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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_580/2022  
 
 
Urteil vom 26. Juli 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Hänni, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Gabriel Nigon, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe (DBA CH-FR), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung VI, vom 24. Juni 2022 (F-278/2021). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 11. Mai 2016 richtete die Direction Générale des Finances Publiques (nachfolgend: ersuchende Behörde) von Frankreich gestützt auf Art. 28 des Abkommens vom 9. September 1966 zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht (DBA CH-FR; SR 0.672.934.91) ein Amtshilfeersuchen an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). Die Angelegenheit durchlief im Zusammenhang mit acht Schlussverfügungen der ESTV vom 9. Februar 2018 sämtliche Rechtsmittelinstanzen. 
Im Anschluss an das (teilweise) amtlich publizierte Bundesgerichtsurteil 2C_653/2018 vom 26. Juli 2019 (BGE 146 II 150) nahm die ESTV die Bearbeitung sistierter Verfahren wieder auf, deren Ausgang von der (höchstrichterlichen) Beurteilung des Ersuchens vom 11. Mai 2016 abhängig war. In diesem Zuge gewährte die ESTV A.________ das rechtliche Gehör zur beabsichtigten Datenübermittlung an Frankreich, woraufhin diese am 21. September 2020 eine Stellungnahme einreichte. 
 
B.  
Mit Schlussverfügung vom 18. Dezember 2020 ordnete die ESTV die Leistung der Amtshilfe in Bezug auf die von der ersuchenden Behörde erfragten Bankinformationen betreffend A.________ an. Am 18. Januar 2021 erhob A.________ Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragte, es sei die Nichtigkeit der Schlussverfügung vom 18. Dezember 2020 festzustellen und die ESTV sei anzuweisen, die im Annex A ersichtlichen Informationen zu vernichten. Eventualiter sei die Schlussverfügung vom 18. Dezember 2020 aufzuheben. Subeventualiter sei bei der ersuchenden Behörde eine verbindliche Erklärung einzuholen, mit welcher sie garantiere, dass die französischen Behörden unter Beachtung der Verfolgungsverjährung die mutmasslichen Steuerschulden der Steuerperiode 2010 einfordern könnten. Subsubeventualiter seien die zu übermittelnden Informationen zu berichtigen. Subsubsubeventualiter sei die Angelegenheit an die ESTV zurückzuweisen. Mit Urteil vom 24. Juni 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 14. Juli 2022 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils vom 24. Juni 2022. Es sei die ESTV anzuweisen, dem Amtshilfeersuchen nicht Folge zu leisten und die im Annex A ersichtlichen Informationen zu vernichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 146 II 276 E. 1; 141 II 113 E. 1). 
 
1.1. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 133 IV 131 E. 3).  
Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann - namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_1037/2019 vom 27. August 2020 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 II 116). 
 
1.2. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass das Bundesgericht im (teilweise) amtlich publizierten Bundesgerichtsurteil 2C_653/2018 vom 26. Juli 2019 (BGE 146 II 150) die Frage offengelassen habe, inwiefern einem Amtshilfeersuchen entsprochen werden dürfe, wenn damit offensichtlich entgegenstehende Grundrechte - namentlich Art. 13 BV, Art. 8 EMRK und Art. 17 des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2) - bei der vom Amtshilfeersuchen konkret betroffenen Person individuell verletzt würden. Es gelte deshalb zu klären, ob im Rahmen von Listenersuchen generell das fiskalische Interesse eines Staats höher zu gewichten sei als die Grundrechte der einzelnen betroffenen Person. Dies müsse insbesondere dann gelten, wenn die öffentlichen Interessen eines Staats aufgrund einer bereits eingetretenen "Verfolgungsverjährung" gar nicht mehr bestünden.  
 
1.3. Die Beschwerdeführerin hält ihren Anspruch auf Achtung des Privatlebens im Sinne von Art. 13 BV, Art. 8 EMRK und Art. 17 UNO-Pakt II für verletzt. Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang bereits dargelegt, dass Personen, deren Informationen an ausländische Behörden übermittelt werden sollten, aufgrund von Art. 13 BV und Art. 8 EMRK und dem aus diesen Bestimmungen abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung einen Anspruch hätten, sich gegen eine ohne gesetzliche Grundlage oder gesetzeswidrig erfolgende Datenübermittlung zu wehren (vgl. Urteil 2C_687/2019 vom 13. Juli 2020 E. 6.2 mit Hinweis auf das Urteil des EGMR M.N. und weitere gegen San Marino vom 7. Juli 2015 [Nr. 28005/12] §§ 78 ff.). In BGE 147 II 13 hat das Bundesgericht sodann wiederholt ausgeführt, die Amtshilfebestimmungen setzten jeweils voraus, dass die ersuchten Informationen für den vom ersuchten Staat verfolgten Steuerzweck notwendig oder voraussichtlich erheblich sein müssten, um den Eingriff in die von Art. 13 BV, Art. 8 EMRK und Art. 17 UNO-Pakt II garantierte Privatsphäre der betroffenen Personen so mild wie möglich zu halten (vgl. BGE 147 II 13 E. 3.4.2; vgl. auch BGE 139 II 404 E. 7.1 und E. 7.2.3).  
 
1.4. Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage ist daher geklärt: Es gilt, dass ein (überwiegendes) öffentliches Interesse an der Ermöglichung der Amtshilfe besteht, deren Durchführung aber verhältnismässig auszuüben ist, was mit dem Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit gewährleistet wird. Mit Blick auf das vorliegende Listenersuchen vom 11. Mai 2016 hat sich das Bundesgericht bereits zur Einhaltung des Erfordernisses der voraussichtlichen Erheblichkeit geäussert (vgl. BGE 146 II 150 E. 6). An dieser Beurteilung vermag auch der allfällige Eintritt der Verjährung nach dem ausländischen Recht des ersuchenden Staats nichts zu ändern (vgl. Urteile 2C_662/2021 und 2C_663/2021 vom 18. März 2022 E. 5.4.2). Soweit das nationale Verfahrensrecht des ersuchenden Staats einer Verwertung der im Amtshilfeverfahren ersuchten Informationen entgegensteht, hat die betroffene Person dies nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung im Grundsatz vor den Behörden des ersuchenden Staats geltend zu machen (vgl. BGE 144 II 206 E. 4.6; 142 II 218 E. 3.6 f.; 142 II 161 E. 2.2; Urteile 2C_662/2021 und 2C_663/2021 vom 18. März 2022 E. 5.4.1; 2C_241/2016 vom 7. April 2017 E. 5.4). Folglich ist die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage beantwortet und stellt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG dar.  
 
2.  
Im Ergebnis ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung VI, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. Juli 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger