Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
4A_546/2016
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Urteil vom 27. Januar 2017
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Klett, Niquille,
Gerichtsschreiber Hurni.
Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwälte
Dr. Michael Lazopoulos und Tobias Zuberbühler,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Wolff,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Interne Schiedsgerichtsbarkeit,
Beschwerde gegen die Schreiben der Swiss Chambers'
Arbitration Institution vom 6. September 2016 und vom
16. September 2016 sowie gegen das Schreiben des
EinzeIschiedsrichters vom 19. September 2016
Sachverhalt:
A.
Am 20. Dezember 2013 schlossen die Parteien ein Agency Agreement ab, mit dem die A.________ AG (Schiedsbeklagte und Beschwerdeführerin) die B.________ AG (Schiedsklägerin und Beschwerdegegnerin) zur nicht-exklusiven Verkaufsagentin für Hospitality-Pakete der Fussballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien ernannt hat.
Das Agency Agreement enthält in Ziffer 10.8 eine Schiedsklausel mit folgendem Wortlaut:
"This Agreement shall be governed by and interpreted in accordance with the laws of Switzerland (the Vienna Convention on the Sale of Goods being expressly excluded). The parties shall endeavour in good faith to resolve any dispute arising from, and/or in connection with, this Agreement by way of good faith discussion and negotiation. If the parties do not resolve any such dispute within thirty (30) days from the date on which negotiations initiated, the dispute shall, to the exclusion of the courts, be exclusively referred to, and finally resolved by an arbitral tribunal in accordance with the Swiss Rules of Arbitration. The seat of arbitration shall be Zürich, Switzerland. The language of the proceedings shall be English. For the avoidance of any doubt, any determination by the arbitral tribunal shall be final and binding on the parties."
In der Folge kam es zwischen den Parteien zu einer Auseinandersetzung betreffend die Rückzahlung eines von der B.________ AG geleisteten "Compliance Bonds" in der Höhe von Fr. 50'000.--.
B.
B.a. Am 17. März 2016 leitete die B.________ AG mittels Notice of Arbitration ein Schiedsverfahren bei der Swiss Chambers' Arbitration Institution (SCAI) ein mit dem Antrag, die A.________ AG sei zur Zahlung von Fr. 50'000.-- zu verurteilen.
Am 17. Mai 2016 reichte die A.________ AG eine Limited Answer i.S.v. Art. 3 Ziff. 7 der Swiss Rules of International Arbitration (nachfolgend: "Swiss Rules") ein. Darin machte sie in erster Linie geltend, dass ein Schiedsgericht erst nach vorgängiger Durchführung von Gesprächen und Verhandlungen zur gütlichen Beilegung der Streitsache angerufen werden könne, dass solche Gespräche im vorliegenden Fall nicht stattgefunden hätten und damit die angerufene SCAI (noch) nicht zuständig sei, das Schiedsverfahren zu administrieren. Gleichzeitig beantragte die A.________ AG, das Verfahren zur Bestellung eines Schiedsgerichts sei so lange zu sistieren, bis solche Vergleichsverhandlungen gemäss Vereinbarung durchgeführt worden seien.
Nachdem sich die B.________ AG mit einer Sistierung des Verfahrens nicht einverstanden erklärt hatte, setzte die SCAI der A.________ AG mit Schreiben vom 13. Juni 2016 Frist zur Einreichung einer vollständigen Antwort auf die Notice of Arbitration an.
Am 20. Juni 2016 reichte die A.________ AG ihre "Partial Answer to the Notice of Arbitration" ein, in der sie sich mit der Ernennung eines Einzelschiedsrichters ausdrücklich nicht einverstanden erklärte und ausführte, dass die Schiedsklausel ein Dreierschiedsgericht ("arbitral tribunal") und nicht einen Einzelschiedsrichter ("sole arbitrator") erwähne. An dieser Auffassung hielt die A.________ AG auch in ihrer "Full Answer to the Notice of Arbitration" vom 23. Juni 2016 fest.
B.b. Mit Schreiben vom 8. Juli 2016 lud die SCAI die Parteien ein, binnen 30 Tagen gemeinsam einen Einzelschiedsrichter zu bezeichnen.
Nachdem sich die Parteien auf die Bezeichnung eines Einzelschiedsrichters nicht einigen konnten, teilte die SCAI ihnen mit Schreiben vom 6. September 2016 mit, dass der "Arbitration Court" gestützt auf Art. 7 Ziff. 3 der Swiss Rules Dr. Axel Buhr als Einzelschiedsrichter ernannt habe.
Nachdem Dr. Buhr die Annahme des Schiedsmandats erklärt hatte, bestätigte die SCAI mit Schreiben vom 16. September 2016 dessen Ernennung.
Mit Schreiben vom 19. September 2016 schlug der Einzelschiedsrichter den Parteien mögliche Termine für eine Case Management Conference vor, stellte ihnen einen Entwurf der ersten verfahrensleitenden Verfügung ("Procedural Order No. 1") zu und bat sie, ihm allfällige Abänderungsvorschläge mitzuteilen. Weiter forderte er die Schiedsbeklagte dazu auf, ihm bis am 23. September 2016 ihren Anteil am Kostenvorschuss von Fr. 2'500.-- zu leisten.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 22. September 2016 stellt die Schiedsbeklagte dem Bundesgericht folgende Anträge:
"1. Der Entscheid der Swiss Chambers' Arbitration Institution vom 6. September 2016 (eventualiter der Entscheid der Swiss Chambers' Arbitration Institution vom 16. September 2016; subeventualiter der Entscheid des EinzeIschiedsrichters vom 19. September 2016) im Verfahren Nr. 600454-2016 sei vollumfänglich aufzuheben.
2. Es sei das Schiedsverfahren einzustellen und die Unzuständigkeit der Swiss Chambers' Arbitration Institution und des Einzelschiedsrichters festzustellen;
eventualiter sei die Sache zur Einleitung eines Verfahrens zur Bestellung eines Dreierschiedsgerichtes an die Swiss Chambers' Arbitration Institution zurückzuweisen;
subeventualiter sei das Schiedsverfahren bis zum Ablauf der dreissigtägigen Frist nach Erfüllung der vertraglichen Pflicht der Beschwerdegegnerin zur Aufnahme von Gesprächen und Verhandlungen mit der Beschwerdeführerin zur gütlichen Beilegung der Streitsache zu sistieren.
3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin zuzüglich MWST."
Weiter beantragt die Schiedsbeklagte, es sei der Beschwerde in Zivilsachen die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
D.
Mit Präsidialverfügung vom 26. Oktober 2016 wurde der Beschwerde mangels Opposition seitens der Beschwerdegegnerin sowie des Einzelschiedsrichters die aufschiebende Wirkung erteilt.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 140 IV 57 E. 2 S. 59; 139 III 133 E. 1 S. 133; je mit Hinweisen).
1.1. Das Schiedsverfahren wurde gestützt auf eine Schiedsvereinbarung eingeleitet, deren Parteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Sitz in der Schweiz hatten. Weder in der Schiedsvereinbarung noch später wurde vereinbart, dass die Bestimmungen über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 176 ff. IPRG) Anwendung finden sollen (vgl. Art. 353 Abs. 2 ZPO [SR 272]). Es gelten somit die Regeln über die interne Schiedsgerichtsbarkeit gemäss dem 3. Teil der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Art. 353 ff. ZPO).
1.2. Die Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 77 BGG i.V.m. Art. 389 ff. ZPO ist nur zulässig gegen
Schiedssprüche. Dabei bestimmt sich nicht nach der äusseren Bezeichnung, sondern ausschliesslich nach dem Inhalt der schiedsgerichtlichen Anordnung, ob es sich um einen anfechtbaren Schiedsspruch i.S. der genannten Bestimmungen handelt (vgl. BGE 136 III 597 E. 4 S. 599 f.; 136 III 200 E. 2.3.3 S. 205; Urteil 4A_222/2015 vom 28. Januar 2016 E. 3.1).
1.2.1. Zu den mit Beschwerde in Zivilsachen anfechtbaren Schiedssprüchen gehören die Endschiedssprüche, mit denen ein Schiedsgericht die Klage ganz oder teilweise gutheisst, abweist oder darauf nicht eintritt (Art. 392 lit. a ZPO, 2. Variante). Anfechtbar sind weiter Teilschiedssprüche, mit denen das Schiedsverfahren für einen quantitativen Teil des Streitgegenstands abgeschlossen wird, indem einzelne streitige Ansprüche vorweg umfassend beurteilt werden und das Verfahren über die anderen vorerst ausgesetzt wird (Art. 392 lit. a ZPO, 1. Variante). Schliesslich können aus den in Art. 393 lit. a und b ZPO genannten Gründen auch Zwischenschiedssprüche angefochten werden, mit denen das Schiedsgericht eine prozessuale oder materielle Vorfrage vorab gesondert entscheidet (Art. 392 lit. b ZPO; vgl. auch BGE 136 III 597 E. 4.1 S. 600 m.H.).
1.2.2. Nicht unter die anfechtbaren Schiedssprüche i.S. von Art. 389 ff. ZPO fallen demgegenüber
prozessleitende Verfügungen, die das Schiedsgericht nicht binden und auf die es im Verlaufe des Verfahrens wieder zurückkommen kann. Dazu zählt u.a. der Entscheid des Schiedsgerichts über die Leistung eines Kostenvorschusses. Weiter stellen auch Beschlüsse des Schiedsgerichts über eine vorübergehende Sistierung des Verfahrens prozessleitende Verfügungen dar, wobei diese vor Bundesgericht immerhin dann angefochten werden können, wenn das Schiedsgericht mit dem Beschluss über die Sistierung implizit auch über seine Zuständigkeit oder die Rechtmässigkeit seiner Zusammensetzung befindet (vgl. BGE 136 III 597 E. 4.2 S. 600; Urteil 4A_222/2015 vom 28. Januar 2016 E. 3.1, m.H.).
1.2.3. Ebenfalls nicht anfechtbar sind Entscheide, mit denen private Stellen im Auftrag der Parteien - z.B. gemäss einem vereinbarten Reglement einer Schiedsorganisation wie der ICC oder der SCAI - einen Schiedsrichter ernannt haben. Denn solche Stellen handeln in privater und nicht in schiedsgerichtlicher, geschweige denn in hoheitlicher Funktion. Ihr Ernennungsentscheid wird nicht als Schiedsspruch qualiziert und kann daher auch nicht beim Bundesgericht angefochten werden (Urteil P.1703/1982 vom 16. Mai 1983 E. 1d, publ. in: ASA Bull. 1984, S. 203 ff. ["La décision de nomination d'arbitre prise par la Cour d'arbitrage CCI n'étant pas une sentence arbitrale, elle ne peut pas faire l'objet d'un recours (...) "]; BOOG/TRABER, in: Berner Kommentar, 2014, N. 31 zu Art. 361 ZPO; TARKAN GÖKSU, Schiedsgerichtsbarkeit, 2014, Rz. 829; BERGER/KELLERHALS, International and Domestic Arbitration in Switzerland, 3. Aufl., 2015, Rz. 848; GIRSBERGER/VOSER, International Arbitration - Comparative and Swiss Perspectives, 3. Aufl., 2016, Rz. 731). Ebensowenig kann ein Entscheid einer Schiedsorganisation über ein Ablehnungsbegehren beim Bundesgericht angefochten werden (BGE 138 III 270 E. 2.2.1 S. 271; 118 II 359 E. 3b S. 361; Urteile 4A_282/2013 vom 13. November 2013 E. 5.3.2; 4A_644/2009 vom 13. April 2010 E. 1, m.H.). Eine vorschriftswidrige Ernennung bzw. Zusammensetzung des Schiedsgerichts kann erst mit einer Beschwerde gegen den ersten (anfechtbaren) Schiedsspruch geltend gemacht werden (BGE 138 III 270 E. 2.2.1 S. 271; Urteil 4A_644/2009 vom 13. April 2010 E. 1; BOOG/TRABER, a.a.O., N. 32 zu Art. 361 ZPO; GIRSBERGER/VOSER, a.a.O.).
1.3. Um ihre Schiedsordnungen zu harmonisieren, haben die Industrie- und Handelskammern beider Basel, Bern, Genf, Neuenburg, Tessin, Waadt und Zürich im Jahr 2004 ihre früheren Schiedsordnungen durch die Swiss Rules of International Arbitration ("Swiss Rules") ersetzt. Um Dienstleistungen im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit zu erbringen, haben sie die Swiss Chambers' Arbitration Institution (SCAI) in der Rechtsform eines im Handelsregister eingetragenen Vereins mit Sitz in Basel gegründet. Zur Administration der Verfahren nach den Swiss Rules verfügt die Swiss Chambers' Arbitration Institution über einen aus Schiedspraktikern bestehenden sog. "Arbitration Court". Dieser übt die in den Swiss Rules vorgesehenen Befugnisse aus, so etwa die Ernennung eines Einzelschiedsrichters, falls sich die Parteien nicht selbst darauf einigen können (Art. 7 Ziff. 3 Swiss Rules). Gemäss Art. 6 und 10 der SCAI-Statuten handelt es sich beim Arbitration Court um ein Vereinsorgan, dessen Organwalter von den Vereinsmitgliedern, also den einzelnen Handelskammern, bestellt werden.
Der Arbitration Court der SCAI ist damit ähnlich wie der International Court of Arbitration der internationalen Handelskammer (ICC) nicht etwa selbst ein Schiedsgericht im Sinne des 3. Teils der ZPO bzw. des 12. Kapitels des IPRG, sondern ein Vereinsorgan, das die Administration von Schiedsverfahren anbietet. Seine Entscheide betreffend die Konstituierung eines Schiedsgerichts sind keine Schiedssprüche und als solche auch nicht mit Beschwerde beim Bundesgericht anfechtbar.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin lässt sich auch aus dem Urteil 4A_282/2013 vom 13. November 2013 E. 5.3.2 nichts Gegenteiliges ableiten: Das Bundesgericht hat in diesem Entscheid einzig die Frage aufgeworfen, ob nicht auch die Ernennung eines Einzelschiedsrichters durch den Präsidenten der ordentlichen Schiedskammer des Tribunal Arbitral du Sport (TAS) der Beschwerde in Zivilsachen unterliegen sollte; dabei hat es aber sogleich darauf hingewiesen, dass die Anfechtbarkeit des Ernennungsentscheids in einem Widerspruch zur Rechtsprechung stünde, wonach Entscheide einer Schiedsorganisation über die Zusammensetzung eines Spruchkörpers eben gerade nicht beim Bundesgericht angefochten werden können (unter Hinweis auf Urteil 4A_644/2009 vom 13. April 2010 E. 1; vgl. auch oben E. 1.2.3
in fine). Anders als die Beschwerdeführerin offenbar meint, hat das Bundesgericht damit seine Rechtsprechung, wonach Ernennungsentscheide einer Schiedsorganisation nicht mit Schiedsbeschwerde anfechtbar sind, keineswegs geändert. Auch in der Lehre findet die Auffassung der Beschwerdeführerin keinerlei Stütze.
Bei den beiden Schreiben der SCAI vom 6. und 16. September 2016 handelt es sich mithin nicht um taugliche Anfechtungsobjekte, weshalb auf die dagegen erhobene Beschwerde nicht eingetreten werden kann.
1.4. Schliesslich kann auch auf die Beschwerde gegen das Schreiben des Einzelschiedsrichters vom 19. September 2016 nicht eingetreten werden. Denn dabei handelt es sich nicht um einen anfechtbaren (Zwischen-) schiedsspruch, sondern um ein Schreiben, mit dem das Verfahren organisiert und ein Kostenvorschuss erhoben wird. Einen impliziten Entscheid über die Zuständigkeit des Einzelschiedsrichters bzw. die Rechtmässigkeit seiner Ernennung enthält dieses Schreiben nicht, womit es nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht mit Schiedsbeschwerde nach Art. 77 BGG anfechtbar ist.
2.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten.
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mangels Einholung einer Beschwerdeantwort ist keine Parteientschädigung geschuldet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Swiss Chambers' Arbitration Institution und dem Schiedsgericht mit Sitz in Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Januar 2017
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Kiss
Der Gerichtsschreiber: Hurni