ausstand wirkt grundsätzlich nur für die Zukunft. Will eine Partei eine zuvor erfolgte Amtshandlung aufheben lassen, hat sie dies innert 10 Tagen seit Entdeckung des Ausstandsgrunds zu verlangen (so Art. 51 Abs. 1 ZPO), ansonsten Genehmigung angenommen wird. Diese Regeln sind Ausdruck des Beschleunigungsgebots und des Prinzips von Treu und Glauben. Macht die Partei den Ausstandsgrund nicht unverzüglich geltend, verwirkt sie das Recht auf dessen spätere Anrufung (BGE 149 III 12 E. 3.2.1; 143 V 66 E. 4.3; 139 III 120 E. 3.2.1; 138 I 1 E. 2.2).
Sind allerdings die Umstände, die den Anschein der Befangenheit bewirken, derart offensichtlich, dass der Richter von sich aus hätte in den Ausstand treten müssen, ist dies stärker zu gewichten als eine verspätete Geltendmachung (BGE 139 III 120 E. 3.2.2; 134 I 20 E. 4.3.2).
3.3. Die Beschwerdeführerin vermag nicht zu widerlegen bzw. ficht nicht sachdienlich an, dass sie das Ausstandsbegehren mit Bezug auf den in der gerichtsorganisatorischen Stellung von Ersatzrichter Vollenweider liegenden Ausstandsgrund nicht unverzüglich gestellt hat. Den diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz und ihrem Schluss auf verspätete und damit verwirkte Geltendmachung dieses Ausstandsgrundes ist ohne weiteres beizupflichten.
Indessen scheint die Beschwerdeführerin, soweit ihre Darlegungen überhaupt verständlich sind, auf dem Standpunkt zu stehen, Ersatzrichter Vollenweider hätte von Amtes wegen in den Ausstand treten müssen. Dem steht das Urteil 4A_299/2023 vom 1. September 2023 entgegen, in dem das Bundesgericht in einer parallelen Situation eine Ausstandspflicht
ex officio verneint hat (E. 4, zur Publ. bestimmt). Darauf kann verwiesen werden. Hier ist nicht anders zu entscheiden. Damit erweist sich die Beschwerde in diesem Punkt ohne weiteres als unbegründet.
4.
In Bezug auf den geltend gemachten Ausstandsgrund der grundlosen Abweisung ihres Fristerstreckungsgesuchs durch Ersatzrichter Vollenweider in der Verfügung vom 12. Juni 2023 erachtete die Vorinstanz das Ausstandsgesuch als rechtzeitig gestellt. Es sei aber offensichtlich unbegründet. Richterliche Verfahrensfehler und Fehlentscheide seien mit den dafür vorgesehenen Rechtsmitteln zu rügen. Sie seien grundsätzlich nicht geeignet, zusätzlich den objektiven Anschein von Befangenheit zu erwecken.
Gegen diese zutreffende Begründung der Vorinstanz (so Urteil 4A_328/2021 vom 26. Juli 2021 E. 2.3) bringt die Beschwerdeführerin nichts vor. Es hat daher auch insofern sein Bewenden.
5.
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind mangels Einholung von Vernehmlassungen nicht zu sprechen ( Art. 68 Abs. 2 und 3 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kanton Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Januar 2024
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jametti
Der Gerichtsschreiber: Dürst