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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_30/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 27. Februar 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Eveline Roos, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Amt für Justizvollzug des Kantons Thurgau, Vollzugs- und Bewährungsdienste, Zürcherstrasse 194a, 8510 Frauenfeld, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 16. November 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Bezirksgericht Arbon verurteilte X.________ am 5. Juni 2015 wegen diverser Delikte zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, die es zugunsten einer stationären therapeutischen Massnahme aufschob. X.________ trat die Massnahme am 1. Oktober 2015 im Massnahmenzentrum U.________ an. 
 
B.  
X.________ ersuchte das Amt für Justizvollzug des Kantons Thurgau am 18. Mai 2016 um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung unter Beiordnung der Rechtsanwältin Eveline Roos im Verfahren betreffend jährliche Überprüfung der stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 62d Abs. 1 StGB
Mit Entscheid vom 16. Juni 2016 wies das Amt für Justizvollzug das Begehren um unentgeltliche Rechtspflege ab. 
Den dagegen von X.________ geführten Rekurs wies das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau am 12. September 2016 ab. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 3. Oktober 2016 erhob X.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit den Anträgen, der Entscheid des Departements sei aufzuheben und ihm im Verfahren betreffend Überprüfung der stationären therapeutischen Massnahme die unentgeltliche Rechtspflege unter Beiordnung von Rechtsanwältin Eveline Roos als unentgeltliche Rechtsbeiständin zu gewähren. Ferner ersuchte er auch für das Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
Am 16. November 2016 wies das Verwaltungsgericht das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung (für das verwaltungsgerichtliche Verfahren) ab und setzte X.________ eine Frist von 20 Tagen ab Rechtskraft dieses Entscheids zur Bezahlung des Kostenvorschusses von Fr. 500.--. Es wies darauf hin, dass es auf die Beschwerde nicht eintrete, sofern der Kostenvorschuss nicht rechtzeitig geleistet wird. 
 
D.  
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 16. November 2016 sei aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, ihm (für das Beschwerdeverfahren) die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen sowie Rechtsanwältin Eveline Roos als unentgeltliche Rechtsbeiständin einzusetzen. Er ersucht auch für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Entscheid vom 16. November 2016, in dem die Vorinstanz sein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung für das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren abweist. Solche die unentgeltliche Rechtspflege verweigernde selbstständig eröffnete Zwischenentscheide können nach der Rechtsprechung einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken (BGE 133 IV 335 E. 4 S. 338; 129 I 129 E. 1.1 S. 131). Dies ist auch vorliegend der Fall, da der Beschwerdeführer gemäss eigenen Angaben nicht in der Lage wäre, den von der Vorinstanz festgesetzten Kostenvorschuss zu bezahlen, womit diese seinen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im Verfahren gemäss Art. 62d Abs. 1 StGB nicht überprüfen würde. 
Nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens sind Zwischenentscheide mit dem in der Hauptsache zulässigen Rechtsmittel anzufechten (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382; 133 III 645 E. 2.2 S. 648). In der Hauptsache geht es um die Prüfung der Entlassung und der Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme gemäss Art. 62d StGB, mithin den Vollzug von Strafen und Massnahmen, wogegen die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (vgl. Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG). 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer kritisiert die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung für das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren. Er macht geltend, die vorliegend zu beurteilende Frage lasse sich nicht von derjenigen trennen, ob er im Verfahren nach Art. 62d Abs. 1 StGB Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung habe. Die Vorinstanz gehe zu Unrecht von der Aussichtslosigkeit seiner Beschwerde aus. Einerseits sei das Kriterium der Aussichtslosigkeit für das Verfahren nach Art. 62d StGB nicht sachgerecht. Andererseits stelle die Vorinstanz bei der Beurteilung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und seiner Rechtsanwältin auf einen falschen Zeitpunkt ab.  
 
2.2. Die Vorinstanz erwägt, die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers sei unbestritten. Sowohl das Amt für Justizvollzug als auch das Departement für Justiz und Sicherheit hätten auf die Erhebung von Verfahrenskosten verzichtet. Hinsichtlich des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das Beschwerdeverfahren sei daher zu prüfen, ob die Beschwerde gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung durch das Amt und das Departement als aussichtslos zu bezeichnen sei. Dies sei der Fall. In Abweichung des Wortlauts von § 81 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Thurgau vom 23. Februar 1981 über die Verwaltungsrechtspflege (VRG/TG; RB 170.1) könne ausnahmsweise gestattet werden, eine nicht im Kanton Thurgau eingetragene Anwältin zur unentgeltlichen Rechtsbeiständin zu ernennen, wenn ein Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt bestehe. Diese Voraussetzung sei vorliegend weder bei der Gesuchseinreichung beim Amt am 18. Mai 2016 noch vor dem Departement am 7. Juli 2016 erfüllt gewesen. Folglich hätten beide Instanzen den Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung offensichtlich zu Recht verneint. Die Beschwerde erweise sich zudem auch deshalb als aussichtslos, weil das Amt und das Departement dem Begehren des Beschwerdeführers um Aufhebung der Massnahme bzw. bedingter Entlassung aus dem Massnahmenvollzug zutreffend keine Aussicht auf Erfolg bescheinigten (Entscheid S. 5 ff.).  
 
2.3. Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.  
§ 81 VRG/TG, der Art. 29 Abs. 3 BV konkretisiert, sieht in Abs. 1 vor, dass einem bedürftigen Beteiligten auf Antrag die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt werden kann, sofern das Verfahren nicht als aussichtslos oder mutwillig erscheint. Sofern es die Umstände erfordern, namentlich im Verfahren vor Verwaltungsgericht, kann einem Beteiligten nach Abs. 2 dieser Bestimmung ein für ihn unentgeltlicher, im Anwaltsregister des Kantons Thurgau eingetragener Anwalt bewilligt werden. Besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt, hat sich der Anwalt bereits in einem vorangegangenen Verfahren mit der Sache befasst oder versteht der Mandant die Sprache der Behörde und des ihm bestellten Anwalts nicht, kann ausnahmsweise vom Erfordernis des Eintrags im thurgauischen Anwaltsregister abgesehen werden (vgl. FEDI/MEYER/MÜLLER, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, 2014, N. 5 zu § 81 VRG/TG). 
Die Anwendung von kantonalem Recht prüft das Bundesgericht, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, nur auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte, namentlich auf Willkür hin, wenn und soweit entsprechende Rügen erhoben und begründet werden (BGE 140 III 385 E. 2.3 S. 387 mit Hinweisen). 
 
2.4. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz stelle bei der Beurteilung des Vertrauensverhältnisses in zeitlicher Hinsicht fälschlicherweise auf die Gesuchseinreichung bei Amt und Departement ab. Sie hätte das Vertrauensverhältnis im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung (3. Oktober 2016) beurteilen müssen. Mangels diesbezüglicher Ausführungen könne er sich nicht mit der vorinstanzlichen Begründung auseinandersetzen. Die Rüge ist unbegründet. Die Vorinstanz verweigert nicht die unentgeltliche Verbeiständung im Beschwerdeverfahren mit der Begründung, die Rechtsanwältin des Beschwerdeführers sei nicht im thurgauischen Anwaltsregister eingetragen und es bestehe kein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen. Vielmehr überprüft sie im Rahmen ihrer Beurteilung der Erfolgsaussichten der Beschwerde die Begründung des Departements. Bereits dieses wies das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Verbeiständung im Verfahren gemäss Art. 62d StGB unter anderem mit der Begründung ab, die Rechtsanwältin des Beschwerdeführers sei nicht im Anwaltsregister des Kantons Thurgau eingetragen und zwischen ihnen bestehe kein Vertrauensverhältnis. Bei ihrer Beurteilung, ob die Beschwerde hiergegen Aussicht auf Erfolg habe, muss die Vorinstanz zwangsläufig auf die Situation im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bei Amt und Departement abstellen. Diesbezüglich zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass die Vorinstanz in Willkür verfällt, indem sie das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Rechtsanwältin zu diesem Zeitpunkt verneint. Sein Hinweis, das Amt habe seine Rechtsanwältin am 2. August 2016 für das Verfahren hinsichtlich Überprüfung seiner Unterbringungssituation als unentgeltliche Rechtsanwältin eingesetzt und damit ein Vertrauensverhältnis bejaht, genügt hierfür offensichtlich nicht. Auch macht er nicht geltend, die Vorinstanz habe kantonales Recht willkürlich angewandt.  
Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das Beschwerdeverfahren bereits aus diesem Grund abweist. Auf ihre Eventualbegründung, wonach das Begehren um Aufhebung der Massnahme bzw. bedingter Entlassung aus dem Massnahmenvollzug aussichtslos sei, und damit auf das vom Beschwerdeführer erstmals vor Bundesgericht vorgebrachte Argument, im Verfahren nach Art. 62d StGB sei das Kriterium der Aussichtslosigkeit bei der Beurteilung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nicht sachgerecht, braucht demnach nicht eingegangen zu werden. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Aufgrund der Umstände des vorliegenden Falls und mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers rechtfertigt es sich, ausnahmsweise auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Februar 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres