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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_725/2022  
 
 
Urteil vom 26. September 2022  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
nebenamtliche Bundesrichterin Lötscher, 
Gerichtsschreiber Clément. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Manuel Rohrer, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
2. B.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Lena Reusser, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Versuchte Nötigung, Drohung, Vergewaltigung; willkürliche Beweiswürdigung, Grundsatz in dubio pro reo, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 29. Oktober 2021 (SK 20 373). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.A.________ werden Vergewaltigung, versuchte Nötigung, mehrfache Drohungen und mehrfache Tätlichkeiten zum Nachteil seiner Ehefrau B.A.________ vorgeworfen, begangen zwischen Dezember 2017 und Februar bzw. Mai 2018. 
 
B.  
Das Regionalgericht Bern-Mittelland erklärte A.A.________ mit Urteil vom 10. Juli 2020 der Vergewaltigung, der versuchten Nötigung, der mehrfachen Drohung und der mehrfachen Tätlichkeiten schuldig und verurteilte ihn zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten, davon 24 Monate mit bedingtem Strafvollzug unter Ansetzung einer Probezeit von vier Jahren, unter Anrechnung von zwei Tagen Untersuchungshaft, sowie zu einer Busse von Fr. 1'600.--, Ersatzfreiheitsstrafe 16 Tage, und verwies ihn für acht Jahre des Landes, unter Eintragung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS). Es sprach ein Kontaktverbot nach Art. 67b StGB betreffend B.A.________ für die Dauer von zwei Jahren ab Rechtskraft des Urteils aus. Ferner wurde A.A.________ zur Bezahlung einer Genugtuung von Fr. 9'000.-- zuzüglich 5 % seit Rechtskraft des Urteils an B.A.________ verurteilt. 
Auf Berufung von A.A.________ und Anschlussberufung der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern und von B.A.________ hin bestätigte das Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, mit Urteil vom 29. Oktober 2021 den Schuldspruch. Es verurteilte A.A.________ zu einer Freiheitsstrafe von 43 Monaten unter Anrechnung von zwei Tagen Untersuchungshaft sowie zu einer Busse von Fr. 2'000.--, Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage, und verwies ihn für acht Jahre des Landes, unter Eintragung der Landesverweisung im SIS. Das Obergericht bestätigte auch das Kontaktverbot nach Art. 67b StGB betreffend B.A.________ für die Dauer von zwei Jahren ab Rechtskraft des Urteils. Weiter verurteilte es A.A.________ zur Bezahlung einer Genugtuung von Fr. 13'000.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 10. Juli 2020 an B.A.________. Darüber hinaus hiess es die Zivilklage von B.A.________ dem Grundsatz nach gut und verwies sie auf den Zivilweg. 
 
C.  
A.A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt die Aufhebung des Urteils des Obergerichts und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in Strafsachen ist in erster Linie ein reformatorisches Rechtsmittel (Art. 107 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeschrift muss einen Antrag in der Sache enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Aufhebungsanträge oder Anträge auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung allein genügen nicht. Nach der Rechtsprechung ist ausreichend, wenn aus der Beschwerdebegründung klar hervorgeht, in welchem Sinn der angefochtene Entscheid abgeändert werden soll (vgl. BGE 137 III 617 E. 6.2; 137 II 313 E. 1.3; 134 III 235 E. 2; Urteile 6B_301/2022 vom 26. August 2022 E. 1.2; 6B_1116/2021 vom 22. Juni 2022 E. 1; je mit Hinweisen). 
Der Beschwerdeführer führt im Fazit seiner Beschwerde aus, dass er freizusprechen sei und keine Landesverweisung hätte ausgesprochen werden dürfen. Damit ist hinreichend klar, was mit der Beschwerde angestrebt wird. Die Anforderungen von Art. 42 Abs. 1 BGG sind erfüllt. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts und eine willkürliche Beweiswürdigung. Die Vorinstanz habe nicht alle Aussagen und Beweise gewürdigt und für das Aussageverhalten der beiden Parteien zwei verschiedene Massstäbe zur Aussageanalyse verwendet. Nicht bei sämtlichen Vorwürfen stehe Aussage gegen Aussage. Drittpersonen hätten ausgesagt, dass sie an der Beschwerdegegnerin 2 keine Verletzungen hätten feststellen können. Auch anlässlich der rechtsmedizinischen Untersuchung hätten keine solchen festgestellt werden können. Diese Beweise seien von der Vorinstanz ignoriert worden und liessen sich nicht mit den Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 vereinbaren. Vielmehr wiesen alle Aussagen, abgesehen von denjenigen der Beschwerdegegnerin 2, darauf hin, dass allfällige Divergenzen zwischen den Parteien einzig verbal ausgetragen worden seien. Die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 seien sodann widersprüchlich in verschiedener Hinsicht, sowohl in Bezug auf den Vorwurf der Tätlichkeiten, als auch in Bezug auf den Vorwurf der Vergewaltigung und der versuchten Nötigung. Bei der Vergewaltigung aggraviere die Beschwerdegegnerin 2 und sage inkonstistent aus. Sie habe zudem mehrfach geschildert, im Fahrstuhl des Geschäfts "C.________" geschlagen worden zu sein und erst auf Hinweis der Staatsanwaltschaft hin erklärt, dass sich der Vorfall im Geschäft "D.________" zugetragen habe.  
 
2.2. Die Vorinstanz erachtet den angeklagten Sachverhalt als erstellt. Sie qualifiziert die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 zusammenfassend als überzeugend, nachvollziehbar, kohärent, einleuchtend und damit als glaubhaft. Eine Falschbelastung durch die Beschwerdegegnerin 2 schliesst die Vorinstanz aus. Die Aussagen des Beschwerdeführers stützten im Wesentlichen gar diejenigen der Beschwerdegegnerin 2. Darüber hinaus seien dessen Aussagen nicht glaubhaft. Die Schwester des Beschwerdeführers decke offensichtlich ihren Bruder. Unter zusätzlicher Würdigung von objektiven Beweismitteln bleiben für die Vorinstanz keine Zweifel, dass die Beschwerdegegnerin 2 die Wahrheit gesagt habe.  
 
2.3.  
 
2.3.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 BGG). In der Begründung ist unter Bezugnahme auf den angefochtenen Entscheid in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2 und 1.3). Die Begründung muss sachbezogen sein und erkennen lassen, dass und weshalb nach Auffassung des Beschwerdeführers Recht verletzt ist (BGE 142 I 99 E. 1.7.1; 140 III 86 E. 2; 139 I 306 E. 1.2; je mit Hinweisen). Die beschwerdeführende Partei darf in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern hat mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz anzusetzen (BGE 140 III 115 E. 2 mit Hinweis).  
 
2.3.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; je mit Hinweisen). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1, 114 E. 2.1; je mit Hinweisen). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
2.3.3. Der Grundsatz "in dubio pro reo" besagt als Beweiswürdigungsregel, dass sich das Strafgericht nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Lediglich abstrakte und theoretische Zweifel genügen nicht, weil solche immer möglich sind. Relevant sind mithin nur unüberwindliche Zweifel, d.h. solche, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen (vgl. Art. 10 Abs. 3 StPO; BGE 138 V 74 E. 7; 127 I 38 E. 2a; je mit Hinweisen). Als Beweiswürdigungsregel kommt dem Grundsatz "in dubio pro reo" im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; je mit Hinweisen).  
 
2.4. Dem Beschwerdeführer gelingt es nicht, Willkür in der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung aufzuzeigen. Über weite Strecken begnügt er sich damit, seine Sicht der Dinge der vorinstanzlichen Begründung gegenüberzustellen, statt sich mit dieser auseinanderzusetzen. Damit vermag er den Begründungsanforderungen nicht zu genügen. Insoweit ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer setzt sich sodann nur mit einem Teil der Vorwürfe überhaupt auseinander. Er versucht vergeblich, punktuelle Widersprüche in den Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 aufzudecken. Demgegenüber sind die Erwägungen der Vorinstanz sorgfältig und umfassend. Ihre Aussagewürdigung ist vollumfänglich nachvollziehbar und die vermeintlichen Widersprüche, die vom Beschwerdeführer angeführt werden, werden willkürfrei aufgelöst. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz davon ausgeht, dass keine Anzeichen für eine Falschbelastung vorliegen. Zu Recht würdigt sie in diesem Zusammenhang auch, dass die Beschwerdegegnerin 2 aufgrund der Ehe mit dem Beschwerdeführer in die Schweiz gekommen ist, von diesem finanziell abhängig war, ohne Kenntnis der deutschen Sprache und Beschäftigung unter der Woche tagsüber isoliert gelebt hat, und dass sie zu Fuss rund zwei Kilometer gelaufen ist, um einem vermeintlichen Polizisten, in Wahrheit ein Mitarbeiter der iranischen Botschaft, von den Drohungen und Schlägen durch ihren Ehemann zu erzählen. Aus der vorinstanzlichen Begründung geht zudem überzeugend hervor, dass die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 auch durch objektive Beweismittel gestützt werden. Exemplarisch hervorzuheben sind die Episode mit der erstelltermassen kaputten Badezimmertür, die 12-tägige Funkstille des Mobiltelefons der Beschwerdegegnerin 2 und die Kurzmitteilungen des Beschwerdeführers an letztere, in welchen er ihr insbesondere mit Schlägen drohte. Willkür in der Sachverhaltsfeststellung ist nicht ersichtlich. Der angefochtene Entscheid verletzt kein Bundesrecht.  
 
3.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. September 2022 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Clément