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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_923/2017  
 
 
Urteil vom 27. Februar 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Gerichtsschreiber Faga. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X._________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unentgeltliche Rechtspflege (Anordnung von Sicherheitshaft), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 25. Juli 2017 (BK 17 243). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland verurteilte X._________ am 9. Februar 2011 wegen einfacher Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand, Tätlichkeit, Sachbeschädigung und Irreführung der Rechtspflege zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten. Der Vollzug der Strafe wurde zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte am 24. Juni 2011 im Wesentlichen die erstinstanzlichen Schuldsprüche und erkannte auf eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten, die es zugunsten einer stationären Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB aufschob, sowie zu einer Busse von Fr. 800.--. 
Am 24. Mai 2016 stellte das Amt für Freiheitsentzug und Betreuung des Kantons Bern, Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug (ASMV), dem Regionalgericht Antrag auf Verlängerung der stationären Massnahme um fünf Jahre. 
 
B.   
Das Regionale Zwangsmassnahmengericht Berner Jura-Seeland ordnete am 13. Juni 2016 auf Antrag des Regionalgerichts Sicherheitshaft bis zum 23. September 2016 an, wobei der Vollzug nach Möglichkeit in der Klinik Rheinau zu erfolgen habe. Das Obergericht bestätigte am 8. Juli 2016 die angeordnete Sicherheitshaft (Verfahren BK 16 263). 
Eine dagegen erhobene Beschwerde in Strafsachen wies das Bundesgericht am 16. August 2016 im Wesentlichen ab, soweit es darauf eintrat. Es hiess die Beschwerde insoweit gut, als das Obergericht über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 29 Abs. 3 BV nicht entschieden und dadurch das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt hatte. Das Bundesgericht hob den obergerichtlichen Entscheid auf und wies die Sache zur neuen Beurteilung des Armenrechtsgesuchs an die Vorinstanz zurück (Verfahren 6B_834/2016). 
 
Das wieder mit der Sache befasste Obergericht trat am 5. September 2016 auf das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht ein (Verfahren BK 16 335). 
 
Eine dagegen erhobene Beschwerde in Strafsachen hiess das Bundesgericht am 15. Juni 2017 gut (Verfahren 6B_1144/2016). 
 
C.   
Das wieder mit der Sache befasste Obergericht wies das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (betreffend das Verfahren BK 16 263) am 25. Juli 2017 ab. 
 
D.   
X._________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt in der Hauptsache, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und es sei ihm für das Verfahren BK 16 263 die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gibt in seiner Eingabe Textbausteine wieder, die er bereits im Rahmen anderer Verfahren benutzt hat, ohne sie dem vorliegenden Fall anzupassen oder deren Relevanz überhaupt zu prüfen. Die definitive Nichtzulassung einer Anklage, Ausstandsbegehren, Überwachungsmassnahmen etc. sind nicht Verfahrensgegenstand. Darauf ist nicht näher einzugehen. 
 
2.   
Verfahrensgegenstand ist die Prüfung der Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege respektive der Kostenbefreiung gestützt auf Art. 29 Abs. 3 1. Satz BV (Urteil 6B_1144/2016 vom 15. Juni 2017 E. 1). 
 
2.1. Die Vorinstanz erwägt, Voraussetzung für den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege sei die Bedürftigkeit, zudem dürfe die Rechtssache nicht aussichtslos sein. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwände seien bei einer summarischen Prüfung offensichtlich unbehelflich. Soweit er in der Hauptsache eine fehlende gesetzliche Grundlage für die Anordnung der Sicherheitshaft rüge, sei auf die konstante bundesgerichtliche Rechtsprechung zu verweisen. Auch die weiteren Einwände zur behaupteten willkürlichen Sachverhaltsfeststellung und zur angeblichen Verletzung seines Anspruchs auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht hätten äusserst geringe Aussicht auf Erfolg. Gegen die vom Zwangsmassnahmengericht sehr ungünstige Rückfallprognose habe der Beschwerdeführer nichts Substanzielles vorgebracht. Die Gewinnchancen seiner Beschwerde müssten als erheblich geringer als die Verlustchancen bezeichnet werden. Das Rechtsbegehren um Aufhebung der Sicherheitshaft sei deshalb von vornherein aussichtslos gewesen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege sei abzuweisen (Entscheid S. 4 ff.).  
 
2.2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Begehren als aussichtslos anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. im Einzelnen BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f. mit Hinweisen). Bei Haftbeschwerden ist Aussichtslosigkeit mit Zurückhaltung anzunehmen (Urteil 1B_272/2012 vom 31. Mai 2012 E. 6.2 mit Hinweis).  
 
2.3. Auch wenn man diesen Massstab zugrunde legt, muss die Beschwerde an die Vorinstanz vom 27. Juni 2016 als aussichtslos bezeichnet werden. Darin vertrat der Beschwerdeführer den Standpunkt, eine gesetzliche Grundlage für die angeordnete Sicherheitshaft fehle. Vor Bundesgericht argumentiert er, von einer gefestigten bundesgerichtlichen Rechtsprechung könne keine Rede sein (Beschwerde S. 7 f.). Dies trifft nicht zu. Das Bundesgericht verwies bereits im ersten Rückweisungsverfahren auf seine konstante Rechtsprechung, wonach die Art. 221 und Art. 229 ff. StPO analog anwendbar sind (Urteil 6B_834/2016 vom 16. August 2016 E. 1.2 mit Hinweisen). Der vom Beschwerdeführer zitierte Aufsatz ändert daran nichts. Die genannten analog anwendbaren Bestimmungen der Strafprozessordnung bilden de lege lata noch eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Anordnung und Fortsetzung von strafprozessualer Sicherheitshaft im Nachverfahren, was das Bundesgericht mehrfach bestätigt hat (Urteil 1B_270/2017 vom 28. Juli 2017 E. 1.3 und 6 mit Hinweisen).  
 
Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer eine Gehörsverletzung thematisiert, unter dem Stichwort "Mehrfachverweis" aber nicht näher darlegt, mit welchen wesentlichen tatsächlichen Behauptungen respektive rechtlichen Einwänden er (gemeint wohl vor dem Zwangsmassnahmengericht) nicht gehört wurde (vgl. bereits Urteil 6B_834/2016 vom 16. August 2016 E. 3.2.2). 
 
Betreffend die ungünstige Rückfallprognose respektive die Wiederholungsgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO erwägt die Vorinstanz, der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts habe sich auf diverse aussagekräftige Gutachten und Therapieberichte gestützt. Dem ist beizupflichten (vgl. Urteil 6B_834/2016 vom 16. August 2016 E. 3.2). Inwiefern der Beschwerdeführer entgegen der Einschätzung der Vorinstanz im früheren Verfahren Wesentliches vorgebracht hätte, ist aus seinen Ausführungen vor Bundesgericht nicht nachvollziehbar. Zum Therapieverlauf in den Kliniken Etoine und Rheinau kann auf die früheren Erwägungen verwiesen werden (Urteil 6B_262/2017 vom 27. April 2017 E. 2.2). 
 
Schliesslich bleibt anzufügen, dass das Bundesgericht die frühere Beschwerde in Strafsachen, soweit darin eine fehlende gesetzliche Grundlage für die Sicherheitshaft gerügt und eine sehr ungünstige Rückfallprognose bestritten wurde, als von vornherein aussichtslos bezeichnete (Urteil 6B_834/2016 vom 16. August 2016 E. 1, 3.2 und 6). Nichts anderes gilt wie aufgezeigt für die Strafrechtsbeschwerde vom 27. Juni 2016. 
 
2.4. Die Verteidigung thematisiert die Kosten- und Entschädigungsfolgen in den Verfahren BK 16 263 und BK 16 335. Ihre Rügen sind, soweit sie überhaupt nachvollziehbar sind und auf den vorinstanzlichen Entscheid eingehen, grundlos.  
 
2.4.1. Die Vorinstanz erwägt, die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsvertreters im Bereich der notwendigen Verteidigung könne nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Erfolgsaussichten die Verlustgefahren überwiegen. Diese Erwägungen sind zutreffend (vgl. etwa BGE 134 I 92 E. 3.2.1 S. 99; Urteil 1B_296/2008 vom 11. Dezember 2008 E. 2.3; je mit Hinweisen). Richtig ist deshalb auch die vorinstanzliche Schlussfolgerung, dass der Beschwerdeführer mit Blick auf die gewährte amtliche Verteidigung bei notwendiger Verteidigung zur Frage der Aussichtslosigkeit nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag. Selbst wenn er sich mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinandersetzte und seine Beschwerde den Begründungsanforderungen genügte (Art. 42 Abs. 2 BGG), würde sie nicht durchdringen. Nicht einzutreten ist mangels Legitimation auf die Rüge, die Ausrichtung einer Entschädigung an den amtlichen Verteidiger für die Verfahren BK 16 263 und BK 16 335 zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich am Ende des Verfahrens BK 16 461, mache "keinen Sinn". Es ist weder erkennbar noch aufgezeigt, inwiefern dem Beschwerdeführer in dieser Frage ein rechtlich geschütztes Interesse zukommt (vgl. Urteil 6B_33/2016 vom 24. Oktober 2016 E. 4; 6B_45/2012 vom 7. Mai 2012 E. 1.2; je mit Hinweisen). Die Kostenauflage im Verfahren BK 16 263 war schliesslich im neuen Verfahren dem Grundsatze nach nicht mehr aufzuwerfen (vgl. Urteil 6B_834/2016 vom 16. August 2016 E. 5.2).  
 
2.4.2. Die Vorinstanz schreibt das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Befreiung von den Verfahrenskosten) für das Verfahren BK 16 335 als gegenstandslos ab (Dispositiv-Ziffer 6). Der aus Art. 29 Abs. 3 BV abgeleitete Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege kann sich nur auf die (einstweilige) Befreiung von Kosten beziehen, welche den Zugang zum Verfahren beschränken oder erschweren. Dazu zählt in erster Linie die Verpflichtung zur Leistung von Kostenvorschüssen oder anderer Sicherheitsleistungen, die vom Gesetz im Hinblick auf die weitere Durchführung des Verfahrens vorgesehen sind (Urteil 6B_847/2017 vom 7. Februar 2018 E. 5). Schreibt die Vorinstanz das Gesuch nach durchgeführtem Verfahren als gegenstandslos ab, ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden.  
 
Schliesslich richtet die Vorinstanz dem Beschwerdeführer für das Verfahren BK 16 335 keine Entschädigung aus (Dispositiv-Ziffer 5). Damit verletzt sie kein Bundesrecht. Da die Kosten der amtlichen Verteidigung zu den Verfahrenskosten zählen und der Staat diese grundsätzlich trägt (Art. 426 Abs. 1 StPO), hat der im kantonalen Verfahren amtlich verteidigte Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Entschädigung gestützt auf Art. 436 Abs. 2 respektive Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO (BGE 139 IV 261 E. 2.2.2 S. 263; 138 IV 205 E. 1 S. 206; Urteil 6B_59/2016 vom 13. April 2016 E. 2.1; je mit Hinweisen). Dies verkennt der Beschwerdeführer, indem er einen Widerspruch zur amtlichen Entschädigung zu erkennen meint (Dispositiv-Ziffer 8). Seine Behauptung, eine Begründung für die Abweisung der Entschädigung "sucht man im Anfechtungsobjekt vergebens", ist im Übrigen aktenwidrig (Entscheid S. 7) und trölerisch. 
 
3.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario). Mangels Ausführungen zur Vermögenssituation kommt eine Reduktion der Gerichtskosten nicht in Betracht. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Februar 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Faga