Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_206/2022
Urteil vom 26. Juli 2022
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin May Canellas,
Gerichtsschreiber Stähle.
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
3. C.A.________,
4. D.A.________,
5. E.A.________,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Philipp Dobler,
Beschwerdeführer,
gegen
F.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Walter Fritsche,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Forderung; Schuldanerkennung,
Beschwerde gegen das Urteil des
Kantonsgerichts Schwyz, 1. Zivilkammer, vom 29. März 2022 (ZK1 2021 9).
Sachverhalt:
A.
A.a. G.A.________ hat zehn Kinder, darunter A.A.________, B.A.________, C.A.________, D.A.________ und E.A.________ (zusammen: Beklagte 1-5, Beschwerdeführer 1-5) sowie F.A.________ (Kläger, Beschwerdegegner).
A.b. Mit zwei öffentlich beurkundeten, jeweils als "Abtretungsvertrag" bezeichneten Vereinbarungen vom 29. Dezember 2011 und vom 17. Dezember 2012 übereignete G.A.________ den fünf Beklagten die Liegenschaft KTN xxx U.________ als "Erbvorbezug" zu einem "Anrechnungswert" von Fr. 1'475'600.--.
Mit öffentlich beurkundetem Erbvertrag vom 17. Dezember 2012 vereinbarten die Parteien, dass die fünf Beklagten den anderen fünf Geschwistern (darunter dem Kläger) "für die Liegenschaft Nr. xxx" insgesamt Fr. 1'475'600.--, somit je Fr. 295'120.--, zu bezahlen hätten.
A.c. Mit "Schuldscheinen" vom 11. Dezember 2013 anerkannten die fünf Beklagten unterschriftlich, dem Kläger je Fr. 59'024.-- (insgesamt somit Fr. 295'120.--) zu schulden. Sie verpflichteten sich je einzeln, jeweils den Betrag von Fr. 59'024.-- "bis spätestens 31. Dezember 2014 in voller Höhe zurückzuzahlen".
Am 17. August 2017 forderte der Kläger die fünf Beklagten auf, die in den Schuldscheinen anerkannten Beträge (insgesamt Fr. 295'120.--) bis spätestens am 30. August 2017 zu überweisen. Die Beklagten überwiesen am 13. September 2017 (insgesamt) Fr. 139'746.50.
B.
Am 12. Oktober 2018 reichte der Kläger beim Bezirksgericht March eine Klage gegen die fünf Beklagten ein.
Er machte geltend, die Beklagten hätten sich mit den Schuldanerkennungen vom 11. Dezember 2013 verpflichtet, ihm je Fr. 59'024.-- zu bezahlen. Überwiesen hätten sie insgesamt indes erst Fr. 139'746.50, mithin Fr. 27'949.30 pro Beklagter. Die Differenz von Fr. 31'074.70 (Fr. 59'024.-- abzüglich Fr. 27'949.30) pro Beklagter sei noch ausstehend.
Der Kläger verlangte folglich mit der Klage, die Beklagten seien zu verurteilen, ihm je Fr. 31'074.70 nebst Zins und Vermittlungskosten zu bezahlen.
Die Beklagten trugen auf Abweisung der Klage an.
Mit Urteil vom 16. Dezember 2020 hiess das Bezirksgericht die Klage gut.
Die dagegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht Schwyz mit Urteil vom 29. März 2022 ab, soweit es darauf eintrat.
C.
Die Beklagten verlangen mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und die Klage sei abzuweisen.
Der Beschwerdegegner beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten. Eventualiter sei sie abzuweisen. Das Kantonsgericht verzichtete auf Vernehmlassung.
Mit Präsidialverfügung vom 29. Juni 2022 wurde das von den Beschwerdeführern gestellte Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.
Erwägungen:
1.
Das angefochtene Urteil des Kantonsgerichts ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer Vorinstanz im Sinne von Art. 75 BGG. Weiter übersteigt der Streitwert den nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG geltenden Mindestbetrag von Fr. 30'000.--.
2.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen).
3.
3.1. Mit einer Schuldanerkennung (Schuldbekenntnis) erklärt der Anerkennende dem Anerkennungsempfänger, dass er ihm gegenüber eine Schuld hat. Sie ist "abstrakt", wenn der Verpflichtungsgrund nicht angegeben wird. Eine solche abstrakte Schuldanerkennung ist gültig (Art. 17 OR).
3.2. Eine Schuldanerkennung bewirkt die Umkehr der Beweislast: Der Gläubiger muss weder den Rechtsgrund seiner Forderung noch die Verwirklichung anderer als der in der Urkunde aufgeführten Bedingungen beweisen. Er kann sich allein auf die Schuldanerkennung stützen, um vom Schuldner Bezahlung zu verlangen (BGE 131 III 268 E. 3.2; Urteile 4A_482/2019 vom 10. November 2020 E. 3; 4A_600/2018 vom 1. April 2019 E. 5.2; 4A_69/2018 vom 12. Februar 2019 E. 5.1; 4A_201/2018 vom 12. Februar 2019 E. 3.1; 4A_152/2013 vom 20. September 2013 E. 2.3).
3.3. Materiell hängt die Schuldanerkennung - auch die abstrakte - aber von der Gültigkeit der zugrunde liegenden Schuld ab. Dabei obliegt es dem Schuldner, der die Schuld bestreitet, den Entstehungsgrund aufzudecken, auf dem die (abstrakt) anerkannte Schuld beruht, und darzulegen, dass dieser Rechtsgrund nicht gültig ist, zum Beispiel weil der Anerkennung überhaupt kein Rechtsgrund zugrunde liegt oder dieser nichtig (Art. 19 und Art. 20 OR ), rechtsungültig oder simuliert (Art. 18 Abs. 1 OR) ist. Der Schuldner kann sich grundsätzlich auf sämtliche Einreden und Einwendungen (Erfüllung, Nichterfüllung, Verjährung etc.) berufen, die sich gegen die anerkannte Schuld richten (BGE 131 III 268 E. 3.2; 100 III 79 E. 6; Urteile 4A_482/2019 vom 10. November 2020 E. 3 und 5.1; 4A_600/2018 vom 1. April 2019 E. 5.2; 4A_69/2018 vom 12. Februar 2019 E. 5.1; 4A_147/2014 vom 19. November 2014 E. 4.4.1; 4A_152/2013 vom 20. September 2013 E. 2.3; je mit Hinweisen).
Nur ausnahmsweise ist mit der Schuldanerkennung eine zusätzliche Abrede verbunden, dass der Schuldner bezüglich der anerkannten Schuld auf bestimmte Einreden verzichte. Ein solcher Einredeverzicht ist nicht leichthin anzunehmen und muss eindeutig sein, da er für den Schuldner von grosser Tragweite ist. Die Beweislast für eine derartige Einredebeschränkung trägt der Gläubiger (Urteile 4A_8/2020 vom 9. April 2020 E. 4.2; 4A_147/2014 vom 19. November 2014 E. 4.4.1; 4A_459/2013 vom 22. Januar 2014 E. 3.3).
4.
4.1. Der Beschwerdegegner stützte seine Klage auf die Schuldanerkennungen vom 11. Dezember 2013 (Sachverhalt Bst. A.c).
4.2. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, dass die in den Schuldbekenntnissen anerkannte (angebliche) Schuld gegenüber dem Beschwerdegegner in Höhe von insgesamt Fr. 295'120.-- auf dem Erbvertrag beruhe (erbvertraglich vereinbarte "Ausgleichszahlung" von insgesamt Fr. 1'475'600.--, dividiert durch fünf Geschwister, ergibt je Fr. 295'120.-- [Sachverhalt Bst. A.b]). Indes enthalte der Erbvertrag einen "Rechnungsfehler", und zwar wie folgt:
Für das von ihnen (den Beschwerdeführern) übernommene Grundstück (KTN xxx U.________) sei ein Anrechnungswert von Fr. 1'475'600.-- vereinbart worden. Im Zuge des "Erbvorbezugs" habe die Mutter auf die Bezahlung des Anrechnungswerts verzichtet. Dieser Wert hätte unter den zehn Geschwistern aufgeteilt respektive ihnen angerechnet werden sollen. Dabei habe der Notar die "Kaufsumme" von Fr. 1'475'600.-- durch die fünf anderen Geschwister geteilt, und entsprechend sei im Text des Erbvertrags festgehalten worden, dass die Beschwerdeführer jedem ihrer fünf (anderen) Geschwister einen Fünftel dieser Summe, entsprechend Fr. 295'120.--, bezahlen müssten. Es sei übersehen worden, dass auch sie (die fünf Beschwerdeführer) "Teil der Erbengemeinschaft der Mutter" seien. Richtigerweise hätte - so die Beschwerdeführer - der Anrechnungswert durch zehn Köpfe dividiert werden müssen, das heisst, die anderen fünf Geschwister (darunter der Beschwerdegegner) wären bei "richtiger Berechnung" mit je Fr. 147'560.-- (statt Fr. 295'120.--) auszubezahlen gewesen.
Die "falsche Zahl" im Erbvertrag sei in die Schuldanerkennungen übernommen worden, sodass auch diese auf einem "Kalkulationsirrtum" beruhten und entsprechend zu berichtigen seien.
5.
5.1. Das Bezirksgericht hielt fest, bei den "Schuldscheinen" vom 11. Dezember 2013 handle es sich um abstrakte Schuldanerkennungen im Sinne von Art. 17 OR. Die Beschwerdeführer hätten vorbehalt- und bedingungslos erklärt, die Schuld bis am 31. Dezember 2014 zu bezahlen. Daraus und auch aus den Umständen sowie ihrem Verhalten ergebe sich, dass sie auf Einreden verzichtet hätten, die sich (im Grundverhältnis) gegen die anerkannte Schuld richteten. Die Einrede, der zugrunde liegende Erbvertrag beruhe auf einem Rechnungsfehler, sei ihnen folglich verwehrt.
In einer Eventualbegründung führte das Bezirksgericht aus, dass ohnehin der Erbvertrag keinen Rechnungsfehler enthalte. Denn aus der Vorgeschichte und verschiedenen Verträgen ergebe sich, dass es dem Willen aller Parteien entsprochen habe, den Anrechnungswert von Fr. 1'475'600.-- lediglich durch fünf Köpfe zu teilen.
Schliesslich hob das Bezirksgericht in einer Subeventualbegründung hervor, dass Rechnungsfehler nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen sowieso nur ins Gewicht fielen, wenn die Berechnungsgrundlage selbst zum Inhalt des Vertrags geworden sei. Dies sei vorliegend nicht geschehen.
Aus all diesen Gründen dringe die gegen die Schuldanerkennung gerichtete "Einrede des Rechnungsfehlers" der Beschwerdeführer nicht durch.
5.2. Das Kantonsgericht schützte diese Erwägungen, teilweise in der Sache, teilweise mangels rechtsgenügender Berufungsbegründung.
6.
Die Beschwerdeführer berufen sich auch vor Bundesgericht auf den angeblichen "Berechnungsfehler" im Erbvertrag. Das im Vertrag "gefundene Resultat" sei "falsch". Von den Parteien gewollt sei eine Aufteilung des "Anrechnungswerts" auf alle zehn Geschwister (Ausgleichszahlung von je Fr. 147'560.--) und nicht einzig auf die fünf anderen Geschwister (Ausgleichszahlung von je Fr. 295'120.--). Letzteres entspreche nicht dem "erbvertraglichen Willen der Mutter und der 10 Kinder". Demgemäss beharren die Beschwerdeführer darauf, dass die in den Schuldbekenntnissen attestierte (aus dem Erbvertrag resultierende) Schuld nicht im anerkannten Umfang bestehe. Das Schuldbekenntnis sei entsprechend "zu korrigieren". Sie verweisen in diesem Zusammenhang namentlich auf die Irrtumsregeln.
Nun ist es zwar richtig, dass dem Schuldner gegebenenfalls der Beweis offen steht, die anerkannte Schuld bestehe nicht oder nicht im anerkannten Umfang (Erwägung 3.2). Auch hat das Bundesgericht schon die Anfechtung einer Schuldanerkennung gestützt auf Art. 23 ff. OR für Fälle in Betracht gezogen, in denen der Anerkennende irrtümlich glaubt, die zu anerkennende Schuld bestehe, obwohl dies in Tat und Wahrheit nicht oder nicht im entsprechenden Umfang der Fall ist (BGE 96 II 25 E. 1; Urteile 5A_652/2011 vom 28. Februar 2012 E. 3.2.2; 4C.53/2001 vom 17. August 2001 E. 2b; siehe auch BGE 134 III 643 E. 5.3, 5.3.1 und 5.3.2; Urteil 4A_69/2018 vom 12. Februar 2019 E. 5.1). Jedenfalls ist denkbar, dass bei einer auf eine Schuldanerkennung gestützten Klage das Grundverhältnis, mithin das Bestehen und der Umfang der anerkannten Schuld, zum Thema gemacht wird.
Allein, die Behauptung der Beschwerdeführer, die den Schuldanerkennungen zugrunde liegende Schuld existiere nicht (in diesem Umfang), weil die im Erbvertrag vereinbarte Ausgleichszahlung von Fr. 295'120.-- nicht in dieser Höhe gewollt gewesen sei, findet in den Feststellungen im angefochtenen Urteil keine Stütze. Dort ist in sachverhaltlicher Hinsicht im Gegenteil festgestellt, dass die fünf Beschwerdeführer bei Abschluss des Erbvertrags den tatsächlichen Willen gehabt hätten, den anderen fünf Geschwistern die "öffentlich beurkundet festgesetzten Beträge in voller Höhe" (je Fr. 295'120.--) zu bezahlen, und dass ein tatsächlicher Konsens zwischen den Parteien über diese Höhe bestanden habe. Entsprechend hätten die Mutter und die Kinder mehrfach ausdrücklich zu Papier gebracht, dass der Anrechnungswert nicht auf alle zehn Kinder, sondern nur auf die fünf anderen Geschwister verteilt werden solle, und dies sei in tatsächlicher Hinsicht denn auch vereinbart worden. Die Beschwerdeführer zeigen mit der blossen These, die Parteien und der den Vertrag ausarbeitende Amtsnotar hätten "wohl" nicht berücksichtigt, dass sie (die Beschwerdeführer) auch Teil der Erbengemeinschaft der Mutter seien, und demzufolge sei unrichtig gerechnet worden, nicht auf, dass die in den Schuldbekenntnissen anerkannte Schuld nicht im eingeklagten Umfang besteht. Dabei hat es sein Bewenden.
Ob mit den Schuldanerkennungen ein Einredeverzicht verbunden war und inwiefern sich ein solcher Verzicht auf den hier geltend gemachten "Berechnungsfehler" auswirken würde, kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben.
7.
Der pauschal erhobene Vorwurf, die Vorinstanzen hätten "keine Beweise abgenommen, weshalb sie das rechtliche Gehör der Beschwerdeführer verletzten", wird nicht weiter begründet. Insbesondere zeigen die Beschwerdeführer nicht mit Aktenbelegen auf, dass sie im kantonalen Verfahren zu entscheiderheblichen Behauptungen form- und fristgerecht Beweisanträge gestellt hätten, welche übergangen worden wären. Auf diese Kritik ist folglich nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG ).
8.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer unter solidarischer Haftbarkeit kosten- und entschädigungspflichtig (siehe Art. 66 Abs. 1 und 5 sowie Art. 68 Abs. 1, 2 und 4 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'500.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführer haben den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit Fr. 6'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Juli 2022
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Kiss
Der Gerichtsschreiber: Stähle