Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4C.6/2006 /ruo
Urteil vom 27. März 2006
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Mazan.
Parteien
A.________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Ryhner-Seebeck,
gegen
B.________,
Kläger und Berufungsbeklagten,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt Brunner.
Gegenstand
Arbeitsvertrag; Gratifikation,
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des
Kantons Glarus vom 18. November 2005.
Sachverhalt:
A.
B.________ (Kläger) arbeitete während 37 Jahren bei der A.________ AG mit Sitz in X.________ (Beklagte). Der Kläger war namhafter Aktionär der Beklagten und war als Delegierter des Verwaltungsrates bis zum 21. Juni 2001 für deren Gesamtleitung verantwortlich. Der Kläger hatte von der Beklagten die folgenden Beträge als Lohn und Gratifikationen bezogen:
1987 Lohn: Fr. 110'400.-- Gratifikation: Fr. 60'000.--
1988 Lohn: Fr. 115'000.-- Gratifikation: Fr. 70'150.--
1989 Lohn: Fr. 123'080.-- Gratifikation: Fr. 60'000.--
1990 Lohn: Fr. 126'120.-- Gratifikation: Fr. 60'000.--
1991 Lohn: Fr. 136'254.-- Gratifikation: Fr. 65'000.--
1992 Lohn: Fr. 139'080.-- Gratifikation: Fr. 65'000.--
1993 Lohn: Fr. 153'540.-- Gratifikation: Fr. 65'000.--
1994 Lohn: Fr. 185'100.-- Gratifikation: Fr. 30'000.--
1995 Lohn: Fr. 185'840.-- Gratifikation: Fr. 35'000.--
1996 Lohn: Fr. 184'680.-- Gratifikation: Fr. 35'000.--
1997 Lohn: Fr. 186'000.-- Gratifikation: Fr. 76'000.--
1998 Lohn: Fr. 186'600.-- Gratifikation: Fr. 65'000.--
1999 Lohn: Fr. 186'600.-- Gratifikation: Fr. 101'000.--
2000 Lohn: Fr. 200'400.-- Gratifikation: Fr. 70'000.--
Seit dem Jahre 1993 war in der Gratifikation ein Verwaltungsratshonorar von Fr. 7'500.-- mitenthalten. Über 14 Jahre lang galt zwischen den Parteien die jährliche Gratifikation als stillschweigend vereinbart. Die ununterbrochene Auszahlung der Gratifikation wurde nie an den Vorbehalt der Freiwilligkeit geknüpft.
Am 21. Juni 2001 wurde der Kläger von seinen Funktionen als CEO und Verwaltungsrat entbunden, wobei das Anstellungsverhältnis formell erst per Ende 2001 aufgehoben wurde. Die Summe der im Jahre 2001 angefallenen und ausbezahlten Monatsgehälter belief sich auf Fr. 181'052.-- und enthält nach übereinstimmender Auffassung der Parteien keine Gratifikation. An seiner Sitzung vom 12. September 2001 hat der Verwaltungsrat der Beklagten beschlossen, dem Kläger eine per 1. Januar 2002 auszahlbare Abgangsentschädigung von Fr. 311'126.-- zu entrichten, um dessen langjährige Dienste zu würdigen. Dieser Betrag setzte sich gemäss Schreiben vom 13. November 2001 wie folgt zusammen:
"Grundlohn inkl. Grati + VR-Honorar Fr. 252'870.--
Pauschalspesen (x12) Fr. 8'400.--
Spezialprämie 1 Fr. 10'000.--
Spezialprämie 2 Fr. 13'228.--
A.________ France Fr. 26'628.--
Total ohne Sozialabzüge Fr. 311'126.--"
In der Folge weigerte sich die Beklagte, dem Kläger für das Jahr 2001 eine Gratifikation zu entrichten, mit dem Hinweis darauf, dass diese bereits mit der Abgangsentschädigung in der Höhe von Fr. 311'126.-- abgegolten worden sei.
B.
Mit Eingabe vom 13. Dezember 2001 belangte der Kläger die Beklagte vor dem Kantonsgericht Glarus auf Nachzahlung von Fr. 70'000.-- zuzüglich Zins von 5% seit 1. Januar 2002 als Gratifikation für das Jahr 2001. Mit Urteil vom 21. August 2003 wies das Kantonsgericht die Klage ab.
Dagegen erhob der Kläger Berufung ans Obergericht des Kantons Glarus. Mit Urteil vom 18. November 2005 hiess das Obergericht die Berufung teilweise gut, hob das angefochtene Urteil auf und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger Fr. 46'700.-- brutto zuzüglich 5% Zins seit 1. Januar 2002 zu bezahlen.
C.
Mit Berufung vom 7. Januar 2006 beantragt die Beklagte dem Bundesgericht im Wesentlichen, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Glarus vom 18. November 2005 sei aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und das Obergericht des Kantons Glarus beantragen die Abweisung der Berufung.
D.
Mit Urteil vom heutigen Tag hat das Bundesgericht eine gleichzeitig erhobene staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten bis Ende 2001 gedauert habe, dass dem Kläger der ihm zustehende Lohn bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ausbezahlt worden sei und dass er auch Anspruch auf eine Gratifikation gehabt habe. Über diese unbestrittenen Voraussetzungen hinaus hat die Vorinstanz angenommen, der Gratifikationsanspruch des Klägers sei nicht mit der ihm ausbezahlten Abgangsentschädigung abgegolten worden. Diese sei zur Würdigung der langjährigen Verdienste des Klägers entrichtet worden, ohne dass hierfür eine arbeitsvertragliche Verpflichtung bestanden habe. Die Abgangsentschädigung sei somit als Austrittsgeschenk anzusehen. Demzufolge habe die für 2001 geschuldete Gratifikation, die sich - im Gegensatz zur Abgangsentschädigung - auf eine Vertragsabrede stütze, nicht durch die schenkungshalber erfolgte Abgangsentschädigung abgegolten werden können. Daran ändere nichts, dass man zur Berechnung der Abgangsentschädigung zum einen am Grundlohn, an der Gratifikation und am Verwaltungsratshonorar Mass genommen und zum andern weitere Zulagen mitberücksichtigt habe.
1.2 Die Beklagte macht geltend, die Vorinstanz habe Art. 239 ff. OR verletzt, indem sie die Abgangsentschädigung als Schenkung qualifiziert habe. Die Abgangsentschädigung sei nämlich nicht ohne Gegenleistung erfolgt, sondern in Würdigung der langjährigen Verdienste des Klägers, nachdem auch C.________ - ebenfalls in Würdigung langjähriger Verdienste - eine nach denselben Grundsätzen berechnete Abgangsentschädigung erhalten habe. Wäre die Abgangsentschädigung ohne Gegenleistung entrichtet worden, wäre die Beklagte geschädigt worden. Überdies würden freiwillige Leistungen an einen Arbeitnehmer auch in der Lehre gerade nicht als Schenkung qualifiziert.
1.3 Diese Rüge ist unbegründet. Die Beklagte übersieht, dass es letzten Endes gar nicht um die Frage geht, ob die Abgangsentschädigung als Schenkung zu qualifizieren ist. Nachdem dem Kläger der Lohn für 2001, nicht jedoch die vorher regelmässig und vorbehaltlos geleistete und damit geschuldete Gratifikation (BGE 129 III 276 E. 2 S. 278) ausbezahlt worden war, ist lediglich die Frage zu prüfen, ob der Kläger nach Treu und Glauben die Abgangsentschädigung als Abgeltung der Gratifikation ansehen durfte und musste. In diesem Zusammenhang ist die Beklagte bei ihrem Zugeständnis zu behaften, dass die Abgangsentschädigung auf Freiwilligkeit beruhte. Das hat auch die Vorinstanz festgestellt und daraus den zutreffenden Schluss gezogen, dass die freiwillig geleistete Abgangsentschädigung nicht als Abgeltung der auf stillschweigender Abrede und auf einem arbeitsvertraglichen Anspruch beruhenden Jahresgratifikation verstanden werden durfte und musste. Die freiwillige Abgangsentschädigung hatte zudem eine andere Funktion als die Jahresgratifikation, indem sie die Würdigung langjähriger Verdienste bezweckte und demnach als "Abschiedsgeschenk" Einmaligkeitscharakter hatte. Daran ändert nichts, dass sich beide Entschädigungsformen auf geleistete Dienste bezogen. Die Abgangsentschädigung wurde aber zusätzlich zu allen in den Vorjahren geleisteten Gratifikationen ausbezahlt und es ist nicht einzusehen, weshalb sie nicht auch als zusätzliche Leistung zur Jahresgratifikation für 2001 zu verstehen war. Selbst die Beklagte vermag keine Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass auf eine Doppelfunktion der Abgangsentschädigung zu schliessen war. Demnach hat die Vorinstanz im Ergebnis bundesrechtskonform erwogen, mit der dem Kläger entrichteten Abgangsentschädigung sei nicht die Jahresgratifikation 2001 abgegolten worden. Unter diesen Umständen erübrigt es sich, auf die juristische Qualifikation der Abgangsentschädigung einzugehen (vgl. dazu Jürg Emil Egli, L'indemnité de départ dans le contrat de travail, thèse Lausanne 1979, S. 51 ff.). Unabhängig von der Qualifikation der Abgangsentschädigung musste der Kläger nach Treu und Glauben nicht davon ausgehen, dass mit dieser Zahlung die unbestritten geschuldete Jahresgratifikation 2001 getilgt wurde. Diese bleibt somit in der von der Vorinstanz festgelegten Höhe geschuldet, zumal die Beklagte davon abgesehen hat, die Festsetzung der Höhe der Jahresgratifikation mit einem Eventualbegehren anzufechten.
2.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beklagte kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird der Beklagten auferlegt.
3.
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Glarus schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. März 2006
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: