Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_271/2024  
 
 
Urteil vom 26. Februar 2025  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterinnen Hänni, Ryter, 
Bundesrichter Kradolfer, 
Gerichtsschreiber Plattner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Anwaltskammer des Kantons St. Gallen, 
Klosterhof 1, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Eintragung in die EU/EFTA-Anwaltsliste, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, Abteilung II, vom 19. April 2024 (B 2023/256). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der deutsche Staatsangehörige und österreichische Rechtsanwalt A.________ führt Kanzleien in Wien (Österreich) und Gamprin-Bendern (Fürstentum Liechtenstein). In Österreich wurde er am 4. Mai 2021 in die Liste der Rechtsanwälte der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer und am 1. Februar 2023 in jene der Rechtsanwaltskammer Wien eingetragen. Seit 7. Juni 2021 ist er zudem als niedergelassener europäischer Anwalt im Anwaltsverzeichnis der Liechtensteinischen Rechtsanwaltskammer verzeichnet. Im Fürstentum Liechtenstein erwirtschaftet er 90 Prozent seines Umsatzes.  
 
A.b. Am 9. Januar 2023 reiste A.________ in die Schweiz ein und erhielt eine für die Dauer von fünf Jahren gültige Aufenthaltsbewilligung ohne Erwerbstätigkeit. In der Folge eröffnete er eine Kanzlei im Kanton St. Gallen.  
 
B.  
Am 2. Juni 2023 ersuchte er die Anwaltskammer des Kantons St. Gallen um Eintragung in die öffentliche Liste der Angehörigen von Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA, die in der Schweiz unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung ständig Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten dürfen (nachfolgend: EU/EFTA-Anwaltsliste). Der Präsident der Anwaltskammer wies das Gesuch am 24. August 2023 ab. In der Folge verlangte A.________ einen Entscheid der Anwaltskammer. 
Die Anwaltskammer wies das Gesuch am 23. November 2023 ab. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen wies eine von A.________ dagegen geführte Beschwerde mit Urteil vom 19. April 2024 ab. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 22. Mai 2024 erhebt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt dem Bundesgericht, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. April 2024 sei aufzuheben und er sei in die EU/EFTA-Anwaltsliste des Kantons St. Gallen einzutragen. 
Mit Schreiben vom 30. Mai 2024 wurde A.________ aufgefordert, sich zur Rechtzeitigkeit seiner Beschwerde zu äussern. Mit Eingabe vom 4. Juni 2024 nahm er dazu Stellung. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen beantragt die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach dessen Eröffnung beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 Abs. 1 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Eingabe am letzten Tag beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben wird (Art. 48 Abs. 1 BGG).  
Das angefochtene Urteil vom 19. April 2024 wurde dem Beschwerdeführer am 23. April 2024 zugestellt, wie aus der Sendungsinformation der Schweizerischen Post hervorgeht. Damit begann die 30-tägige Frist am 24. April 2024 zu laufen (Art. 44 Abs. 1 BGG) und endete am 23. Mai 2024 (Art. 48 Abs. 1 BGG). Gemäss Beschwerdeschrift wurde die Beschwerde am 22. Mai 2024 der Schweizerischen Botschaft in Wien übergeben. Mit Postaufgabe vom 27. Mai 2024 wurde die Beschwerde dem Bundesgericht zudem per Post zugestellt. 
Auf Aufforderung des Bundesgerichts hin, die Aufgabe bei der schweizerischen Botschaft in Wien zu belegen, reichte der Beschwerdeführer eine Kopie der ersten Seite der Beschwerde ein, die den Stempel der schweizerischen Botschaft in Wien, das Datum "22. Mai 2024" sowie den handschriftlichen Namen und die Paraphe/Unterschrift einer Botschaftsmitarbeiterin trägt. 
Die fristgerechte Aufgabe der Beschwerde bei der schweizerischen Botschaft in Wien ist damit nachgewiesen. Die am 22. Mai 2024 der Botschaft übergebene Eingabe wahrt die Beschwerdefrist. 
 
1.2. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid eines oberen Gerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund fällt (Anwaltsrecht; Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit zulässig. Der Beschwerdeführer ist ausserdem zur Erhebung des vorliegenden Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).  
 
1.3. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist demnach einzutreten.  
 
2.  
Mit der Beschwerde kann unter anderem die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und lit. b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) - nur die geltend gemachten Vorbringen prüft, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 145 V 215 E. 1.1; 142 I 135 E. 1.5). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten und kantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 139 I 229 E. 2.2). Die beschwerdeführende Partei hat klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Urteils aufzuzeigen, inwiefern eine Rechtsnorm verletzt worden sein soll (BGE 148 I 104 E. 1.3; 143 I 1 E. 1.4; Urteil 2C_534/2022 vom 21. April 2023 E. 2.1). Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 I 104 E. 1.3; 145 I 26 E. 1.3; Urteil 2C_90/2022 vom 30. Januar 2023 E. 1). 
 
3.  
Letztinstanzlich ist umstritten, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Eintragung in die EU/EFTA-Anwaltsliste nach Art. 27 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 Abs. 2 BGFA erfüllt. 
 
3.1. Die Vorinstanz erwog zusammengefasst, eine Eintragung in die EU/EFTA-Liste erfordere, dass der Beschwerdeführer seinen Beruf im Kanton St. Gallen ständig ausübe. Dies setze eine stabile und kontinuierliche Berufsausübung in der Schweiz voraus. Davon könne nur die Rede sein, wenn die dort auf Dauer ausgerichtete Tätigkeit als Anwalt das Schwergewicht bzw. den Mittelpunkt der anwaltlichen Berufstätigkeit bilde, was über die blosse Einrichtung eines zweiten oder - wie im Fall des Beschwerdeführers - dritten Berufsdomizils hinausreiche (angefochtenes Urteil, E. 3.3). Der Beschwerdeführer habe vor der Eintragung 90 Prozent seines Umsatzes im Fürstentum Liechtenstein erwirtschaftet. Im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs könne er während 90 Tagen punktuell und vorübergehend unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung als österreichischer Rechtsanwalt in der Schweiz rechtsberatend und als Vertreter vor schweizerischen Gerichten tätig sein. Er mache nicht substanziiert geltend, dass seine bisherige berufliche Tätigkeit in der Schweiz einen Umfang erreiche, der über das im freien Dienstleistungsverkehr zulässige Mass hinausgehe, oder dass er künftig unter Einschränkung seiner Tätigkeiten an den Standorten in Österreich und im Fürstentum Liechtenstein ständig in der Schweiz tätig sein werde. Im Übrigen erlaube ihm seine Aufenthaltsbewilligung ohne Erwerbstätigkeit keine Erwerbstätigkeit, welche über die Berufsausübung im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs hinausgehe (angefochtenes Urteil, E. 4 f.).  
 
3.2. Der Beschwerdeführer rügt, die Verweigerung seiner Eintragung in die EU/EFTA-Anwaltsliste verletze Art. 27 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 Abs. 2 BGFA, das Freizügigkeitsabkommen (FZA) und die europäischen Richtlinien, welche die internationale Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte regeln. Zudem beruft er sich auf die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV). Er macht im Wesentlichen geltend, die Vorinstanz stelle an die Eintragung in die Liste überhöhte Anforderungen. Insbesondere sei es zweckfremd, von ihm zu verlangen, dass er bereits überwiegend in der Schweiz tätig sein müsse, wenn er sich in der Schweiz erst niederlassen möchte. Die Anforderungen seien nicht mit der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit der Anwältinnen und Anwälte vereinbar.  
 
4.  
Das Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) regelt gestützt auf das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681) die Tätigkeit der Anwältinnen und Anwälte, welche aus Mitgliedstaaten der EU und der EFTA stammen (nachfolgend EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälte). 
 
4.1. Das BGFA gewährleistet die Freizügigkeit der EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälte und legt die Grundsätze für die Ausübung des Anwaltsberufs in der Schweiz fest (Art. 1 BGFA). Es bestimmt die Modalitäten für die Vertretung von Parteien vor Gerichtsbehörden durch EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälte (Art. 2 Abs. 2 lit. a BGFA).  
 
4.2. Gemäss dem BGFA können EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälte auf drei verschiedene Arten ihre Tätigkeit in der Schweiz ausüben:  
 
4.2.1. Erstens können sie im freien Dienstleistungsverkehr während höchstens 90 Arbeitstagen pro Kalenderjahr in der Schweiz Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten (Art. 21 Abs. 1 BGFA; vgl. Art. 5 FZA; Urteil 6B_68/2018 vom 7. November 2018 E. 1; vgl. DOMINIQUE DREYER, Commentaire Romand, Loi sur les avocats, 2. Aufl. 2022, N. 6 und 11 zu Vorbemerkungen Art. 21 - Art. 26 BGFA; FLORENCE AUBRY GIRARDIN, in: Commentaire de la LTF, 3. Aufl. 2022, N. 13 zu Art. 40 BGG; WALTER FELLMANN, Anwaltsrecht, 2. Aufl. 2017, Rz. 176 und 179). Voraussetzung dafür ist, dass sie Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der EU oder EFTA sowie berechtigt sind, den Anwaltsberuf in ihrem Herkunftsstaat unter einer der im Anhang des BGFA aufgeführten Berufsbezeichnungen auszuüben (Art. 21 Abs. 1 BGFA; vgl. BGE 147 IV 385 E. 2.8.1). Diese sog. dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälte werden weder in die EU/EFTA-Anwaltsliste (vgl. Art. 28 BGFA) noch in das kantonale Anwaltsregister (vgl. Art. 30 BGFA) eingetragen (Art. 21 Abs. 2 BGFA). Auf Verlangen der Gerichtsbehörden oder der Aufsichtsbehörden über die Anwältinnen und Anwälte haben sie ihre Anwaltsqualifikation nachzuweisen (Art. 22 BGFA). In Verfahren mit Anwaltszwang sind sie verpflichtet, im Einvernehmen mit einer Anwältin oder einem Anwalt zu handeln, die oder der in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragen ist (Art. 23 BGFA). Sie verwenden in der Schweiz ihre ursprüngliche Berufsbezeichnung in der Amtssprache ihres Herkunftsstaats unter Angabe der Berufsorganisation, deren Zuständigkeit sie unterliegen, oder des Gerichts, bei dem sie nach den Vorschriften dieses Staats zugelassen sind (Art. 24 BGFA). Sie benötigen keine Aufenthaltserlaubnis (Art. 20 Anhang I FZA; Urteil 2A.536/2003 vom 9. August 2004 E. 3.2.1), müssen jedoch die ausländerrechtlichen Meldepflichten beachten (vgl. Art. 2 Abs. 4 Anhang I zum FZA; Art. 9 Abs. 1bis der Verordnung vom 22. Mai 2002 über den freien Personenverkehr [VFP; SR 142.203]).  
 
4.2.2. Zweitens können EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälte in der Schweiz ständig ("à titre permanent"; "permanentemente") unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten, wenn sie berechtigt sind, den Anwaltsberuf in ihrem Herkunftsstaat unter einer der im Anhang des BGFA aufgeführten Berufsbezeichnungen auszuüben und bei einer kantonalen Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte eingetragen sind (Art. 27 Abs. 1 BGFA; vgl. BGE 147 IV 385 E. 2.8.1). Die Aufsichtsbehörde führt zu diesem Zweck die EU/EFTA-Anwaltsliste (Art. 28 Abs. 1 BGFA). Die EU/EFTA-Anwaltsliste unterscheidet sich vom kantonalen Anwaltsregister im Sinne der Art. 5 ff. und 30 BGFA (vgl. AUBRY GIRARDIN, a.a.O., N. 13 zu Art. 40 BGG; Botschaft zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [Anwaltsgesetz, BGFA] vom 28. April 1999 [nachfolgend Botschaft BGFA], BBl 1999 S. 6066; Urteil 2A.536/2003 vom 9. August 2004 E. 3.2.2). Die Anwältinnen und Anwälte tragen sich bei der Aufsichtsbehörde des Kantons ein, in dem sie eine Geschäftsadresse haben. Sie weisen ihre Anwaltsqualifikation mit einer Bescheinigung über ihre Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats nach; diese Bescheinigung darf nicht älter als drei Monate sein (Art. 28 Abs. 2 BGFA). Wie die dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälte (vgl. E. 4.2.1 hiervor) verwenden die Anwältinnen und Anwälte auf der EU/EFTA-Anwaltsliste ihre ursprüngliche Berufsbezeichnung in der Amtssprache ihres Herkunftsstaats unter Angabe der Berufsorganisation, deren Zuständigkeit sie unterliegen, oder des Gerichts, bei dem sie nach den Vorschriften dieses Staats zugelassen sind (Art. 24 i.V.m. Art. 27 Abs. 2 BGFA).  
 
4.2.3. Drittens können sich EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälte in das kantonale Anwaltsregister eintragen lassen (Art. 30 Abs. 1 BGFA). Voraussetzung ist, dass sie entweder eine Eignungsprüfung bestanden haben (vgl. 30 Abs. 1 lit. a BGFA) oder während mindestens drei Jahren in der EU/EFTA-Anwaltsliste eingetragen waren und nachweisen, dass sie während dieser Zeit effektiv und regelmässig im schweizerischen Recht tätig waren oder sich bei kürzerer Tätigkeit im schweizerischen Recht in einem Gespräch über ihre beruflichen Fähigkeiten ausgewiesen haben (Art. 30 Abs. 1 lit. b BGFA). Die Absolvierung des Anwaltspraktikums und das erfolgreiche Bestehen eines Examens über die theoretischen und praktischen juristischen Kenntnisse nach Art. 7 Abs. 1 lit. b BGFA sind nicht erforderlich. Durch die Eintragung erhalten die Anwältinnen und Anwälte die gleichen Rechte und Pflichten wie die Anwältinnen und Anwälte, die über ein kantonales Anwaltspatent verfügen und in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragen sind (Art. 30 Abs. 2 BGFA).  
 
4.3. Der schweizerische Gesetzgeber hat mit der beschriebenen gesetzlichen Ausgestaltung die Vorgaben des europäischen Rechts umgesetzt. Das BGFA gründet auf drei europäischen Richtlinien: (1) Der Richtlinie 77/249/EWG vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (sog. Dienstleistungsrichtlinie; ABl. Nr. L 78 vom 26. März 1977, S. 17 f.), (2) der Richtlinie 89/48/EWG vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschliessen (sog. Hochschuldiplomanerkennungsrichtlinie; ABl. Nr. L 19 vom 24. Januar 1989, S. 16 ff.) und (3) der Richtlinie 98/5/EG vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (sog. Niederlassungsrichtlinie; ABl. Nr. L 77 vom 14. März 1998, S. 36 ff.; zum Ganzen vgl. Botschaft BGFA, BBl 1999 6013, 6022 ff.; JOACHIM HAGMANN, Mobilität von Rechtsanwälten, in: Marktzugang in der EU und in der Schweiz, Zur grenzüberschreitenden Mobilität von Personen und Unternehmen im EU-Recht und dem Personenfreizügigkeitsabkommen, 2008, S. 74).  
Anhang III des FZA nimmt ausdrücklich Bezug auf die Dienstleistungsrichtlinie und Niederlassungsrichtlinie (vgl. FELLMANN, Anwaltsrecht, a.a.O., Rz. 169). Gemäss dem Ingress des Anhangs III sind diese Rechtsakte im Bereich der gegenseitigen Anerkennung beruflicher Berufsqualifikationen entsprechend dem Geltungsbereich des Abkommens anzuwenden (vgl. zur Geltung BOHNET/OTHENIN-GIRARD, Commentaire Romand, Loi sur les avocats, 2. Aufl. 2022, N. 10 ff. zu Art. 1 BGFA; BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, Rz. 306; KELLERHALS/BAUMGARTNER, Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 1 zu Vorbemerkungen zu den Abschnitten 4, 5 und 6 BGFA; EHLE/SECKLER, Die Freizügigkeit europäischer Anwälte in der Schweiz, Anwaltsrevue 6-7/2005, S. 269). Durch die Regelung in Art. 21-34 BGFA gewährleistet das schweizerische Recht die internationale Freizügigkeit für Angehörige von Mitgliedstaaten der EU und der EFTA (vgl. auch Art. 2, Art. 5 Abs. 4 und Art. 9 FZA, Art. 19 Anhang I zum FZA; Botschaft BGFA, BBl 1999 6061; Urteil 2A.536/2003 vom 9. August 2004 E. 3.1; KELLERHALS/BAUMGARTNER, a.a.O., N. 5 zu Vorbemerkungen zu den Abschnitten 4, 5 und 6 BGFA). 
 
