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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
H 104/02 
 
Urteil vom 26. September 2002 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiberin Schüpfer 
 
Parteien 
S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Erich Leuzinger, Hauptstrasse 47, 8750 Glarus, 
 
gegen 
 
Kantonale Ausgleichskasse Glarus, Zwinglistrasse 6, 8750 Glarus, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Glarus, Glarus 
 
(Entscheid vom 26. Februar 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 7. August 2000 forderte die Kantonale Ausgleichskasse Glarus von S.________ als einzigem Mitglied des Verwaltungsrates der am 17. März 1997 in Konkurs gefallenen Q.________ AG Schadenersatz in der Höhe von Fr. 72'271.10 für nicht abgelieferte bundesrechtliche Sozialversicherungsbeiträge (AHV/IV/EO/AlV) und FAK-Beiträge (einschliesslich Verwaltungskosten, Mahngebühren und Verzugszinsen). 
B. 
Die auf Einspruch von S.________ hin von der Ausgleichskasse gegen diesen eingereichte Klage hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus mit Entscheid vom 26. Februar 2002 gut und verpflichtete S.________ zur Bezahlung von Schadenersatz im verfügten Umfange. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Klage der Ausgleichskasse vollumfänglich abzuweisen. 
 
Die Vorinstanz und die Ausgleichskasse schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden, als die Schadenersatzforderung kraft Bundesrechts streitig ist. Im vorliegenden Verfahren ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Umfang nicht einzutreten, als sie sich gegen die Schadenersatzforderung für entgangene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse richtet (vgl. BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis). 
2. 
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
3. 
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf Gesetz (Art. 52 AHVG, Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV) und Rechtsprechung die Voraussetzungen der subsidiären Haftbarkeit der Organe juristischer Personen für den der Ausgleichskasse wegen schuldhafter Missachtung der Vorschriften über die Beitragsabrechnung und -zahlung entstandenen Schaden zutreffend dargelegt (vgl. statt vieler BGE 122 V 185 Erw. 3c, 121 V 240 Erw. 3c/bb und 4b sowie 114 V 214 Erw. 3 und 4; siehe auch BGE 123 V 15 Erw. 5b). Richtig sind ferner die Erwägungen über die Verwirkung (Art. 81 und Art. 82 AHVV sowie die dazu ergangene Rechtsprechung). Darauf wird verwiesen. 
4. 
Der Beschwerdeführer macht primär geltend, die Ausgleichskasse habe bereits vor Publikation der Einstellung des Konkursverfahrens am 11. Mai 2000, nämlich mit der Konkurseröffnung per 17. März 1997, spätestens aber mit der Revision (Arbeitgeberkontrolle) am 23. März 1998 Kenntnis vom Schaden gehabt. Damit sei die Schadenersatzverfügung vom 7. August 2000 zu spät erfolgt und der Schadenersatzanspruch verjährt. 
4.1 Gemäss Art. 82 Abs. 1 AHVV verjährt die Schadenersatzforderung, wenn sie nicht innert Jahresfrist seit Kenntnis des Schadens durch Erlass einer Schadenersatzverfügung geltend gemacht wird, auf jeden Fall aber mit Ablauf von fünf Jahren seit Eintritt des Schadens. Nach der Rechtsprechung erlangt die Ausgleichskasse in dem Zeitpunkt Kenntnis vom Schaden, in welchem sie unter Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit erkennen muss, dass die tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr erlauben, die Beiträge einzufordern, wohl aber eine Schadenersatzpflicht begründen können (BGE 126 V 444 Erw. 3a, 452 Erw. 2a, 121 III 388 Erw. 3b, je mit Hinweisen). Bereits in diesem Zeitpunkt beginnt die einjährige Verwirkungsfrist zu laufen. Die fünfjährige Verwirkungsfrist hingegen beginnt mit dem Eintritt des Schadens zu laufen. Der Schaden gilt als eingetreten, sobald anzunehmen ist, dass die geschuldeten Beiträge aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr eingefordert werden können (BGE 126 V 444 Erw. 3a, 121 III 384 Erw. 3bb, 388 Erw. 3a, je mit Hinweisen). 
4.2 Wird der Konkurs weder im ordentlichen noch im summarischen Verfahren durchgeführt, fällt die zumutbare Kenntnis des Schadens und der Eintritt desselben in der Regel mit der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven zusammen, wobei der Publikationszeitpunkt der Konkurseinstellung im SHAB massgeblich ist (ZAK 1990 S. 289 Erw. 4b und S. 290 Erw. 4c/bb; Nussbaumer, Die Ausgleichskasse als Partei im Schadenersatzprozess nach Art. 52 AHVG, in: ZAK 1991 S. 383 ff., 433 ff., insbesondere S. 390). Voraussetzung für eine ausreichende Kenntnis des Schadens ist aber, dass die Ausgleichskasse zu diesem Zeitpunkt bereits alle tatsächlichen Umstände über die Existenz, die Beschaffenheit und die wesentlichen Merkmale des Schadens sowie die Person des Ersatzpflichtigen kennt. Da die ausstehende Beitragsforderung Grundlage für die Höhe des Schadens bildet, kann daher eine Kenntnis bei der Publikation der Konkurseinstellung nur dann angenommen werden, wenn die Ausgleichskasse zu diesem Zeitpunkt bereits in der Lage ist, die Höhe der Beitragsforderung zu beziffern. An dieser konstanten Praxis zum Beginn der einjährigen Verwirkungsfrist ist, wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 128 V 12 Erw. 5a erkannt hat, festzuhalten. Dies gilt auch, wenn, wie in casu, das Verfahren von der Konkurseröffnung bis zur Einstellung sehr lange gedauert hat, war dieser Umstand doch nicht durch die Ausgleichskasse zu vertreten. Es ist nicht einzusehen, welchen Einfluss die Tatsache, dass anlässlich der Arbeitgeberkontrolle nicht deklarierte Lohnzahlungen entdeckt worden sind, auf den Zeitpunkt der Schadenskenntnis haben soll. So trifft es nicht zu, dass die Ausgleichskasse bereits bei der Konkurseröffnung mit der Uneinbringlichkeit der Beitragsausstände rechnen musste, zumal in jenem Zeitpunkt nicht einmal die Höhe der Beitragsforderung feststand. Von dieser hatte die Kasse erst nach der Arbeitgeberkontrolle vom 23. März 1998 Kenntnis. Die Kontrolle beschränkte sich indessen auf die Prüfung der Frage, ob der Arbeitgeber seinen Pflichten gegenüber der Ausgleichskasse nachgekommen war (Art. 68 AHVG und Art. 163 AHVV). Nicht Gegenstand der Kontrolle bildete die Frage, inwieweit noch verwertbare Aktiven vorhanden waren. 
4.3 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist auch die fünfjährige Verwirkungsfrist nicht abgelaufen. Selbst unter Annahme des vom ihm geltend gemachten Schadenseintritts mit der Konkurseröffnung am 17. März 1997 wurde diese mit Erlass der Schadenersatzforderung am 7. August 2000 eingehalten. Der in der Verordnungsbestimmung (Art. 82 Abs. 1 zweiter Satzteil AHVV) verwendete Terminus "geltend machen" kann sich nach dem Wortlaut der Bestimmung nur auf den rechtzeitigen Erlass einer Schadenersatzverfügung beziehen, da die Ausgleichskasse keinen Einfluss auf die Dauer eines Gerichtsverfahrens hat. Es muss daher bei der Feststellung bleiben, dass die Ausgleichskasse mit der Publikation der Konkurseinstellung mangels Aktiven am 11. Mai 2000 Kenntnis vom Schaden erlangt hat, weshalb die Schadenersatzverfügung vom 7. August 2000 rechtzeitig erlassen worden ist. 
5. 
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Weiteren angeführt, die Würdigung des Verschuldens durch die Vorinstanz verletze Art. 52 AHVG, indem all jene Umstände, die zum Konkurs der Firma und damit zum Eintritt des eingeklagten Schadens geführt hätten, zu Recht als ausserhalb seines Einflussbereichs liegend beurteilt worden seien, ihm im Ergebnis jedoch angelastet würden. Die Vernachlässigung der Abrechnungs- und Zahlungspflicht gegenüber der Ausgleichskasse sei nicht adäquat kausal zum eingetretenen Schaden. 
5.1 Fest steht, dass die Firma Q.________ AG ihrer Beitragspflicht während längerer Zeit nicht mehr bzw. unvollständig oder verzögert nachgekommen ist, und - wie die Arbeitgeberkontrolle vom 23. März 1998 gezeigt hat - auch ihre Abrechnungspflicht vernachlässigte. Der Ausgleichskasse ist daraus ein Schaden entstanden. Damit hat die Firma - was nicht bestritten wird - zumindest grobfahrlässig gegen die Vorschriften von Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV verstossen, was grundsätzlich die volle Schadenersatzpflicht der verantwortlichen Organe gemäss Art. 52 AHVG nach sich zieht (BGE 118 V 195 Erw. 2a mit Hinweisen). Nicht mehr streitig ist zudem der Umfang des eingetretenen Schadens. Die Vorinstanz hat für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich festgestellt (Erw. 2 hiervor), dass der Beschwerdeführer als alleiniger Verwaltungsrat der Q.________ AG seit 1994 seiner Pflicht zur Abrechung und Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr vollständig nachgekommen ist. Er hat dadurch seine Sorgfaltspflichten grob vernachlässigt. 
5.2 Die Arbeitgeberhaftung im Sinne von Art. 52 AHVG setzt voraus, dass zwischen der absichtlichen oder grobfahrlässigen Verletzung von Vorschriften und dem Eintritt des Schadens ein adäquater Kausalzusammenhang besteht (BGE 119 V 406 Erw. 4a mit Hinweisen). Der adäquate Kausalzusammenhang wäre infolge Insolvenz der Firma nur dann und ohnehin nur in Bezug auf den vor dem Eintritt in den Verwaltungsrat entstandenen Schaden unterbrochen worden, wenn die Firma bereits zur Zeit des Eintritts des Beschwerdeführers in den Verwaltungsrat zahlungsunfähig gewesen wäre und er daran nichts hätte ändern können (BGE 119 V 401; AHI 1996 S. 292 Erw. 4; Knus, Die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers in der AHV, Diss. Zürich 1989; S. 18 und Fn 43). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt und werden auch nicht behauptet. Es kann demnach nicht gesagt werden, auch ein pflichtgemässes Verhalten des Beschwerdeführers hätte den Schaden nicht verhindern können. Vielmehr war seine Verletzung der Abrechnungs- und Beitragszahlungspflichten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Erfahrung geeignet, den Schadenseintritt herbeizuführen. Dabei spielt es keine Rolle, welche Umstände zum Konkurs der Firma geführt haben; massgeblich ist nicht der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Beschwerdeführers und dem Konkurseintritt, sondern derjenige zwischen dessen Pflichtverletzung als Verwaltungsrat und dem eingetretenen Schaden. 
6. 
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht (vgl. Erw. 2 hiervor), ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem Ausgang des Prozesses hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 26. September 2002 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: