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[AZA 0] 
6S.894/1999/hev 
 
KASSATIONSHOF 
************************* 
 
26. Mai 2000 
 
Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger und Gerichtsschreiber Härri. 
 
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In Sachen 
 
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Bischofberger, Mellingerstrasse 6, Baden, 
 
gegen 
 
StaatsanwaltschaftdesKantons Zürich, 
 
betreffend 
Veruntreuung 
(Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB; Verwendung eines Darlehens entgegen dem vereinbarten Zweck), (Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. September 1999), hat sich ergeben: 
 
A.- A.________ beschäftigt sich mit internationalen Bauprojekten und ist an verschiedenen Gesellschaften beteiligt. B.________ beherrscht mehrere Gesellschaften, die sich mit der Verwaltung von Vermögen und mit Finanzierungen befassen. Eine dieser Gesellschaften ist die U.________ AG. 
 
A.________ ist alleiniger Aktionär der M.________ AG. Diese ist Eigentümerin eines Grundstückes in C.________/Italien. Für das Grundstück hat die Comune di C.________ der M.________ AG am 10. Oktober 1995 eine Baubewilligung erteilt. Nach italienischem Recht entfaltet die Baubewilligung ihre Wirkung erst, wenn die Gebühren dafür bezahlt sind. Werden die Gebühren für die sog. Auslösung der Baubewilligung nicht fristgerecht bezahlt, erhöhen sie sich in gewissen Abständen um Strafzuschläge. Die Baubewilligung wurde der M.________ AG am 23. Oktober 1995 eröffnet. Ab diesem Datum lief die Frist von 30 Tagen für die Bezahlung eines ersten Teilbetrages der Gebühren von insgesamt rund Fr. 150'000. --. 
 
Vor diesem Hintergrund nahm A.________, der nicht über die für die Auslösung der Baubewilligung nötigen liquiden Mittel verfügte, Kontakt auf mit B.________ im Hinblick auf eine kurzfristige finanzielle Überbrückung; das Ziel von A.________ war es, die Baubewilligung ohne Strafzuschläge auszulösen und das geliehene Geld nach dem Verkauf der Aktien der M.________ AG und damit - wirtschaftlich gesehen - nach dem Verkauf des Grundstückes zurückzuzahlen. Anlässlich der Verhandlungen mit B.________ über die darlehensweise Finanzierung der Gebühren legte A.________ einen Vertrag zwischen der I.________ AG (vertreten durch A.________) als Verkäuferin und den Herren X.________ und Y.________ als Käufer über den Verkauf der Aktien der M.________ AG vor; der Vertrag war von der Verkäuferin bereits unterschrieben, nicht aber von den Käufern. Der Kaufpreis war festgelegt auf rund Fr. 3,1 Millionen. A.________ erweckte den Eindruck, dass dieser Kaufvertrag nach Auslösung der Baubewilligung unverzüglich abgewickelt und mit dem erhaltenen Kaufpreis das Darlehen zurückbezahlt werden könne. A.________ verschwieg B.________, dass er gegen die Festsetzung der Gebühren für die Baubewilligung Rekurs erhoben hatte und die Gebühren zur Zahlung somit noch nicht fällig waren. 
 
Am 11. Dezember 1995 schlossen die U.________ AG als Darleiherin und A.________ als Borger einen schriftlichen Darlehensvertrag. Das Darlehen betrug Fr. 200'000. --. A.________ verpflichtete sich, der U.________ AG spätestens am 11. März 1996 den Darlehensbetrag plus eine Prämie von Fr. 12'000. -- zurückzuzahlen. Die Auszahlung des Darlehens erfolgte am Tag des Vertragsschlusses in bar an A.________. Als Sicherheit verpfändete A.________ sämtliche Aktien der M.________ AG, welche in einem Anwaltsbüro treuhänderisch zu Gunsten der U.________ AG hinterlegt wurden. A.________ versicherte, dass die M.________ AG alleinige Eigentümerin des Grundstückes in C.________ und dieses frei von Belastungen sei. Ferner sicherte er zu, die M.________ AG sei frei von Verbindlichkeiten. 
 
In Ziffer 3 des Darlehensvertrages wurde Folgendes festgehalten: 
 
"VERWENDUNGSZWECK 
 
- Zahlung der Gebühren an die Gemeindekasse C.________ zur Erlangung der Baubewilligung auf dem Grundstück (...) für die Errichtung von 3 kleinen Villen. Eine Kopie der Baubewilligung wird der U.________ AG nach Erhalt zugestellt. 
 
- Begleichung von Anwalts- und Gesellschaftsgebühren, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem erwähnten Baugrundstück stehen. " 
 
A.________ verwendete das Darlehen in der Folge für andere Zwecke. 
 
Die Parteien verlängerten die Laufzeit des Darlehens; als spätester Rückzahlungstermin wurde neu der 11. Juni 1996 festgelegt. A.________ zahlte das Darlehen nicht bis zum vereinbarten Termin zurück. Erst am 17. Dezember 1997 und am 7. Januar 1998 stattete er es in zwei Teilbeträgen zurück. 
 
B.- Am 23. September 1996 erhob die U.________ AG gegen A.________ Strafanzeige wegen des Verdachts auf Betrug und Veruntreuung. 
 
Mit Verfügung vom 12. November 1996 stellte die Bezirksanwaltschaft Meilen die Untersuchung ein. 
 
Den von der U.________ AG dagegen erhobenen Rekurs hiess der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Meilen (Dr. Egger) am 11. März 1997 in Bezug auf den Tatbestand der Veruntreuung gut. Hinsichtlich des Tatbestandes des Betruges wies der Einzelrichter den Rekurs ab. Er kam zum Schluss, es fehle am Tatbestandsmerkmal der Arglist. 
 
C.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Meilen (lic. iur. Meister) verurteilte am 17. August 1998 A.________ wegen Veruntreuung zu 6 Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren. 
 
D.- Auf Berufung von A.________ hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 28. September 1999 das erstinstanzliche Urteil. 
 
E.- A.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
F.- Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Die Vorinstanz legt dar, der Beschwerdeführer anerkenne den äusseren eingeklagten Sachverhalt, nämlich dass er den Darlehensvertrag unterzeichnet, den Darlehensbetrag in Empfang genommen, diesen nicht wie im Vertrag vermerkt verwendet und ihn erst verspätet zurückbezahlt habe. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass der im Darlehensvertrag festgehaltene Verwendungszweck entgegen der Bestreitung des Beschwerdeführers dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien entsprach. Die Vorinstanz verweist auf die Erwägungen der ersten Instanz zur Beweiswürdigung. 
Der erstinstanzliche Richter führt aus, es stehe fest, dass der Beschwerdeführer dem B.________ vor Vertragsunterzeichnung einen vorbereiteten und vom Beschwerdeführer bereits unterzeichneten Verkaufsvertrag betreffend das Grundstück in C.________ über eine Verkaufssumme von Fr. 3,1 Mio. vorgelegt habe. Die Aussage von B.________, der Beschwerdeführer habe ihm dabei erklärt, dass dieser Vertragsabschluss nur noch die Bezahlung der Baubewilligung voraussetze, erscheine als glaubwürdig. Sie passe insbesondere zur kurzfristigen Laufzeit des Darlehens von 3 Monaten und zur Verpflichtung des Beschwerdeführers, allfällige An- und Teilzahlungen beim Verkauf des Grundstücks zuerst und ausschliesslich zur Rückzahlung des Darlehens zu verwenden. Der Darlehensvertrag beruhe auf der Überzeugung des Beschwerdeführers und der Geschädigten, dass die zweckentsprechende Verwendung des Darlehens die Realisierbarkeit des Bauvorhabens in C.________ fördern und die Chancen des Verkaufs der Aktien der M.________ AG, namentlich mit Blick auf den beabsichtigten Verkauf an die Herren X.________ und Y.________, erhöhen würde. Die Geschädigte und der Beschwerdeführer hätten damit gerechnet, dass dies dem Beschwerdeführer die Mittel für die fristgerechte Rückzahlung des Darlehens in die Hand geben würde. Mit dem vereinbarten Darlehenszweck habe die Geschädigte versucht, ihr Verlustrisiko zu verringern. Die Vereinbarung des Darlehenszweckes stelle nebst dem Pfand eine zusätzliche Sicherheit für die Rückzahlung dar. 
 
Die kantonalen Instanzen bejahen die Werterhaltungspflicht des Beschwerdeführers. Der Tatbestand der Veruntreuung sei erfüllt. 
 
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, der Wert des Darlehens samt Zins, Prämien und Kosten sei immer erhalten geblieben. Das gewährte Darlehen sei durch die verpfändeten Aktien mehr als gedeckt gewesen. Es habe somit für die U.________ AG kein Verlustrisiko bestanden. Die kantonalen Instanzen hätten den Begriff der Werterhaltung falsch ausgelegt und damit Bundesrecht verletzt. 
 
2.- a) Gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist wegen Veruntreuung strafbar, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet. 
 
aa) Nach der Rechtsprechung kommt eine unrechtmässige Verwendung eines anvertrauten Vermögenswertes nur in Betracht, wenn der Treuhänder verpflichtet ist, dem Treugeber den Wert des Empfangenen ständig zu erhalten. Bei einem Darlehen, bei dem kein bestimmter Verwendungszweck verabredet ist, ist eine Pflicht des Borgers zur ständigen Werterhaltung zu verneinen. Der Borger darf mit dem Darlehen nach seinem Belieben wirtschaften. Er ist einzig verpflichtet, es zum vertraglichen oder gesetzlichen Termin zurückzuerstatten (vgl. Art. 318 OR). Die Annahme einer Veruntreuung fällt deshalb ausser Betracht. Anders kann es sich dagegen verhalten, wenn das Darlehen ausgerichtet wurde für einen bestimmten Zweck. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich aus der vertraglichen Abmachung eine Werterhaltungspflicht des Borgers ergibt. 
 
Diese mit BGE 120 IV 117 begründete Rechtsprechung wurde bestätigt in BGE 124 IV 9. Wie das Bundesgericht in diesem neueren Entscheid erwog, kommt die Annahme einer Veruntreuung in Betracht, wenn der Verwendungszweck des Darlehens festgelegt wurde im Hinblick auf das Interesse des Darleihers an der Begrenzung seines Verlustrisikos (E. 1d; vgl. auch Hans Wiprächtiger, Entwicklungen im revidierten Vermögensstrafrecht, AJP 1999 S. 379 ff.). 
 
bb) In BGE 120 IV 117 bejahte das Bundesgericht die Werterhaltungspflicht: Das Darlehen von Fr. 30'000. -- wurde dem Borger ausgerichtet, damit er es für den Erwerb einer Liegenschaft verwende und nach dem in Aussicht gestellten gewinnbringenden Weiterverkauf der Liegenschaft zurückzahle. Dabei handelte es sich um einen wesentlichen Vertragsbestandteil. Der Darleiher konnte davon ausgehen, dass der Borger bei einer vertragsgemässen Verwendung des Geldes über die Mittel zur Rückzahlung des Darlehens verfügen werde. Die Festlegung des Verwendungszwecks war für den Darleiher somit entscheidend im Hinblick auf die Begrenzung seines Verlustrisikos. Offensichtlich hätte er das Darlehen nicht gewährt, wenn er gewusst hätte, dass der stark überschuldete und über kein regelmässiges Einkommen verfügende Borger das Geld zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verwenden würde; diesfalls wäre der gänzliche Verlust der Fr. 30'000. -- absehbar gewesen. War der Borger aufgrund der getroffenen Vereinbarung gehalten, das Geld für den Kauf der Liegenschaft und für nichts anderes zu verwenden, so war er aber auch verpflichtet, es bis zum Erwerb der Liegenschaft treuhänderisch zu verwalten. Zum Darlehen trat insoweit ein Auftrag hinzu. Aufgrund dieses Auftrags war der Borger zur Werterhaltung verpflichtet. Indem er diese Pflicht missachtete und das Geld abmachungswidrig für eigene Bedürfnisse ausgab, machte er sich wegen Veruntreuung strafbar. 
 
Die Werterhaltungspflicht bejahte das Bundesgericht ebenso in BGE 124 IV 9, wo es um die vertragswidrige Verwendung von Baukrediten ging. Der Verwendungszweck der auszuzahlenden Gelder wurde festgelegt zur Begrenzung des Verlustrisikos des Darleihers. Nach den Baukreditverträgen durften die auf Rechnung des Baukredits bezogenen Gelder grundsätzlich nur verwendet werden zur Zahlung von Forderungen für Arbeit oder Material und Arbeit zusammen. Diese Vereinbarung wurde getroffen zur Sicherung der Kreditforderung der Bank. Beim Baukredit stellt die Bank dem Kreditnehmer regelmässig hohe Beträge zur Verfügung, die durch den Wert des Grundstücks allein nicht gedeckt sind. Die Sicherung des Kredits, die mit seiner fortschreitenden Inanspruchnahme jeweils entsprechend erhöht werden muss, wird nur dann erreicht, wenn die ausbezahlten Gelder in das Bauwerk investiert werden, das damit an Wert gewinnt. Verwendet der Kreditnehmer die Gelder für andere Zwecke, so wird die Sicherung des Kredits vereitelt. 
 
b) Der vorliegende Fall ist namentlich mit dem in BGE 120 IV 117 beurteilten weitgehend vergleichbar: Die U.________ AG konnte davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer bei vertragsgemässer Verwendung des Darlehens über die Mittel zur Rückzahlung verfügen würde. Denn nach den Erklärungen des Beschwerdeführers setzte der Verkauf der Aktien der M.________ AG für einen Millionenbetrag nur noch die Auslösung der Baubewilligung voraus. Die vertragsgemässe Verwendung des Darlehens war für die U.________ AG somit wesentlich für die Begrenzung ihres Verlustrisikos. Deshalb wurde der Zweck des Darlehens ausdrücklich in den Vertrag aufgenommen. Der Beschwerdeführer hatte das Darlehen für die Auslösung der Baubewilligung und für nichts anderes zu verwenden. Bis zur Auslösung der Baubewilligung hatte er das Empfangene treuhänderisch zu verwalten und unangetastet zu lassen. Zum Darlehen kam insoweit ein Auftrag hinzu. Die Werterhaltungspflicht ist zu bejahen. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Darlehensforderung sei durch die verpfändeten Aktien der M.________ AG gesichert gewesen; der Wert des Pfandes habe die Darlehensforderung um ein Vielfaches überstiegen. Darauf ist nicht einzutreten, weil die kantonalen Instanzen keine entsprechende tatsächliche Feststellung treffen (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Die U.________ AG hatte ein Pfandrecht nicht - wie der Beschwerdeführer vorbringt - am Grundstück, sondern an den Aktien der M.________ AG. Wie sich aus den Akten ergibt, hatte die M.________ AG im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erhebliche Schulden (Bilanz per 31. Dezember 1995; Einstellungsverfügung der Bezirksanwaltschaft Meilen vom 12. November 1996, S. 3 E. 3.2.). Der Wert des Pfandes war also fraglich. Wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde selber darlegt, gab es bei der Verwertung der Aktien denn auch Schwierigkeiten: Die U.________ AG versuchte sich durch die Verwertung der Aktien zu befriedigen; als dies misslang, erhob sie Strafanzeige. Im Übrigen musste die U.________ AG auch im Hinblick auf die Werthaltigkeit des Pfandes an der Verwendung des Darlehens gemäss dem vereinbarten Zweck ein Interesse haben. Denn mit der Auslösung der Baubewilligung hätten nach der Annahme der kantonalen Instanzen das Grundstück und folglich auch die Aktien der M.________ AG an Wert gewonnen. 
 
3.- Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 278 Abs. 1 BStP). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000. -- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Staatsanwaltschaft sowie dem Obergericht (II. Strafkammer) des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
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Lausanne, 26. Mai 2000 
 
Im Namen des Kassationshofes 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: