Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_331/2022
Urteil vom 26. Juli 2022
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Beusch,
Gerichtsschreiber Seiler.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger,
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich,
Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich.
Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 3. März 2022 (VB.2021.00476).
Erwägungen:
1.
1.1. Der im Jahr 1977 geborene A.________ ist Staatsangehöriger von Bangladesch. Er reiste am 22. März 2004 illegal in die Schweiz ein und ersuchte erfolglos um Asyl. Am 17. August 2004 heiratete A.________ die in der Schweiz niederlassungsberechtigte dominikanische Staatsangehörige B.________, worauf ihm eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. Am 19. August 2009 erhielt er die Niederlassungsbewiligung. Diese wurde ihm mit Verfügung des Migrationsamts des Kantons Zürich (Migrationsamt) entzogen, wobei diese Verfügung mit Urteil 2C_911/2011 des Bundesgerichts vom 3. Mai 2012 rechtskräftig wurde. Grund für den Widerruf der Niederlassungsbewilligung war das Vorliegen einer Scheinehe zwischen A.________ und B.________. A.________ verliess daraufhin die Schweiz, und seine Ehe mit B.________ wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 18. September 2012 geschieden.
Am 17. Juli 2015 heiratete A.________ in Dänemark die 1994 geborene und aus der Dominikanischen Republik stammende spanische Staatsangehörige C.________. Dieser war nach Vorlage eines Arbeitsvertrags mit der D.________ GmbH am 3. Juni 2015 eine bis am 3. Mai 2020 gültige Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zwecks unselbständiger Erwerbstätigkeit erteilt worden. Gestützt auf seine Heirat mit C.________ wurde A.________ am 17. September 2015 eine ebenfalls bis 3. Mai 2020 gültige Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA erteilt.
1.2. Nachdem das Migrationsamt aufgrund verschiedener Abklärungen zum Schluss gekommen war, dass es sich bei C.________s Arbeitsstelle um ein Scheinarbeitsverhältnis handle und die Ehe einzig aus aufenthaltsrechtlichen Gründen geschlossen worden sei, stellte es mit Verfügung vom 24. Juni 2019 fest, dass die Aufenthaltsbewilligung von C.________ erloschen war, widerrief A.________s Aufenthaltsbewilligung und wies beide aus der Schweiz weg.
Währenddem der Rekurs von C.________ zu einer sie betreffenden Wiedererwägung und zur Abschreibung des sie betreffenden Verfahrens führte, blieben die von A.________ gegen die Verfügung des Migrationsamts erhobenen kantonalen Rechtsmittel ohne Erfolg (Entscheid des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons Zürich vom 8. Juni 2021, Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 3. März 2022).
1.3. Mit Beschwerde vom 28. April 2022 beantragt A.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 3. März 2022 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass seine Aufenthaltsbewilligung nicht erloschen sei. Eventualiter beantragt er, dass ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen sei.
Mit Präsidialverfügung vom 29. April 2022 hat die Abteilungspräsidentin der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung erteilt. Sowohl das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich als auch das Migrationsamt verzichten auf Vernehmlassung.
2.
2.1. Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist spanische Staatsangehörige. Der Beschwerdeführer als ihr Gatte kann sich in vertretbarer Weise auf einen abgeleiteten Aufenthaltsanspruch im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens berufen (SR 0.142.112.681; Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a Anhang I FZA), weshalb Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht entgegensteht. Ob die Bewilligung des Beschwerdeführers wegen des Vorliegens einer Scheinehe zu Recht nicht verlängert wurde, ist praxisgemäss eine Frage der materiellen Beurteilung und keine solche des Eintretens (BGE 139 I 330 E. 1; Urteil 2C_906/2021 vom 1. Juni 2022 E. 1). Da auch alle weiteren Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG ), ist die Beschwerde an die Hand zu nehmen.
2.2. In Bezug auf die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten - und insbesondere von Art. 9 BV (Willkür) - gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.1 mit Hinweisen). Das Bundesgericht ist an die Feststellungen im angefochtenen Entscheid gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), solange diese nicht offensichtlich unrichtig sind (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 147 I 73 E. 2.2; 143 IV 241 E. 2.3.1; 140 III 115 E. 2). Inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung und die Sachverhaltsfeststellung klarerweise unhaltbar sein sollen, muss detailliert aufgezeigt werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2; 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen).
3.
Der Beschwerdeführer moniert unter dem Titel "Verletzung des rechtlichen Gehörs", das Migrationsamt hätte noch weitere Abklärungen treffen und die Möglichkeit zur Einreichung weiterer Beweismittel einräumen müssen, als es die vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen für nicht stichhaltig für den Nachweis einer tatsächlich gelebten Ehe gehalten habe. Diese Ausführungen betreffen die Sachverhaltsfeststellung. Sie genügen den einschlägigen Rügeanforderungen weder unter diesem Aspekt noch unter demjenigen der Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts (vgl. oben E. 2.2; Art. 106 Abs. 2 BGG). Sie erschöpfen sich weitgehend darin, dass der Beschwerdeführer Sachverhalt und Beweiswürdigung aus den gleichen Gründen wie im vorinstanzlichen Verfahren beanstandet und geltend macht, dass in den verschiedenen Elementen des Sachverhalts - entgegen der Annahme der Vorinstanz - keine Indizien für eine Umgehungsehe gesehen werden könnten. Auf die entsprechenden, appellatorisch gehaltenen Ausführungen in der Beschwerdeschrift wird im Folgenden nicht (vertieft) eingegangen (BGE 140 III 264 E. 2.3). Frei zu prüfen ist dagegen die Rechtsfrage, ob die festgestellten Tatsachen (Indizien) darauf schliessen lassen, die Berufung auf die Ehe erfolge rechtsmissbräuchlich oder bezwecke die Umgehung ausländerrechtlicher Vorschriften (BGE 128 II 145 E. 2.3; Urteile 2C_906/2021 vom 2. Juni 2022 E. 4.2; 2C_437/2021 vom 18. August 2021 E. 3.2).
4.
Der Beschwerdeführer beruft sich als Ehegatte einer Angehörigen eines FZA-Vertragsstaates auf ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a Anhang I FZA. Die Vorinstanz hat ein solches Aufenthaltsrecht verneint, weil sie die Ehe des Beschwerdeführers als Umgehungsehe und die Berufung darauf als rechtsmissbräuchlich eingestuft hat.
4.1. Die Vorinstanz gibt in ihrem Urteil die bundesgerichtliche Praxis zu den Erfordernissen, welche es zulassen, auf eine Umgehungsehe zu schliessen, zutreffend wieder; es kann diesbezüglich auf ihre Ausführungen verwiesen werden (E. 2.3 f. des angefochtenen Entscheids; Art. 109 Abs. 3 BGG). Erforderlich ist, dass der Wille zur Führung der Lebensgemeinschaft im Sinne einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen, körperlichen und spirituellen Verbindung zumindest bei einem Ehegatten fehlt (Urteile 2C_906/2021 vom 2. Juni 2022 E. 4.2; 2C_437/2021 vom 18. August 2021 E. 3.2, je mit weiteren Hinweisen). Zwar obliegt der Beweis für eine rechtsmissbräuchlich geschlossene oder aufrechterhaltene (Umgehungs-) Ehe der Migrationsbehörde; weisen die Indizien indessen mit grosser Wahrscheinlichkeit auf eine solche hin, ist es an der betroffenen Person, die entsprechende Vermutung zu entkräften (BGE 130 II 482 E. 3.2). Sie muss hierfür von sich aus Umstände vorbringen und belegen, die dagegen sprechen, dass durch die betroffene Ehe ausländerrechtliche Vorschriften umgangen werden sollen (Urteile 2C_906/2021 vom 2. Juni 2022 E. 4.3; 2C_437/2021 vom 18. August 2021 E. 4.1; je mit weiteren Hinweisen).
4.2. Die Vorinstanz berücksichtigte als Indizien den Umstand, (1) dass der Beschwerdeführer, nachdem er zuvor in der Schweiz erfolglos um Asyl nachgesucht hatte, eine hier aufenthaltsberechtige Frau heiratete, die darauf basierende Niederlassungsbewilligung aber später wegen Vorliegens einer Scheinehe widerrufen worden ist (vgl. E. 1.1); (2) dass die Hochzeit in Dänemark stattgefunden hat, einem Land, zu welchem keiner der beiden Ehegatten besondere Beziehungen unterhält, welches aber wegen seiner geringen administrativen Hürden für die Eingehung von Umgehungsehen bekannt ist; (3) dass die Trauung nach einer kurzen Kennenlernphase unter Ausschluss von Familienangehörigen und Freunden erfolgt ist; (4) dass der Beschwerdeführer schon einmal eine Scheinehe eingegangen ist, um eine Wegweisung aus der Schweiz zu verhindern; (5) dass die geschilderten Umstände des Kennenlernens, der Trauung sowie die eingangs erwähnten zeitlichen Abläufe der Einreise der Ehefrau des Beschwerdeführers in die Schweiz sowie des Nachzugs des Beschwerdeführers als Vorgehensweise der Vorinstanz bereits aus zahlreichen Verfahren bekannt sind (vgl. auch Urteil 2C_437/2021 vom 18. August 2021 E. 4.2); (6) dass die Gatten aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, die Ehefrau über keine Berufsbildung verfügt und deshalb einer im Hinblick auf die Eingehung von Scheinehen typischen Zielgruppe entspricht; (7) dass der Beschwerdeführer seine Ehefrau besonders in den ersten Ehejahren finanziell unterstützt und ihr so das Leben in der Schweiz ermöglicht hat; (8) dass der Beschwerdeführer und seine um 17 Jahre jüngere Ehefrau beide keine gemeinsame Sprache auf gutem Niveau sprechen; (9) dass der Beschwerdeführer ohne Heirat mit einer hier anwesenheitsberechtigten Person als beruflich nicht besonders qualifizierter Drittstaatsangehöriger keine realistische Aussichten auf Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung hatte; (10) dass die Ehegatten in ihren Befragungen einige (dargelegte) widersprüchliche Aussagen gemacht haben.
4.3. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass aufgrund dieser Indizien erhebliche Verdachtsmomente für eine lediglich zur Aufenthaltssicherung eingegangene oder zumindest aufrechterhaltene Ehebeziehung sprechen. Das vom Beschwerdeführer dagegen Vorgebrachte ist, sofern überhaupt zu hören (E. 3), nicht geeignet, die Sachverhaltsfeststellung bzw. die Beweiswürdigung als Ganzes infrage zu stellen, und die Annahme der Vorinstanz, dass gestützt hierauf eine "Umgehungsehe" anzunehmen sei, als offensichtlich unhaltbar erscheinen zu lassen. An der massgebenden Rechtsfrage vorbei gehen etwa auch die Ausführungen betreffend die Auslandabwesenheit der Ehefrau, und auch von einer unrichtigen Anwendung von Art. 90 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG; SR 142.20) kann keine Rede sein (vgl. zur Mitwirkungspflicht E. 4.1).
5.
5.1. Die mit Blick auf das Gesagte offensichtlich unbegründete Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG - mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den kantonalen Entscheid (Art. 102 Abs. 1 und Art. 109 Abs. 3 BGG ) - abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
5.2. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 26. Juli 2022
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Der Gerichtsschreiber: Seiler