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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_841/2009 
 
Urteil vom 26. November 2009 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiberin Häne. 
 
Parteien 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Sutter, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Willkür, rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 17. August 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Gerichtspräsidium Bremgarten verurteilte X.________ am 2. Dezember 2008 wegen Widerhandlungen gegen das SVG, begangen durch Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit, Überholen trotz Gegenverkehrs und Nichteinhalten eines ausreichenden Abstands beim Hintereinanderfahren, zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 20 Tagessätzen à Fr. 300.-- und zu einer Busse von Fr. 5'000.--, bei einer Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Tagen. Das Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, wies die von X.________ erhobene Berufung am 17. August 2009 ab. 
 
B. 
X.________ führt "Verfassungsbeschwerde" mit den Anträgen, (1) das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, (2) die Sache sei zur weiteren Abklärung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, (3) der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen, (4) unter Kosten- und Entschädigungsfolge. 
 
C. 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer bezeichnet seine Eingabe als "Verfassungsbeschwerde". Darin rügt er Willkür, Gehörsverweigerung, Verstoss gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren und Missachtung der Verteidigungsrechte. Für solche Rügen ist indessen die Beschwerde in Strafsachen (Art. 78 ff. BGG) das zutreffende Rechtsmittel. Mit ihr können die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich des Verfassungsrechts sowie von Völkerrecht (Art. 95 lit. a und b BGG) und unter engen Voraussetzungen die unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 97 BGG) gerügt werden. Ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 95 lit. c bis e BGG bilden Verletzungen des kantonalen Rechts einen zulässigen Beschwerdegrund, wenn sie einen Verstoss gegen Bundesrecht einschliesslich des Verfassungsrechts oder gegen Völkerrecht darstellen (Art. 95 lit. a und b BGG). Somit sind die Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde in Strafsachen zu beurteilen. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist ausgeschlossen (Urteil des Bundesgerichts 6B_479/2007 vom 15. Februar 2008 E. 1.1 mit Hinweis). 
Die falsche Bezeichnung eines Rechtsmittels schadet nicht, sofern bezüglich des zutreffenden Rechtsmittels sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 399 mit Hinweis). Dies trifft hier zu, weshalb die Eingabe des Beschwerdeführers als Beschwerde in Strafsachen entgegengenommen wird. 
 
2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, das vorinstanzliche Urteil enthalte keine Rechtsmittelbelehrung und sei daher aufzuheben sowie zur Verbesserung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht kann einen Entscheid, der keine Rechtsmittelbelehrung enthält, an die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben (Art. 112 Abs. 1 lit. d und Abs. 3 BGG). Die Rückweisung ist mithin nicht obligatorisch, sondern fakultativ. Die vorliegende Beschwerde wurde innert der Frist von 30 Tagen eingereicht und wird, obgleich sie fälschlicherweise die Bezeichnung "Verfassungsbeschwerde" trägt, als Beschwerde in Strafsachen behandelt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Beschwerdeführer durch das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung ein Nachteil entstanden ist. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen. 
 
3. 
Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, dass er mit seinem Personenwagen am 13. Mai 2008 ausserorts auf der Strecke zwischen Unterlunkhofen und Bremgarten bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit einer Geschwindigkeit von 95 km/h den Personenwagen von B.________ überholte, wegen eines entgegenkommenden Motorrads auf die rechte Fahrspur zurückdrängte und dicht auf den Personenwagen von C.________ aufschloss. Dieser Vorwurf stützt sich auf die schriftliche Anzeige von B.________ (in Form eines Polizeirapports), einem Beamten der Zürcher Kantonspolizei, der an jenem Tag privat im Kanton Aargau unterwegs war, sowie auf die Zeugenaussagen von C.________. 
 
4. 
4.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, auf die Sachdarstellung des Anzeigeerstatters dürfe nicht abgestellt werden, weil dessen Anzeige als Polizeirapport unbeachtlich sei. Der Einwand geht an der Sache vorbei. Die Vorinstanz geht in Übereinstimmung mit dem Beschwerdeführer davon aus, dass dem Rapport des Anzeigeerstatters lediglich die Bedeutung einer privaten Strafanzeige zukommt. 
 
4.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Sachdarstellung des Anzeigeerstatters sei auch deshalb nicht verwertbar, weil dieser nicht als Zeuge einvernommen worden sei. Er habe daher nie Gelegenheit gehabt, Fragen an diesen zu richten. Dadurch seien die einschlägigen Bestimmungen der aargauischen StPO und seine verfassungsmässigen Verteidigungsrechte verletzt worden, insbesondere die Ansprüche auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und auf Wahrnehmung der Verteidigungsrechte (Art. 32 Abs. 2 BV), aber auch der Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) und das Recht, dem Belastungszeugen Fragen zu stellen (Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK). Ein Urteil, das auf der Sachdarstellung einer Privatperson beruhe, die überhaupt nie gesetzeskonform als Zeuge einvernommen worden sei, sei unhaltbar. § 103 des Gesetzes des Kantons Aargau vom 11. November 1958 über die Strafrechtspflege (SAR 251.100; Strafprozessordnung; nachfolgend: StPO/AG) sehe bereits für den Fall, dass ein Zeuge nicht über die Zeugnisverweigerungsgründe oder die Wahrheitspflicht belehrt wurde, eine Wiederholung der Zeugeneinvernahme vor. 
Das Bundesgericht behandelt verfahrensrechtliche Einwendungen, die im kantonalen Verfahren nicht explizit vorgebracht wurden, nur unter dem Vorbehalt, dass damit nicht in gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossender Weise zugewartet wurde (BGE 133 III 638 E. 2 S. 639 f., 135 I 91 E. 2.1 S. 93; Urteile des Bundesgerichts 6B_336/2009 vom 8. Juli 2009 E. 4.4; 6P.3/2007 vom 6. März 2007 E. 3.1). Der bereits im kantonalen Verfahren anwaltlich vertretene Beschwerdeführer unterliess es, die Zeugeneinvernahme des Anzeigeerstatters rechtzeitig zu beantragen. Im Gegenteil führte er im Rahmen seiner Berufung aus, dieser sei zu Recht nicht als Zeuge einvernommen worden. Spätestens als das erstinstanzliche Gericht sich in der Urteilsbegründung unter anderem auf den Rapport des Anzeigeerstatters stützte, hatte er Kenntnis von diesem Umstand und auch die Möglichkeit, dies im Berufungsverfahren als mangelhaft zu rügen, was er jedoch unterliess. Ein solches Zuwarten verstösst gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Daher ist auf die Rüge, der Anzeigeerstatter sei zu Unrecht nicht als Zeuge einvernommen worden, nicht einzutreten. Im Übrigen beruht das angefochtene Urteil keineswegs allein auf der Sachdarstellung des Anzeigeerstatters, sondern auch auf den Aussagen der Zeugin C.________, die in den wesentlichen Punkten mit der Sachdarstellung des Anzeigeerstatters übereinstimmen (siehe E. 5.2 hiernach). 
 
4.3 Der Beschwerdeführer bemängelt, dass sich in den Akten kein nach § 124 StPO/AG vorgeschriebener Polizeirapport befindet. Er legt indessen nicht dar, welche Konsequenzen sich daraus seines Erachtens nach dem kantonalen Prozessrecht oder gemäss dem Verfassungsrecht ergeben. Auf diese Rüge ist ebenfalls nicht einzutreten. 
 
5. 
5.1 Die Vorinstanz kommt in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Richter aufgrund der Aussagen der Zeugin C.________ und der Darstellung in der Strafanzeige zum Schluss, dass der Beschwerdeführer das Fahrzeug des Anzeigeerstatters überholte, ohne sich einer genügend langen, freien Überholstrecke versichert zu haben. Er habe aufgrund des entgegenkommenden Motorradlenkers das Überholmanöver nur knapp vor einer Kollision abschliessen können, wobei er die Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer in Kauf genommen habe. Aufgrund der Aussagen der Zeugin C.________ sei die Behinderung des entgegenkommenden Motorradlenkers beim Überholmanöver des Beschwerdeführers erstellt. 
 
5.2 Was der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung vorbringt, ist nicht geeignet, Willkür darzutun. Über weite Strecken begnügt er sich damit, seine eigene Sicht der Dinge zu schildern. Er setzt sich mit der Begründung des angefochtenen Entscheids nicht in rechtsgenügender Weise auseinander und wiederholt teilweise wörtlich, was er bereits in seiner Berufung an die Vorinstanz vorbrachte. Zwar konnte die Zeugin C.________ die Darstellung des Anzeigeerstatters, wonach er aufgrund des Überholmanövers eine Vollbremsung habe durchführen müssen, nicht bestätigen. Daraus folgt aber nicht, dass die in den übrigen Punkten im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Zeugin und des Anzeigeerstatters unglaubhaft sind. 
Nicht willkürlich ist auch die vorinstanzliche Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers zur Frage, in welcher Phase des Geschehens er das Motorrad erblickt hatte. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, stellt appellatorische Kritik dar. Selbst wenn eine der Angaben des Beschwerdeführers unrichtig protokolliert worden sein sollte, wie in der Beschwerde behauptet wird, vermöchte dies im Ergebnis nichts zu ändern. Im Übrigen werden die Aussagen des Beschwerdeführers von der Vorinstanz nicht als generell unglaubwürdig, sondern als unglaubwürdig hinsichtlich des Zeitpunkts bezeichnet, in welchem er den entgegenkommenden Motorradlenker erblickt haben will. 
Schliesslich ist nicht in rechtsgenüglicher Weise dargetan, weshalb der Entscheid im Ergebnis verfassungswidrig sein soll. Die Vorinstanz stützt sich willkürfrei auf die Angaben der Zeugin und des Anzeigeerstatters. 
 
6. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 26. November 2009 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Favre Häne