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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_204/2023  
 
 
Urteil vom 27. Februar 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. B.________, 
2. C.________, 
3. D.________, 
3979 Grône, vertreten durch Rechtsanwalt Basile Couchepin, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis, 
Zentrales Amt, Rue des Vergers 9, 1950 Sitten. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, Einzelrichter der Strafkammer, vom 10. Januar 2023 (P3 22 270). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis führt eine Strafuntersuchung gegen D.________ wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung zum Nachteil von A.________. Im Rahmen der Strafuntersuchung beabsichtigt die Staatsanwaltschaft die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens betreffend A.________. Sie stellte den Parteien deshalb mit Schreiben vom 19. August 2022 in Aussicht, den Gutachtensauftrag an Dr. B.________, Facharzt Psychiatrie, und C.________, Psychologin, zu vergeben, und lud sie zur Stellungnahme ein. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 9. September 2022 beantragte A.________, ausserkantonale Gutachter zu beauftragen und die Begutachtung in deutscher Sprache durchführen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft wies diese Anträge mit Schreiben vom 11. Oktober 2022 ab und forderte A.________ auf, zu erklären, ob sie ihre Eingabe vom 9. September 2022 als Ausstandsgesuch gegen die beiden vorgeschlagenen Sachverständigen behandelt haben wolle. A.________ bejahte dies mit Eingabe vom 13. Oktober 2022, woraufhin die Staatsanwaltschaft die Sache zuständigkeitshalber an das Kantonsgericht des Kantons Wallis überwies. Dieses wies das Ausstandsbegehren mit Verfügung vom 10. Januar 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 10. Februar 2023 beantragt A.________, die Verfügung des Kantonsgerichts vom 10. Januar 2023 sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, ein ausserkantonales Gutachten in ihrer Muttersprache zu erstellen. In prozessualer Hinsicht ersucht sie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung. 
Das Kantonsgericht hat unter Hinweis auf sein Urteil auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft und die Beschwerdegegner 1 und 2 haben sich nicht vernehmen lassen. Der Beschwer-degegner 3 beantragt mit kurzer Begründung die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hat am 6. April 2023 repliziert und sich mit Eingaben vom 18. Juni 2023 sowie 4. und 26. Oktober 2023 unaufgefordert weiter zur Sache geäussert. Der Beschwerdegegner 3 hat auf eine Duplik verzichtet. 
Mit Verfügung vom 16. März 2023 hat das präsidierende Mitglied der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde insoweit die aufschiebende Wirkung zuerkannt, als die Begutachtung der Beschwerdeführerin durch die Beschwerdegegner 1 und 2 während der Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens zu unterbleiben hat. 
Am 7. August 2023 wurde den Parteien mitgeteilt, dass aufgrund einer internen Reorganisation des Bundesgerichts die Beschwerde neu durch die II. strafrechtliche Abteilung behandelt werde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Anfechtungsgegenstand ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über ein Ausstandsbegehren gegen zwei Sachverständige. Dagegen ist die Beschwerde grundsätzlich zulässig (Art. 80 Abs. 2 und Art. 92 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 lit. b StPO). Die Beschwerdeführerin ist als Privatklägerin ungeachtet der Legitimationsvoraussetzungen von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zur Beschwerde berechtigt, rügt sie doch mit dem Verstoss gegen die Ausstandsregeln eine Verletzung von Verfahrensrechten, die einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt (sog. "Star-Praxis"; siehe BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 5 mit Hinweisen; Urteil 1B_315/2020 vom 23. September 2020 E. 1). Da auch die übrigen Sachurteils-voraussetzungen erfüllt sind, ist mit Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen auf die Beschwerde einzutreten.  
 
1.2. Die Beschwerde ist nur im Rahmen des Streitgegenstands zulässig. Dieser wird durch das Anfechtungsobjekt, d.h. den angefochtenen Entscheid, und die Parteibegehren bestimmt, wobei der angefochtene Entscheid den möglichen Streitgegenstand thematisch begrenzt (BGE 142 I 155 E. 4.4.2 mit Hinweisen). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens kann somit nur die Frage bilden, ob die Vorinstanz das Ausstandsbegehren gegen die Beschwerdegegner 1 und 2 zu Recht abgewiesen hat. Auf die darüber hinausgehenden Rügen und Anträge, namentlich jene betreffend die Frage, ob die psychiatrische Begutachtung der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall durch einen ausserkantonalen Sachverständigen, ausserhalb des Kantons Wallis und in deutscher Sprache durchzuführen ist, ist daher nicht einzutreten, auch wenn sie von der nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin unter dem Titel des Ausstands erhoben bzw. gestellt werden.  
 
1.3. Nicht einzutreten ist schliesslich auf alle Vorbringen, die Tatsachen betreffen, welche sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereignet haben (vgl. Art. 99 BGG). Hierbei handelt es sich um unzulässige echte Noven (siehe zum Novenrecht vor Bundesgericht: BGE 143 V 19 E. 1.2).  
 
2.  
 
2.1. Für Sachverständige gelten laut Art. 183 Abs. 3 StPO die Ausstandsgründe nach Art. 56 StPO. Gemäss Art. 56 lit. a StPO tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand, wenn sie in der Sache ein persönliches Interesse hat. Erfasst werden sämtliche direkten und indirekten Interessen, seien sie tatsächlicher, etwa finanzieller, oder ideeller Natur. Soweit nur eine indirekte bzw. mittelbare Betroffenheit vorliegt, muss die Person jedenfalls so intensiv tangiert sein, dass eine ernsthafte Gefahr der Unsachlichkeit besteht. Erforderlich ist eine spürbare persönliche Beziehungsnähe zum Streitgegenstand (vgl. BGE 140 III 221 E. 4.2; Urteil 1B_601/2022 vom 31. Januar 2023 E. 3.2). Gemäss Art. 56 lit. f StPO tritt eine sachverständige Person ebenfalls in den Ausstand, wenn sie aus anderen als den in lit. a-e genannten Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte. Das Erfordernis der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Sachverständigen ergibt sich verfassungsrechtlich aus Art. 29 Abs. 1 BV und deckt sich inhaltlich mit dem aus Art. 30 Abs. 1 BV fliessenden Anspruch auf einen unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter (BGE 148 V 225 E. 3.4; Urteil 1B_165/2022 vom 31. August 2022 E. 2.3; 1B_512/2020 vom 23. Dezember 2020 E. 3.3).  
 
2.2. Ein Ausstandsgrund im Sinne dieser Bestimmungen wird nach der Rechtsprechung angenommen, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit des Sachverständigen begründen. Dies wird bei Umständen bejaht, die geeignet sind, Misstrauen in dessen Unparteilichkeit zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des Experten oder in gewissen äusseren Gegebenheiten (funktioneller und organisatorischer Natur) liegen. Bei der Beurteilung entsprechender Gegebenheiten ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in sachlich-objektivierter Weise begründet erscheinen. Es genügt allerdings, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit erwecken; für den Ausstand wird nicht verlangt, dass der Sachverständige tatsächlich befangen ist (siehe BGE 141 IV 34 E. 5.2; Urteil 1B_551/2019 vom 19. August 2020 E. 4.3; je mit Hinweisen).  
 
2.3. Die Beschwerdeführerin erblickt die Befangenheit der mit ihrer psychiatrischen Begutachtung beauftragten Beschwerdegegner 1 und 2 darin, dass der im Hauptverfahren beschuldigte Beschwerdegegner 3 für die xx-Partei Mitglied des Grossrats des Kantons Wallis ist. In dieser Funktion nehme er Einsitz in der Kommission für Gesundheit, Sozialwesen und Integration, welcher die Oberaufsicht über das Spital Wallis mit Sitz in Sion zukomme. Aufgrund dieser Konstellation stünden die beim Spital Wallis tätigen Beschwerdegegner 1 und 2 in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Beschwerdegegner 3, was einen Befangenheitsgrund darstelle. Schliesslich sei der Beschwerdegegner 3 aufgrund seines politischen Amts im ganzen Kanton gut vernetzt und kenne namentlich den für die Aufsicht des Spitals Wallis zuständigen Staatsrat und darüber hinaus auch einen Verwaltungsrat des Spitals Wallis, was das Abhängigkeitsverhältnis der Beschwerdegegner 1 und 2 ihm gegenüber zusätzlich verstärke.  
 
2.4. Diese Vorbringen begründen keinen der in Art. 56 lit. a-f StPO normierten Ausstandsgründe.  
 
2.4.1. Aufgrund des politischen Amts des Beschwerdegegners 3 kann nicht auf eine Befangenheit der beim Spital Wallis tätigen Beschwerdegegner 1 und 2 geschlossen werden. Die Vorinstanz legt in Auseinandersetzung mit den kantonalrechtlichen Grundlagen detailliert dar, dass es sich beim Spital Wallis um eine öffentlich-rechtliche Anstalt handle, deren oberstes Leitungsorgan der Verwaltungsrat sei. Dieser werde vom Staatsrat ernannt, der seinerseits die Aufsicht über das Spital Wallis ausübe. Dem grossen Rat, dem der Beschwerdegegner 3 angehöre, komme lediglich die Oberaufsicht zu. Diese beschränke sich indessen weitgehend auf die Überprüfung der jeweiligen Jahresberichte.  
Da sich die Beschwerdeführerin nicht zu den kantonalrechtlichen Bestimmungen äussert und das Bundesgericht deren Auslegung und Anwendung ohnehin nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür prüfen kann (BGE 141 IV 305 E. 1.2; 138 IV 13 E. 2), ist auf die vorinstanzlichen Erwägungen zu den Zuständigkeiten des Grossen Rats im Zusammenhang mit dem Spital Wallis abzustellen. Infolgedessen verletzt es auch kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz festhält, aufgrund der kantonalrechtlichen Zuständigkeiten habe der Beschwerdegegner 3 als einzelnes Mitglied des Grossen Rats keinerlei direkten oder indirekten Weisungsbefugnisse gegenüber den Beschwerdegegnern 1 und 2 und somit auch keinen Einfluss auf ihre Karrieremöglichkeiten. Anzeichen für irgendein Abhängigkeitsverhältnis der Beschwerdegegner 1 und 2 gegenüber dem Beschwerdegegner 3 aufgrund seines Amts als Grossrat, das einen Befangenheitsgrund im Sinne von Art. 56 lit. f begründen könnte, sind damit nicht ersichtlich. 
 
2.4.2. Ferner begründet auch der Umstand, dass der Beschwerdegegner 3 den für die Aufsicht des Spitals Wallis zuständigen Staatsrat aus einer früheren Verbandstätigkeit zu kennen scheint, keinen Ausstandsgrund der Beschwerdegegner 1 und 2. Einerseits bestünde das von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Näheverhältnis wiederum nur zwischen dem Beschwerdegegner 3 und dem Staatsrat, nicht aber gegenüber den Beschwerdegegnern 1 und 2. Andererseits begründet die Zugehörigkeit zum gleichen Verband oder zur gleichen politischen Partei für sich allein noch keinen objektiven Anschein einer Befangenheit (siehe Urteile 1B_82/2018 vom 3. Mai 2018 E. 4; 1B_537/2012 vom 28. September 2012 E. 3.3). Kein Ausstandsgrund der Beschwerdegegner 1 und 2 stellt somit auch der Umstand dar, dass ein Mitglied des Verwaltungsrats des Spitals Wallis die gleiche politische Parteizugehörigkeit wie der Beschwerdegegner 3 hat und sie deshalb seit mehreren Jahren ein kameradschaftliches Verhältnis zu pflegen scheinen. Auch insoweit kann aufgrund der Vorbringen der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht auf eine besonders enge persönliche Beziehung zwischen dem Beschwerdegegner 3 und dem Verwaltungsratsmitglied geschlossen werden.  
 
2.4.3. Die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin erschöpfen sich in appellatorischer Kritik und haben im vorliegenden Zusammenhang keine über das bereits Dargelegte hinausgehende selbstständige Bedeutung. Namentlich ist nicht ersichtlich, inwiefern gestützt auf ein allfälliges Näheverhältnis des Beschwerdegegners 3 zu den Leitungsorganen der IV-Stelle Wallis ein Befangenheitsgrund bei den Beschwerdegegnern 1 und 2 begründet werden sollte, besteht zwischen diesen und der IV-Stelle doch - soweit ersichtlich - kein Beschäftigungsverhältnis.  
 
2.5. Zusammengefasst liegen bei objektiver Betrachtungsweise keine Umstände vor, die den Anschein der Voreingenommenheit der Beschwerdegegner 1 und 2 begründen würden.  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. In Bezug auf die Kostenfolgen verkennt die Beschwerdeführerin, dass sich Art. 30 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5) nur auf Verfahren betreffend die von den Beratungsstellen erbrachten Leistungen sowie die Entschädigung und Genugtuung nach Art. 19 ff. OHG bezieht. In anderen Verfahren im Zusammenhang mit der Straftat, wie etwa das vorliegende Ausstandsverfahren, gilt die in Art. 30 Abs. 1 OHG statuierte Kostenfreiheit nicht (siehe BGE 141 IV 262 E. 2.2; Urteil 6B_629/2022 vom 14. März 2023 E. 4.2). Damit wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG) und hat dem anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner 3 eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Beschwerdegegner 1 und 2 haben keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner 3 eine Parteientschädigung von Fr. 500.-- auszurichten. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis und dem Kantonsgericht des Kantons Wallis, Einzelrichter der Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Februar 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn