Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
1B_394/2013
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Urteil vom 26. November 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Molkenstrasse 15/17, Postfach 2251, 8026 Zürich.
Gegenstand
Haftentlassung,
Beschwerde gegen die Verfügung vom 30. Oktober 2013 des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer.
Sachverhalt:
A.
Die I. Strafkammer des Zürcher Obergerichts verurteilte X.________ am 26. August 2013 als Berufungsinstanz in zwei Urteilen einerseits wegen Drohung im Sinn von Art. 180 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. a StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen und anderseits wegen Vergewaltigung im Sinn von Art. 190 Abs. 1 StGB, mehrfacher Drohung im Sinn von Art. 180 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. a StGB, mehrfacher einfacher Körperverletzung im Sinn von Art. 123 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 4, teilweise zusätzlich i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB sowie wiederholten Tätlichkeiten im Sinn von Art. 126 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. b StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren, unter Anrechnung von 383 Tagen erstandener Untersuchungs- und Sicherheitshaft. X.________ hat nach der Überzeugung des Gerichts seine Ehefrau vergewaltigt und sie verschiedentlich bedroht und physisch angegriffen.
Mit Verfügung vom gleichen Tag versetzte der Präsident der I. Strafkammer X.________ per sofort in Sicherheitshaft.
Mit Beschwerden vom 15. Oktober 2013 focht X.________ die beiden Urteile des Obergerichts vom 26. August 2013 beim Bundesgericht an. Die Verfahren 6B_983 und 995/2013 sind bei der strafrechtlichen Abteilung hängig.
B.
Am 30. Oktober 2013 wies der Präsident der I. Strafkammer das Haftentlassungsgesuch von X.________ ab.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X._______, ihn aus der Haft zu entlassen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Prozessführung.
C.
Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung. Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen und verzichtet unter Verweis auf die Präsidialverfügungen vom 26. August und vom 30. Oktober 2013 auf Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Haftentscheid des Obergerichts. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG gegeben. Der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Haftentlassung ist zulässig (BGE 132 I 21 E. 1). Der Beschwerdeführer ist durch die Verweigerung der Haftentlassung in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Er macht die Verletzung von Bundesrecht geltend, was zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde eingetreten werden kann.
2.
Sicherheitshaft kann unter anderem angeordnet werden, wenn ein dringender Tatverdacht in Bezug auf ein Verbrechen oder Vergehen sowie Flucht-, Kollusions- oder Wiederholungsgefahr besteht (Art. 221 Abs. 1 StPO). Der Präsident der I. Strafkammer ist im angefochtenen Entscheid zum Schluss gekommen, dass der allgemeine Haftgrund des dringenden Tatverdachts gegeben ist und Flucht- sowie Ausführungsgefahr besteht.
2.1. Mit der Verurteilung des Beschwerdeführers vom 26. August 2013 ist der allgemeine Haftgrund des dringenden Tatverdachts unbestreitbar gegeben.
2.2. Für die Annahme von Fluchtgefahr genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe für sich allein nicht. Eine solche darf nicht schon angenommen werden, wenn die Möglichkeit der Flucht in abstrakter Weise besteht. Vielmehr müssen konkrete Gründe dargetan werden, die eine Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe kann immer nur neben anderen, eine Flucht begünstigenden Tatsachen herangezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a; 117 Ia 69 E. 4a; 108 Ia 64 E. 3; 107 Ia 3 E. 6).
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei als Kurde und Alevite 1998 als anerkannter Flüchtling in die Schweiz gekommen. Er sei heimatlos, er könne nirgends hin gehen. Es bestehe keine Fluchtgefahr, er lebe nunmehr in einer festen Beziehung. Er sei nach seiner Haftentlassung nicht geflüchtet, sondern habe sich der Berufungsverhandlung gestellt, obwohl er keineswegs sicher damit habe rechnen können, dass der erstinstanzliche Freispruch bestätigt werden würde.
Diese Ausführungen überzeugen nicht. Der Beschwerdeführer muss für den Fall einer Bestätigung seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe rechnen, die, auch unter Berücksichtigung der erstandenen Untersuchungs- und Sicherheitshaft, einen starken Anreiz zur Flucht darstellt. Auch wenn er offenbar 1998 aus der Türkei geflüchtet war und seither in der Schweiz lebt und arbeitet, so hat er nach den unbestrittenen Ausführungen in der Präsidialverfügung vom 26. August 2013 nach der Flucht regelmässig die Türkei besucht, wo auch seine nächsten Verwandten nach wie vor leben. Da er zudem für den Fall einer Verurteilung mit dem Verlust seiner Aufenthaltsberechtigung in der Schweiz rechnen muss, liegt es nahe, dass er sich der weiteren Strafverfolgung in der Schweiz durch Flucht entziehen könnte. Der Präsident der I. Strafkammer konnte ohne Bundesrechtsverletzung Fluchtgefahr annehmen.
Ist damit ein besonderer Haftgrund gegeben, braucht nicht geprüft zu werden, ob auch Ausführungsgefahr bestehe.
2.3. Angesichts der vom Obergericht verhängten Sanktion von 4 ½ Jahren Freiheitsstrafe erweist sich die Fortführung der Haft in zeitlicher Hinsicht nicht als unverhältnismässig, auch wenn der Beschwerdeführer seit der Berufungsverhandlung rund weitere drei Monate in Sicherheitshaft verbracht hat. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren nicht mit der für Haftfälle gebotenen Beschleunigung vorangetrieben wird: die Beschwerden gegen die Obergerichtsurteile vom 26. August 2013 sind bei der strafrechtlichen Abteilung hängig und dürften in absehbarer Frist entschieden werden. Die Fortführung der Sicherheitshaft ist auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit nicht zu beanstanden.
3.
Die Beschwerde ist damit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt an sich der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat indessen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, welches gutzuheissen ist, da die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos war und die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ausgewiesen scheint ( Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. November 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Störi