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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_82/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 26. März 2015  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Schär. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Advokat Marco Albrecht, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln; Willkür; rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 11. November 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Am 29. November 2011 fuhr X.________ mit seinem Personenwagen auf dem Normalstreifen der Autobahn A2 von Basel in Fahrtrichtung Luzern. Er überholte ein auf dem Überholstreifen fahrendes Fahrzeug rechts und schwenkte anschliessend vor diesem auf die Überholspur ein. 
 
B.  
 
 Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt sprach X.________ zweitinstanzlich der groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Rechtsüberholen auf der Autobahn schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 120.-- und einer Busse von Fr. 300.--. 
 
C.  
 
 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen zu berichtigen und zu ergänzen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 Der Beschwerdeführer stellte im kantonalen Verfahren den Antrag, die Videoaufzeichnung des Überholmanövers sei professionell auswerten zu lassen. Er beanstandet die Abweisung seines Beweisantrags. Die antizipierte Beweiswürdigung der Vorinstanz sei willkürlich und verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. 
 
1.1. Der in Art. 29 Abs. 2 BV garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör räumt dem Betroffenen das persönlichkeitsbezogene Mitwirkungsrecht ein, erhebliche Beweise beizubringen, mit solchen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 138 V 125 E. 2.1 S. 127; 135 I 187 E. 2.2 S. 190; je mit Hinweisen). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die Behörde die Argumente und Verfahrensanträge des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen (BGE 140 I 99 E. 3.4 S. 102 f.; 139 V 496 E. 5.1 S. 503; 126 I 97 E. 2b S. 102; 124 I 49 E. 3a S. 51, 241 E. 2 S. 242; je mit Hinweisen).  
 
 Die grundsätzliche Pflicht, die ihr angebotenen Beweise abzunehmen, die sich auf entscheidwesentliche Tatsachen beziehen, hindert die Behörde indes nicht daran, auf weitere Beweiserhebungen zu verzichten und einen Beweisantrag abzulehnen, wenn sie in willkürfreier Würdigung der bereits abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und sie überdies in willkürfreier antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten Beweise annehmen kann, ihre Überzeugung werde auch durch diese nicht geändert (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f.; 124 I 208 E. 4a S. 211; je mit Hinweisen). Dabei muss die Strafbehörde das vorläufige Beweisergebnis hypothetisch um die Fakten des Beweisantrages ergänzen und würdigen. Die Ablehnung des Beweisantrags ist nur zulässig, wenn die zu beweisende Tatsache nach dieser Würdigung als unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen anzusehen ist (Urteil 6B_764/2013 vom 26. Mai 2014 E. 4.3 mit Hinweis). 
 
1.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die bei den Akten befindliche Videoaufzeichnung zeige nicht seine Fahrt. Die Kontrollschilder seien nicht erkennbar. Zudem sei zweifelhaft, ob auf den Aufnahmen tatsächlich sein Fiat Punto zu sehen sei. Aufgrund dessen sei die Auswertung des Videos unabdingbar. Die Begründung, mit welcher der Beweisantrag abgelehnt worden sei, sei unhaltbar. Die Vorinstanz führe aus, es sei "höchst unwahrscheinlich", dass die Videoaufnahme nicht die Fahrt des Beschwerdeführers zeige. Dies lasse erkennen, dass das Video, obwohl nicht klar sei, wessen Fahrt darauf gezeigt werde, als Grundlage für das Urteil gedient habe. Zumindest sei das Appellationsgericht durch die Betrachtung des Videos stark beeinflusst worden.  
 
1.3. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe ein rechtsseitiges Überholen auf der Autobahn zugegeben. Der Sachverhalt sei im Wesentlichen eingestanden, weshalb nicht ersichtlich sei, was durch eine Analyse des Videos gewonnen wäre. Wenn diese zweifelsfrei ergeben würde, dass es sich beim gefilmten Fahrzeug nicht um dasjenige des Beschwerdeführers handle, bliebe es dabei, dass er ein Rechtsüberholen und damit eine identische Verfehlung, wie sie auf dem aktenkundigen Video dokumentiert sei, zugestanden habe. Gleiches ergebe sich aus den im Polizeibericht festgehaltenen Wahrnehmungen der Beamten. Abgesehen davon sei es äusserst unwahrscheinlich, dass die Vermutung des Beschwerdeführers zutreffe, wonach das Video nicht seine Fahrt zeige. Es sei unbestritten, dass seine Fahrt videographisch aufgezeichnet worden sei. Das Video sei ihm anlässlich der anschliessenden Polizeikontrolle vorgeführt worden. Der Beschwerdeführer habe ausgesagt, das in den Akten befindliche Video sei in Bezug auf die Randdaten der aufgezeichneten Fahrt (Datum, Zeitfenster und Ort der Aufzeichnung) identisch mit denjenigen seiner eigenen Fahrt. Er habe auch kein anderes Fahrzeug gesehen, welches zur selben Uhrzeit dasselbe Manöver gemacht habe wie er. Schliesslich verfüge die Kantonspolizei Basel-Stadt nur über ein einziges im Einsatz befindliches Messgerät zur Aufzeichnung von Nachfahrten. Eine Verwechslung der Fahrt respektive der Videoaufzeichnung sei unter diesen Umständen vernünftigerweise ausgeschlossen. Daran ändere nichts, dass das gefilmte Fahrzeug nicht eindeutig als dasjenige des Beschwerdeführers erkennbar sei. Der Anklagesachverhalt sei damit erstellt. In antizipierter Beweiswürdigung könne auf die Durchführung einer Expertise über das Video verzichtet werden.  
 
1.4. Die Vorinstanz stützt ihr Urteil nicht einzig auf die Videoaufnahme, sondern auch auf die Aussagen der Beamten sowie des Beschwerdeführers selbst. Sie begründet ausführlich und in nachvollziehbarer Weise, wie sie zum Schluss gelangt, die Videoaufnahme zeige die Fahrt des Beschwerdeführers. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz lässt keine Willkür erkennen. Sie durfte in antizipierter Beweiswürdigung auf die Analyse des Videos verzichten. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist damit ebenfalls nicht ersichtlich.  
 
2.  
 
 Der Beschwerdeführer bringt vor, der Beweisantrag sei von der Vorinstanz erst im Urteil behandelt worden. Weitere Recherchen habe er deshalb erst danach anstellen können. Er habe das Video nach Eingang des Urteils der Firma FCS Forensic Computing Services für eine erste Sichtung zukommen lassen. Die auf Videoanalysen spezialisierte Firma gelange zum Schluss, dass es sich beim überholenden Fahrzeug um einen Fiat Punto handle. Das Kontrollschild sei nicht lesbar. Es bestehe die Möglichkeit, dass es sich um ein vierstelliges Kontrollschild handle. Sein eigenes sei jedoch fünfstellig. Schliesslich sei am Ende der Aufzeichnung ein anderes Auto zu sehen, bei welchem es sich ebenfalls um einen dunklen Fiat Punto handeln könnte. Diese neuen Tatsachen und Beweismittel seien vor dem vorinstanzlichen Entscheid nicht vorhanden gewesen und hätten nicht vorgebracht werden können. Das neue Beweismittel sei durch das vorinstanzliche Verfahren rechtswesentlich geworden und deshalb auch im bundesgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen. 
 
2.1. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde darzulegen ist (BGE 134 V 223 E. 2.2.1 S. 226 mit Hinweis). Hierbei handelt es sich um unechte Noven. Echte Noven, d.h. Tatsachen, die sich zugetragen haben, nachdem vor der Vorinstanz keine neuen Tatsachen mehr vorgetragen werden durften, sind vor Bundesgericht unbeachtlich (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 135 I 221 E. 5.2.4 S. 229; je mit Hinweisen).  
 
2.2. Das Schreiben der FCS Forensic Computing Services vom 21. Januar 2015 wurde erst nach Ausfällung des vorinstanzlichen Entscheids verfasst und war im vorinstanzlichen Verfahren noch nicht vorhanden. Es stellt ein unzulässiges echtes Novum dar. Im Übrigen geht der Einwand des Beschwerdeführers fehl, erst der angefochtene Entscheid habe Anlass dazu gegeben, das Video analysieren und das Schreiben anfertigen zu lassen. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren beantragte er die Auswertung des Videos. Sein Antrag wurde ebenfalls in antizipierter Beweiswürdigung abgewiesen. Der Beschwerdeführer war von Anfang an gehalten, seine Anträge zu begründen, und hätte ein entsprechendes Schreiben bereits im erstinstanzlichen Verfahren, spätestens jedoch nach der Abweisung seines Beweisantrags durch die erste Instanz einreichen können. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, inwiefern erst der Entscheid der Vorinstanz Anlass zur Einreichung des Schreibens gegeben haben soll.  
 
 Selbst wenn das Schreiben beachtlich wäre, würde es nicht zu einer Gutheissung der Beschwerde führen. Die im Schreiben erwähnten Tatsachen sind mit den vorinstanzlichen Feststellungen vereinbar. Insbesondere wird bestätigt, dass es sich beim aufgenommenen Fahrzeug um einen Fiat Punto, den Fahrzeugtyp des Autos des Beschwerdeführers, handelt. Es ist nicht ersichtlich, dass sich gestützt auf das Schreiben weitere Beweiserhebungen geradezu aufdrängen würden. 
 
3.  
 
 Der Beschwerdeführer bemängelt, seine Darstellung, wonach sein Verhalten als passives Rechtsvorbeifahren infolge massiver und unerklärlicher Temporeduktion des überholten Fahrzeugs zu qualifizieren sei, habe kein Gehör und keinen Eingang in die Überlegungen der Vorinstanz gefunden. Immerhin sei nicht auszuschliessen, dass ursprünglich das verkehrsregelwidrige Verhalten des Überholten die Aufmerksamkeit der Polizisten auf sich gezogen habe. Diese Argumentation verfängt nicht. Die Vorinstanz erwähnt die Aussage des Beschwerdeführers, wonach das überholte Fahrzeug seine Fahrt verlangsamte, nachdem es auf die Überholspur gewechselt hatte. Sie stellt jedoch fest, der Beschwerdeführer habe auch ausgesagt, bewusst Gas gegeben und sich am anderen Fahrzeug rechts "vorbeigeschoben" zu haben. Damit verneint sie, dass es sich um ein passives Rechtsüberholen handelte. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht ersichtlich. In Bezug auf den behaupteten Sachverhalt weicht der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise vom verbindlichen Sachverhalt der Vorinstanz ab (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG), ohne Willkür darzutun. Darauf ist nicht näher einzugehen. 
 
4.  
 
 Da die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung nicht zu beanstanden ist, ist sie auch nicht, wie vom Beschwerdeführer beantragt, durch das Bundesgericht von Amtes wegen zu korrigieren. Insbesondere nimmt das Bundesgericht keine Beweise ab, um den vorinstanzlichen Sachverhalt zu ergänzen und ordnet auch keine Beweiserhebungen an (BGE 133 IV 293 E. 3.4.2 S. 295 f.; Urteil 5A_339/2009 vom 29. September 2009; je mit Hinweisen). 
 
5.  
 
 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. März 2015 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schär