5.  
Vorliegend ist umstritten, welche Voraussetzungen für eine Eintragung in die EU/EFTA-Anwaltsliste bestehen. Dies ist durch Auslegung von Art. 27 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 Abs. 2 BGFA zu klären. Da die Abschnitte 4, 5 und 6 des BGFA den Anschluss an den Binnenmarkt der EU verfolgen (E. 4.3 hiervor), ist bei der Auslegung jener Bestimmungen die korrespondierende Entwicklung in der EU und die einschlägige Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen (vgl. KELLERHALS/BAUMGARTNER, a.a.O., N. 6 zu Vorbemerkungen zu den Abschnitten 4, 5 und 6 BGFA). 
 
5.1. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss das Gericht unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente nach der wahren Tragweite der Norm suchen. Dabei hat es insbesondere den Willen des Gesetzgebers zu berücksichtigen, wie er sich namentlich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (historische Auslegung). Weiter hat das Gericht nach dem Zweck, dem Sinn und den dem Text zugrunde liegenden Wertungen zu forschen, namentlich nach dem durch die Norm geschützten Interesse (teleologische Auslegung). Wichtig ist auch der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt, und das Verhältnis, in welchem sie zu anderen Gesetzesvorschriften steht (systematische Auslegung). Das Bundesgericht befolgt bei der Auslegung von Gesetzesnormen einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es ab, die einzelnen Auslegungselemente einer Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 149 II 43 E. 3.2, mit Hinweisen).  
 
5.2. Gemäss dem deutschen und dem italienischen Wortlaut von Art. 27 Abs. 1 BGFA können Angehörige von Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA, die berechtigt sind, den Anwaltsberuf in ihrem Herkunftsstaat unter einer der im Anhang des BGFA aufgeführten Berufsbezeichnungen auszuüben, in der Schweiz ständig Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten, wenn sie bei einer kantonalen Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte eingetragen sind. Nach der französischen Fassung kann der Anwalt in der Schweiz vor Gericht auftreten, "après s'être inscrit au tableau". Die Berechtigung zur ständigen Berufsausübung ist somit Folge der Eintragung.  
Art. 28 Abs. 2 BGFA nennt als Voraussetzung für die Eintragung lediglich den Nachweis der Anwaltsqualifikation mit einer Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle im Herkunftstaat. Weitere Voraussetzungen sind nicht ausdrücklich vorgesehen (CHAPPUIS/CHÂTELAIN, Commentaire Romand, Loi sur les avocats, 2. Aufl. 2022, N. 4 zu Art. 28 BGFA; KELLERHALS/BAUMGARTNER, a.a.O., N. 3 zu Art. 28 BGFA; BOHNET/MARTENET, a.a.O., Rz. 841). 
 
5.3. Gemäss der Botschaft des Bundesrates zu Art. 27 und Art. 28 BGFA "melden sich" EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälte, die unter ihrer usprünglichen Berufsbezeichnung tätig sein wollen, bei der Aufsichtsbehörde des Kantons, in dem sie eine Geschäftsadresse haben. Sie müssen "einzig" eine Bescheinigung über ihre Eintragung bei der zuständigen Behörde ihres Herkunftsstaats vorlegen (vgl. Botschaft BGFA, BBl 1999 6066). Der bundesrätliche Entwurf zu Art. 27 und 28 BGFA wurde in den Räten diskussionslos angenommen (vgl. AB 1999 IV 05 N 1551, 1569; AB 1999 S 1173).  
 
5.4.  
 
5.4.1. Die Eintragung der EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälte in der EU/EFTA-Anwaltsliste bezweckt, dass sich die zuständige Stelle vergewissern kann, ob die Anwältinnen und Anwälte die Berufs- und Standesregeln des Aufnahmestaates beachten. Zwar besteht auch bei denjenigen Anwältinnen und Anwälten, die im freien Dienstleistungsverkehr auftreten, ein Bedürfnis nach einer gewissen Kontrolle (vgl. auch Art. 25 f. BGFA sowie Art. 4 und 7 Abs. 2 Richtlinie 77/249/EWG). Dieses Bedürfnis ist aber weniger ausgeprägt, weswegen weder im BGFA noch in den genannten europäischen Richtlinien vorgesehen ist, dass sich die Dienstleistungserbringer in jedem Staat eintragen lassen, wo sie gelegentlich auftreten (vgl. Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 77/249/EWG). Es wäre mit einem erheblichen, von den gesetzgebenden Organen als unverhältnismässig erachteten Aufwand für die Aufsichtsbehörden und für die Dienstleistungserbringer verbunden, wenn diese sich selbst für eine bloss vorübergehende Tätigkeit eintragen lassen müssten. Der Werbeeffekt, der sich durch die Publizität der EU/EFTA-Anwaltsliste ergibt, ist eine Nebenfolge, aber nicht Sinn und Zweck der Liste (vgl. Urteil 2A.536/2003 vom 9. August 2004 E. 4.2).  
 
5.4.2. Die Eintragung in die EU/EFTA-Anwaltsliste entfaltet weitere (Vor-) Wirkungen und dient weiteren Zwecken: EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälte, die sich in ein kantonales Anwaltsregister eintragen möchten, profitieren von einem erleichterten Eintragungsverfahren, wenn sie zuvor bereits während mindestens drei Jahren in der EU/EFTA-Anwaltsliste eingetragen waren (vgl. Art. 30 Abs. 1 lit. b BGFA). Sodann geht die Eintragung in die EU/EFTA-Anwaltsliste einher mit der Zulassung als niedergelassene Anwältin oder Anwalt (KELLERHALS/BAUMGARTNER, a.a.O., N. 1 zu Art. 27 BGFA; JOEL GÜNTHARDT, Switzerland and the European Union: The implications of the institutional framework and the right of free movement for the mutual recognition of professional qualifications, 2021, S. 393). Fehlt eine Eintragung oder wird eine solche verweigert, können EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälte nur während 90 Arbeitstagen pro Kalenderjahr im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in der Schweiz tätig werden (Art. 5 FZA; URS WEBER-STECHER, Internationale Freizügigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten im Verhältnis Schweiz - EU, in: Professional Legal Services: Vom Monopol zum Wettbewerb, 2000, S. 59). Die Zulassung im Rahmen der Niederlassungsfreiheit kann sodann Einfluss haben auf den ausländerrechtlichen Status der betroffenen selbständigen Anwältinnen und Anwälte (vgl. Art. 12 ff. Anhang I FZA).  
 
5.5. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass nach dem Wortlaut von Art. 27 Abs. 1 BGFA i.V.m. Art. 28 Abs. 2 BGFA die Eintragung in die öffentliche Liste einzig an den Nachweis einer Anwaltsqualifikation geknüpft ist. Eine möglichst niederschwellige Eintragungsmöglichkeit entspricht auch dem Zweck der gesetzlichen Regelung. In seiner bisherigen Rechtsprechung leitete das Bundesgericht indessen aus dem europarechtlichen Kontext ab, die Eintragung unterliege weiteren Voraussetzungen.  
 
5.5.1. Im Urteil 2A.536/2003 erwog das Bundesgericht, aus dem Regelungszusammenhang von Art. 28 BGFA sei zu folgern, dass zusätzlich eine "ständige" Tätigkeit in der Schweiz im Sinne des Art. 27 Abs. 1 BGFA vorausgesetzt werde. Der dortige Beschwerdeführer habe indes nicht behauptet, eine ständige Anwaltstätigkeit in der Schweiz ausüben zu wollen und die dazu erforderliche Aufnahmeerlaubnis zu besitzen (Urteil 2A.536/2003 vom 9. August 2004 E. 4.1).  
 
5.5.2. Im Urteil 2C_694/2011, das auf das Urteil 2A.536/2003 Bezug nimmt, erwog das Bundesgericht, die Eintragung gemäss Art. 27 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 2 BGFA erfasse nur die "zuwandernden" ausländischen Anwälte, die in stabiler und kontinuierlicher Weise ihre Berufstätigkeit in der Schweiz ausübten, indem sie sich von einem Berufsdomizil aus unter anderem an die einheimische Bevölkerung wendeten. Eine ständige Berufsausübung liege nur vor, wenn sich der betroffene Anwalt in die Wirtschaft des Aufnahmestaates integriert habe. Davon könne nur die Rede sein, wenn die dort auf Dauer ausgerichtete Tätigkeit als Anwalt das Schwergewicht bzw. den Mittelpunkt der anwaltlichen Berufstätigkeit bilde, was über die blosse Einrichtung eines zweiten Berufsdomizils hinausreiche. Lasse sich das Schwergewicht nicht ohne weiteres feststellen, sei eine dauernde Berufsausübung jedenfalls dann anzunehmen, wenn die anwaltliche Tätigkeit im Aufnahmestaat während mehr als 90 Arbeitstagen ausgeübt werde. Die Eintragung in die EU/EFTA-Anwaltsliste setze eine überwiegende anwaltliche Tätigkeit in der Schweiz voraus (Urteil 2C_694/2011 vom 19. Dezember 2011 E. 4.4).  
 
5.5.3. Das Urteil 2A.536/2003 beruht auf der Rechtslage, wie sie sich nach dem Urteil des EuGH in Sachen Gebhard (C-55/94) vom 30. November 1995 präsentierte. Das Nachfolgeurteil (2C_694/2011) knüpft daran an und greift in der Sache ebenfalls die Rechtsprechung gemäss dem Urteil Gebhard auf. Dieses betrifft die Abgrenzung von Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit von Anwältinnen und Anwälten. Der EuGH entschied, dass eine "in stabiler und kontinuierlicher Weise" ausgeübte Anwaltstätigkeit von der Niederlassungs- und nicht (mehr) der Dienstleistungsfreiheit erfasst werde (Urteil des EuGH  
C-55/94 [Gebhard], Rz. 28; vgl. ROLF H. WEBER, Niederlassung oder Dienstleistung - europarechtliche Beurteilung grenzüberschreitender anwaltlicher Tätigkeiten, in: Schweizerisches Anwaltsrecht, Festschrift SAV, 1998, S. 577 f.). Das Urteil Gebhard erging jedoch vor Erlass der Richtlinie 98/5/EG, welche die Niederlassungsfreiheit der Anwälte in der EU regelt. Mit dieser Richtlinie wollte der Unionsgesetzgeber insbesondere der Unterschiedlichkeit der nationalen Vorschriften über die Voraussetzungen der Eintragung bei den zuständigen Stellen ein Ende setzen, die den Ungleichheiten und Hindernissen für die Freizügigkeit zugrunde lagen (Urteil des EuGH C-58/13 [Torresi] vom 17. Juli 2014 Rn. 37 mit Verweis auf den sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/5/EG). Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH bewirkt die Richtlinie eine "Vollharmonisierung" der Eintragungsvoraussetzungen (dazu E. 5.6.3 hiernach). Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts zu diesem Problemkreis erging demnach mit Blick auf einen inzwischen stark veränderten europarechtlichen Kontext. Hinzu kommt, dass das Urteil 2C_694/2011 in der Sache keinen grenzüberschreitenden Sachverhalt zum Gegenstand hatte, sondern die Frage nach einer Inländerdiskriminierung im interkantonalen Verhältnis thematisierte. 
 
5.5.4. Vor diesem Hintergrund ist im Folgenden näher auf die Entwicklung des europäischen Rechts und dessen Bedeutung für die Auslegung von Art. 27 Abs. 1 BGFA i.V.m. Art. 28 Abs. 2 BGFA einzugehen.  
 
5.6. Die Regelung der internationalen Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte im BGFA gründet - wie beschrieben (vgl. E. 4.3 hiervor) - auf der Dienstleistungsrichtlinie (77/249/EWG), der Hochschuldiplomanerkennungsrichtlinie (89/48/EWG) und - hier im Vordergrund - der Niederlassungsrichtlinie (98/5/EG). In Anhang III des FZA wird auf die Dienstleistungsrichtlinie und die Niederlassungsrichtlinie Bezug genommen.  
 
5.6.1. Gemäss Art. 16 Abs. 2 FZA ist für die Anwendung des Freizügigkeitsabkommens - soweit für die Anwendung des Abkommens Begriffe des Unionsrechts herangezogen werden - die einschlägige Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung (21. Juni 1999) massgebend. Da es Ziel des Abkommens ist, die Freizügigkeit auf der Grundlage der in der Europäischen Union geltenden Bestimmungen zu verwirklichen (Präambel), und die Vertragsstaaten übereingekommen sind, in den vom Abkommen erfassten Bereichen alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, damit in ihren Beziehungen eine möglichst parallele Rechtslage besteht (Art. 16 Abs. 1 FZA), hat das Bundesgericht in inzwischen ständiger Rechtsprechung entschieden, von der Auslegung abkommensrelevanter unionsrechtlicher Bestimmungen durch den EuGH nach dem Unterzeichnungsdatum nur bei Vorliegen "triftiger" Gründe abzuweichen (BGE 147 II 1 E. 2.3; 144 II 113 E. 4.1; 143 II 47 E. 3.6; 142 II 35 E. 3.1; jeweils mit Hinweisen; vgl. auch BOHNET/MARTENET, a.a.O., Rz. 306).  
 
5.6.2. Gemäss Art. 2 der Richtlinie 98/5/EG hat jeder Rechtsanwalt das Recht, die in Art. 5 der Richtlinie genannten Anwaltstätigkeiten auf Dauer in jedem anderen Mitgliedstaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben. Jeder Rechtsanwalt, der seinen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte als dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, hat sich bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats eintragen zu lassen (Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 98/5/EG). Die zuständige Stelle des Aufnahmestaats nimmt die Eintragung des Rechtsanwalts anhand einer Bescheinigung über dessen Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats vor (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Richtlinie 98/5/EG).  
 
5.6.3. Der EuGH hat sich in mehreren Urteilen mit den Voraussetzungen der Eintragung nach Art. 3 Richtlinie 98/5/EG befasst. Nach dieser Rechtsprechung nimmt Art. 3 der Richtlinie 98/5/EG eine vollständige Harmonisierung der Voraussetzungen für die Ausübung des Niederlassungsrechts vor (Urteile des EuGH C-431/17 [Monachos Eirinaios] vom 7. Mai 2019 Rn. 26; C-58/13 [Torresi] vom 17. Juli 2014 Rn. 38). Die Staaten dürfen dieses Niederlassungsrecht nicht übermässig einschränken. Die Vorlage der Bescheinigung nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/5/EG ist im Prinzip die einzige Voraussetzung für die Eintragung des Rechtsanwalts im Aufnahmestaat (Urteile des EuGH  
C-431/17 [Monachos Eirinaios] vom 7. Mai 2019 Rn. 27; C-58/13 [Torresi] vom 17. Juli 2014 Rn. 39). Legt eine Anwältin oder ein Anwalt die Bescheinigung vor, sind alle notwendigen Voraussetzungen für die Eintragung im Aufnahmestaat erfüllt (Urteil des EuGH C-431/17 [Monachos Eirinaios] vom 7. Mai 2019 Rn. 28). Der EuGH erklärte dementsprechend verschiedene nationale Regelungen, welche die Eintragung an zusätzliche Voraussetzungen knüpften, für rechtswidrig (Urteile des EuGH C-193/05 [Kommission gegen Luxemburg] vom 19. September 2006 Rn. 71; C-431/17 [Monachos Eirinaios] vom 7. Mai 2019 Rn. 27; C-58/13 [Torresi] vom 17. Juli 2014 Rn. 39). Insbesondere hielt der Gerichtshof fest, dass im Falle einer Niederlassung im Rahmen einer Zweitkanzlei die sonst übliche Integration in die Wirtschaft des Aufnahmestaates durch eine ständige Präsenz des betreffenden Anwalts nicht verlangt werden darf (Urteil des EuGH 107/83 [Klopp] vom 12. Juli 1984, Rn. 22; WEBER, a.a.O., S. 582). Die Mitgliedstaaten dürfen demnach das Recht auf Niederlassung von Anwältinnen und Anwälten in mehreren Staaten nicht einschränken (vgl. GÜNTHARDT, a.a.O., S. 393 mit Hinweisen). 
Ergänzend ist auf die Rechtsprechung des EFTA-Gerichtshofs hinzuweisen. Demgemäss ist eine nationale Regelung nicht mit Art. 3 Richtlinie 98/5/EG vereinbar, die einen niedergelassenen Rechtsanwalt verpflichtet, der zuständigen Stelle im Aufnahmestaat vor der Erbringung von Dienstleistungen Meldung zu erstatten und diese Meldung jährlich zu erneuern (Urteil des EFTA-Gerichtshof E-6/13 vom 27. November 2013 Rn. 60; vgl. dazu GÜNTHARDT, a.a.O., S. 407). 
 
5.7. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Voraussetzungen der Eintragung in die EU/EFTA-Anwaltsliste nach Art. 28 Abs. 2 BGFA ist mit Blick auf die Entwicklung des europäischen Rechts zu präzisieren:  
 
5.7.1. Voraussetzung für die Eintragung bildet zum einen der Nachweis der Anwaltsqualifikation nach Art. 28 Abs. 2 BGFA. Zum anderen ist erforderlich, dass die EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälte nicht lediglich im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in der Schweiz tätig sind, sondern sich in der Schweiz niederlassen wollen (vgl. Art. 12 Abs. 1 Anhang I FZA) bzw. ständig in der Schweiz tätig sein möchten (Art. 3 Richtlinie 98/5/EG). An den Nachweis dieser Absicht sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Nicht zulässig ist es mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH, die Eintragung in die EU/EFTA-Anwaltsliste davon abhängig zu machen, dass der betroffene Anwalt keine Zweit- oder Drittkanzlei in anderen FZA-Mitgliedstaaten unterhält (vgl. BGE 140 II 112 E. 3.6.1; BOHNET/MARTENET, a.a.O., Rz. 897; DAVID EINHAUS, Die Richtlinie 98/5/EG zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs im Ausland - Auswirkungen und Prognose, in: Das künftige Berufsbild des Anwalts in Europa, 2000, S. 43 f.).  
 
5.7.2. Die Absicht, in der Schweiz ständig tätig sein zu wollen, ist grundsätzlich bereits gegeben, wenn eine Anwältin oder ein Anwalt ständig eine Kanzlei in der Schweiz betreiben will und entsprechende Dispositionen trifft (vgl. WEBER, a.a.O., S. 581; HAGMANN, a.a.O., S. 81). Der Zeitaspekt ist insofern von Bedeutung, als eine angestrebte Tätigkeit von über 90 Tagen pro Kalenderjahr bzw. eine Tätigkeit auf unbestimmte Zeit auf eine ständige Tätigkeit hinweist, zumal darüber hinaus keine Berufsausübung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit mehr möglich ist (Art. 5 FZA; CHAPPUIS/CHÂTELAIN, a.a.O., N. 7 zu Art. 27 BGFA; NATER/WIPF, Internationale Freizügigkeit nach dem Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte, in: Bilaterale Verträge Schweiz - EG, 2002, S. 256 f.). Nicht erforderlich ist, dass die Anwältinnen und Anwälte vor der Eintragung bereits 90 Tage im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in der Schweiz tätig waren. Fraglich bleibt in diesem Zusammenhang, welche Formen der grenzüberschreitenden Tätigkeit bei der Berechnung der 90 Tage zu berücksichtigen sind, namentlich ob auch die Mandatsbetreuung für Schweizer Klienten aus dem Ausland erfasst bzw. ob die Anwesenheit in der Schweiz vorausgesetzt wird (vgl. EINHAUS, a.a.O., S. 54; für die verschiedenen Arten der Dienstleistungsfreiheit WEBER, a.a.O., S. 573; HAGMANN, a.a.O., S. 76 f.). Insbesondere darf keine vorgängige wirtschaftliche Schwerpunktbildung in der Schweiz verlangt werden.  
 
5.7.3. Was das Missbrauchspotenzial dieser Auslegung betrifft, erscheint es zwar denkbar, dass sich Anwältinnen und Anwälte vorwiegend deshalb in die EU/EFTA-Anwaltsliste eintragen lassen, um die dreijährige Frist zur Eintragung in das kantonale Anwaltsregister in Gang zu setzen (Art. 30 Abs. 1 lit. b BGFA). Die Behörde hat für eine Eintragung im kantonalen Anwaltsregister jedoch zu prüfen, ob die betroffene Person während dieser Zeit effektiv und regelmässig im schweizerischen Recht tätig war, was das Missbrauchsrisiko praktisch ausschliesst (vgl. zum Nachweis FRANÇOIS BOHNET, Droit des professions judiciaires, 3. Aufl. 2014, S. 24; EINHAUS, a.a.O., S. 53). Eine missbräuchliche Berufung auf die EU-Richtlinie 98/5/EG ist im Übrigen nicht erlaubt (vgl. Urteil des EuGH C-58/13 [Torresi] vom 17. Juli 2014 Rn. 42).  
 
5.8. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Eintragungsvoraussetzungen nach Art. 27 Abs. 1 BGFA i.V.m. Art. 28 Abs. 2 BGFA nicht die Freizügigkeit der betroffenen Anwältinnen und Anwälte beeinträchtigen dürfen. Sie sind mit Blick auf den europarechtlichen Kontext niederschwellig zu verstehen (E. 5.7 hiervor).  
 
6.  
Zu prüfen bleibt, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen der Eintragung in die EU/EFTA-Anwaltsliste erfüllt sind. 
 
6.1. Die Vorinstanz verweigerte die Eintragung des Beschwerdeführers mit Verweis auf seinen Umsatz in Liechtenstein, seine fehlende Aufenthaltsbewilligung und seinen Möglichkeiten zur Berufsausübung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit (vgl. zu den vorinstanzlichen Erwägungen E. 3.1 hiervor).  
 
6.2. Die Auffassung der Vorinstanz vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen. Gemäss den dargestellten Grundsätzen (vgl. E. 5 hiervor) spielt der Umstand, dass der Beschwerdeführer zur Zeit des vorinstanzlichen Urteils 90 Prozent seines Umsatzes in Liechtenstein erzielte, keine Rolle, zumal der Umsatz je nach Mandatsstruktur keine Aussage über die Dauer und Kontinuität der Leistungserbringung zulässt. Gleich verhält es sich mit dem Argument, die Dauer der bisherigen Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Schweiz sei nicht ausreichend für eine Eintragung in die Liste. Massgebend ist vorliegend vielmehr, dass der Beschwerdeführer nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) in St. Gallen eine Kanzlei eröffnet hat und dort über eine Postadresse verfügt. Umgekehrt bestehen keine Hinweise, dass der Beschwerdeführer nur punktuell in der Schweiz tätig sein möchte. Er machte bereits vor der Vorinstanz geltend, er wolle künftig das Schwergewicht seiner Tätigkeit in die Schweiz verlegen (vgl. angefochtenes Urteil, E. 3). Eine missbräuchliche Berufung auf die Freizügigkeitsrechte steht sodann nicht zur Diskussion. Indem die Vorinstanz hauptsächlich darauf abstellte, ob der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit ständig in der Schweiz tätig war bzw. seinen Tätigkeitsschwerpunkt "unter Einschränkung seiner Tätigkeiten an den Standorten in Österreich und im Fürstentum Liechtenstein" in die Schweiz verschoben hat, überspannte sie die Anforderungen für eine Eintragung in die EU/EFTA-Anwaltsliste. Es ist zulässig, dass der Beschwerdeführer in mehreren Mitgliedstaaten niedergelassen ist. Es kann von ihm insbesondere nicht verlangt werden, seinen Tätigkeitsschwerpunkt bereits vor der Zulassung zur Niederlassung bzw. vor der Eintragung in die EU/EFTA-Liste in die Schweiz zu verschieben oder die Umsatzziele auf die Schweiz auszurichten, zumal den EU/EFTA-Anwältinnen und Anwälten dazu im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit nur 90 Tage zur Verfügung stehen. Die Berechtigung zur ständigen Berufsausübung bildet Folge der Eintragung in die EU/EFTA-Liste, und nicht umgekehrt.  
 
6.3. Der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers führt entgegen der Vorinstanz zu keinem anderen Ergebnis. Anwalts- und Ausländerrecht sind unabhängig voneinander zu beurteilen.  
 
6.4. Im Ergebnis verletzt die Vorinstanz Art. 27 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 Abs. 2 BGFA, indem sie den Beschwerdeführer nicht in die EU/EFTA-Anwaltsliste eingetragen hat.  
Bei diesem Verfahrensausgang kann offenbleiben, ob und inwiefern sich der Beschwerdeführer auf die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) berufen könnte. 
 
7.  
Die Beschwerde ist begründet; sie ist gutzuheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. April 2024 ist aufzuheben. Die Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons St. Gallen ist anzuweisen, den Beschwerdeführer in die EU/EFTA-Anwaltsliste des Kantons St. Gallen einzutragen. Die Sache ist zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen zurückzuweisen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG). 
Nach bundesgerichtlicher Praxis haben obsiegende Parteien grundsätzlich nur dann Anspruch auf eine Parteientschädigung, wenn sie durch einen externen Anwalt vertreten sind und deshalb tatsächlich Anwaltskosten anfallen (Urteil 4A_10/2020 vom 12. Mai 2020 E. 9). Dem im bundesgerichtlichen Verfahren als Anwalt in eigener Sache handelnden Rechtsanwalt ist kein besonderer Aufwand entstanden; es ist daher keine Parteientschädigung zuzusprechen (vgl. BGE 129 II 297 E. 5; Urteil 2C_865/2022 vom 12. Dezember 2023 E. 5). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. April 2024 wird aufgehoben. 
 
2.  
Die Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons St. Gallen wird angewiesen, den Beschwerdeführer in die EU/EFTA-Anwaltsliste des Kantons St. Gallen einzutragen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Die Sache ist zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen zurückzuweisen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung II, und dem Bundesamt für Justiz BJ mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. Februar 2025 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: P. Plattner