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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_466/2023  
 
 
Urteil vom 26. August 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hofmann, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Luzia Vetterli, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, Postfach 3439, 6003 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Landesverweisung; Ermittlungspflicht, Begründungspflicht, rechtliches Gehör etc., 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 5. Dezember 2022 (4M 22 2). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Kriminalgericht Luzern verurteilte A.________ wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und Raufhandels am 28. Oktober 2021 zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten, unter Anrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft. Es verwies ihn für die Dauer von 15 Jahren des Landes. 
 
B.  
Auf Berufung hin verurteilte das Kantonsgericht Luzern A.________ mit Urteil vom 5. Dezember 2022 wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zum Nachteil von B.________ und Raufhandels zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 9 Monaten, unter Anrechnung der erstandenen Haft. Weiter verwies es ihn für 11 Jahre des Landes. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, Ziffer 4 des Dispositivs des Urteils des Kantonsgerichts Luzern vom 5. Dezember 2022 sei aufzuheben und es sei von einer Landesverweisung abzusehen. Eventualiter sei die Sache in diesem Punkt zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. A.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Das Kantonsgericht Luzern verzichtet mit Eingabe vom 17. Juni 2024 auf eine Vernehmlassung. Die Staatsanwaltschaft führt mit Eingabe vom 17. Juni 2024 aus, der Beschwerdeführer habe durch seine Delinquenz in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit verstossen und von ihm gehe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Auf die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde des verurteilten Beschuldigten (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG) gegen den kantonal letztinstanzlichen (Art. 80 Abs. 1 BGG), verfahrensabschliessenden Entscheid (Art. 90 BGG) eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG) betreffend eine Strafsache (Art. 78 Abs. 1 BGG) ist unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Landesverweisung. Er macht geltend, die Vorinstanz verletze bei der Prüfung der Landesverweisung seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie setze sich nicht bzw. nur ungenügend mit seiner Flüchtlingseigenschaft, seinen persönlichen Verhältnissen (er sei homosexuell, sein Vater und Bruder seien in Somalia getötet worden, er selbst sei inhaftiert gewesen und geflüchtet bzw. gegen ihn sei ein Todesurteil ausgesprochen worden) und der allgemeinen Lage in seinem Heimatland auseinander, dies sowohl in sachverhaltsmässiger wie in rechtlicher Hinsicht. Insoweit unterlasse die Vorinstanz die gebotene Prüfung von Vollzugshindernissen nach Art. 66d Abs. 1 lit. a und lit. b StGB, den Bestimmungen der EMRK und der Flüchtlingskonvention. Die Landesverweisung sei nicht verhältnismässig. Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO, Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK und Art. 32 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention, FK; SR 0.142.30) seien verletzt.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. a StGB verweist das Gericht den Ausländer, der wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5-15 Jahre des Landes.  
 
2.2.2. Von der Anordnung der Landesverweisung kann nur "ausnahmsweise" unter den kumulativen Voraussetzungen abgesehen werden, dass sie (1.) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen (Art. 66a Abs. 2 Satz 1 StGB; sog. Härtefallklausel).  
Das Bundesgericht hat wiederholt dargelegt, welche Kriterien bei der Prüfung des persönlichen Härtefalls und der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind (BGE 146 IV 105 E. 3.4; 144 IV 332 E. 3.3; je mit Hinweisen). Ebenso hat es sich bei der Beurteilung der Landesverweisung bereits mehrfach zum Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 13 BV und Art. 8 EMRK) und der diesbezüglichen Rechtsprechung des EGMR geäussert (BGE 146 IV 105 E. 4.2; 147 I 268 E. 1.2.3; je mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. 
 
2.3. Art. 66d StGB regelt den Vollzug der obligatorischen Landesverweisung im Sinne von Art. 66a StGB. Allfällige Vollzugshindernisse spielen schon bei der strafgerichtlichen Anordnung der Landesverweisung nach Art. 66a Abs. 2 StGB, d.h. bei der dort vorgesehenen Interessenabwägung, eine Rolle (BGE 147 IV 453 E. 1.4.5; 145 IV 455 E. 9.4; 144 IV 332 E. 3.3; je mit Hinweisen). Das Sachgericht berücksichtigt solche Hindernisse, soweit die unter Verhältnismässigkeitsaspekten erheblichen Verhältnisse stabil und die rechtliche Durchführbarkeit der Landesverweisung definitiv bestimmbar sind (Urteil 6B_919/2023 vom 10. Juli 2024 E. 4.3.4 mit Hinweisen). Es ist dem Non-refoulement-Gebot (Art. 25 Abs. 2 BV; Art. 5 Abs. 1 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31]; Art. 33 FK; Art. 3 des UN-Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [SR 0.105; nachfolgend UN-Übereinkommen gegen Folter]) und anderen völkerrechtlich zwingenden Bestimmungen auf der Ebene des Vollzugs Rechnung zu tragen (vgl. Art. 66d Abs. 1 StGB; vorbehalten Art. 5 Abs. 2 AsylG und Art. 33 Ziff. 2 FK; Urteil 6B_747/2019 vom 24. Juni 2020 E. 2.1.2). Liegt ein definitives Vollzugshindernis vor, so hat der Sachrichter auf die Anordnung der Landesverweisung zu verzichten (BGE 149 IV 231 E. 2.1.2; 147 IV 453 E. 1.4.5; je mit Hinweisen). Im Übrigen sind die Vollzugsbehörden zur Prüfung allfälliger Vollzugshindernisse, welche zum Zeitpunkt des Sachurteils noch nicht feststehen, zuständig (Urteil 6B_988/2023 vom 5. Juli 2024 E. 1.8.1 mit Hinweisen).  
 
2.4. Der Vollzug der obligatorischen Landesverweisung kann gemäss Art. 66d Abs. 1 lit. a erster Teilsatz StGB aufgeschoben werden, wenn der Betroffene ein von der Schweiz anerkannter Flüchtling ist und durch die Landesverweisung sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen gefährdet wäre; davon ausgenommen ist der Flüchtling, der sich gemäss Art. 5 Abs. 2 AsylG nicht auf das Rückschiebungsverbot berufen kann (Art. 66d Abs. 1 lit. a zweiter Teilsatz StGB). Gemäss Art. 66d Abs. 1 lit. b StGB kann der Vollzug auch aufgeschoben werden, wenn andere zwingende Bestimmungen des Völkerrechts entgegenstehen.  
Das (flüchtlingsrechtliche) Non-refoulement-Gebot im Sinne von Art. 66d Abs. 1 lit. a StGB stellt ein relatives Vollzugshindernis dar, welches an die Flüchtlingseigenschaft des Betroffenen anknüpft. Die Ausnahme vom Non-refoulement-Gebot im Sinne von Art. 66d Abs. 1 lit. a zweiter Teilsatz StGB ist restriktiv anzuwenden. Voraussetzung ist, dass vom Täter für die Allgemeinheit des Zufluchtsstaates eine schwerwiegende Gefährdung ausgeht. Das (menschenrechtliche) Non-refoulement-Gebot im Sinne von Art. 66d Abs. 1 lit. b StGB gilt absolut, und verhindert unabhängig eines ausländerrechtlichen Status, der begangenen Straftaten oder des Gefährdungspotentials des Betroffenen eine Ausschaffung (Urteil 6B_988/2023 vom 5. Juli 2024 E. 1.8.1 mit Hinweisen). 
 
2.5. Gemäss Art. 5 Abs. 1 AsylG darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden. Ein Flüchtling kann sich gemäss Art. 5 Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 66d Abs. 1 lit. a zweiter Teilsatz StGB nicht auf das Rückschiebungsverbot berufen, wenn erhebliche Gründe für die Annahme vorliegen, dass er die Sicherheit der Schweiz gefährdet, oder wenn er als gemeingefährlich einzustufen ist, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist (Urteil 6B_1493/2022 vom 22. Juni 2023 E. 3.1.3; vgl. auch Urteile 6B_551/2021 vom 17. September 2021 E. 3.3.2; 6B_1102/2020 vom 20. Mai 2021 E. 3.4.5 zu Art. 32 und Art. 33 FK).  
Für den Begriff des besonders schweren Verbrechens oder Vergehens sind Art. 65 AsylG i.V.m. Art. 63 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20) heranzuziehen. Art. 65 AsylG verweist unter Vorbehalt von Art. 5 AsylG zur Weg- oder Ausweisung von Flüchtlingen insbesondere auf Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG. Nach dieser Bestimmung kann die Niederlassungsbewilligung nur widerrufen werden, wenn die Ausländerin oder der Ausländer in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet. Wenn die ausländische Person durch ihre Handlungen besonders hochwertige Rechtsgüter, wie namentlich die körperliche, psychische und sexuelle Integrität eines Menschen verletzt oder gefährdet hat, werden die qualifizierten Voraussetzungen erfüllt und verstösst sie gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Regel in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz. Bereits vergleichsweise weniger gravierende Pflichtverletzungen können als "schwerwiegend" im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG bezeichnet werden, namentlich wenn sich eine ausländische Person von strafrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken lässt und damit zeigt, dass sie auch zukünftig weder gewillt noch fähig ist, sich an die Rechtsordnung zu halten. Ob der Ausländer willens und in der Lage ist, sich in die hier geltende Ordnung einzufügen, kann nur anhand einer Gesamtbetrachtung seines Verhaltens beurteilt werden. Hieraus folgerte das Bundesgericht in früheren Entscheiden, dass auch eine Summierung von Verstössen, die für sich genommen für einen Widerruf nicht ausreichen würden, einen Bewilligungsentzug rechtfertigen könne; sogar das Bestehen von privatrechtlichen Schulden könne gegebenenfalls einen schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, wenn die Verschuldung mutwillig erfolgt ist (BGE 137 II 297 E. 3.3; Urteile 6B_1042/2021 vom 24. Mai 2023; 6B_45/2020 vom 14. März 2022 E. 3.3.4; je mit Hinweisen). 
 
2.6. Gemäss Art. 25 Abs. 2 BV dürfen Flüchtlinge nicht in einen Staat ausgeschafft oder ausgeliefert werden, in dem sie verfolgt werden. Niemand darf in einen Staat ausgeschafft werden, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht (Art. 25 Abs. 3 BV). Gemäss Art. 3 Ziff. 1 UN-Übereinkommen gegen Folter darf ein Vertragsstaat eine Person nicht in einen anderen Staat ausweisen, abschieben oder an diesen ausliefern, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie dort Gefahr liefe, gefoltert zu werden. Weiter regelt auch Art. 3 EMRK, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. Gemäss der Rechtsprechung des EGMR sind, um ein solches reelles Risiko zu bejahen, restriktive Kriterien anzuwenden. Es gilt unter Betrachtung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu erörtern, ob das Risiko einer Behandlung oder Strafe im Sinne von Art. 3 EMRK für den Fall einer Landesverweisung mit stichhaltigen Gründen konkret und ernsthaft glaubhaft gemacht wird (Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [EGMR] F.G. gegen Schweden vom 23. März 2016, Nr. 43611/11, § 113; Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Nr. 37201/06], § 125 und 128; Chahal gegen Grossbritannien vom 15. November 1996, Nr. 22414/93, § 74 und 96; zum Ganzen vgl. BGE 149 IV 231 E. 2.1.5; Urteil 6B_988/2023 vom 5. Juli 2024 E. 1.8.1 mit Hinweisen).  
Um unter Art. 3 EMRK zu fallen, muss eine Behandlung ein Mindestmass an Schwere erreichen. Die Würdigung des Mindestmasses hängt von den gesamten Umständen des Falls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie allenfalls von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand der betroffenen Person. Zu berücksichtigen sind ferner der Zweck der Behandlung sowie die Absicht und der Beweggrund, die ihr zugrunde liegen, ebenso der Zusammenhang, in dem sie steht. Eine Behandlung ist erniedrigend, wenn sie Gefühle der Angst, Qual oder Unterlegenheit hervorruft und geeignet ist, zu demütigen, zu entwürdigen und gegebenenfalls den physischen oder psychischen Widerstand zu brechen oder jemanden dazu zu bewegen, gegen seinen Willen oder sein Gewissen zu handeln (BGE 134 I 221 E. 3.2.1; 124 I 231 E. 2b). Als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne dieser Bestimmungen gilt nicht jede Behandlung, die vom Betroffenen als unangenehm oder lästig empfunden wird, sondern nur eine Misshandlung, die ein bestimmtes Mass an Schwere erreicht und körperliche Verletzungen oder intensive physische oder psychische Leiden mit sich bringt. Einschränkungen im Wohlbefinden, die durch den legitimen Zweck einer staatlichen Massnahme zwangsläufig bedingt werden, fallen nicht unter diese Bestimmungen (Urteil 6B_1042/2021 vom 24. Mai 2023 E. 5.3.3 mit Hinweisen). Ist das Risiko einer solchen Behandlung oder Bestrafung erstellt, so würde eine Ausweisung bzw. Landesverweisung des Betroffenen zwangsläufig eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, unabhängig davon, ob das Risiko von einer allgemeinen Gewaltsituation, einem besonderen Merkmal des Betroffenen oder einer Kombination aus beidem ausgeht (Urteil des EGMR F.G. gegen Schweden, a.a.O., § 116 mit Hinweisen; vgl. zum Ganzen Urteil 6B_1042/2021 vom 24. Mai 2023 E. 5.3.3 mit Hinweisen). 
 
2.7. Das Bundesgericht hatte sich in den Urteilen 6B_771/2022 vom 25. Januar 2023 (E. 1.5.2) sowie 6B_1368/2020 vom 30. Mai 2022 (E. 4.4.7) mit der Landesverweisung somalischer Staatsangehöriger zu befassen. Auf die dort erörterten allgemeinen Vollzugshindernisse betreffend Somalia kann verwiesen werden.  
 
2.8. Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt insbesondere die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 148 III 30 E. 3.1; 145 IV 99 E. 3.1; je mit Hinweisen).  
 
2.9. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, mit der versuchten vorsätzlichen Tötung, für welche er verurteilt wurde, eine Katalogtat im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. a StGB begangen zu haben, welche grundsätzlich eine obligatorische Landesverweisung von fünf bis fünfzehn Jahren zur Folge hat. Zutreffend rügt er aber, dass die Vorinstanz die bereits erkennbaren Vollzugshindernisse, die einer Landesverweisung entgegenstehen könnten, weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht hinreichend prüft.  
Die Vorinstanz führt in diesem Zusammenhang als Tatsachenfeststellung lediglich aus, der Beschuldigte sei in der Schweiz als Flüchtling anerkannt worden, da ihm in Somalia Verfolgung durch die militante islamistische Bewegung Al-Shabaab drohe. Sodann wiederholt sie die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für die Verfolgung in indirekter Rede (Tötung des Vaters und des Bruders, eigene Inhaftierung, Aussprechung eines Todesurteils gegen den Beschwerdeführer, Homosexualität). Sie äussert sich jedoch nicht dazu, ob und welche der erwähnten Tatsachen, die sich vor der Einreise in die Schweiz zugetragen haben, sie als erwiesen erachtet und ob bzw. welche Verfolgung dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Heimat gegenwärtig droht. Sodann setzt sie sich nicht mit den relevanten rechtlichen Vorgaben (vgl. E. 2.4-2.6 hiervor, d.h. namentlich mit Art. 66d Abs. 1 lit. a und lit. b StGB, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG, Art. 25 BV, Art. 3 EMRK) auseinander. Ebenso wenig befasst sie sich mit der Flüchtlingskonvention. Insoweit mangelt es dem vorinstanzlichen Entscheid an den relevanten tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen. Die Vorinstanz wird dem Untersuchungsgrundsatz, dem Anspruch auf rechtliches Gehör und ihrer Begründungspflicht nicht gerecht (vgl. Urteil 6B_105/2021 vom 29. November 2021 E. 3.4.2 mit Hinweisen). 
Sollte sich herausstellen, dass dem Beschwerdeführer tatsächlich der Tod droht, sofern er des Landes verwiesen werden sollte, stünde dies dem Vollzug einer Landesverweisung entgegen. Aus Verhältnismässigkeitsgründen wäre folglich auf eine Landesverweisung zu verzichten, dies ungeachtet der äusserst schweren Straftat, welche der Beschwerdeführer verübt hat. 
 
 
3.  
Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als begründet und ist gutzuheissen. Das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung (Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) wird gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 5. Dezember 2022 aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Luzern hat Rechtsanwältin Luzia Vetterli für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist als gegenstandslos abzuschreiben. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. August 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier