Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess {T 7}
U 415/05
Urteil vom 26. April 2006
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön; Gerichtsschreiber Fessler
Parteien
D.________, 1949, Beschwerdeführer,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel
(Entscheid vom 24. August 2005)
Sachverhalt:
A.
Der 1949 geborene D.________ arbeitete seit 2. April 1990 als Monteur in der Firma R.________. Er war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) für die gesundheitlichen und erwerblichen Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten obligatorisch versichert. Am 8. Januar 2001 stürzte D.________ bei der Arbeit von der Leiter. Dabei verletzte er sich am Knöchel rechts (Mediale Malleolusfraktur). Am 15. Januar 2001 (Schraubenosteosynthese), 10. September 2001 (Osteotomie Malleolus medialis mit anschliessender Reosteosynthese und Spongiosaplastik mittels Tutoplast bei Pseudarthrose) und am 4. Juni 2002 (Revision OSG) wurde D.________ in der Chirurgischen Poliklinik des Kantonsspitals B.________ operiert. Die SUVA kam hiefür und für die weiteren Massnahmen der Heilbehandlung, insbesondere Physiotherapie, auf und richtete Taggelder aus. Am 24. September 2002 und 22. April 2003 wurde D.________ von Kreisarzt Dr. med. W.________ untersucht.
Nach Mitteilung der Einstellung der Heilkosten- und Taggeldleistungen zum 30. November 2003 sprach die SUVA D.________ mit Verfügung vom 11. Februar 2004 ab 1. Dezember 2003 eine Invalidenrente (Erwerbsunfähigkeit: 27 %) sowie eine Integritätsentschädigung von Fr. 16'020.- (Integritätseinbusse: 15 %) zu. Hiegegen liess D.________ Einsprache erheben.
Am 18. Juni 2004 stellte die IV-Stelle Basel-Stadt der SUVA eine Kopie des im IV-Verfahren erstellten orthopädischen Gutachtens des Dr. med. R.________ vom 10. Juni 2004 zur Kenntnisnahme zu.
Mit Einspracheentscheid vom 13. August 2004 bestätigte die SUVA Invalidenrente und Integritätsentschädigung in der verfügten Höhe.
B.
Die Beschwerde des D.________ wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 24. August 2005 ab.
C.
D.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und die SUVA sei zu verpflichten, ihm über den 30. November 2003 hinaus die gesetzlichen Leistungen, insbesondere eine angemessene Rente und eine Integritätsentschädigung von 20 % zu bezahlen.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Kantonales Gericht und Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen sind die Höhe der Invalidenrente ab 1. Dezember 2003 sowie der Integritätsentschädigung der Unfallversicherung für die Folgen des Unfalls vom 8. Januar 2001 (Sturz von der Leiter mit medialer Malleolusfraktur rechts). Dabei stellt sich in erster Linie die Frage, ob die geklagten Rückenbeschwerden zumindest teilweise unfallbedingt sind (BGE 119 V 337 Erw. 1) und bejahendenfalls, inwiefern sie die Arbeitsfähigkeit einschränken und die Integrität beeinträchtigen.
2.
2.1 Nach Auffassung des kantonalen Gerichts sind die geklagten Wirbelsäulenbeschwerden auf degenerative Veränderungen zurückzuführen. Leidensangepasste Tätigkeiten seien zu 100 % zumutbar. Zur Begründung verweist die Vorinstanz auf die interne Stellungnahme des Kreisarztes Dr. med. W.________ vom 19. Dezember 2002 sowie das im IV-Verfahren eingeholte orthopädische Gutachten des Dr. med. R.________ vom 10. Juni 2004. Der Experte stellte u.a. die Diagnosen eines chronischen Schmerzzustandes Fusswurzel rechts sowie chronische Dorsalgien mit/bei beginnender Unkovertebralarthrose C5-C7 und multiplen Spondylophyten. Die Einschränkung der Beweglichkeit thoracolumbal konnte laut Gutachter auf die degenerativen Veränderungen zurückgeführt werden. Eine gewisse Beschwerdesymptomatik liess sich durch die Befunde erklären, eine Invalidisierung jedoch nicht. Sämtliche Tätigkeiten mit leichten körperlichen Belastungen, vorwiegend sitzend mit der Möglichkeit zu regelmässigem Positionswechsel mit kurzen Phasen gehend oder stehend erachtete Dr. med. R.________ als zu 100 % zumutbar.
2.2 Der Beschwerdeführer verweist zur Begründung seiner Begehren auf die in diesem Verfahren eingereichte Stellungnahme seines Hausarztes Dr. med. H.________ vom 7. Oktober 2005. Danach habe sich seit dem Unfall vom 8. Januar 2001 langsam zunehmend ein Schonhinken entwickelt. Dies habe in den letzten Jahren zu Verspannungen im Bereich des Musculus longissimus dorsi, rechts mehr als links geführt. Auch wenn ein gewisser Anteil der Beschwerden im Rücken auf Abnützungen zurückgeführt werden könne, bestehe nach Dr. med. H.________ ein eindeutiger Zusammenhang der Rückenschmerzen mit dem Schonhinken, welches direkt auf den Unfall zurückzuführen sei. Im gleichen Sinne hatte sich der Hausarzt schon in seinen Berichten vom 13. Juni 2003 und 28. Juli 2004 geäussert.
3.
3.1 Im Bericht über die zweite Operation vom 10. September 2001 im Kantonsspital B.________ wurde ein deutlicher Hinkfehlgang erwähnt. Gegenüber dem Inspektor der SUVA erklärte der Versicherte am 26. November 2001, seit rund drei Wochen Rückenschmerzen zu haben. Er nehme an, diese rührten vom Gehen an einem Gehstock her. Der ärztliche Zwischenbericht der Chirurgischen Poliklinik des Kantonsspitals B.________ vom 4. Januar 2002 äusserte sich zu den geklagten Rückenbeschwerden in dem Sinne, es bestehe eine Fehlbelastung bei chronischen Schmerzen des Unterschenkels. Bei der kreisärztlichen Untersuchung vom 24. September 2002 klagte der Versicherte über wechselhafte Schmerzen in der rechten unteren Extremität, häufig auch im Bein und den Rücken hinauf bis in den Kopf. Er habe etwa zehn Mal einen Hexenschuss gehabt. Kreisarzt Dr. med. W.________ erhob als Befund u.a. ein konstantes Schonhinken des rechten Fusses, stark reduziertes Abrollen und laterales Belasten sowie entlastungsbedingte Schräghaltung des Rückens nach links. In der Beurteilung wies er auf eine weiterhin labile Throphik und Fehlbelastung hin. Die Arbeitsfähigkeit bei einer leichten bis mittelschweren, vorwiegend sitzenden, bei Bedarf auch auf ebenem Boden kurzfristig stehenden und gehenden Tätigkeit ohne Zwangshaltungen im Knien oder Kauern, ohne Leiterarbeit und häufiges Treppensteigen bei einer Traglimite stehend von 20 kg, gehend kurzfristig von 10 kg, bezifferte Dr. med. W.________ auf 50 % (Bericht vom 25. September 2002). In der Schmerzsprechstunde des Departementes Anästhesie des Kantonsspitals B.________ vom 30. Oktober 2002 klagte der Versicherte über Beschwerden im Sprunggelenk rechts mit Ausstrahlungen in Unter- und Oberschenkel und von da in die Brust- und Halswirbelsäule sowie parieto-occipital beidseits. Im Bericht vom selben Tag wurde ein massives Hinken im Sinne einer Entlastung der rechten Seite erwähnt. Dem Inspektor der SUVA gegenüber erklärte der Versicherte am 4. Dezember 2002, immer wieder an hexenschussähnlichen Blockaden zu leiden. Im Bericht des Kantonsspitals B.________, Departement Chirurgie Abteilung Traumatologie, vom 23. Dezember 2002 zuhanden der kan-tonalen IV-Stelle wurde als Befund u.a. ein starkes Schmerz-Schonhinken rechts mit nach aussen rotiertem rechtem Fuss erhoben. Nach der dritten Operation vom 4. Juni 2002 habe sich die OSG-Beweglichkeit etwas verbessert, dafür bestünden seither Cervicalgien. Das Schmerzsyndrom wurde als mittlerweile chronifiziert bezeichnet. Kreisarzt Dr. med. W.________ hielt im Bericht vom 24. April 2003 u.a. folgende Befunde fest: «Im Barfussgang erheblicher Schonbedarf des rechten Fusses. Unmöglicher Zehen- und Fersengang sowie Kauerstellung. Entlastungsbedarf des rechten Beins, keine Sperrdistanz.» Im Weitern erwähnte er zwei Unfälle vom 4. August 1993 (Sturz von einem Dach aus 1,5 m Höhe mit linksseitiger Jochbeinschürfung, Rippenkontusion und Oberschenkelkontusion) und 15. Januar 1997 (Sturz von einer Leiter mit Kontusion/Distorsion des linken Handgelenks und linken Ellenbogens, ferner auch der mittleren Brustwirbelsäule und des Sakrums). Das Rückenweh bezeichnete Dr. med. W.________ als eigenständiges Geschehen. Im Übrigen hielt der Kreisarzt fest, ergonomisch gelte weiterhin die «Zumutbarkeit von 24.9.2002».
3.2 Die Akten belegen ein spätestens im Herbst 2001 nach der zweiten Operation einsetzendes Schonhinken mit entsprechender Fehlhaltung und Fehlbelastung. Der Versicherte klagte schon bald danach über Rückenschmerzen. In den medizinischen Unterlagen der Unfallversicherung finden sich keine Hinweise für ein aggravatorisches oder demonstratives Verhalten des Beschwerdeführers. Erstmals und einzig Dr. med. R.________ hielt in seinem Gutachten vom 10. Juni 2004 zu Handen der IV-Stelle Basel-Stadt fest, es bestehe eine gewisse Diskrepanz aus rein orthopädischer Sicht zwischen den geklagten Beschwerden am rechten Fuss und am Rücken und den klinisch und radiologisch erhobenen Befunden. Es kommt dazu, dass Kreisarzt Dr. med. W.________ auf Grund der Untersuchung vom 22. April 2003 die Arbeitsfähigkeit rein unfallbedingt, ohne die seiner Auffassung nach ein eigenständiges Geschehen bildenden Rückenschmerzen in Bestätigung der Beurteilung vom 25. September 2002 auf 50 % in leidensangepassten Tätigkeiten bezifferte. Dass sich der Gesundheitszustand bis zur Begutachtung durch Dr. med. R.________ am 4. Juni 2004 wesentlich änderte, ist auf Grund der Akten nicht anzunehmen. Bei dieser Aktenlage hätte wenigstens bei den behandelnden Ärzten des Kantonsspitals B.________ nach den möglichen Ursachen der geklagten Rückenschmerzen und den Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit gefragt werden müssen. Dass ein schmerzbedingtes Schonhinken zumindest im Sinne einer Teilursache zu einer Fehlbelastung und dadurch bedingten Rückenbeschwerden führen kann, steht ausser Frage (vgl. in diesem Zusammenhang Urteile G. vom 11. Februar 2005 [U 330/04] und M. vom 7. April 2000 [U 260/99]).
3.3 Die SUVA wird somit von den behandelnden Ärzten des Kantonsspitals B.________ Auskünfte zur Unfallkausalität der geklagten Rückenbeschwerden einzuholen haben. Je nach Ergebnis wird sie weitere Abklärungen vorzunehmen haben. Danach wird sie über die streitigen Leistungen (Invalidenrente ab 1. Dezember 2003, Integritätsentschädigung) neu verfügen.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 24. August 2005 und der Einspracheentscheid vom 13. August 2004 aufgehoben werden und die Sache an die SUVA zurückgewiesen wird, damit sie nach Abklärungen im Sinne der Erwägungen über den Anspruch auf eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung für die Folgen des Unfalles vom 8. Januar 2001 neu verfüge.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt hat die Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses festzusetzen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 26. April 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: