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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_189/2024  
 
 
Urteil vom 27. Januar 2025  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Hurni, Präsident, 
Bundesrichterin Kiss, 
Bundesrichter Denys, Rüedi, 
Bundesrichterin May Canellas, 
Gerichtsschreiber Leemann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow, Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lukas Wyss, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Versicherungsrecht, direktes Forderungsrecht, Übergangsbestimmung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 6. März 2024 (HG 23 50). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 6. Februar 2014 liess sich A.________ (Klägerin, Beschwerdeführerin) von Prof. Dr. med. C.________ wegen Schmerzen an der rechten Hand untersuchen. Aufgrund der gestellten Diagnose unterzog sie sich am 26. Februar 2014 einer handchirurgischen Operation bei Prof. Dr. med. C.________. 
Am 28. Februar 2014 trat die Klägerin aus der Klinik aus. Im Austrittsbericht wurde verzeichnet, dass der postoperative Verlauf "am ersten Tag durch stärkste Schmerzhaftigkeit geprägt" war. In den folgenden Jahren kam es zu weiteren Untersuchungen, Gutachten und Operationen. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 27. April 2023 machte die Klägerin beim Handelsgericht des Kantons Bern unter Berufung auf Art. 60 Abs. 1bis VVG (direktes Forderungsrecht des geschädigten Dritten gegenüber dem Versicherungsunternehmen) Ansprüche wegen unsorgfältiger ärztlicher Behandlung durch Prof. Dr. med. C.________ gegen dessen Haftpflichtversicherung, die B.________ AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin), geltend. Sie beantragte, die Beklagte sei zur Zahlung von Fr. 35'000.-- als Genugtuung aus der Operation vom 26. Februar 2014 zu verpflichten, nebst Zins zu 5 % seit 26. Februar 2014. Zudem sei festzustellen, dass es sich bei der Klage um eine Teilklage handle und sich die Klägerin vorbehalte, weitergehende Schadenersatzansprüche in einem weiteren Verfahren geltend zu machen. 
Die Beklagte bestritt ihre Passivlegitimation. In der Folge wurde das Verfahren nach Art. 125 lit. a ZPO auf diese Frage beschränkt. 
Mit Entscheid vom 6. März 2024 wies das Handelsgericht die Klage mangels Passivlegitimation der Beklagten ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Klägerin dem Bundesgericht, es sei der Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 6. März 2024 aufzuheben und die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 III 277 E. 3.1; 148 IV 155 E. 1.1; 143 III 140 E. 1). 
Die Beschwerde betrifft eine Zivilsache (Art. 72 BGG) und richtet sich gegen den Endentscheid (Art. 90 BGG) eines oberen kantonalen Gerichts, das in Anwendung von Art. 6 ZPO als einzige kantonale Instanz entschieden hat (Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG). Die Beschwerdeführerin ist mit ihren Anträgen unterlegen (Art. 76 Abs. 1 BGG), ein Streitwert ist nicht verlangt (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG) und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). 
Auf die Beschwerde ist unter Vorbehalt hinreichender Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) einzutreten. 
 
2.  
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, sie habe mit ihrer Auslegung Bundesrecht verletzt, wonach für das mit der Teilrevision des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG; SR 221.229.1) per 1. Januar 2022 (AS 2020 4969) in Kraft gesetzte direkte Forderungsrecht der geschädigten Person gegenüber dem Versicherungsunternehmen gemäss Art. 60 Abs. 1bis VVG die Übergangsbestimmung von Art. 103a VVG gelte. 
 
2.1. Die Vorinstanz legte Art. 103a VVG unter Berücksichtigung der verschiedenen Auslegungselemente dahingehend aus, dass diese Übergangsbestimmung auch auf das direkte Forderungsrecht nach Art. 60 Abs. 1bis VVG anwendbar sei. Dem gesetzgeberischen Willen folgend beziehe sich die Übergangsbestimmung nicht nur auf das Verhältnis zwischen den am Versicherungsvertrag Beteiligten, sondern auch auf Bestimmungen mit Drittwirkung. Das direkte Forderungsrecht sollte nicht zum Gegenstand gesonderter übergangsrechtlicher Bestimmungen gemacht werden. Da von einem qualifizierten Schweigen auszugehen sei, fänden die Übergangsbestimmungen des Schlusstitels (SchlT) ZGB keine Anwendung, womit auch die Anwendung von Art. 3 SchlT ZGB ausgeschlossen sei. Demzufolge stehe der Beschwerdeführerin kein direktes Forderungsrecht (Art. 60 Abs. 1bis VVG) gegenüber dem Versicherungsunternehmen zu.  
 
 
2.2. Die Beschwerdeführerin beanstandet die vorinstanzliche Auslegung als bundesrechtswidrig. Sie bringt vor, der Wortlaut von Art. 103a VVG spreche einzig vom Vertragsverhältnis, für das eine Übergangsbestimmung geschaffen werde. Dass auch die Verhältnisse zu vertragsfremden Dritten geregelt wären, lasse sich dem Wortlaut nicht entnehmen, was dafür spreche, dass in diesen Verhältnissen die allgemeinen Übergangsbestimmungen des SchlT ZGB zum Tragen kämen. Dasselbe ergebe sich aus der teleologischen Auslegung, da sich der Schutzzweck zugunsten der geschädigten Person nur unvollständig ergebe, wenn ihr das direkte Forderungsrecht (Art. 60 Abs. 1bis VVG) noch über Jahre verwehrt bleibe und Prozesse darüber geführt werden müssten, ob ein alt- oder neurechtlicher Vertrag vorliege. Die systematische Auslegung lege nahe, dass das Verhältnis zwischen geschädigtem Dritten und Versicherungsunternehmen deliktisch und nicht als Verhältnis aus dem Versicherungsvertrag zu begreifen sei, das von Art. 103a VVG erfasst wäre. Schliesslich zeige die historische Auslegung, dass der Gesetzgeber zu keinem Zeitpunkt, weder ausdrücklich noch stillschweigend, jemals erwogen habe, dass Art. 103a VVG auch für vertragsfremde Dritte gelten solle.  
Die Auslegung der Vorinstanz widerspreche damit Bundesrecht. Für das direkte Forderungsrecht nach Art. 60 Abs. 1bis VVG gelte nicht Art. 103a VVG, sondern die allgemeinen übergangsrechtlichen Regeln von Art. 2 und 3 SchlT ZGB
 
2.3. Die Beschwerdegegnerin hält dem im Wesentlichen entgegen, entsprechend der Entstehung, dem Wortlaut und dem Regelungszweck von Art. 103a VVG gelangten die Vorschriften des revidierten VVG - darunter auch Art. 60 Abs. 1bis VVG - nur auf nach dem 1. Januar 2022 abgeschlossene Vertragsverhältnisse zur Anwendung, mit Ausnahme der in Art. 103a VVG ausdrücklich erwähnten Tatbestände. Da der vorliegend interessierende Versicherungsvertrag vor dem 1. Januar 2022 abgeschlossen worden war, sei Art. 60 Abs. 1bis VVG im konkreten Fall nicht anwendbar.  
 
2.4.  
 
2.4.1. Nach Art. 60 Abs. 1bis VVG (in Kraft seit 1. Januar 2022) steht dem geschädigten Dritten oder dessen Rechtsnachfolger im Rahmen einer allfällig bestehenden Versicherungsdeckung und unter Vorbehalt der Einwendungen und Einreden, die ihm das Versicherungsunternehmen aufgrund des Gesetzes oder des Vertrags entgegenhalten kann, ein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Versicherungsunternehmen zu. Zuvor war ein solches direktes Forderungsrecht im VVG nicht vorgesehen.  
Zwischen den Parteien ist strittig, ob sich die Beschwerdeführerin auf diese Bestimmung berufen und ein direktes Forderungsrecht gegenüber der Beschwerdegegnerin geltend machen kann, obwohl der Versicherungsvertrag zwischen der Beschwerdegegnerin und Prof. Dr. med. C.________ vor Inkrafttreten dieser neuen Bestimmung (1. Januar 2022) abgeschlossen worden und auch das schädigende Ereignis anlässlich der Operation vom 26. Februar 2014 vor diesem Zeitpunkt eingetreten war. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Teilrevision des Versicherungsvertragsgesetzes mit Art. 103a VVG unter anderem eine eigene Übergangsbestimmung erlassen ("Übergangsbestimmung zur Änderung vom 19. Juni 2020"). Diese lautet wie folgt: 
 
"Für Verträge, die vor dem Inkrafttreten der Änderung vom 19. Juni 2020 abgeschlossen worden sind, gelten folgende Bestimmungen des neuen Rechts: 
a. die Formvorschriften; 
b. das Kündigungsrecht nach den Artikeln 35a und 35b." 
"Les dispositions suivantes du nouveau droit s'appliquent aux contrats qui ont été conclus avant l'entrée en vigueur de la modification du 19 juin 2020: 
a. les prescriptions en matière de forme; 
b. le droit de résiliation au sens des art. 35a et 35b." 
"Ai contratti conclusi prima dell'entrata in vigore della modifica del 19 giugno 2020 si applicano le seguenti disposizioni del nuovo diritto: 
a. le prescrizioni di forma; 
b. il diritto di recesso secondo gli articoli 35a e 35b." 
 
2.4.2. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 150 II 390 E. 5.2.1; 150 III 174 E. 4; 150 IV 213 E. 1.6.2; 148 III 314 E. 2.2; 147 III 475 E. 2.3.3.1; 146 III 217 E. 5; 145 III 324 E. 6.6).  
Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, unter anderem, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (BGE 150 V 33 E. 5.1; 149 IV 376 E. 6.6; 140 II 129 E. 3.2; 140 IV 108 E. 6.4; 140 V 213 E. 4.1; je mit Hinweisen). Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend; anderseits vermag aber nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers (die sich insbesondere aus den Materialien ergibt) aufzuzeigen, welche wiederum zusammen mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des Gerichts bleibt, auch wenn es das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung veränderten, vom Gesetzgeber nicht vorausgesehenen Umständen anpasst oder es ergänzt (BGE 144 V 224 E. 4.1; 143 III 646 E. 3; 138 III 359 E. 6.2; vgl. auch BGE 140 III 206 E. 3.5.3). 
Es ist ein Auslegungsergebnis anzustreben, das praktikabel ist und Rechtssicherheit schafft (BGE 150 III 174 E. 4; vgl. auch BGE 141 III 513 E. 5.4.3; 136 II 113 E. 3.3.4; 129 III 481 E. 3.2.3). 
 
2.4.3. Ein Teil der Lehre vertritt die Ansicht, Art. 103a VVG beziehe sich ausdrücklich auf "Verträge" und damit ausschliesslich auf das Vertragsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen. Das direkte Forderungsrecht nach Art. 60 Abs. 1bis VVG gründe demgegenüber unmittelbar auf dem Gesetz und werde von der Übergangsbestimmung nicht erfasst (RHEA SPECOGNA, in: Basler Kommentar, 2. Aufl. 2023, N. 13 ff. zu Art. 103a VVG; CHRISTOPH FREY/ MATTHIAS SPINNER, in: Basler Kommentar, 2. Aufl. 2023, N. 114 zu Art. 60 VVG; IGNACIO MORENO/ROLF WENDELSPIESS, Der Regress im neuen VVG, HAVE 2021 S. 245 f.; RONALD PEDERGNANA/JAN-PHILIP ELM, Der neue Art. 60 Abs. 1bis VVG im Lichte des intertemporalen Rechts, HAVE 2022 S. 120; WALTER FELLMANN, Entwicklungen im Versicherungs- und Haftpflichtrecht, SJZ 2024 S. 395; ALEXANDRE GUYAZ, in: Commentaire romand, 2022, N. 70 zu Art. 60 VVG; ADRIAN ROTHENBERGER, Mauerblümchen im Rampenlicht: Zur veränderten Bedeutung des [extrasystemischen] Koordinationsrechts - Ausblick, in: Personen-Schaden-Forum, 2021, S. 313; vgl. auch CLEMENS VON ZEDTWITZ/RICCARDO MAISANO, Rückgriff des Privatversicherers gemäss Art. 95c rev. VVG - ab wann?, Jusletter 1. März 2021, Rz. 9 ff. betr. Regressrecht des Versicherungsunternehmens).  
Nach einer anderen Lehrmeinung erklärt Art. 103a VVG ausdrücklich nur die Formvorschriften und das Kündigungsrecht nach den Artikeln 35a und 35b für anwendbar; e contrario seien alle anderen Bestimmungen des revidierten VVG - so auch das direkte Forderungsrecht nach Art. 60 Abs. 1bis VVG - auf vor dem 1. Januar 2022 abgeschlossene Versicherungsverträge nicht anwendbar (BARBARA KLETT/JELICA KUZMANOVIC, Das Übergangsrecht des revidierten VVG mit Fokus auf Vorschriften mit Auswirkungen auf Dritte, HAVE 2022 S. 27 ff.; MIKE ABEGG, Die Rechtsstellung des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer, HAVE 2022 S. 387 f.; LEVI SCHÖB, Das direkte Forderungsrecht gegenüber Haftpflichtversicherungsunternehmen, HAVE 2024 S. 35; PASCAL GROLIMUND, Versicherungsvertragsrecht, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. XIII, 2024, Rz. 44; vgl. auch CHRISTOPH K. GRABER/GION CHRISTIAN CASANOVA, in: Basler Kommentar, 2. Aufl. 2023, N. 8 zu Art. 95c VVG betr. Regressrecht des Versicherungsunternehmens).  
 
2.4.4. Art. 103a VVG bezieht sich nach seinem Wortlaut auf "Verträge". Dies könnte dahingehend verstanden werden, dass sich der Anwendungsbereich der Gesetzesbestimmung auf das Vertragsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen beschränkt und daher Rechtspositionen Dritter nicht umfasst, die sich aus dem Gesetz ergeben (so etwa FREY/SPINNER, a.a.O., N. 114 zu Art. 60 VVG; SPECOGNA, a.a.O., N. 13 ff. zu Art. 103a VVG). Der vor Inkrafttreten der Änderung vom 19. Juni 2020 (d.h. vor dem 1. Januar 2022) abgeschlossene Versicherungsvertrag kann jedoch in einem weiteren Sinn auch bloss als zeitlicher Anknüpfungspunkt für die allgemeine Anwendbarkeit der Bestimmungen des neuen Rechts aufgefasst werden, setzen doch auch auf das Gesetz gestützte Rechtsverhältnisse wie das direkte Forderungsrecht des geschädigten Dritten nach Art. 60 Abs. 1bis VVG oder das Regressrecht des Versicherungsunternehmens gemäss Art. 95c VVG einen abgeschlossenen Versicherungsvertrag mit entsprechender Deckung voraus. Der Wortlaut von Art. 103a VVG schliesst demnach nicht aus, dass bei vor dem 1. Januar 2022 abgeschlossenen Verträgen - mit Ausnahme der Formvorschriften sowie des Kündigungsrechts nach Art. 35a und Art. 35b VVG - generell das alte Recht weiterhin gelten soll, d.h. sowohl die unmittelbar auf das Vertragsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen anwendbaren als auch die weiteren Regelungen des VVG.  
Auch dem allgemein gehaltenen Randtitel ("Übergangsbestimmung zur Änderung vom 19. Juni 2020", "Disposition transitoire relative à la modification du 19 juin 2020", "Disposizione transitoria della modifica del 19 giugno 2020") lässt sich kein Hinweis auf eine Einschränkung im Sinne einer Differenzierung zwischen unmittelbar vertragsrechtlichen Bestimmungen und Gesetzesbestimmungen mit Bezugspunkten zu Dritten entnehmen. Im Gegenteil spricht diese Formulierung mit allgemeiner Tragweite für eine abschliessende übergangsrechtliche Regelung für sämtliche am 19. Juni 2020 erlassenen Änderungen von Bestimmungen des VVG, womit der in der Beschwerde vertretenen Ansicht, dass für einzelne Rechtsverhältnisse die allgemeinen Regeln von Art. 2 f. SchlT ZGB anwendbar seien, die Grundlage entzogen ist. 
 
2.4.5. In systematischer Hinsicht fällt ins Gewicht, dass das Versicherungsvertragsgesetz nicht nur den Versicherungsvertrag im engeren Sinn - verstanden als Vereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen - regelt, sondern auch die damit zusammenhängenden Rechtsverhältnisse mit Dritten, wie etwa das direkte Forderungsrecht der geschädigten Person nach Art. 60 Abs. 1bis VVG oder das Regressrecht des Versicherungsunternehmens gemäss Art. 95c VVG. Der als Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag bzw. Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bezeichnete Erlass umfasst somit neben den unmittelbar vertragsrechtlichen Regeln auch weitere Bestimmungen zu Rechtsverhältnissen mit Drittpersonen, die nicht Parteien des Versicherungsvertrags sind. Auch diese Rechtsverhältnisse ergeben sich aus dem VVG und setzen einen Versicherungsvertrag voraus, weshalb die entsprechenden Bestimmungen in einem weiteren Sinn ebenfalls als versicherungsvertraglich bezeichnet werden können.  
Kongruent damit muss der (zusammenfassende) Begriff "Verträge" in Art. 103a VVG ("Für Verträge [...] gelten", "s'appliquent aux contrats", "Ai contratti [...] si applicano") ebenfalls in einem weiten Sinn verstanden werden, indem bei vor dem 1. Januar 2022 abgeschlossenen Versicherungsverträgen - mit Ausnahme der aufgeführten Gesetzesbestimmungen (Formvorschriften sowie Kündigungsrecht nach Art. 35a und 35b VVG) - sämtliche Regeln des bis 31. Dezember 2021 geltenden Rechts anwendbar bleiben und keine Rückwirkung der neuen Bestimmungen erfolgt. Der Umstand, dass in Art. 103a VVG als Ausnahmen einzig Bestimmungen des neuen Rechts aufgeführt werden, die unmittelbar den Versicherungsvertrag betreffen, spricht entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht nicht dafür, dass die Übergangsbestimmung insgesamt nur für vertragsrechtliche Bestimmungen gelten soll. Die beschränkte Zahl aufgeführter neurechtlicher Bestimmungen, die für unter dem alten Recht abgeschlossene Verträge gelten sollen, kann genauso gut als Hinweis auf einen gesetzgeberischen Willen gewertet werden, dass eine Rückwirkung allgemein nur ganz vereinzelt erfolgen soll und somit sämtliche im VVG geregelten Rechtsverhältnisse vom Anwendungsbereich der Übergangsbestimmung von Art. 103a VVG - im Sinne einer abschliessenden Regelung - erfasst sind. 
Der von der Beschwerdeführerin erhobene Einwand, wonach der geschädigte Dritte "nur zufällig, durch ein haftpflichtrechtlich relevantes Ereignis in Kontakt mit den Parteien des Versicherungsvertrags [trete]" und das direkte Forderungsrecht deliktsrechtlich bleibe, ändert nichts daran, dass sich dieses Forderungsrecht des geschädigten Dritten aus dem Versicherungsvertragsgesetz ergibt (Art. 60 Abs. 1bis VVG) und einen Versicherungsvertrag zwischen dem Haftpflichtigen und dem Versicherungsunternehmen voraussetzt. Ohne einen solchen Versicherungsvertrag besteht auch kein direktes Forderungsrecht. Dieses hat keine unabhängig von einem Versicherungsvertrag bestehende Existenz. Die systematische Auslegung der Bestimmung spricht gegen die von der Beschwerdeführerin vertretene differenzierte übergangsrechtliche Behandlung von unmittelbar versicherungsvertraglichen und weiteren rechtlichen Verhältnissen, sondern vielmehr für eine abschliessende übergangsrechtliche Regelung. Werden von den gesamten Bestimmungen des neuen Rechts nur die in Art. 103a VVG genannten Vorschriften auf altrechtliche Verträge anwendbar erklärt, ergibt sich daraus im Umkehrschluss, dass alle anderen neurechtlichen Bestimmungen nicht zurückwirken. 
 
2.4.6. Im Rahmen des teleologischen Auslegungselements bringt die Beschwerdeführerin unter Berufung auf den Erläuternden Bericht des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) vom 6. Juli 2016 zur Revision des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) vor, dass die neu eingefügten Bestimmungen zur Haftpflichtversicherung - so auch Art. 60 Abs. 1bis VVG - nicht dem Konsumentenschutz dienen sollten, sondern ein klares Anliegen gewesen sei, in Anlehnung an vergleichbare Regelungen (wie Art. 65 Abs. 1 SVG [SR 741.01]) die Stellung des geschädigten Dritten zu stärken (Ziff. 2.2.2 S. 45 f.; Ziff. 3.2.2.3 S. 59). Der tatsächliche Zweck des direkten Forderungsrechts liege in einer Modernisierung des VVG. Dies mag zwar zutreffen und begründet die Einfügung des direkten Forderungsrechts an sich, heisst aber nichts betreffend das Übergangsrecht. Es lässt vor allem ausser Acht, dass mit der erfolgten Teilrevision des VVG insgesamt hauptsächlich die Position des Versicherungsnehmers verbessert werden sollte (vgl. Erläuternder Bericht zur Vernehmlassungsvorlage, a.a.O., S. 2; Botschaft vom 28. Juni 2017 zur Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes, BBl 2017 5091). Das Argument der Beschwerdeführerin, der Zweck des direkten Forderungsrechts erfordere übergangsrechtlich, dass dieses sofort anwendbar sei, überzeugt daher nicht. Es vermag nicht einzuleuchten, weshalb der Gesetzgeber beabsichtigt haben sollte, das direkte Forderungsrecht (Art. 60 Abs. 1bis VVG) rückwirkend gelten zu lassen, während die dem Schutz des Versicherungsnehmers dienenden (neuen) vertragsrechtlichen Bestimmungen - mit Ausnahme der ausdrücklich aufgeführten - für bereits bestehende Versicherungsverträge nach Art. 103a VVG nicht anwendbar wären. Der mit der Teilrevision beabsichtigte Schutzgedanke vermag eine übergangsrechtlich unterschiedliche Behandlung von geschädigten Dritten und Versicherungsnehmern nicht zu rechtfertigen, sondern spricht im Gegenteil für deren einheitliche Behandlung (so zutreffend KLETT/KUZMANOVIC, a.a.O., S. 28 f.).  
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Bedingungen, unter denen das Versicherungsunternehmen zur Leistung verpflichtet wird, durch Vertrag und Gesetz festgelegt werden, und die Prämie als Gegenleistung durch das daraus folgende Risiko des Versicherers bestimmt wird. Neben den unmittelbar versicherungsvertragsrechtlichen Bestimmungen kann dabei auch das Risiko einer direkten Inanspruchnahme durch einen geschädigten Dritten (Art. 60 Abs. 1bis VVG) oder die Wahrscheinlichkeit einer Schadloshaltung im Regress (Art. 95c VVG) einen Einfluss auf die Prämienkalkulation haben (GROLIMUND, a.a.O., Rz. 44; KLETT/KUZMANOVIC, a.a.O., S. 28 f.). Auch dies spricht gegen die von der Beschwerdeführerin vertretene strikte Trennung zwischen unmittelbar versicherungsvertraglichen Bestimmungen des VVG und solchen mit Bezugspunkten zu Drittparteien im Rahmen des Übergangsrechts. 
 
2.4.7. In historischer Hinsicht verweist die Vorinstanz auf den Entwurf im Rahmen der bereits im Jahr 2011 geplanten, in der Folge aber gescheiterten Totalrevision des VVG. Darin war das direkte Forderungsrecht in Art. 91 Abs. 1 (BBl 2011 7844) geregelt. Übergangsrechtlich sah Art. 130 E-VVG 2011 (BBl 2011 7855) Folgendes vor:  
 
"Art. 130 Übergangsbestimmungen 
1 Das Gesetz ist auf alle Verträge anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten abgeschlossen werden. 
2 Das Gesetz ist auf Änderungen bestehender Verträge anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten vereinbart werden. 
3 Auf die beim Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden Verträge sind ab diesem Zeitpunkt folgende Bestimmungen anwendbar: die Artikel 1, 3, 6, 7, 8, 10 Absatz 2, 27, 28, 30, 31-36, 38-51, 53-55, 57-64, 73-85, 88, 89, 91-102, 104-109 Absätze 2 und 3, 110-113, 116-128. 
4 Artikel 2 ist auf die Bestimmungen nach Absatz 3 anwendbar." 
Es war demnach übergangsrechtlich ausdrücklich vorgesehen, dass auf vor dem Inkrafttreten der revidierten Gesetzesbestimmungen abgeschlossene Versicherungsverträge unter anderem das direkte Forderungsrecht nach Art. 91 Abs. 1 E-VVG 2011 rückwirkend anwendbar sein soll. 
Der Vorentwurf zur vorliegend massgebenden Teilrevision des VVG enthielt im Gegensatz dazu zunächst bewusst keine Übergangsregelung (Erläuternder Bericht zur Vernehmlassungsvorlage, a.a.O., Ziff. 2.4 zu Art. 102 E-VVG 2016 S. 54). Im Vernehmlassungsverfahren wurde "im Sinne der Rechtssicherheit" jedoch eine ausdrückliche Übergangsregelung gewünscht, wobei unter anderem auf die in der gescheiterten Totalrevision 2011 vorgeschlagene Regelung verwiesen wurde (Eidgenössisches Finanzdepartement [EFD], Vernehmlassungsverfahren zur Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes [VVG], Ergebnisbericht vom 28. Juni 2017, Ziff. 4.1.1 zu Art. 102 E-VVG 2016 S. 34). In der Folge wurde die hier strittige Übergangsbestimmung (nunmehr Art. 103a VVG) in den Gesetzesentwurf aufgenommen. Die Botschaft hielt dazu fest, dass mit Blick auf eine verhältnismässige Regelung für bereits laufende Versicherungsverträge für diese nur die Formvorschriften und das Kündigungsrecht ab Inkrafttreten des Gesetzes gelten, während "alle anderen Bestimmungen" lediglich für neu abgeschlossene Verträge anwendbar sein sollen (Botschaft vom 28. Juni 2017 zur Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes, BBl 2017 5136). Diese Aussage wurde in der kurzen parlamentarischen Debatte zur Übergangsbestimmung im Wesentlichen bestätigt (vgl. insbesondere das Votum Schneeberger, AB 2019 N 770). Eine weitergehende Übergangsregelung wurde gerade nicht übernommen. 
Die Vorinstanz weist zu Recht darauf hin, dass auch im Entwurf von 2011 übergangsrechtlich allein von "Verträgen" die Rede war, die vor Inkrafttreten des revidierten Gesetzes abgeschlossen worden waren ("Auf die beim Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden Verträge sind ab diesem Zeitpunkt folgende Bestimmungen anwendbar: die Artikel [...] 91-102 [...]"). Das in Art. 91 Abs. 1 E-VVG 2011 vorgesehene direkte Forderungsrecht wurde demnach ebenfalls mit dem Versicherungsvertrag in Verbindung gebracht und nicht von unmittelbar vertragsrechtlichen Bestimmungen unterschieden. Mit anderen Worten bezog sich diese Übergangsbestimmung trotz ihres Wortlauts nicht nur auf Verträge, sondern auch auf andere versicherungsvertragliche Bestimmungen wie das direkte Forderungsrecht. Es bestehen keine Gründe, die geltende Übergangsbestimmung von Art. 103a VVG anders auszulegen als die damals vorgeschlagene Übergangsbestimmung, auf die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ausdrücklich Bezug genommen wurde. Das historische Auslegungselement spricht daher ebenfalls gegen die in der Beschwerde vertretene unterschiedliche Behandlung von unmittelbar versicherungsvertraglichen Bestimmungen des VVG und solchen mit Bezugspunkten zu Drittparteien, sondern im Gegenteil für eine abschliessende Regelung des Übergangsrechts und damit ein qualifiziertes Schweigen hinsichtlich der in Art. 103a VVG nicht erwähnten Bestimmungen, darunter Art. 60 Abs. 1bis VVG zum direkten Forderungsrecht. 
Die Auslegung ergibt somit, dass die Übergangsbestimmung von Art. 103a VVG zur Änderung vom 19. Juni 2020 eine abschliessende Regelung enthält. Nicht zuletzt entspricht dieses Auslegungsergebnis dem Gebot der Rechtssicherheit. 
 
2.4.8. Das bedeutet im zu beurteilenden Fall, dass auf den vor Inkrafttreten der Änderung vom 19. Juni 2020 abgeschlossenen Versicherungsvertrag mit der Beschwerdegegnerin einzig die in Art. 103a VVG aufgeführten Bestimmungen des neuen Rechts anwendbar sind. Eine Rückwirkung weiterer Bestimmungen des neuen Rechts - so insbesondere betreffend das direkte Forderungsrecht nach Art. 60 Abs. 1bis VVG - ist gesetzlich ausgeschlossen. Angesichts der spezialgesetzlichen Übergangsregelung in Art. 103a VVG sind die allgemeinen Regeln zum Übergangsrecht gemäss SchlT ZGB nicht anwendbar. Den auf Art. 2 f. SchlT ZGB gestützten Vorbringen in der Beschwerde ist daher die Grundlage entzogen.  
Der Beschwerdeführerin, die sich auf einen vor Inkrafttreten der Änderung des VVG abgeschlossenen Versicherungsvertrag stützt, steht demnach kein direktes Forderungsrecht nach Art. 60 Abs. 1bis VVG gegenüber der Beschwerdegegnerin zu. Die Vorinstanz hat die Klage zu Recht mangels Passivlegitimation der Beschwerdegegnerin abgewiesen. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Januar 2025 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Hurni 
 
Der Gerichtsschreiber: Leemann