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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.373/2004 /ast 
 
Urteil vom 27. Januar 2005 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler, 
Gerichtsschreiber Arroyo. 
 
Parteien 
1. X.________, 
2. A.________ Limited, 
Kläger und Berufungskläger, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Burkhardt, 
 
gegen 
 
B.________ Limited, 
Beklagte und Berufungsbeklagte. 
 
Gegenstand 
IPRG; örtliche Zuständigkeit, 
 
Berufung gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 31. August 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der britische Staatsangehörige X.________ (Kläger 1) ist der wirtschaftlich Berechtigte der A.________ Limited, Monte Carlo, Monaco (Klägerin 2). Die B.________ Limited, Zürich (Beklagte 1), hat ihren Sitz in der Republik Seychellen und ist eine nach deren Recht konstituierte Gesellschaft. 
B. 
Die Kläger strengten am 23. Januar 2001 gegen die Beklagte 1 und zwei weitere Parteien (Beklagte 2 und 3) vor dem Bezirksgericht Zürich einen Prozess um Abrechnung und Herausgabe von Wertschriften an. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2003 hiess das Bezirksgericht Zürich die von der Beklagten 1 erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit gut und trat auf die Klage gegen die Beklagte 1 nicht ein. Die örtliche Zuständigkeit gegenüber der Beklagten 2, einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich, war unbestrittenermassen gegeben. Die Unzuständigkeitseinrede des Beklagten 3 (Y.________) wies das Gericht ab. Den von den Klägern gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons Zürich am 31. August 2004 ab. Das Gericht erwog, die Beklagte 1 verfüge in Zürich über keine Zweigniederlassung; für die gegen sie erhobene Klage habe daher das Bezirksgericht zu Recht seine Zuständigkeit gestützt auf Art. 112 Abs. 2 IPRG verneint. 
C. 
Die Kläger erheben gegen den Beschluss des Obergerichts eidgenössische Berufung. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie die Abweisung der seitens der Beklagten 1 erhobenen Einrede der örtlichen Unzuständigkeit; eventualiter beantragen sie die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Die Kläger rügen eine Verletzung von Art. 112 Abs. 2 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 IPRG. Die Beklagte 1 schliesst auf Abweisung der Berufung. Die Vorinstanz verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Vorinstanz hat die örtliche Zuständigkeit der Zürcher Gerichte für die Klage gegen die Beklagte 1 mit der Begründung verneint, dass diese über keine Zweigniederlassung in Zürich verfüge. Soweit sich die Klage gegen die beiden andern Beklagten richtet, steht dagegen die Zuständigkeit des Gerichts zur Beurteilung der Streitsache nicht in Frage; insofern bleibt das Verfahren rechtshängig. 
Mit dem angefochtenen Beschluss ist nur über einen Teil der subjektiv gehäuften Klagen durch das Nichteintreten definitiv entschieden worden. Es handelt sich daher um ein Teilurteil. Ein Teilurteil ist nach der Rechtsprechung mit Berufung selbstständig anfechtbar, wenn die davon erfassten Begehren zum Gegenstand eines gesonderten Prozesses hätten gemacht werden können, und deren Beurteilung für den Entscheid über die übrigen Begehren präjudiziell ist (BGE 124 III 406 E. 1a S. 409 mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind jedoch für objektiv gehäufte Begehren aufgestellt worden; sie dienen insofern der Konkretisierung des Grundsatzes der Prozessökonomie, welcher der Regelung der Art. 49 und 50 OG zugrunde liegt. Für Teilurteile, mit denen subjektiv gehäufte Klagen gegen einzelne von mehreren Beklagten entschieden werden, sind diese Anforderungen nicht ohne Weiteres angemessen (BGE 129 III 25 E. 1.1). Das Bundesgericht hat hier in analoger Anwendung von Art. 50 OG die Zulässigkeit der Berufung bejaht, wenn der Umfang des Beweisverfahrens in erheblichem Mass davon abhängt, ob das Verfahren gegen alle oder nur einen Teil der Beklagten durchgeführt wird (BGE 107 II 349 E. 2 S. 353; vgl. auch 127 I 92 E. 1d). 
 
Die Kläger behaupten, die Beklagte 1 verfüge in Zürich über eine Zweigniederlassung im Sinne von Art. 112 Abs. 2 IPRG, weshalb ein Gerichtsstand in Zürich gegeben sei. Das in Aussicht stehende Beweisverfahren betreffend die Herausgabe von Aktien und Belegen im Zusammenhang mit den von den Klägern behaupteten Geschäften der drei Beklagten bezieht sich auch auf die Beklagte 1. Mit ihrer Teilnahme am Verfahren können - sollte die Zuständigkeit der Zürcher Gerichte entgegen der Annahme der Vorinstanz zu bejahen sein - zu erwartende Wiederholungen von Beweisaufnahmen vermieden werden. Es kann insofern mit dem Berufungsentscheid im Falle der Gutheissung ein so bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein zusätzliches Beweisverfahren erspart werden, dass sich die Anhandnahme der Berufung rechtfertigt. 
2. 
Die Kläger rügen einen Verstoss gegen Art. 112 Abs. 2 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 IPRG. Sie machen geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht das Vorliegen einer Zweigniederlassung der Beklagten 1 in Zürich und damit auch die Zuständigkeit des Bezirksgerichts verneint. 
2.1 Die Vorinstanz hat das Vorliegen einer Zweigniederlassung der Beklagten 1 in Zürich mit der Begründung verneint, dass sie über keine selbstständige Leitung verfüge; es genüge entgegen der Ansicht der Kläger nicht, dass einziger Direktor der Beklagten 1 der Beklagte 3 sei, der für sie zum Abschluss von Rechtsgeschäften bevollmächtigt sei; denn eine Zweigniederlassung setze eine von der Leitung des Hauptunternehmens getrennte, autonome Leitung voraus; dies sei vorliegend nicht der Fall, da der Beklagte 3 wirtschaftlich Berechtigter und in der massgebenden Zeit einziger Zeichnungsberechtigter der Beklagten 1 gewesen sei; damit sei ausgeschlossen, den Beklagten 3 als autonomen Leiter der Zweigstelle Zürich anzusehen. 
2.2 Für Klagen aus Vertrag sind die schweizerischen Gerichte am Sitz des Beklagten zuständig; für Klagen aufgrund der Tätigkeit einer Niederlassung in der Schweiz sind überdies die Gerichte am Ort der Niederlassung zuständig (Art. 112 IPRG). Die Niederlassung einer Gesellschaft befindet sich im Staat, in dem sie ihren Sitz oder eine Zweigniederlassung hat (Art. 21 Abs. 3 IPRG). Die Frage, ob eine Zweigniederlassung der Beklagten 1 in Zürich gegeben ist, bestimmt sich nach schweizerischem Recht (Vischer, Zürcher Kommentar, N 7 zu Art. 160 IPRG; Girsberger, Basler Kommentar, N 2 f. zu Art. 160 IPRG). Nach Lehre und Rechtsprechung ist darunter ein kaufmännischer Betrieb zu verstehen, der zwar rechtlich Teil einer Hauptunternehmung ist, von der er abhängt, der aber in eigenen Räumlichkeiten dauernd eine gleichartige Tätigkeit wie jene ausübt und dabei über eine gewisse wirtschaftliche und geschäftliche Unabhängigkeit verfügt (BGE 117 II 87 E. 3 mit Hinweis; Vischer, a.a.O., N 9 zu Art. 160 IPRG; Girsberger, a.a.O., N 2 zu Art. 160 IPRG). 
Die Selbstständigkeit, welche die Zweigniederlassung kennzeichnet, besteht nur in dem Masse, als der Zweigbetrieb ohne wesentliche Änderungen selbstständig geführt werden könnte; ob diese Bedingung erfüllt ist, muss von Fall zu Fall unter Berücksichtigung des Aussenverhältnisses bestimmt werden. Es ist deshalb nicht wesentlich, ob die Zweigniederlassung an die Instruktionen des Hauptsitzes oder eines anderen Zweigbetriebes gebunden ist, ob dieser ihre Tätigkeit überwacht, ihr Budget genehmigt, ihre Buchhaltung führt, sich ihre Einnahmenüberschüsse überweisen lässt oder gewisse wichtige Geschäfte selber abwickelt. Für die Unabhängigkeit der Zweigniederlassung ist vielmehr bedeutsam, ob sie über eine eigene Büroorganisation mit einem bevollmächtigten Leiter verfügt und ständig mindestens ein Angestellter anwesend ist, der befugt ist, wichtige Schreiben zu unterzeichnen. In der Praxis sind zahlreiche Abstufungen zwischen Abhängigkeit und Selbstständigkeit festzustellen; entscheidend ist die Gesamtlage (BGE 117 II 85 E. 4a), wobei für die Bejahung der Selbstständigkeit stets eine eigene Leitung des Betriebs erforderlich ist (BGE 76 I 150 E. 2; 81 I 154 E. 3; 103 II 199 E. 3b; 108 II 122 E. 1; Vischer, a.a.O., N 9 zu Art. 160 IPRG; Eckert, Basler Kommentar, N 4 zu Art. 935 OR; Girsberger, a.a.O., N 2 zu Art. 160 IPRG). 
2.3 Die Vorinstanz hat in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung das Vorliegen einer selbstständigen Leitung verlangt. Dies setzt nach bundesgerichtlicher Praxis voraus, dass die Leitung des Zweigbetriebs eine in sich geschlossene und damit selbstständige Aufgabe darstellt und nicht bloss als Teil der unternehmerischen Gesamtleitung erscheint. Die Eigenständigkeit der Niederlassungsleitung geht zwar nicht dadurch verloren, dass sie ihrem Inhaber eine bedeutende Stellung innerhalb des Gesamtbetriebes und damit der Hauptleitung verschafft (BGE 117 II 85 E. 4b S. 89; Eckert, a.a.O., N 4 zu Art. 935 OR mit Verweisen). Vorliegend ist indessen nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2 OG) der Beklagte 3 der alleinige Berechtigte der Beklagten 1, die ihren Sitz in der Republik Seychellen hat und nach deren Recht konstituiert ist; der Beklagte 3 war im fraglichen Zeitraum auch der einzige Zeichnungsberechtigte der Beklagten 1. Der Beklagte 3 stellt daher keine selbstständige Leitung der Beklagten 1 im Sinne der Rechtsprechung zur Zweigniederlassung dar (vgl. auch Girsberger, a.a.O., N 3 zu Art. 160 IPRG, wonach einem in der Schweiz geführten Betrieb die Selbstständigkeit fehlt, wenn der für ihn tätige Vertreter einziges statutarisches Organ der im Ausland inkorporierten Gesellschaft ist). Dass weitere - allenfalls als selbstständige Leiter in Frage kommende - Personen für die Beklagte 1 zeichnungsberechtigt gewesen wären, machten die Kläger im vorinstanzlichen Verfahren weder geltend noch ergab sich dies nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluss aus den Akten. 
 
Die von den Klägern in der Berufung auszugsweise angeführten bundesgerichtlichen Erwägungen sind unbehelflich. Denn die zitierten Stellen beziehen sich auf die Frage der Eintragung der jeweiligen ausländischen Gesellschaft ins Handelsregister als Zweigniederlassung oder Hauptsitz. Ebenso unbeachtlich sind die in der Berufung angeführten Lehrmeinungen; insbesondere hält der von den Klägern zitierte Passus aus dem Basler Kommentar fest, dass inländische Verwaltungssitze ausländischer Gesellschaften als Zweigniederlassung qualifiziert werden können, sofern sie die übrigen Voraussetzungen des Zweigniederlassungsbegriffs erfüllen (von Planta, Basler Kommentar, N 10 zu Art. 21 IPRG). Die Kläger übersehen, dass zu diesen Voraussetzungen auch die - vorliegend fehlende - Selbstständigkeit in der Leitung gehört (vgl. BGE 108 II 122 E. 3b S. 128 mit Hinweis). 
 
Die Vorinstanz hat bundesrechtskonform das Vorliegen einer Zweigniederlassung der Beklagten 1 in Zürich verneint. Die Rüge ist unbegründet. 
3. 
Die Berufung ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtsgebühr ist bei diesem Verfahrensausgang den Klägern unter solidarischer Haftbarkeit zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Beklagte 1 ist nicht anwaltlich vertreten. Sie macht auch keine besonderen Aufwendungen geltend. Daher ist ihr praxisgemäss keine Parteientschädigung zuzusprechen (vgl. Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. V, N 3 zu Art. 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird den Klägern unter solidarischer Haftbarkeit (im Innenverhältnis je zu gleichen Teilen) auferlegt. 
3. 
Für das vorliegende Verfahren werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 27. Januar 2005 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: