Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_120/2024
Urteil vom 26. November 2024
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterinnen Heine, Viscione, Bundesrichter Métral,
Gerichtsschreiberin Polla.
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden, Neue Steig 15, 9100 Herisau,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Denise Dornier-Zingg,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Massnahme beruflicher Art, Berufsberatung),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 23. Januar 2024
(O3V 23 9).
Sachverhalt:
A.
A.a. Der 2000 geborene A.________ leidet am Geburtsgebrechen Ziffer 404 (Psychoorganisches Syndrom [POS] des Anhangs der Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV-EDI Anhang; SR 831.232.211). Die IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden leistete mehrere Kostengutsprachen für Ergotherapie und übernahm die Kosten für die weitere medizinische Behandlung des Geburtsgebrechens vom 22. April 2013 bis 30. Juni 2020 sowie für ambulante und stationäre Psychotherapien.
A.b. Am 22. April 2015 wurden für A.________ Leistungen der Invalidenversicherung in Form von Massnahmen für die berufliche Eingliederung beantragt. Vom 20. Mai bis 25. August 2015 befand sich A.________ im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Zentrum B.________. Am 25. August 2015 wechselte er in die C.________ AG zur Weiterführung der stationären Psychotherapie bis 14. November 2015. Am 16. November 2015 wurde A.________ in die Institution D.________ aufgenommen. Mit Verfügung vom 26. November 2015 erteilten die Sozialen Dienste Appenzeller Mittelland subsidiäre Kostengutsprache für den Aufenthalt in der Institution D.________ vom 16. November bis 31. Dezember 2015. Eine weitere stationäre Psychotherapie (vom 16. Dezember 2015 bis 8. Februar 2016) erfolgte im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung in der C.________ AG, wofür die IV-Stelle Kostengutsprache für die Zeit vom 16. Dezember 2015 bis 31. Januar 2016 leistete. Mit Verfügungen vom 26. November 2015 und 25. Februar 2016 erteilten die Sozialen Dienste Appenzeller Mittelland subsidiäre Kostengutsprache für den Aufenthalt in der Institution D.________ vom 16. November bis 31. Dezember 2015 und vom 8. Februar bis 31. Dezember 2016. Der Beistand von A.________ ersuchte am 25. Februar 2016 die IV-Stelle um eine Verfügung betreffend rückwirkende Massnahmen für die berufliche Eingliederung ab dessen Eintritt in die Institution D.________. Im Mai 2016 leitete die Berufsberatung eine berufliche Abklärung im E.________ ein, die vom 15. August bis 13. November 2016 dauerte. Im Anschluss daran leistete die IV-Stelle Kostengutsprache für eine erstmalige berufliche Eingliederung im Sinne eines Vorlehrjahres vom 14. November 2016 bis 31. Juli 2017 im E.________. Aus der Institution D.________ trat A.________ nach rund 13-monatiger Aufenthaltsdauer am 19. Dezember 2016 aus. Mit Schreiben vom 10. Juli 2017 übernahm die IV-Stelle die Kosten für eine erstmalige berufliche Ausbildung zum Mechanikpraktiker EBA vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2019 im E.________.
A.c. Am 19. April 2018 wies der Beistand von A.________ darauf hin, dass die Kostenfrage bezüglich dessen Aufenthalt in der Institution D.________ seit seinem Schreiben vom 25. Februar 2016 ungeklärt sei. Mit Erreichen der Volljährigkeit am 1. Juni 2018 endete die Beistandschaft. Auf Verlangen der Rechtsvertretung von A.________ hin erliess die IV-Stelle einen anfechtbaren Entscheid, worin sie die Kostenübernahme für betreutes Wohnen betreffend die Institution D.________ ablehnte (Verfügung vom 24. März 2020). In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde wies das Obergericht Appenzell Ausserrhoden die Sache zur ergänzenden Abklärung und zu neuer Entscheidung an die IV-Stelle zurück (Urteil vom 17. Juni 2021).
A.d. In der Folge teilte die IV-Stelle A.________ mit, sich (kulanzweise) mit Fr. 35'000.- an den Aufenthaltskosten in der Institution D.________ zu beteiligen (Schreiben vom 27. Januar 2022), womit der Beschwerdeführer nicht einverstanden war. Im Vorbescheid vom 3. November 2022 betonte die IV-Stelle, eine Kostenübernahme sei aus ihrer Sicht erst ab August 2016 zu prüfen gewesen, was für die Monate August bis Dezember 2016 Fr. 17'475.- ausmache. Daran hielt sie mit Verfügung vom 31. Januar 2023 fest.
B.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hiess das Obergericht dahingehend gut, dass es die IV-Stelle verpflichtete, die Kosten für den Aufenthalt in der Institution D.________ in der Höhe von Fr. 120'043.25 zu übernehmen (Urteil vom 23. Januar 2024).
C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des Urteils vom 23. Januar 2024. Überdies wird um Erteilung der auf aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ersucht.
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung sei abzuweisen. Während das Obergericht auf eine Stellungnahme verzichtet, schliesst das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf Gutheissung der Beschwerde. A.________ reicht am 19. und 25. September 2024 weitere Stellungnahmen ein.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerdeschrift hat unter anderem ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde an das Bundesgericht ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), darf sich diese grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Aufhebung bzw. Rückweisung des angefochtenen Urteils zu beantragen. Grundsätzlich ist ein materieller Antrag erforderlich, damit die Beschwerde zulässig ist, ausser wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden könnte (BGE 137 II 313 E. 1.3; 136 V 131 E. 1.2; 134 III 379 E. 1.3; 133 III 489 E. 3.1: siehe allerdings auch BGE 133 II 409 E. 1.4.1). Rechtsbegehren sind nach Treu und Glauben auszulegen, insbesondere im Lichte der dazu gegebenen Begründung (BGE 123 IV 125 E. 1; Urteil 9C_344/2020 vom 22. Februar 2021 E. 1.2). Es genügt, wenn der Beschwerde insgesamt entnommen werden kann, was die beschwerdeführende Person verlangt (Urteil 8C_26/2024 vom 2. Juli 2024 E. 1.1 mit Hinweisen).
1.2. Im vorinstanzlichen Verfahren vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, sie sei nicht über den gemäss Verfügung vom 31. Januar 2023 festgelegten zeitlichen Rahmen leistungspflichtig. Ihr letztinstanzliches Rechtsbegehren lautet auf vollumfängliche Aufhebung des angefochtenen Urteils, was als rein kassatorischer Antrag grundsätzlich nicht genügt. Auch wenn sie in der Beschwerde vorbringt, es bestehe überhaupt kein Anspruch auf Kostenübernahme nach Art. 15 IVG, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerdebegründung nach Treu und Glauben dennoch, dass sich die Beschwerde gegen den von der Vorinstanz dem Beschwerdegegner zugesprochenen Anspruch auf Übernahme der gesamten Kosten für seinen Aufenthalt in der Institution D.________ in der Höhe von Fr. 120'043.25 richtet und damit die Bestätigung der Verfügung vom 31. Januar 2023 verlangt wird. Dieses Begehren ist zulässig, so dass auf die Beschwerde einzutreten ist.
Sollte die Beschwerdeführerin ihre Kostentragungspflicht grundsätzlich in Frage stellen und nebst der Aufhebung des kantonalen Urteils auch die Aufhebung ihrer Verfügung vom 31. Januar 2023 beantragen wollen, wäre ihr nicht zu folgen. Zum einen wäre es unzulässig, wenn die IV-Stelle erstmals vor Bundesgericht weniger beantragen würde, als sie verfügt oder im kantonalen Verfahren anbegehrt hat (Art. 99 Abs. 2 BGG; BGE 138 V 339 E. 2.3.3; 136 V 362 E. 4.2; SVR 2022 UV Nr. 42 S. 169, 8C_444/2021 E. 1). Ob es sich diesbezüglich um ein unzulässiges neues Begehren im Sinne von Art. 99 Abs. 2 BGG handelt, kann jedoch offen bleiben. Denn, wie die Vorinstanz willkürfrei feststellte (E. 6.2 hinten), und die Beschwerdeführerin auch in ihrer Verfügung vom 31. Januar 2023 anerkannte, unterstützte der Aufenthalt in der Institution D.________ die ab 15. August 2016 begonnenen beruflichen Massnahmen, weshalb die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzte, wenn sie für die zweite Phase des Aufenthalts in der Institution E.________ eine Kostentragungspflicht der Beschwerdeführerin bejahte (E. 8.2 f. hinten).
2.
Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem hier angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging zwar nach dem 1. Januar 2022, betrifft aber die Frage des Anspruchs auf Übernahme der Kosten für den Aufenthalt in der Institution D.________ zwischen November 2015 und Dezember 2016, weshalb entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsätzen die vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2016 gültig gewesenen Rechtsnormen anwendbar sind (BGE 148 V 174 E. 4.1; 144 V 210 E. 4.3.1).
3.
Anders als der Beschwerdegegner in seiner Vernehmlassung vom 19. September 2024 annimmt, reichte das BSV nicht unaufgefordert eine Vernehmlassung ein. Vielmehr forderte das Bundesgericht das BSV als beschwerdeberechtigte Bundesverwaltungsbehörde zu einer Vernehmlassung gestützt auf Art. 102 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG auf. Inwiefern die Bedienung des BSV mit den für die sachgerechte Begründung einer Vernehmlassung notwendigen, fallspezifischen Verfahrensakten Bestimmungen des Datenschutzes verletzen soll, wie vorgebracht wird, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht substanziiert dargelegt. Zur Stellungnahme des BSV äusserte sich der Beschwerdegegner überdies in seinen Eingaben vom 19. und 25. September 2024 einlässlich. Eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs ist nicht auszumachen. Es liegt mithin keine unzulässige, verspätete Eingabe des BSV vor, weshalb diese nicht aus dem Recht zu weisen ist, wie der Beschwerdegegner beantragt.
4.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG ; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4).
5.
5.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin die Kosten für den Aufenthalt des Beschwerdegegners in der Institution D.________ vom 16. November bis 16. Dezember 2015 und vom 8. Februar bis 19. Dezember 2016 zu übernehmen hat. Es steht fest, dass es sich dabei weder um eine erstmalige berufliche Ausbildung (Art. 16 IVG) noch um eine Umschulung (Art. 17 IVG) handelt. Es ist ebenso unbestritten, dass der Aufenthalt in der Institution D.________ nicht medizinischer Natur war. Weiter sind sich die Parteien einig darüber, dass der Beschwerdegegner zum Zeitpunkt des Eintritts in diese Institution seine Berufswahl noch nicht getroffen hatte (vgl. Urteile 9C_534/2010 vom 10. Februar 2011 E. 3.2; 9C_882/2008 vom 29. Oktober 2009 E. 5.1). Daher steht einzig die Frage der Kostentragung durch die Beschwerdeführerin unter dem Titel der Berufsberatung nach Art. 15 IVG im Raum.
5.2.
5.2.1. Als Massnahme beruflicher Art haben Versicherte, die infolge Invalidität in der Berufswahl oder in der Ausübung ihrer bisherigen Tätigkeit behindert sind, Anspruch auf Berufsberatung (Art. 15 IVG).
5.2.2. Der Eintritt der Invalidität bzw. des Versicherungsfalls erfolgt in jenem Zeitpunkt, da die gesundheitliche Einschränkung die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat (vgl. Art. 4 Abs. 2 IVG) und somit eine Leistung der Invalidenversicherung objektiv erstmals angezeigt ist (vgl. BGE 140 V 246 E. 6.2; 126 V 241 E. 4; Urteil 8C_421/2023 vom 5. Januar 2024 E. 4.3). Es ist möglich, dass für denselben Gesundheitsschaden verschiedene leistungsspezifische Versicherungsfälle vorliegen, die allenfalls zu verschiedenen Zeitpunkten zum Tragen kommen (berufliche oder medizinische Massnahme, Hilfsmittel, Rente usw.). Für die Begründung eines Anspruchs auf Berufsberatung genügt ein relativ geringes Mass an gesundheitlich bedingten Schwierigkeiten bei der Berufswahl oder in der Ausübung der bisherigen Tätigkeit (SVR 2008 IV Nr. 3 S. 7, I 1040/06 E. 5.1).
6.
6.1. Die Vorinstanz stellte fest, nach Austritt aus dem Kinder- und Jugendpsychiatrischen Zentrum B.________ am 25. August 2015 sei der Beschwerdegegner zwar als berufsbildungsfähig angesehen worden, offenbar wegen "totaler Verweigerung" aber per 25. August 2015 in die C.________ AG eingetreten. Die von der Beschwerdeführerin eingesetzte Berufsberatung habe im Rahmen einer Stellungnahme am 29. September 2015 festgestellt, dass zum jetzigen Zeitpunkt sozialtherapeutische Massnahmen im Sinne von Erhalt der Tagesstruktur bzw. Erarbeiten von alternativen Verhaltensweisen notwendig seien. Als sinnvoll erachtet worden sei im Anschluss an den Klinikaustritt eine Platzierung in geschütztem Rahmen mit integriertem Berufspraktikum, bspw. in der Institution D.________ oder ein 10. Schuljahr mit Berufspraktikum. Nach seinem Eintritt in die Institution D.________ am 16. November 2015 habe eigen- und fremdgefährdendes Verhalten am 16. Dezember 2015 zur erneuten Einweisung in die C.________ AG geführt. Am 8. Februar 2016 sei er in die Institution D.________ zurückgekehrt. Der Aufenthalt sei am 19. Dezember 2016 beendet worden, weil sich der Beschwerdegegner nicht mehr an die dortigen Strukturen gehalten habe.
6.2. Die Vorinstanz prüfte den Zeitraum vom 16. November bis 16. Dezember 2015 und denjenigen vom 8. Februar bis 14. August 2016 als erste Phase, da während dieser Aufenthaltszeit in der Institution D.________ nicht auch Eingliederungsmassnahmen durch die Beschwerdeführerin im Sinne der beruflichen Abklärung im E.________ angeordnet gewesen seien. In der zweiten zu prüfenden Phase vom 15. August bis 19. Dezember 2016 sei er gleichzeitig in der beruflichen Abklärung im E.________ gewesen, bzw. habe ab dem 14. November 2016 sein Vorlehrjahr im E.________ absolviert. Die Vorinstanz bezeichnete den Aufenthalt in der Institution D.________ als letztlich notwendigen Schritt im Hinblick auf die Erlangung der Ausbildungsfähigkeit, auch wenn zu Beginn desselben die Stabilisierung des Zustands im Vordergrund gestanden sei. Hinsichtlich der Zeit vom 15. August bis 19. Dezember 2016 sei der Beschwerdegegner immer noch zwingend auf den unterstützenden Rahmen dieser Institution angewiesen gewesen, wobei er dennoch in der Lage gewesen sei, nach seinem (ungeplanten) Austritt am 19. Dezember 2016 das Vorlehrjahr zu beenden und anschliessend erfolgreich eine Ausbildung zum Mechanikpraktiker EBA zu absolvieren. Die Vorinstanz bejahte auch für die Zeit vom 15. August bis 19. Dezember 2016 einen Anspruch auf Kostenübernahme für seinen Aufenthalt in der Institution D.________, sodass die gesamthaft entstandenen Kosten in der Höhe von Fr. 120'043.25 durch die Beschwerdeführerin zu tragen seien.
7.
Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, Art. 15 IVG biete keine Grundlage, um Lücken im Grundschulwissen zu füllen. Zu Beginn des Eintritts in die Institution D.________ sei die Eingliederungsfähigkeit noch nicht gegeben gewesen. Der Aufenthalt sei nicht massgeblich auf die berufliche Integration ausgerichtet gewesen. Die Berufsberatungsbemühungen der Institution D.________ seien im Wesentlichen dieselben gewesen wie jene der kantonalen Berufsberatung (Hilfestellung beim Bewerbungsdossier und bei der Suche nach Schnuppereinsätzen). Der Aufenthalt sei insofern nicht notwendig in Bezug auf die Ausbildungsfähigkeit gewesen, als bei einer anderen Wohnsituation eine spätere erstmalige berufliche Ausbildung nicht vereitelt worden wäre. Die Wohnkosten des D.________ gingen weit über Ziel und Zweck von Art. 15 IVG hinaus. Auch mit Blick auf die Dauer der Massnahme sei diese nicht als zweckmässig anzusehen. Die Tarife der interkantonalen Zusammenarbeitsvereinbarung im Bereich sozialer Einrichtungen IVSE seien für die Invalidenversicherung nicht verbindlich. Die Leistungspflicht sei vielmehr auf eine einfache und zweckmässige Versorgung beschränkt.
8.
8.1. Hinsichtlich der im vorinstanzlichen Verfahren als erste Phase beurteilten Aufenthaltszeit in der Institution D.________ vom 16. November bis 16. Dezember 2015 und vom 8. Februar bis 14. August 2016 stellte die Vorinstanz willkürfrei fest, dass die Massnahme vor allem der Sozialrehabilitation gedient habe und die Stabilisierung des gesundheitlichen Zustands (bei strukturiertem Alltag im noch teilweise geschützten Rahmen) im Vordergrund gestanden sei. Die Massnahme habe Folgendes thematisiert: Selbststrukturierung, Arbeit, Kontakt mit Gleichaltrigen im sozialen Umfeld, Schulabschluss mit schulischer Begleitung, Praktikumsplatz und Berufsfindung (Austrittsbericht der Institution D.________ vom 31. Januar 2017).
Unbestritten ist ferner, dass im Anschluss an die abgebrochene stationäre Psychotherapie im Kinder- und Jugendspychiatrischen Zentrum B.________ und die übergangsweise Aufnahme in die C.________ AG mit einer Aufenthaltsdauer vom 25. August bis 14. November 2015 eine Anschlusslösung zu finden war, da die Rückkehr ins elterliche Umfeld seitens der Mutter des Beschwerdegegners wie der C.________ AG wegen impulsiv-aggressiver Symptomatik zu dieser Zeit ausgeschlossen wurde (Stellungnahme der C.________ AG vom 8. September 2015). Auch der Beschwerdegegner betont, die Unterbringung in der Institution D.________ habe einer Nachreifung, dem Aufholen schulischer Defizite sowie der Vorbereitung auf eine berufliche Ausbildung gedient. Hieraus erhellt, dass der Aufenthalt in der Institution D.________ zumindest zu Beginn als sozialtherapeutische Massnahme gedacht war, was auch aus dem Bericht der IV-Berufsberatung vom 29. September 2015 hervorgeht. Die Vorinstanz schloss, dass zu jenem Zeitpunkt berufliche Massnahmen der Invalidenversicherung noch nicht zielführend bzw. durchführbar gewesen wären, wie aus einer Stellungnahme der Berufsberatung vom 29. September 2015 unmissverständlich hervorgehe. Der Aufenthalt in der Institution D.________ habe sogar unterbrochen werden müssen, so die Vorinstanz weiter, da eine neuerliche Einweisung in die C.________ AG notwendig geworden sei.
8.2. Soweit die Vorinstanz auf der Grundlage dieser Feststellungen für die erste Phase des Aufenthalts in der Institution D.________ einen Anspruch auf Kostenersatz gestützt auf Art. 15 IVG bejahte, ist ihr nicht zu folgen. Wie sie darlegte, musste zunächst primär - nebst der weiteren persönlichen Stabilisierung und der Sozialrehabilitation - der schulische Stoff nach dem Schulabbruch in der zweiten Oberstufe nachgeholt werden, um eine berufliche Ausbildung zu ermöglichen. Gerade das Schliessen schulischer Lücken fällt rechtsprechungsgemäss nicht unter den Begriff der Berufsberatung nach Art. 15 IVG (Urteil I 836/05 vom 1. März 2006 E. 3.3.1 u.a. mit Hinweis auf Urteil I 242/02 vom 17. März 2004 E. 5.2.2). Eigentliche Abklärungen von Neigungen und Fertigkeiten oder ein praktischer Arbeitsversuch im Hinblick auf die noch zu treffende Berufswahl erfolgten nicht in dieser Institution, wie sich aus den Feststellungen der Vorinstanz ergibt (vgl. Urteile 9C_534/2010 E. 3.2 und I 836/05 vom 1. März 2006 E. 3.2). Dies deckt sich im Übrigen mit der Einschätzung des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) der Beschwerdeführerin in seiner Stellungnahme vom 30. März 2016 zur Eingliederungsfähigkeit, wonach "momentan und vorerst sozialtherapeutische Massnahmen Vorrang" hätten.
Auch wenn die Institution D.________ ein wichtiger Schritt zur Ausbildungsfähigkeit war, wie die Vorinstanz weiter erwog, geht aus dem soeben Dargelegten klar hervor, dass in Bezug auf die Ausbildungsfähigkeit und Berufswahlkompetenz des Beschwerdegegners zunächst eine psychische Stabilisierung und das Erlernen von Grundkompetenzen im Rahmen einer klaren Tagesstruktur notwendig waren, bevor Massnahmen beruflicher Art eingeleitet werden konnten. Anders als in dem von der Vorinstanz herangezogenen Urteil I 836/05 vom 1. März 2006 (E. 2.3.2 und 3.3.1) war hier in dem zu beurteilenden Zeitraum kein Vorlehrjahr zu absolvieren, das durch verschiedene Praktika in der bereits feststehenden Berufsrichtung massgeblich auf die berufliche Integration ausgerichtet war. Auch der Sachverhalt des von der Vorinstanz angeführten Urteils I 492/88 vom 13. Juli 1990 lässt sich nicht mit der vorliegend zu beurteilenden Konstellation vergleichen. Der Versicherte konnte in jenem Fall eine "Probezeit antreten", während welcher sich ihm die Möglichkeit eröffnete, eine externe Anlehre zum Plattenleger anzutreten. Der Aufenthalt im dortigen Landheim diente dem Arbeitstraining und der Vorbereitung auf die Ausbildung zum Plattenleger, weshalb der Heimaufenthalt bis zum Beginn der Anlehre zunächst den Charakter einer berufsberaterischen Abklärungsmassnahme im Sinne von Art. 15 IVG gehabt hatte. Der geplante Beginn der erstmaligen beruflichen Ausbildung wäre zudem ernstlich in Frage gestellt gewesen, wenn der Versicherte nach erfolgter Abklärung der beruflichen Möglichkeiten aus dem Landheim hätte entlassen werden müssen. Wie soeben dargelegt, hatte hier der Aufenthalt in der Institution D.________ in dieser Phase nicht den Charakter einer berufsberaterischen Abklärungsmassnahme. Durch eine allfällige Entlassung wäre auch nicht die Verwirklichung der erstmaligen beruflichen Ausbildung gefährdet gewesen, da zu diesem Zeitpunkt eine Ausbildung noch nicht konkret ins Auge gefasst werden konnte. Hieraus lässt sich nichts zugunsten des Beschwerdegegners ableiten. Zumindest für die erste Phase des Aufenthalts verletzt nach dem Gesagten die vorinstanzliche Subsumtion dieser Massnahme unter die Berufsberatung nach Art. 15 IVG Bundesrecht.
8.3.
8.3.1. Was die zweite Phase betrifft, mithin während der Beschwerdegegner gleichzeitig eine berufliche Abklärung bzw. ab 14. November 2016 eine erstmalige berufliche Eingliederung (Vorlehrjahr) im E.________ absolvierte, hat die Beschwerdeführerin in ihrer Verfügung vom 31. Januar 2023 einen Teil der Aufenthaltskosten in der Institution D.________ gestützt auf Art. 15 IVG übernommen.
8.3.2. Bezüglich der Kosten des Aufenthalts von gesamthaft Fr. 120'043.25 stellte die Beschwerdeführerin zutreffend fest, dass die Leistungen des IVG die Invalidität mit geeigneten, einfachen und zweckmässigen Eingliederungsmassnahmen verhindern, vermindern oder beheben sollen (Art. 1a lit. a IVG). Sie verwies ebenso zutreffend darauf, dass die tarifären Bestimmungen der Invalidenversicherung zum Tragen kommen (vgl. Art. 27 IVG in Verbindung mit Art. 41 Abs. 1 lit. l IVV). Dies verkennt die Vorinstanz in Verletzung von Bundesrecht, indem sie ohne vertiefte Auseinandersetzung mit der Problematik die Bestimmungen der interkantonalen Zusammenarbeitsvereinbarung im Bereich sozialer Einrichtungen IVSE vom 13. Dezember 2002 heranzog. Sie räumte den IVSE-Tarifen ohne Weiteres Vorrang vor den durch die Invalidenversicherung abgeschlossenen Tarifvereinbarungen oder der Vereinbarung eines Preises im Einzelfall ein ( https://www.sodk.ch/de/ivse/sammlung-erlasse-ivse/, zuletzt besucht am 28. Oktober 2024).
8.3.3. Wie die Beschwerdeführerin und das BSV darlegen, fallen nach Art. 3 Abs. 4 IVSE Einrichtungen nicht unter diese Vereinbarung in Bezug auf Leistungen, die sie zur beruflichen Eingliederung im Sinne der Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung erbringen. Daher kommen die Kosten-Tarife der IVSE für die Invalidenversicherung nicht zum Tragen. Die jeweiligen Leistungserbringer schliessen mit der Invalidenversicherung eigene Vereinbarungen oder eine Vereinbarung eines Preises im Einzelfall nach eigenem Tarifmodell ab, je nach den gewünschten Leistungen. So wird das Kontraktmanagement (KMT) der Invalidenversicherung mit den Anbietern beruflicher Massnahmen seit 1. Januar 2013 von den IV-Stellen wahrgenommen. In einer Leistungsvereinbarung (Tarifvereinbarung) werden die Vergütungsansätze gemäss den für die einzelnen Massnahmen vorgesehenen Verrechnungseinheiten festgehalten und mit der entsprechenden Tarifposition versehen (Katalog Tarifpositionen: https://www.ahv-iv.ch, zuletzt besucht am 28. Oktober 2024; vgl. Kreisschreiben über die Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art (KSBE, Stand 1. Januar 2016).
8.3.4. Hier hat die Beschwerdeführerin gestützt auf die Tarifziffer 906.081.2 ihrer Verfügung vom 31. Januar 2023 einen monatlichen Betrag von Fr. 3'495.- bei Wohnen mit normaler Betreuung zugrunde gelegt (vgl. IV-Protokoll per 30. März 2023 S. 10), was für den Zeitraum vom 15. August bis 19. Dezember 2016 Fr. 17'475.- ausmacht (5 x Fr. 3'495.-). Wie sie ausführt, entspricht dies der vom zuständigen KMT mit der Institution D.________ im Rahmen der "Vereinbarungen Preis im Einzelfall" jeweils vereinbarten Pauschale für das Wohnen, damit die versicherte Person an der hauptsächlichen Massnahme wie berufliche Abklärung oder erstmalige berufliche Massnahme, vollumfänglich teilnehmen könne. Gegen diese konkrete Berechnung der Kostenvergütung bringt der Beschwerdegegner nichts vor, weshalb sich Weiterungen hierzu erübrigen. Mit Blick auf das gestellte Rechtsbegehren (E. 1 vorne) bleibt es jedenfalls bei der von der Beschwerdeführerin verfügten Kostenbeteiligung in der Höhe von Fr. 17'475.-. Es braucht daher nicht näher auf den Umstand eingegangen zu werden, dass der Aufenthalt nicht zum Voraus mit einer entsprechenden Leistungsvereinbarung bewilligt wurde (vgl. 78 Abs. 3 IVV; SVR 2004 IV Nr. 11 S. 30, I 509/01 21. August 2003 E. 3.2.1; Urteil I 242/02 vom 17. März 2004 E. 5.2.1). Die Beschwerde ist begründet.
9.
Mit dem Entscheid in der Sache ist die Frage der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegenstandslos.
10.
Als unterliegende Partei hat der Beschwerdegegner die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 23. Januar 2024 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden vom 31. Januar 2023 bestätigt.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Obergericht Appenzell Ausserrhoden zurückgewiesen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 26. November 2024
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Wirthlin
Die Gerichtsschreiberin: Polla