Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_661/2022
Urteil vom 26. März 2024
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichterinnen Moser-Szeless, Scherrer Reber, nebenamtlicher Bundesrichter Berger,
Gerichtsschreiber Matter.
Verfahrensbeteiligte
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben,
Eigerstrasse 65, 3003 Bern,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Verrechnungssteuer, geldwerte Leistungen 2007-2009,
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2022 (A-2591/2019).
Sachverhalt:
A.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte mit seinem Urteil A-2591/ 2019 vom 8. Juni 2022 das Vorliegen von verschiedenen, der Verrechnungssteuer unterliegenden geldwerten Leistungen der inzwischen im Handelsregister gelöschten B.________ SA und die solidarische Haftbarkeit von A.________ (gemäss Art. 12 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht; VStrR; SR 313.0; mit Einschluss des Haftungsbetrages gemäss derselben Bestimmung). Diese Bestätigung erstreckte sich auf nahezu alle Teilaspekte des Einspracheentscheids der ESTV vom 10. April 2019. Einzig im Zusammenhang mit dem Haftungsbetrag (Art. 12 Abs. 2 VStrR) wich es betreffend den Beginn des Verzugszinsenlaufs auf dem Verrechnungssteuerbetrag von Fr. 1'060'498.95 vom angefochtenen Einspracheentscheid ab und hielt fest, der Zins von 5% sei geschuldet seit Ablauf von 30 Tagen nach der Genehmigung der Jahresrechnung.
B.
Die ESTV hat am 22. August 2022 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht eingereicht. Sie beantragt, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2022 hinsichtlich des Verzugszinsenlaufs auf den geldwerten Leistungen des Jahres 2008 ("Fremdleistungen C.________") aufzuheben und den Einspracheentscheid vom 10. April 2019 diesbezüglich zu bestätigen. Der entsprechende Verzugszins - von 5% ab Fälligkeit der geldwerten Leistung bis und mit dem 31. Dezember 2021 und danach gemäss dem Zinssatz der Zinssatzverordnung EFD (SR 631.014); aktuell von 4% - auf der Verrechnungssteuer von Fr. 1'060'498.95 laufe demgemäss ab dem 31. Januar 2009 bis zum Tag der tatsächlichen Steuerentrichtung.
Das Bundesverwaltungsgericht und A.________ schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
1.1. Angefochten ist ein Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einem Verrechnungssteuerstreit, d.h. in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG ). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig, da keine Ausschlussgründe nach Art. 83 BGG vorliegen. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG ) der nach Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung über die Verrechnungssteuer vom 19. Dezember 1966 (VStV; SR 642.211) legitimierten Beschwerdeführerin (vgl. Urteil 2C_359/2016 vom 4. Oktober 2016 E. 1.2.3) ist einzutreten.
1.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es (offensichtliche Fehler vorbehalten) nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 148 V 209 E. 2.2 mit Hinweis).
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Feststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang zudem entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Eine entsprechende Rüge ist hinreichend zu substanziieren (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.2).
2.
2.1. Der Bund erhebt unter anderem eine Verrechnungssteuer auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens (Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer vom 13. Oktober 1965; Verrechnungssteuergesetz; VStG; SR 642.21).
2.1.1. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG sind namentlich die Erträge von Aktien Gegenstand der Verrechnungssteuer. Aus Art. 20 Abs. 1 VStV ergibt sich, dass als steuerbarer Ertrag von Aktien jede geldwerte Leistung der Gesellschaft an die Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte oder an ihnen nahestehende Dritte zu verstehen ist, die sich nicht als Rückzahlung der im Zeitpunkt der Leistung bestehenden Anteile am einbezahlten Grund- oder Stammkapital darstellt (Dividenden, Boni, Gratisaktien, Gratis-Partizipationsscheine, Liquidationsüberschüsse und dergleichen).
2.1.2. Bei Kapitalerträgen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 VStG entsteht die Steuerforderung im Zeitpunkt, in dem die steuerbare Leistung fällig wird (Art. 12 Abs. 1 VStG). Die Steuer wird 30 Tage nach Entstehung der Steuerforderung fällig (Art. 16 Abs. 1 lit. c VStG). Auf Steuerbeträgen, die nach Ablauf der in Absatz 1 geregelten Fälligkeitstermine ausstehen, ist ohne Mahnung ein Verzugszins geschuldet (Art. 16 Abs. 2 VStG). Die Steuerforderung verjährt fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden ist (Art. 17 Abs. 1 VStG). Der Steuerpflichtige hat der ESTV bei Fälligkeit der Steuer unaufgefordert die vorgeschriebene Abrechnung mit den Belegen einzureichen und gleichzeitig die Steuer zu entrichten oder die an ihre Stelle tretende Meldung zu erstatten (Art. 38 Abs. 2 VStG).
2.1.3. Jede inländische Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung hat unaufgefordert der ESTV innert 30 Tagen nach Genehmigung der Jahresrechnung den Geschäftsbericht oder eine unterzeichnete Abschrift der Jahresrechnung (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung) sowie eine Aufstellung nach amtlichem Formular einzureichen, woraus der Kapitalbestand am Ende des Geschäftsjahres, das Datum der Generalversammlung, die beschlossene Gewinnverteilung und ihre Fälligkeit ersichtlich sind, und die Steuer auf den mit Genehmigung der Jahresrechnung fällig gewordenen Erträgen zu entrichten, wenn im Geschäftsjahr eine steuerbare Leistung vorgelegen ist (Art. 21 Abs. 1 lit. c VStV). Die Steuer auf Erträgen, die nicht mit Genehmigung der Jahresrechnung fällig oder die nicht aufgrund der Jahresrechnung ausgerichtet werden (Interimsdividenden, Bauzinsen, Gratisaktien, Liquidationsüberschüsse, Ablösung von Genussscheinen, geldwerte Leistungen anderer Art), ist aufgrund der Abrechnung nach amtlichem Formular innert 30 Tagen nach der Fälligkeit des Ertrages unaufgefordert der ESTV zu entrichten (Art. 21 Abs. 2 VStV). Ist für den Ertrag ein Fälligkeitstermin nicht bestimmt, so beginnt die 30-tägige Frist am Tage, an dem die Ausrichtung beschlossen oder, mangels eines solchen Beschlusses, an dem der Ertrag ausgerichtet wird, zu laufen (Art. 21 Abs. 3 VStV).
2.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 8. Juni 2022 betreffend das Geschäftsjahr 2008 das Vorliegen von geldwerten Leistungen in der Höhe von Fr. 3'029'997.- an C.________ bestätigt.
2.2.1. Im Urteil wird festgestellt, dass die B.________ SA im Geschäftsjahr 2008 geldwerte Leistungen in der Höhe von Fr. 3'029'997.- an C.________ erbracht habe. Die entsprechenden Leistungen seien in der Buchhaltung der Gesellschaft über das Aufwandkonto xxx "C.________" verbucht worden. Auf diesem Konto seien 2008 neun verschiedene Buchungen oder Leistungen im entsprechenden Gesamtbetrag erfasst worden. Der Betrag der "Fremdleistungen C.________" habe dem Saldo des Kontos xxx und somit der Summe der verbuchten Aufwände entsprochen (E. II./6.1.2 des angefochtenen Urteils).
2.2.2. Einzig im Zusammenhang mit dem Haftungsbetrag gemäss Art. 12 Abs. 2 VStrR ist das Bundesverwaltungsgericht betreffend den Beginn des Verzugszinsenlaufs auf dem Verrechnungssteuerbetrag von Fr. 1'060'498.95 vom angefochtenen Einspracheentscheid abgewichen und hat festgehalten, der Zins von 5% sei geschuldet seit Ablauf von 30 Tagen nach der Genehmigung der Jahresrechnung. Es hat offengelassen, ob die massgeblichen Verträge fingiert gewesen seien, und festgestellt, dass A.________ den Nachweis einer Gegenleistung nicht erbracht habe. Die Vorinstanz ist von einer einzigen geldwerten Leistung ausgegangen, die erst mit der Genehmigung der Jahresrechnung 2008 fällig geworden sei, so dass die zugehörige Verrechnungssteuerforderung nicht vor jenem Zeitpunkt entstanden sei und der Verzugszins erst am 31. Tag nach Genehmigung der Jahresrechnung zu laufen begonnen habe (vgl. E. 9.4.2 des angefochtenen Urteils).
2.3. Mit Beschwerde der ESTV vor Bundesgericht wird die durch das Bundesverwaltungsgericht vorgenommene teilweise Gutheissung der Beschwerde von A.________ angefochten und damit die Frage des Beginns des Verzugszinsenlaufs beziehungsweise des Zeitpunktes der Entstehung der entsprechenden Verrechnungssteuerforderung (en) im Betrag von Fr. 1'060'498.95 aufgeworfen.
2.3.1. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass das Bundesverwaltungsgericht Art. 12 Abs. 1 VStG und Art. 21 Abs. 2 VStV nicht korrekt angewandt und damit Bundesrecht verletzt habe. Für die geldwerten Leistungen i.S. "Fremdleistungen C.________" des Jahres 2008 müsse eine Fälligkeit entgegen der Vorinstanz bereits im Zeitpunkt der Verbuchungen der einzelnen geldwerten Leistungen angenommen werden, da diese Leistungen dann effektiv erfolgt seien (bzw. als blosse Verfügungsgeschäfte gutgeschrieben worden) und damit im verrechnungssteuerrechtlichen Sinne "fällig" geworden seien.
2.3.2. Zwar sei aus rein rechtlicher Sicht davon auszugehen, dass das Buchungsdatum das tatsächliche Fälligkeitsdatum der jeweiligen geldwerten Leistungen darstelle. Dennoch werde hier - im Sinne einer sich unter den konkret gegebenen Umständen aufdrängenden PraktikabiIitätslösung und im Einklang mit dem Einspracheentscheid vom 10. April 2019 - beantragt, den Verzugszinsenlauf erst am 31. Januar 2009 beginnend laufen zu lassen.
3.
In verschiedenen Situationen nehmen Rechtsprechung und Lehre unterschiedliche Zeitpunkte für die Fälligkeit geldwerter Leistungen an, entweder in Übereinstimmung mit einer Fälligkeit in einem eng zivilrechtlichen Sinne (vgl. unten E. 3.1), einer solchen auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung (E. 3.2), ein Abstellen auf das Ende des Geschäftsjahres (E. 3.3) oder die Massgeblichkeit des Zeitpunkts, in dem die Jahresrechnung genehmigt wird (E. 3.4 u. 3.5).
3.1. Als Fälligkeit im zivilrechtlichen Sinn gilt der Zeitpunkt, in dem der Leistungsempfänger einen durchsetzbaren Anspruch gegenüber der betroffenen Gesellschaft hat. Die zivilrechtliche Fälligkeit bedingt das Vorliegen eines Rechts-, genauer eines Verpflichtungsgeschäfts. Der Gläubiger der steuerbaren Leistung (Zahlung, Gutschrift etc.) kann die Leistung vom Schuldner fordern und dieser ist zur sofortigen Erfüllung - bzw. zur Erfüllung im vereinbarten Zeitpunkt - verpflichtet. Dem Anspruch des Gläubigers steht also bei Fälligkeit kein gesetzliches oder vertragliches Hindernis mehr entgegen (vgl. zum Ganzen BGE 107 Ib 98 E. 3a; Urteile 2C_730/2013 vom 4. Februar 2014 E. 2.2; 2C_813/2010 vom 10. Mai 2011 E. 3.5.1; 2C_551/2009 vom 13. April 2010 E. 2.3; MICHAEL BEUSCH/MORITZ SEILER in: Martin Zweifel/Michael Beusch/Maja Bauer-Balmelli [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer, 3. Auflage, Basel 2024, Rz 20 u. 21 zu Art. 12 VStG; W. ROBERT PFUND, Die Eidgenössische Verrechnungssteuer, 1. Teil, Handbücher zum Fiskalrecht des Bundes, Basel 1971, Rz 2.2 zu Art. 12 Abs. 1 VStG).
3.2. Nicht unter diesen Fälligkeitsbegriff fallen Konstellationen, bei denen die steuerbare Leistung ausschliesslich oder auf sogleich erfüllten Verfügungsgeschäften beruht und bei denen es einen eigentlichen zivilrechtlichen Fälligkeitstermin so gar nicht gibt (z.B. grundsätzlich bei verdeckten Gewinnausschüttungen).
3.2.1. Verdeckte Gewinnausschüttungen bzw. "geldwerte Leistungen anderer Art" beruhen zumeist nicht auf einem rechtlich verbindlichen Verpflichtungsgeschäft, sondern stellen rein tatsächliche Vornahmen dar, wobei die steuerbare Leistung auf (sogleich) erfüllten Verfügungsgeschäften beruht und es (eventuell) einen eigentlichen zivilrechtlichen Fälligkeitstermin gar nicht gibt, da aufgrund sofortiger Leistung die mit der Fälligkeit verbundenen Rechtsfolgen obsolet werden. Die entsprechenden Verrechnungssteuerforderungen im Sinne von Art. 21 Abs. 2 VStV entstehen in diesen Fällen bereits im Zeitpunkt der Leistung respektive - im Falle der buchhalterischen Abbildung der Leistung - jeweiligen Verbuchungen der geldwerten Leistungen, da diese auch in diesen Zeitpunkten effektiv erfolgen bzw. als blosse Verfügungsgeschäfte ausgerichtet werden und damit im verrechnungssteuerrechtlichen Sinne "fällig werden" (vgl. Urteil 2A.458/2001 vom 29. Juli 2002 E. 5.1; zum Ganzen u.a. BEUSCH/SEILER, a,a.O., Rz 6, 25 u. 41 zu Art. 12 VStG; PFUND, a.a.O., N. 2.3 zu Art. 12 Abs. 1 VStG).
3.2.2. Damit steht im Einklang, dass das Bundesgericht bereits in einem Urteil vom 10. Dezember 1971 (vgl. dort E. 2c) entschieden hat, die massgebende Fälligkeit einer verdeckten Gewinnausschüttung trete in dem Zeitpunkt ein, in dem sie vereinbart werde, eventuell an dem dafür speziell vereinbarten Fälligkeitstermin oder, wenn der Ausschüttung keine Vereinbarung vorangehe, mit dem Tage der Ausschüttung (vgl. THOMAS M. FISLER/ROBERT DESAX [HRSG. AB NACHTRAG 75], Die Praxis der Bundessteuern, II. Teil, Stempelabgaben und Verrechnungssteuer, Band 2, 2023, Art. 12 VStG, Ziff. 1, N. 3 [beruhend auf dem Urteil des Bundesgerichts vom 10. Dezember 1971 i.S. H., E. 2c]; vgl. auch ein Urteil vom 16. September 1974 in ASA 44 318 E. 4a).
3.3. Nebst dem Abstellen auf eine Fälligkeit im (strikt) zivilrechtlichen Sinne oder auf den Zeitpunkt der effektiven Ausschüttung der massgeblichen geldwerten Leistung kann es sich unter bestimmten Umständen rechtfertigen, für die Fälligkeit von geldwerten Leistungen das Ende des Geschäftsjahres als wesentlich zu erachten.
3.3.1. In Bezug auf verdeckte Gewinnausschüttungen, für welche aus der Buchhaltung kein Datum der Leistung ersichtlich ist, hat das Bundesgericht im vorerwähnten Urteil 2A.458/2001 vom 29. Juli 2002 E. 5.2 erwogen, dass die Entstehung der Verrechnungssteuerforderung mit dem Datum des Buchhaltungsabschlusses am Ende des jeweiligen Geschäftsjahres anzunehmen ist und damit die Verjährung nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem auch das Geschäftsjahr endet, zu laufen beginnt.
3.3.2. Selbst wenn der Zeitpunkt der einzelnen Buchungen bekannt ist, stellt die ESTV in bestimmten Fällen doch - im Sinne einer Praktikabilitätslösung - auf das Ende des Geschäftsjahres ab. Diese Lösung kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn während eines Geschäftsjahres viele verschiedene, gleichartige Leistungen an einen Leistungsempfänger geflossen sind. Statt dann für jeden einzelnen Betrag auf dessen individuelles Fälligkeitsdatum abzustellen, wie es an und für sich von Gesetzes wegen vorgesehen ist, wird der Vereinfachung der Verbuchung und der Berechnung des Verzugszinses wegen das Datum am Ende des Geschäftsjahres als für die Fälligkeit massgeblich erachtet (vgl. zum Ganzen BEUSCH/SEILER, a.a.O., Rz. 27 zu Art. 12 VStG, mit Hinweis auf Pfund, a.a.O., Rz. 2.5 zu Art. 12 Abs. 1 VStG; STEFAN OESTERHELT, Aus der Rechtsprechung in den Jahren 2021/ 2022 [Teil 2], FStR 2022, S. 489).
3.4. Unter bestimmten Umständen und Voraussetzungen kann es sich indes als sachgerecht erweisen, die Genehmigung der Jahresrechnung als für die Fälligkeit geldwerter Leistungen massgeblichen Zeitpunkt einzustufen.
3.4.1. Schon vor 50 Jahren ist in der Lehre festgehalten worden, die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Genehmigung der Jahresrechnung als eine klare Ausnahme und aus praktischen Gründen als spätesten Zeitpunkt zu erachten, in dem die geldwerten Leistungen "vollzogen" sind, d.h. wenn die Fälligkeit der geldwerten Leistung nicht bereits vorher gegeben ist (wie z.B. bei der tatsächlichen Ausrichtung der Leistungen; vgl. PFUND, a.a.O., N. 2.5 zu Art. 12 Abs. 1 VStG).
3.4.2. Art. 21 Abs. 3 VStV normiert eine sog. Kaskadenanknüpfung. Diese soll ausschliessen, dass Gläubiger und Schuldner der steuerbaren Leistung durch Nicht-Vereinbarung eines Fälligkeitstermins das Entstehen der Verrechnungssteuerforderung verhindern können, so dass eine Leistung bzw. ein Ertrag der Besteuerung entgeht (vgl. u.a. das Urteil 2C_730/2013 vom 4. Februar 2014 E. 2.4; BEUSCH/SEILER, a.a.O., Rz 24 zu Art. 12 VStG).
In einem Urteil aus dem Jahre 1972 (Urteil vom 19. Mai 1972 i.S. BCA, E. 3a und 3c) hat das Bundesgericht festgehalten, Art. 12 Abs. 1 VStG präzisiere lediglich, dass die Steuerschuld weder schon mit der Verpflichtung an sich - diese Leistung (einmal) zu erbringen - entstehe, noch erst im Zeitpunkt, in dem die Leistung so oder anders erbracht werde, sondern im Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Erbringung fordern könne. Das hindere nicht, dass die Verrechnungssteuer jedenfalls und spätestens in dem Zeitpunkt geschuldet sei, in dem die steuerbare Leistung dem Gläubiger ausbezahlt oder gutgeschrieben werde (vgl. auch das Urteil 2C_551/2009 vom 13. April 2010 E. 2.5; Fisler/Desax, a.a.O., Art. 12 VStG Nr. 3-5; BEUSCH/SEILER, a.a.O. Rz 6, 26 u. 41 zu Art. 12 VStG; Pfund, a.a.O., Rz 2.3 zu Art. 12 Abs. 1 VStG).
3.4.3. Ob die Fälligkeit allenfalls aufzuschieben wäre, weil der Zugang der Leistungen aufgrund des Rückerstattungsanspruchs der Gesellschaft gemäss Art. 678 OR dergestalt mit einem möglichen Vermögensabgang belastet wäre, dass nicht von einer Bereicherung ausgegangen werden könnte (vgl. dazu BGE 149 II 400 E. 4.2), ist vorliegend nicht weiter zu prüfen. Abgesehen davon, dass ein allfälliger Rückerstattungsanspruch in Verhältnissen wie vorliegend ohnehin nur selten geltend gemacht wird (ebenso BGE 113 Ib 23 E. 4a), ist hier einerseits massgebend, dass aus dem Sachverhalt keinerlei Intentionen der Gesellschaft ersichtlich sind, Rückerstattungsansprüche geltend zu machen; so wurde beispielsweise nicht vorgetragen, es seien derartige Ansprüche verbucht worden (vgl. zur Verbuchungspflicht Urteil 2A.108/2004 vom 31. August 2005 E. 3, mit Hinweis auf BGE 113 Ib 23 E. 4a; differenzierter Markus Berger, Die Bilanzierung verdeckter Gewinnausschüttungen nach Art. 678 Abs. 2 OR, AJP 2000 S. 1112 ff.). Andererseits wird vom Beschwerdegegner auch nicht geltend gemacht, die ihm zugegangenen geldwerten Leistungen seien mit (realistischen) Rückerstattungsschulden belastet gewesen.
3.5. Was schliesslich den Beginn der Verjährung bei (versuchter) Steuerhinterziehung anbelangt, ist sodann die Frage des Fälligkeitszeitpunkts differenziert zu betrachten.
3.5.1. Dem Wesen der Verrechnungssteuer als Selbstveranlagungssteuer entsprechend ist im Bereich von Art. 61 lit. a VStG für die Tatbegehung darauf abzustellen, wann die Gesellschaft ihre Deklarationspflicht verletzt hat. Dies ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung der Tag, an dem die Gesellschaft ihre Jahresrechnung eingereicht hat, in welcher die geldwerte Leistung nicht verbucht ist. Die Verjährungsfrist beginnt am nächsten Tag. Reicht die Gesellschaft der ESTV keine Jahresrechnung ein, ist für den Beginn der Verjährung nach VStrR auf den Ablauf der 30-tägigen Deklarationsfrist gemäss Art. 21 Abs. 1 VStV abzustellen. Hält die Gesellschaft keine Generalversammlung ab, welche die Jahresrechnung genehmigen könnte, beginnt die Verjährungsfrist 30 Tage nach dem gemäss Art. 699 Abs. 2 OR (für die AG) bzw. Art. 805 Abs. 2 OR (für die GmbH) spätesten Termin für die ordentliche Generalversammlung - sechs Monate nach Ende des Geschäftsjahres - zu laufen (vgl. Urteil 6B_1005/2021 vom 29. Januar 2024, zur Publikation vorgesehen, E. 1.2.3 mit zahlreichen Hinweisen).
3.5.2. Davon zu unterscheiden ist jedoch der hier interessierende Fälligkeitszeitpunkt als Auslöser der Verzugszinspflicht.
4.
Es fragt sich, wie die vorangehenden allgemeinen Ausführungen der Rechtsprechung und der Lehre zur Fälligkeit geldwerter Leistungen (vgl. oben E. 3) sich auf den hier zu beurteilenden Fall anwenden lassen.
4.1. Vorliegend geht es um die Bestimmung der Fälligkeit im Hinblick auf den Beginn der Verzugszinspflicht von verschiedenen, im Verlaufe der Geschäftsjahre 2007, 2008 und 2009 erfolgten Ausschüttungen. Diese Leistungen beruhen nicht auf einem rechtlich verbindlichen Verpflichtungsgeschäft, sondern stellen blosse Verfügungsgeschäfte, rein tatsächliche Vornahmen dar. Dementsprechend entstehen nach dem Dargelegten die entsprechenden Verrechnungssteuerforderungen im Sinne von Art. 21 Abs. 2 VStV jeweils im Zeitpunkt der einzelnen Verbuchung.
4.2. Entgegen der vorinstanzlichen Feststellungen sind vorliegend keine Gründe ersichtlich, nicht vom Zeitpunkt der effektiven Leistung auszugehen und auf die Genehmigung der Jahresrechnung abzustellen.
5.
An diesem Ergebnis vermag auch die sogenannte "Storno-Praxis" nichts zu ändern.
5.1. Bei der "Stornierung" geht es nicht nur um die buchungstechnische Korrektur versehentlicher Fehlbuchungen, sondern sie umfasst auch Konstellationen, bei denen ein Geschäftsvorfall materiell rückgängig gemacht, durch eine Gegenleistung ausgeglichen oder in ein abgelaufenes Geschäftsjahr zurückverlegt (nachträglich eingebucht) wird (vgl. u.a. Beusch/Seiler, a.a.O., Rz 18 zu Art. 12 VStG). Die Storno-Praxis dient damit praktischen Bedürfnissen, insbesondere in Konstellationen, in denen Gesellschaften über das Jahr diverse geldwerte Leistungen ausrichten, die aber alle im selben bzw. mit Wirkung für dasselbe Geschäftsjahr noch von den Empfängern "glattgestellt" werden (Beusch/Seiler, a.a.O., Rz. 18a zu Art. 12 VStG). Werden die Voraussetzungen für die Anwendung der Storno-Praxis erfüllt, so hat dies zur Folge, dass mit der Stornierung die mit dem Bezug der verdeckten Gewinnausschüttung bereits entstandene Verrechnungssteuerforderung dahinfällt (in diesem Sinne bereits Conrad Stockar, Übersicht und Fallbeispiele zu den Stempelabgaben und zur Verrechnungssteuer, 4. Auflage Basel 2006, S. 143 f. und 237 ff.; im Ergebnis gleich wohl auch Beusch, Untergang der Steuerforderung, 2012, S. 74, insb. FN 570).
5.2. Im vorliegenden Fall ist erstellt, dass die Verfügungsgeschäfte - und demzufolge die damit verknüpften Verrechnungssteuerforderungen - nicht dahingefallen sind. Die Leistungen wurden definitiv erbracht, die Erfüllung ist nicht mehr unsicher (vgl. BGE 149 II 400 E. 4). Insofern liegt also gerade keine Stornierung vor, weshalb auch nicht weiter zu prüfen ist, unter welchen Voraussetzungen die Storno-Praxis zur Anwendung kommen könnte.
6.
6.1. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der teilweisen Gutheissung (in Bezug auf den Beginn des Verzugszinsenlaufs, demgemäss bei den geldwerten Leistungen des Jahres 2008 betreffend die "Fremdleistungen C.________" der Verzugszins auf der entsprechenden Verrechnungssteuer erst ab dem 31. Tag nach der Genehmigung der Jahresrechnung zu laufen beginnen würde, Dispositiv-Ziff. 3) aufzuheben, und der Einspracheentscheid der ESTV vom 10. April 2019 diesbezüglich (Beginn des Verzugszinsenlaufs auf der Verrechnungssteuer von Fr. 1'060'498.95 auf den geldwerten Leistungen des Jahres 2008 i.S. "Fremdleistungen C.________"am 31. Januar 2009) zu bestätigen.
6.2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdegegner kostenpflichtig. Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet. Weiter ist die Sache zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen (vgl. Art. 65 f. u. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
2.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2022 wird hinsichtlich der teilweisen Gutheissung (in Bezug auf den Beginn des Verzugszinsenlaufs für das Jahr 2008, Dispositiv-Ziff. 3) im Sinne der Erwägungen aufgehoben und der Einspracheentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 10. April 2019 diesbezüglich (Beginn des Verzugszinsenlaufs auf der Verrechnungssteuer am 31. Januar 2009) bestätigt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
4.
Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet.
5.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.
6.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 26. März 2024
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Parrino
Der Gerichtsschreiber: Matter