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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_648/2009 
 
Urteil vom 26. März 2010 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
S.________, 
vertreten durch Fürsprecher Josef Mock Bosshard, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Leistungen, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 3. Juni 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
S.________ (geboren 1979) leidet seit Geburt an verschiedenen Augenkrankheiten. Sie bezieht bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Invalidenrente. Die Helsana Versicherungen AG, bei welcher S.________ obligatorisch für Krankenpflege versichert ist, gewährte ihr gemäss Schreiben vom 12. Oktober 2007 für die Monate Juli bis Oktober 2007 Kostengutsprache für eine Stunde Abklärung/Beratung sowie 30 Stunden Behandlungspflege pro Monat. Darüber hinausgehende Spitex-Leistungen, wie sie vom behandelnden Arzt der Versicherten, Dr. med. N.________, am 29. August 2007 im "Bedarfsmeldeformular für Spitex Leistungen und ärztliche Spitex Anordnung" geltend gemacht worden waren (Pflegeleistungen von 177 Stunden im Quartal, worunter ein Besuch pro Nacht), könne sie nicht übernehmen; diese seien weder wirtschaftlich noch zweckmässig. Mit Schreiben vom 18. Januar 2008 reichte der Vertreter der Versicherten der AHV-Zweigstelle die Rechnungen der Spitex für den Zeitraum von Juli bis Oktober 2007 ein. Mit Verfügung vom 14. Mai 2008 lehnte es die Ausgleichskasse des Kantons Bern ab, die ungedeckten Spitex-Kosten für die Monate Juli bis September 2007 in der Höhe von Fr. 25'556.70 zu vergüten. Zur Begründung hielt sie fest, die nächtlichen Spitex-Verrichtungen zur Behebung und Therapierung der Schmerz- und Oberflächenproblematik seien nicht notwendig und daher von den Ergänzungsleistungen nicht zu übernehmen. Mit Einspracheentscheid vom 30. Juni 2008 hielt die Ausgleichskasse an ihrem Standpunkt fest. 
 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher S.________ beantragt hatte, unter Aufhebung des Einspracheentscheides seien ihr für das Jahr 2007 Spitex-Leistungen in der Höhe von Fr. 24'907.70 zu vergüten, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 3. Juni 2009). 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt S.________ das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern; ferner sei ein interdisziplinäres medizinisches Gutachten zu veranlassen. Nachträglich ersucht die Versicherte um die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhaltes kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass im vorliegenden Fall, in welchem Ergänzungsleistungen für Juli bis September 2007 in Frage stehen, in intertemporalrechtlicher Hinsicht die bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Bestimmungen des ELG sowie die vom Eidgenössischen Departement des Innern gestützt auf Art. 19 Abs. 1 ELV erlassene Verordnung über die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten bei den Ergänzungsleistungen (ELKV) vom 2. Dezember 1997 anwendbar sind. Es ging sodann davon aus, dass Art. 13 Abs. 1 ELKV, wonach Kosten für Hilfe, Pflege und Betreuung zu Hause, die infolge Alters, Invalidität, Unfalls oder Krankheit notwendig ist, vergütet werden, in Anlehnung an die Bestimmungen des KVG auszulegen ist; heranzuziehen seien insbesondere die in Art. 32 KVG für sämtliche Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung umschriebenen Voraussetzungen der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit. 
In Würdigung der Arztberichte, die zur Beurteilung der medizinischen Indikation der beantragten pflegerischen Massnahmen erforderlich sind, gelangte das Verwaltungsgericht zum Schluss, die hier streitige nächtliche Salbenapplikation, für welche die Beschwerdeführerin ihren Angaben zufolge etwa alle zwei Stunden auf die Hilfe der Spitex angewiesen ist, sei keine zweckmässige und wirtschaftliche Behandlungsmethode. Eine Vergütung gestützt auf die ELKV falle daher ausser Betracht. 
 
3. 
3.1 Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, das Verwaltungsgericht habe den rechtserheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig oder in Verletzung von Bundesrecht festgestellt. Vielmehr beschränkt sie sich insoweit im Wesentlichen auf eine im Rahmen der geltenden Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 1 hievor) unzulässige, appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung. In rechtlicher Hinsicht wendet die Versicherte ein, die Vergütung der Kosten nach Art. 13 Abs. 1 ELKV dürfe nicht an die Voraussetzungen des Art. 32 KVG geknüpft werden, andernfalls hätte der Verordnungsgeber auf das KVG verwiesen. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Dass eine Departementsverordnung die von ihr verwendeten Begriffe lückenlos umschreibt, kann sowenig erwartet werden wie bei einem Erlass auf Gesetzesstufe, sodass das Fehlen eines Hinweises in Art. 13 Abs. 1 ELKV auf Art. 32 KVG nicht aussagekräftig ist. Wie noch das Eidgenössische Versicherungsgericht im Rahmen von Art. 8 ELKV entschied, ist die Vergütung notwendiger Zahnbehandlungskosten durch die Ergänzungsleistungen an die Gebote der Einfachheit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit gebunden (BGE 131 V 263). Diese an den entsprechen KV-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen orientierte Betrachtungsweise gilt auch im Rahmen von Art. 13 Abs. 1 ELKV. Weitere Argumente dafür, dass das kantonale Gericht mit seiner Auslegung von Art. 13 Abs. 1 ELKV Bundesrecht verletzt habe, bringt die Versicherte nicht vor und sind auch nicht erkennbar. 
 
3.2 Gestützt auf Art. 13 Abs. 1 ELKV und die massgeblichen medizinischen Unterlagen hat die Vorinstanz den beschwerdeweise geltend gemachten Anspruch auf Vergütung von Spitex-Leistungen in der Höhe von Fr. 24'907.70 für das Jahr 2007 mangels Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der erbrachten Leistungen zu Recht verneint, woran die weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin nichts ändern. Auf die Anordnung eines interdisziplinären medizinischen Gutachtens ist angesichts der umfassenden Sachverhaltsabklärung der Vorinstanz zu verzichten. Dies gilt umso mehr, als die meisten Fragen, welche die Versicherte ihren Ausführungen in der Beschwerde zufolge dem Gutachter unterbreiten lassen möchte (Diagnose, Dosierung der Medikamente, Notwendigkeit von Fermavisc, Verträglichkeit von Lacrycon, Notwendigkeit von Hyaluronsäure, Konzentration) keinen Bezug zum vorliegenden Rechtsstreit aufweisen. 
 
4. 
Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Versicherte wird indessen darauf aufmerksam gemacht, dass sie der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen. 
 
4. 
Fürsprecher Josef Mock Bosshard, Bern, wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'400.- ausgerichtet. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 26. März 2010 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Widmer