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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_426/2013  
{  
T 0/2  
}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 26. Dezember 2013  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Borella, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
G.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Ausfeld, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA,  
avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts 
vom 2. Mai 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1973 geborene G.________ meldete sich im Januar 2004 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau sprach ihm vom 1. September 2003 bis 31. Dezember 2004 eine ganze und vom 1. Januar bis 31. Juli 2005 eine halbe Rente zu; sie verneinte einen weitergehenden Anspruch (Verfügungen vom 21. Dezember 2007). Die Beschwerde, die der Versicherte gegen die den Rentenanspruch ab 1. Januar 2005 betreffende Verfügung erhoben hatte, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau ab (Entscheid vom 3. Juli 2008). Das von G.________ daraufhin angerufene Bundesgericht hiess seine Beschwerde gut und wies die Sache zur weiteren Abklärung und Neuverfügung über den Anspruch ab 1. Januar 2005 an die IV-Stelle des Kantons Aargau zurück (Urteil 9C_732/2008 vom 5. März 2009). 
Im April 2009 überwies die IV-Stelle des Kantons Aargau die Akten zufolge Wegzugs des Versicherten ins Ausland der IV-Stelle für Versicherte im Ausland. Nach weiterer Abklärung des medizinischen Sachverhalts bestätigte diese die (für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2005 eine halbe Rente zusprechende) Verfügung vom 21. Dezember 2007 (Verfügung vom 24. Januar 2011). 
 
B.   
Beschwerdeweise liess G.________ die Aufhebung der Verfügung und die Zusprache einer ganzen Rente auch für die Zeit ab 1. Januar 2005 beantragen. Das Bundesverwaltungsgericht hiess die Beschwerde teilweise gut und änderte die Verfügung vom 24. Januar 2011 insoweit ab, als darin die Rente bereits mit Wirkung ab 1. Januar 2005 reduziert und ab 31. Juli 2005 aufgehoben wurde. Es hob die ganze Rente mit Wirkung ab 1. Februar 2006 auf (Entscheid vom 2. Mai 2013). 
 
C.   
G.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und das Rechtsbegehren stellen, der angefochtene Entscheid sei insoweit aufzuheben, "als darin die Ausrichtung einer Rente per 1. Februar 2006 terminiert" werde. Es sei ihm über das genannte Datum hinweg eine volle Rente zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Verwaltung zurückzuweisen. Des Weitern ersucht er um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege (Prozessführung, Verbeiständung). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz stellte gestützt auf die Einschätzung des Dr. med. S.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, fest, der Versicherte sei vom 1. Januar bis 31. Oktober 2005 weiterhin vollständig arbeitsunfähig gewesen. Hingegen habe sich sein Gesundheitszustand nach den Gutachten der Institution X.________ vom 2. Februar 2006 und der Institution Y.________ vom 26. November 2009 mit Wirkung auf 1. November 2005 insofern verbessert, als die Arbeitsunfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit noch 20-25 % und in einer angepassten Tätigkeit 15 % betrage. Die Durchführung eines Einkommensvergleichs erübrige sich, da der Beschwerdeführer in seiner angestammten Tätigkeit weitgehend arbeitsfähig sei und der IV-Grad somit dem jeweiligen Arbeitsunfähigkeitsgrad entspreche. Gestützt auf Art. 88a Abs. 1 Satz 2 IVV sei die Rente mit Wirkung auf 1. Februar 2006 aufzuheben.  
 
2.2. In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung als offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig erscheinen lässt:  
 
2.2.1. Der Versicherte macht geltend, im Gutachten der Institution Y.________ vom 26. November 2009 würden im Rahmen der bloss auszugsweisen Wiedergabe wesentliche Erkenntnisse aus den Berichten vom 25. Januar, 11. April und 1. Juni 2006 unterschlagen, was er im Übrigen bereits im kantonalen Verfahren vorgebracht habe, von der Vorinstanz aber - in Verletzung seines Anspruches auf rechtliches Gehör - nicht gewürdigt worden sei. Da sich indessen ein Gericht nicht mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss, sondern sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken kann (BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237; 137 II 266 E. 3.2 S. 270), durfte die Vorinstanz darauf verzichten, auf diese - wie zu zeigen ist - unmassgeblichen Einwände weiter einzugehen. Die Kritik am Gutachten der Institution Y.________ ist unbegründet, weil es die Anforderungen der Rechtsprechung erfüllt, indem es insbesondere in Kenntnis der Vorakten erging (vgl. dazu BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Nichts zu ändern vermag, dass die Gutachter die genannten Berichte der Berufsberatung (vom 25. Januar und 1. Juni 2006) und des Bildungszentrums Z.________ (vom 11. April 2006) - wie üblich - lediglich in ihren Schlussfolgerungen und damit verkürzt wiedergaben. In diesem Sinne genügte die Feststellung, dass das Arbeitspensum von 50 % nicht überschritten werden konnte, und war nicht zwingend zu erwähnen, dass eine Aufnahme der Arbeit zu 100 % ausser Frage stehe. Ebenso durfte, entgegen dem Beschwerdeführer, die Begründung, weshalb eine Ausdehnung der Arbeitszeit nicht möglich war, ohne weiteres weggelassen werden. Ohnehin dürfte der im Bericht vom 11. April 2006 hierfür angegebene Grund, wonach der physische Gesundheitszustand noch kein höheres Pensum als 50 % erlaube, im Lichte der von den Gutachtern festgestellten (ausgeprägten) Verdeutlichungstendenz zu würdigen sein (Gutachten der Institution Y.________ vom 26. November 2009; vgl. auch Gutachten der Institution X.________ vom 2. Februar 2006, wonach die Intensität der vom Versicherten geklagten Beschwerden auf organischer Grundlage schwer nachvollziehbar sei). Entgegen dem Beschwerdeführer wurde schliesslich auch den (in den Berichten vom 25. Januar und 11. April 2006) festgestellten Konzentrationsstörungen (ein schnelles Ermüden habe sich auch in der von Dr. med. S.________ angeordneten testpsychologischen Untersuchung gezeigt) Rechnung getragen, berücksichtigte doch Dr. med. C.________ im psychiatrischen Konsilium vom 21. September 2009 die Einschränkung der Leistungsfähigkeit wegen Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Damit ergibt sich zusammenfassend, dass das Gutachten in Kenntnis der erwähnten Berichte verfasst wurde und in diesen keine objektiv feststellbaren Gesichtspunkte genannt werden, welche im Rahmen der Begutachtung unerkannt geblieben und geeignet wären, zu einer von den Experten abweichenden Beurteilung zu führen (Urteil 9C_683/2011 vom 9. Januar 2012 E. 3.3).  
 
 
2.2.2. In Bezug auf das psychiatrische Teilgutachten vom 21. September 2009 beanstandet der Beschwerdeführer, Dr. med. C.________ gehe zu Unrecht davon aus, die psychiatrische Komorbidität sei nicht (mehr) sehr ausgeprägt. Denn diagnostiziert wurde beim Versicherten nach umfangreichen Abklärungen, insbesondere auch nach Durchführung verschiedener Tests, eine leichte depressive Episode. Eine solche stellt rechtsprechungsgemäss keine Komorbidität (von erheblicher Schwere und Ausprägung) dar (SVR 2012 IV Nr. 1 S. 1, 9C_1040/2010 E. 3.4.2.1).  
Soweit der Beschwerdeführer sich unter Hinweis auf das von Prof. Dr. iur. Jörg Paul Müller und Dr. iur. Matthias Kradolfer verfasste Rechtsgutachten vom 20. November 2012 darüber hinaus auf den Standpunkt stellt, die Rechtsprechung zur invalidisierenden Wirkung somatoformer Schmerzstörungen verstosse gegen Art. 6 Ziff. 1 und Art. 14 EMRK, sei auf das jüngst ergangene, zur Publikation bestimmte Grundsatzurteil 8C_972/2012 vom 31. Oktober 2013 E. 3 ff., insbesondere E. 8.2 in fine, verwiesen, in welchem eine Konventionsverletzung verneint wurde. 
 
2.2.3. Auch hinsichtlich der vorinstanzlichen Feststellung, wonach der Versicherte gestützt auf das Gutachten der Institution Y.________ vom 26. November 2009 in der Tätigkeit als Versicherungsberater 20-25 % und in einer angepassten Tätigkeit 15 % arbeitsunfähig wäre (nach den Gutachtern vor allem wegen der psychiatrischen Befunde, weniger wegen der neurologischen und rheumatologischen), bringt der Versicherte nichts vor, was sie offensichtlich unrichtig erscheinen liesse. Dem Urteil 9C_732/2008 vom 5. März 2009, auf welches er sich beruft, lässt sich zwar entnehmen, dass der Versicherte in seinem Projekt als Selbstständigerwerbender - nach Dr. med. S.________ letztlich aus gesundheitlichen Gründen (Bericht vom 11. Oktober 2007) - gescheitert und nicht mehr als Versicherungsmakler tätig war. Mit der Begründung, das Gutachten der Institution X.________ vom 2. Februar 2006 erlaube kein zuverlässiges und vollständiges Bild der gesundheitlichen Situation des Versicherten und der ihm zumutbaren Arbeitsfähigkeit, zumal eine Auseinandersetzung mit zumutbaren Verweisungstätigkeiten fehle, wurde die Sache damals zu ergänzenden Abklärungen an die IV-Stelle zurückgewiesen. Diese ordnete die Begutachtung durch die Institution Y.________ an. Nichts spricht dagegen, für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf die überzeugenden und nachvollziehbaren Schlussfolgerungen im Gutachten der Institution Y.________ vom 26. November 2009 abzustellen.  
 
2.2.4. Bei dieser Sachlage ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass es dem Versicherten - entgegen seinen Vorbringen in der Beschwerde - zumutbar wäre, die bisherige Tätigkeit wieder zu 75 bis 80 % (bzw. eine angepasste [worunter nach dem Gutachten der Institution Y.________ vom 26. November 2009 alle leichten bis körperlich mittelschweren Tätigkeiten fallen] zu 85 %) auszuüben. Für die Vornahme eines leidensbedingten Abzuges beim Invalideneinkommen im Sinne von BGE 126 V 75 E. 5 S. 78 ff., wie sie der Versicherte für angezeigt hält, besteht keine Handhabe. Es ist nicht ersichtlich und wird auch in der Beschwerde nicht dargelegt, unter welchem Titel (leidensbedingte Einschränkung, Alter etc.) ein solcher angezeigt sein könnte.  
 
2.2.5. Nach dem Gesagten hat es bei der Feststellung sein Bewenden, dass die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Versicherte nach einer Phase vollständiger Arbeitsunfähigkeit ab 1. November 2005 in rentenausschliessendem Ausmass erwerbstätig sein könnte. Dementsprechend hob sie die (ganze) Rente zu Recht mit Wirkung ab 1. Februar 2006 auf.  
 
3.  
 
3.1. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Aufgrund des Verfahrensausganges hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
 
3.2. Dem beschwerdeführerischen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist.  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Michael Ausfeld wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 26. Dezember 2013 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann